Entscheidungsