Entscheidungsdatum
18.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I419 2161113-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. TUNESIEN alias LIBYEN, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht:
A) 1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I, II, V und VII des
angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
2. In Erledigung der Beschwerde werden die bekämpften Spruchpunkte
IV und VI gemäß § 59 Abs. 5 und § 53 Abs. 1 FPG behoben.
3. Die Beschwerde wird betreffend Spruchpunkt III mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat: "III. Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 29.01.2019 in Schubhaft genommen einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Er habe viele Probleme und viele Schulden im angeblichen Herkunftsstaat Libyen, die er nicht zurückzahlen könne, sowie private Probleme. Später einvernommen ergänzte er, aus Tripolis zu stammen und zusammen mit seinem Vater und einem Partner bis zur Ausreise 2009 als Schlepper tätig gewesen zu sein. Am Ende hätten er und der Partner von 60 bis 70 Menschen Geld kassiert und seien damit geflohen, ohne die bezahlte Schleppung durchzuführen. Vor diesen Leuten habe er nun Angst, und das sei auch sein Fluchtgrund.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag betreffend die Status des Asyl- (Spruchpunkt I) sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Tunesien (Spruchpunkt II) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" (Spruchpunkt III), erließ wider ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und stellte fest, dass dessen Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt V).
Zugleich verhängte das BFA ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI), aberkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung und stellte fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII).
Beschwerdehalber wird gerügt, dass der Beschwerdeführer entgegen den Feststellungen nicht die Staatsangehörigkeit Tunesiens habe, sondern Libyer sei. In Libyen habe er viele Menschen betrogen, weshalb die erhebliche Gefahr bestehe, dass diese sich rächen wollten. Gegen diese Bedrohung des Beschwerdeführers sei Libyen nicht schutzfähig und -willig.
In Österreich habe er mit seiner Lebensgefährtin zwei gemeinsame minderjährige Kinder, und die Rückkehrentscheidung sei wegen der familiären Bindung unzulässig, der keine solche in Libyen gegenüberstehe. Die Dauer des Einreiseverbots sei nicht begründet, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung unnötig und unverhältnismäßig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Tunesiens, ledig, gesund und arbeitsfähig. Er ist Araber sunnitischen Glaubens, hat eine siebenjährige Schul- und eine Ausbildung zum Friseur, dessen Beruf er auch ausgeübt hat, sowie Praxis als Arbeiter. Im Herkunftsstaat leben seine Eltern, ca. 60 und ca. 40-50 Jahre alt, sowie zwei Halbschwestern. Er hat dort auch viele Freunde.
Seine Identität steht nicht fest. Außer Arabisch spricht er auch Englisch sowie ein wenig Deutsch, Italienisch, Französisch und Ungarisch. Einen Sprachnachweis hat er nicht erbracht.
Er wurde am 07.02.2013 nach illegaler Einreise angehalten und auf Anordnung der BH Innsbruck nach Italien zurückgeschoben. Die LPD Tirol erließ am 02.08.2013 eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot gegen ihn.
Trotz dieses Einreiseverbots reiste er neuerlich nach Österreich ein und stellte 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, der im selben Jahr rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Dabei führte er aus, seine Mutter sei eine (damals) ca. 38-jährige tunesische Staatsangehörige und mit seinem Vater zerstritten, der in Libyen im Gefängnis sei, und ihm drohte man, weil dieser für Gaddafi gekämpft habe.
Vorangegangen waren 2011 bis 2013 insgesamt vier Asylanträge des Beschwerdeführers in der Schweiz, Schweden und Norwegen.
Am 17.10.2014 und 10.03.2015 wurde er jeweils nach Italien abgeschoben und kehrte danach zurück.
Einen Bescheid vom 09.05.2017, mit dem das BFA wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erließ und feststellte, dass eine Abschiebung nach Libyen zulässig sei, hat dieses Gericht behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids zurückverwiesen.
Das BFA erließ am 07.05.2018 eine neue Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers - ohne Nennung eines Zielstaats - fest und erließ ein auf sechs Jahre befristetes Einreiseverbot. Für die Ausreise wurde keine Frist gewährt. Das BFA begründete, der Herkunftsstaat habe bis dato nicht festgestellt werden können. Dieser Bescheid wurde hinterlegt und mit 05.06.2018 rechtskräftig.
Gegen den Beschwerdeführer besteht ein von Italien erlassenes Einreise- und Aufenthaltsverbot im Schengengebiet.
Er ist Vater einer 2016 geborenen Tochter und eines 2018 geborenen Sohns seiner 42-jährigen Lebensgefährtin, welche alle drei Staatsangehörige Ungarns sind und Anmeldebescheinigungen aufgrund unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts innehaben, und wohnte und wohnt mit diesen von Mai 2017 bis Jänner 2018 sowie seit 18.02.2019 im gemeinsamen Haushalt.
Der Beschwerdeführer wurde wie folgt rechtskräftig verurteilt:
-
vom LGS XXXX am 10.12.2014 wegen des Verbrechens des versuchten Einbruchsdiebstahls sowie wegen der Vergehen des versuchten gewerbsmäßigen Unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und des Unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zum persönlichen Gebrauch zu 9 Monaten Freiheitsstrafe, von denen 8 bedingt nachgesehen wurden, wobei das Datum der letzten Tat mit 09.10.2014 festgestellt wurde, und
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am 16.06.2016 wegen des Verbrechens des Einbruchsdiebstahls sowie des Vergehens des schweren Diebstahls zu 12 Monaten Freiheitsstrafe, wobei die Probezeit der Vorstrafe auf 5 Jahre verlängert und das Datum der letzten Tat mit 25.12.2014 festgestellt wurde,
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vom BG XXXX am 10.04.2019 wegen des Vergehens des Diebstahls zu 10 Wochen bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe, wobei das Datum der letzten Tat mit 09.12.2018 festgestellt wurde, sowie
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vom LG XXXX am 09.05.2019 wegen der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 6 Monaten und einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen, weil er in der Zeit von 22. bis 24.02.2019 eine gefundene Bankomatkarte behielt und mit deren berührungsloser Zahlfunktion zweimal Zigaretten an einem Automaten für zusammen €
44,-- kaufte, wobei als erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen, zwei einschlägige Vorstrafen und das Vorliegen der Voraussetzungen des um die Hälfte erhöhten Strafmaßes berücksichtigt wurden, als mildernd dagegen kein Umstand.
Betreffend die fehlenden Diversionsvoraussetzungen hat das LG XXXX dabei festgehalten, es liege eine schwere Schuld vor, weil ein hoher Gesinnungsunwert - "Verwerflichkeit der inneren Einstellung des Angeklagten" - gegeben sei, und der Angeklagte nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht oder eine teilweise Verantwortungsübernahme gezeigt habe sowie bereits mehrfach oder kurz zurückliegend einschlägig kriminell in Erscheinung getreten war.
Der Beschwerdeführer weist außerhalb von Anhalte- und Justizeinrichtungen erst seit Mai 2017 gemeldete Wohnsitze auf, und zwar die festgestellten mit seiner Lebensgefährtin. Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und geht keiner erlaubten Arbeit nach.
Im Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ist im Vergleich zum Zeitpunkt der vorangegangenen Rückkehrentscheidung die - damals absehbare - Geburt des Sohnes festzustellen, aber keine sonstige Änderung der Umstände, die für seine Integration sprechen.
1.2 Zur Situation im Herkunftsstaat:
Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Tunesien auf dem Stand von 15.10.2018 zitiert. Im Beschwerdeverfahren sind auch keine Änderungen dieser entscheidenden Sachverhaltselemente bekannt geworden. Im gegebenen Zusammenhang sind daher mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Rechtsschutz / Justizwesen
Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018, AA 23.4.2018). Im Allgemeinen respektiert die Regierung die richterliche Unabhängigkeit auch in der Praxis (USDOS 20.4.2018). Allerdings schreitet die Justizreform seit der Revolution nur langsam voran (FH 1.2018; vgl. AA 23.4.2018). Der Oberste Justizrat konnte seine Arbeit als neues Selbstverwaltungsorgan der Justiz erst aufnehmen, nachdem eine Gesetzesänderung die internen Konflikte der Richterschaft neutralisiert hatte. Als nächster Schritt soll die Konstituierung eines ordentlichen Verfassungsgerichts erfolgen; bislang wacht eine provisorische Instanz über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen vor ihrem Inkrafttreten (AA 23.4.2018).
Auch weiterhin finden sich zahlreiche Richter aus der Ben-Ali-Ära auf der Richterbank, und aufeinander folgende Regierungen versuchen regelmäßig, die Gerichte zu manipulieren. Mit den 2016 verabschiedeten Rechtsvorschriften wurde der Oberste Justizrat eingesetzt, der für die Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz und die Ernennung der Richter des Verfassungsgerichts zuständig ist. Die Ratsmitglieder wurden im Oktober 2016 von Tausenden von Juristen gewählt. Das Gericht, das die Verfassungsmäßigkeit von Dekreten und Gesetzen bewerten soll, wurde jedoch weder eingerichtet noch formell ernannt (FH 1.2018).
Gesetzlich ist ein faires Verfahren vorgesehen, und die unabhängige Justiz gewährleistet dieses üblicherweise auch in der Praxis. Gemäß Angeklagten sind die gesetzlich garantierten Rechte nicht immer gewährleistet. Es gilt die Unschuldsvermutung. Angeklagte haben das Recht auf einen öffentlichen Prozess sowie auf einen Anwalt, der nötigenfalls aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden muss. Sie haben das Recht, zu Zeugenaussagen Stellung zu nehmen und eigene Zeugen aufzurufen. Sie müssen in Beweismittel Einsicht nehmen können und müssen über die gegen sie erhobenen Anklagepunkte informiert werden. Des Weiteren muss ihnen ausreichend Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung gewährt werden (USDOS 20.4.2018).
Der bereits mehrfach verlängerte Ausnahmezustand, der im Jahr 2015 verhängt worden war, gibt der Polizei ein breites Mandat für Verhaftungen und Inhaftierungen bei sicherheits- oder terrorismusbezogenen Verdachtsfällen (FH 1.2018; vgl. ÖB 10.2017).
1.2.2 Sicherheitsbehörden
Dem Innenministerium untersteht die Polizei (Exekutivfunktion in Städten) und die Nationalgarde bzw. Gendarmerie (Exekutivfunktion in ländlichen Gebieten und Grenzsicherung). Zivile Behörden kontrollieren den Sicherheitsapparat, wiewohl es gemäß NGOs vereinzelt zu Misshandlungen von Häftlingen kommt (USDOS 20.4.2018; vgl. GIZ 6.2018a). Es mangelt an effektiven Strafverfolgungs- und Strafmechanismen bei Vergehen seitens der Sicherheitskräfte, und diesbezügliche interne Untersuchungen sind von einem Mangel an Transparenz geprägt (USDOS 20.4.2018).
Der Sicherheitsapparat war unter dem Ben Ali-Regime allgegenwärtig und sicherte dessen Machterhalt. Die Rolle der Sicherheitskräfte während des Umsturzes, aber teilweise auch bei gewaltsam aufgelösten Demonstrationen gegen die ersten beiden Interimsregierungen im Frühjahr 2011, vertieften den Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber den Sicherheitsorganen, insbesondere der Polizei und den Sondereinheiten des Innenministeriums. Die Kluft zwischen Innenbehörden und Bevölkerung konnte auch durch die Auflösung der Geheimpolizei ("police politique"), die Symbol der staatlichen Repression war, nicht wieder geschlossen werden. Die Demonstranten forderten u.a. den Austausch von führenden Mitarbeitern im Innenministerium. Diese Forderung wurde zunächst nicht im erhofften Maße umgesetzt. Erst mit einiger Verspätung zog das Innenministerium personelle Konsequenzen und Verantwortliche auf verschiedenen Ebenen wurden umgesetzt, entlassen oder in den Vorruhestand versetzt. Eine von allen internationalen Partnern für notwendig erachtete umfassende Reorganisation des tunesischen Innenministeriums einschließlich der nachgeordneten Behörden wurde bislang noch nicht angegangen, es wurde aber im Sommer 2015 ein internationaler Kooperationsmechanismus etabliert, der zu mehr Transparenz und Koordination der Unterstützung führte (AA 23.4.2018).
Das Militär genießt aufgrund seiner zurückhaltenden Rolle während der Revolution 2011 ein sehr hohes Ansehen in der Bevölkerung, welches bis dato anhält. So besagen Umfragen aus September 2016, dass 98,5% der Bevölkerung Vertrauen in die Armee haben. Durch die derzeit starke Einbindung des Militärs in den Antiterrorkampf als auch bei der Sicherung der Grenzen (so ist z.B. der Süden Tunesiens militärische Sperrzone) ist das Militär nach wie vor wichtiger Stützpfeiler der äußeren aber auch der inneren Sicherheit (AA 23.4.2018).
1.2.3 Rückkehr
Soweit bekannt, werden zurückgeführte tunesische Staatsangehörige nach Übernahme durch die tunesische Grenzpolizei einzeln befragt und es erfolgt ein Abgleich mit den örtlichen erkennungsdienstlichen Registern. Sofern keine innerstaatlichen strafrechtlich relevanten Erkenntnisse vorliegen, erfolgt anschließend eine reguläre Einreise. Hinweise darauf, dass, wie früher üblich, den Rückgeführten nach Einreise der Pass entzogen und erst nach langer Wartezeit wieder ausgehändigt wird, liegen nicht vor. An der zugrundeliegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in § 35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: "Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 und 120 DT (ca. 15 bzw. 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln." Soweit bekannt, wurden im Jahr 2017 ausschließlich Geldstrafen verhängt. Die im Gesetz aufgeführten Strafen kommen nicht zur Anwendung bei Personen, die das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten (AA 23.4.2018).
Eine "Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie" wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. "Bulletin Numéro 3") beantragt werden (AA 23.4.2018).
Seit der Revolution 2011 sind tausende Tunesier illegal emigriert. Vor allem junge Tunesier haben nach der Revolution das Land verlassen, kehren nun teilweise zurück und finden so gut wie keine staatliche Unterstützung zur Reintegration. Eine kontinuierliche Quelle der Spannung ist die Diskrepanz zwischen starkem Migrationsdruck und limitierten legalen Migrationskanälen. Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Sowohl IOM als auch UNHCR übernehmen die Registrierung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Tunesien. Finanzielle Hilfe dafür kommt hauptsächlich von der EU, sowie aus humanitären Programmen der Schweiz und Norwegens. Die Schweiz ist dabei einer der größten Geber und verfügt über 2 Entwicklungshilfebüros vor Ort. Wesentlich für eine erfolgreiche Reintegration ist es, rückkehrenden Migranten zu ermöglichen, eine Lebensgrundlage aufzubauen. Rückkehrprojekte umfassen z.B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben, oder im Bereich der Landwirtschaft. Als zweite Institution ist das ICMPD seit 2015 offizieller Partner in Tunesien im Rahmen des sog. "Dialog Süd" - Programms (EUROMED Migrationsprogramm) (ÖB 10.2017).
1.3 Zum Fluchtvorbringen
Tunesien ist nach § 1 Z. 11 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Im angefochtenen Bescheid wurde darauf und auf das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Herkunftsstaat verwiesen, aus dessen aktueller Version soeben unter
1.2 zitiert wurde.
Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat aus nicht asylrelevanten Gründen verlassen. Es kann nicht festgestellt werden, dass er dort aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer auch nur unterstellten politischen Gesinnung verfolgt wurde oder verfolgt werden würde.
Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass er als Schlepper tätig gewesen wäre und zahlenden Kunden die Passagen vorenthalten sowie deren Fuhrlohn für sich behalten und deswegen jetzt deren Rache zu fürchten hätte. Gegen eine solche - nicht festgestellte - drohende private Verfolgung wäre der Herkunftsstaat jedoch schutzwillig und -fähig.
Eine nach Tunesien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
2. Beweiswürdigung:
Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen zusammengefasst (S. 24 ff, 40 ff des Bescheids). Der Beschwerde ist nichts zu entnehmen, was diese infrage stellen würde.
2.1 Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des BFA und des vorliegenden Gerichtsakts. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
Einsicht genommen wurde ferner in den Beschluss dieses Gerichts I419 2161113-1/6E sowie den Bescheid des BFA vom 07.05.2018, XXXX samt Beurkundung seiner Hinterlegung vom selben Tag.
2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Herkunft, seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Ausbildung und Berufspraxis gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Da der Beschwerdeführer keine unbedenklichen Urkunden vorgelegt hat, steht seine Identität nicht fest.
Betreffend seine Staatsangehörigkeit hat das BFA angeführt, dass der Beschwerdeführer auch Alias-Identitäten als Tunesier hat (AS 290), und einen Sprachbefund eingeholt, dem sich entnehmen lässt, dass der Sprachhintergrund des Beschwerdeführers mit hoher Wahrscheinlichkeit in Tunesien liegt, dagegen nur mit geringer in Libyen (AS 243). Dieser Befund beinhaltet eine Analyse (AS 245 ff), die nach den Gesetzen der Logik zu diesem Ergebnis führt.
Der Beschwerdeführer ist dem nicht auf fachlicher Ebene entgegengetreten, sondern hat vorgebracht, das BFA habe nicht ausreichend die Staatsangehörigkeit geprüft, weshalb es nicht zum richtigen Ergebnis gekommen sei, nämlich einer solchen Libyens.
Daraus ist nicht erkennbar, warum das BFA die hohe Wahrscheinlichkeit eines Sprachhintergrunds in Tunesien nicht seiner Beweiswürdigung zu Grunde legen sollte, und daraus auf eine andere als die Staatsangehörigkeit Tunesiens schließen hätte sollen. Im Zusammenhang damit ist auch auf die Einvernahme des Beschwerdeführers (AS 149, 159) zum Thema zu achten (an die der Bescheid auch anknüpft [S. 40 f, AS 306 f]). Aus diesen beiden Beweismitteln dann - im Wege über die Sozialisierung des Beschwerdeführers - indirekt auf die Staatsangehörigkeit zu schließen, liegt nahe und ist nachgerade geboten, wenn wie hier, mangels Mitwirkung, Urkunden oder Identifizierung durch eine der beiden Botschaften, andere Beweise nicht zur Verfügung stehen.
2.3 Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Tunesien samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstands, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen, sondern erklärte lediglich, dass er als Libyer keinesfalls nach Tunesien abgeschoben werden dürfe.
2.4 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat im Kern behauptet, er sei der Verfolgung durch seine verhinderten Fahrgäste ausgesetzt, die er als Schlepper um ihr Geld gebracht habe, indem er ihnen eine Passage versprach, die er nicht durchführte.
Wie das BFA bereits begründete, ist das Vorbringen unter anderem wegen der, den Behauptungen nach, lange zurückliegenden Vorfälle, des bereits 2014 gestellten (anders begründeten) Antrags und der in mehreren Staaten eingebrachten weiteren Anträge, ohne dass der Beschwerdeführer auf den Ausgang der Verfahren gewartet hätte, wenig glaubhaft (Bescheid S. 42 ff, AS 308 ff) und nicht geeignet, eine Verfolgung glaubhaft zu machen. Dem ist beizupflichten, auch was die Steigerung des Vorbringens von "Schuldenproblemen" auf drohendes Umbringen durch die Geprellten betrifft (AS 308 f).
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher - wie auch schon die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung oder Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Aus den Kapiteln Rechtsschutz / Justizwesen sowie Sicherheitsbehörden der Feststellungen lässt sich auch schließen, dass die Behörden des sicheren Herkunftsstaats Tunesien in einem Fall, wie ihn der Beschwerdeführer zu fürchten vorgibt, sowohl schutzwillig als auch -fähig sind.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde, Teilaufhebung, Teiländerung:
3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):
3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen, oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass die behauptete Verfolgung nicht einmal dann asylrelevante Intensität erreichen könnte, wäre sie feststellbar.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):
3.2.1 Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.
3.2.2 Das Beschwerdevorbringen beinhaltet keine Behauptung in die Richtung, der Beschwerdeführer sei unter diesen Aspekten im Fall der Rückkehr in Gefahr, auch nicht im Hinblick auf seinen angeblichen Herkunftsstaat Libyen. Angesichts der Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Gesundheit und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers hegt auch das Gericht keine derartigen Bedenken.
Es mag sein, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seiner Familie in Tunesien hat, ferner auch, dass er seit 2010 nicht mehr dort war, jedoch folgt daraus nicht, dass es dem Beschwerdeführer deshalb unmöglich wäre, eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.
3.2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.
Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch die Angehörigen des Beschwerdeführers unterbleibt, weil er arbeitsfähig ist, die dortige Sprache spricht und auch bereits gearbeitet hat. Inzwischen hat er Auslandsjahre aufzuweisen und war in mehreren Industriestaaten unterschiedlicher Sprachen, was den Wert seiner Arbeitskraft verbessert hat.
Er wird angesichts all dessen am heimatlichen Arbeitsmarkt Beschäftigung finden, wenn auch vielleicht nicht sofort qualifizierte Arbeit als Maler und Anstreicher, vielleicht auch nicht in seiner Heimatregion, so doch jedenfalls Tätigkeiten, die sein Auskommen ermöglichen.
Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.
3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt III):
Im Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war der Begründung zufolge (S. 53, AS 319) das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
Demnach war die Beschwerde auch betreffend den Spruchpunkt III - von der Richtigstellung abgesehen - abzuweisen
3.4 Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV):
Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.
Das gilt allerdings nach § 59 Abs. 5 FPG in Fällen, in denen gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, nur dann, wenn neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG hervorgekommen sind. Das ist nach der Rechtsprechung so zu verstehen, dass es nur dann einer wiederholten Rückkehrentscheidung bedarf, wenn aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen eine Neubemessung des bestehenden Einreiseverbotes erforderlich ist. (VwGH 13.02.2018, Ra 2017/18/0332; 16.12.2015, Ro 2015/21/0037 mwN)
Gegen den Beschwerdeführer besteht, wie festgestellt, bereits eine Rückkehrentscheidung. Nach Eintritt ihrer Rechtskraft hat er statt auszureisen seinen Aufenthalt unrechtmäßig fortgesetzt und in kurzer Zeit vier weitere Straftaten begangen. Das BFA ging davon aus, dass wegen dieser neuen Umstände das Einreiseverbot neu zu bemessen sei.
Damit wäre auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen.
Wie unter 3.6 näher begründet wird, geht das Gericht demgegenüber davon aus, dass ein Einreiseverbot in der bereits verhängten Dauer hinreicht, um der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung Rechnung zu tragen.
Dieser Auffassung gemäß hätte eine neuerliche Rückkehrentscheidung nicht ergehen müssen. Die Entscheidung über die dagegen erhobene Beschwerde hat allerdings in materieller Hinsicht zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer vor seinem unbegründeten Folgeantrag auf internationalen Schutz bereits auf Basis der bestehenden Rückkehrentscheidung zur Ausreise verpflichtet ist.
Daher ist nicht ersichtlich, in welcher Weise er durch die nunmehr ergangene neuerliche Rückkehrentscheidung beschwert wäre. Insofern war der Beschwerde gegen den Spruchpunkt IV nicht Folge zu geben, dieser aber aus Anlass der Beschwerde von Amts wegen aufzuheben, weil eine neuerliche Rückkehrentscheidung wegen der Aufhebung des vom BFA zugleich verhängten, längeren Einreiseverbots nicht dem Gesetz entspräche.
3.5 Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V)
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.
Letzteres war beim einschlägigen Ausspruch der Fall, der zugleich mit der 2018 wider den Beschwerdeführer erlassenen Rückkehrentscheidung erging, weil das BFA bis dahin sowohl von Libyen als auch von Tunesien negative Auskünfte erhalten hatte.
Es entspricht dem Willen des Gesetzgebers, dass im Sinne der Verfahrensökonomie rechtskräftige Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverbot gerade bei Folgeanträgen weiter als Rechtsgrundlage für die Außerlandesbringung dienen können. (VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0287)
Stellt sich entgegen der bisherigen Annahme nachträglich ein (anderer) Staat als Herkunftsstaat heraus, dann reicht die bereits ergangene Rückkehrentscheidung als Titel für die Abschiebung in diesen Staat aus, obwohl insoweit ein Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG fehlt. (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0348)
Demgemäß enthält Spruchpunkt V, der die bestehende Ausweisung durch Angabe eines Zielstaats präzisiert, einen trotz des Wegfalls von Spruchpunkt IV zulässigen Ausspruch, weil keine neue Rückkehrentscheidung dafür erforderlich war.
Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Tunesien einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre.
Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde, in seinem Leben bedroht, in seiner Unversehrtheit beeinträchtigt oder gar getötet zu werden.
Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Tunesien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Selbst die Beschwerde belässt es beim Vorbringen, der Beschwerdeführer habe - in Libyen - keine Bindungen mehr.
Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Tunesien zumindest notdürftig leben zu können.
Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich - auch ohne Vermögensdelikte - wirtschaftlich besser leben kann als im Herkunftsstaat, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem besteht in Tunesien keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.
Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass dort das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet.
Eine der Abschiebung nach Tunesien entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.
Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.
Die Beschwerde war daher betreffend den Spruchpunkt V abzuweisen.
3.6 Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt VI):
Nach § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, und zwar grundsätzlich für bis zu 10 Jahre. Als solche Tatsachen, die auch bei der Bemessung der Dauer zu berücksichtigen sind, nennt Abs. 3 Z. 1 die gerichtliche Verurteilung des Drittstaatsangehörigen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten, aber auch seine mehrfache Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen.
Basis des 2018 ergangenen und rechtskräftigen Einreiseverbots für sechs Jahre waren die Straftaten, die zu den Verurteilungen von 2014 (neun Monate, acht davon bedingt nachgesehen) und 2016 (zwölf Monate unbedingt) geführt hatten, und die aus dem Verhalten abzuleitende Gefahr, die vom Beschwerdeführer ausgeht. Nach den Feststellungen wurde dieser in beiden Urteilen wegen Einbruchsdiebstahls, im zweiten weiters wegen schweren Diebstahls bestraft. Die weiteren Punkte des ersten Schuldspruchs betrafen zwei Vergehen nach dem SMG.
Diese Verurteilungen des Beschwerdeführers erfüllten damit den genannten Tatbestand des FPG mehrfach: Zunächst zweifach wegen der verhängten Strafen, dann wegen des Rückfalls im Bereich der Vermögensdelikte.
Auf dieser Grundlage erging 2018 das Einreiseverbot gegen ihn für die Dauer von sechs Jahren. Zu berücksichtigen war dabei bereits, dass sein rascher Rückfall (im Dezember 2014) auf besondere Gefährlichkeit hinwies. (Vgl. VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0027)
Seither wurde der Beschwerdeführer wegen Diebstahls zu 10 Wochen bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe verurteilt, was den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z. 1 wegen des Rückfalls erfüllt, sowie zu sechs Monaten bedingt nachgesehener Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe, was den Tatbestand aus dem gleichen Grund sowie nochmals wegen der Strafhöhe erfüllt.
Es ist nicht zu verkennen, dass der Beschwerdeführer die Werte der österreichischen Rechtsordnung kaum verinnerlicht hat. Besonders wenig Respekt zeigte er vor fremdem Eigentum. Das Strafgericht hat ihm zuletzt eine verwerfliche innere Einstellung sowie Fehlen von Unrechtseinsicht und Verantwortungsübernahme attestiert.
Dennoch ist mit Blick auf die anderen Tatbestände des § 53 Abs. 3 FPG zu bemerken, dass ein Einreiseverbot bis zu zehn Jahren auch bei unbedingten Freiheitsstrafen über drei Jahre und als Reaktion auf andere Verhaltensweisen vorgesehen ist, von z. B. Zuhälterei (Z. 3) über öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten bis zur öffentlichen Werbung für und Gutheißung von terroristischen Taten und Kriegsverbrechen (bei Letzteren auch unbefristet).
Es liegt auf der Hand, dass der Beschwerdeführer mit den weiteren Straftaten das Gewicht der öffentlichen Interessen an seiner Ausreise verstärkte. Auch bei dieser Sachlage ist jedoch bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist, und außerdem auch auf die privaten und familiären Interessen des Drittstaatsangehörigen Bedacht zu nehmen. (Vgl. VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237)
Diese privaten und familiären Interessen sind nach der Geburt des zweiten Kindes ungarischer Staatsangehörigkeit im Inland gewiss nicht weniger gewichtig geworden als sie es waren, als das Einreiseverbot 2018 bemessen wurde.
Angesichts dessen erscheint es dem Gericht nicht erforderlich, die folgende Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer 10-wöchigen bedingten Freiheitsstrafe oder jene 2019 wegen des Behaltens der gefundenen Bankomatkarte und des zweimaligen Zigarettenkaufs damit um gesamt € 44,-- zum Anlass einer Verlängerung des Einreiseverbots zu nehmen, weil sich darin keine höhere Gefährlichkeit manifestiert als sie bereits 2018 bekannt und berücksichtigt war.
Dies deshalb, weil sich in den Taten kein höherer Unrechtsgehalt zeigt als zuvor, aber auch, weil sie sich von den gravierenderen in § 53 Abs. 3 FPG angeführten kriminellen Handlungen stärker unterscheiden als die zuvor begangenen.
Daher ist - mit anderen Worten - das bereits bestehende Einreiseverbot ausreichend, um der auch künftig zu erwartenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers Rechnung zu tragen. Das mit dem bekämpften Spruchpunkt verhängte über zehn Jahre hingegen erweist sich als nicht erforderlich, sodass der Spruchpunkt aufzuheben war.
3.7 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII):
Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das BFA nach § 18 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung unter anderem dann aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (Z. 1), was auf Tunesien zutrifft, und wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt (Z. 2). Das ist der Fall, weil die rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers - bereits einzeln - nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG sogar eine schwerwiegende Gefahr im genannten Sinn induzieren, sodass das BFA der Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte, zumal auch kein Grund vorlag, im Rahmen der Ermessensübung davon abzusehen. Auch die Beschwerde zeigt keinen solchen auf, sondern verweist auf eine drohende Verletzung von Art. 8 EMRK durch die Abschiebung, deren Zulässigkeit jedoch wie gezeigt bereits 2018 feststand.
Die Feststellungen erweisen, dass auch die anderen vom BFA zitierten Rechtsgrundlagen für den genannten Ausspruch (Z. 3 bis Z. 6) nicht zu Unrecht angeführt wurden (wobei Z. 4 - Nichtvorbringen von Verfolgungsgründen - jedenfalls in Bezug auf den festgestellten Herkunftsstaat als erfüllt anzusehen ist).
Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht, wenn eine Entscheidung aufgrund eines Verfahrens nach § 18 BFA-VG durchführbar wird, was hier nach dem ersten Teil des Spruchpunkts VII zutraf und wie eben gezeigt zu Recht geschah. Es besteht daher keine Frist für die freiwillige Ausreise.
Deshalb war die Beschwerde auch zu diesem Spruchpunkt betreffend beide seiner Teile abzuweisen.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.
Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Gericht rund sieben Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.
Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinn handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).
Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte demnach unterbleiben.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Wiederholung von Rückkehrentscheidungen oder zur Verhängung und Bemessung von Einreiseverboten.
Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.
Schlagworte
Abschiebung, Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I419.2161113.2.00Zuletzt aktualisiert am
05.06.2020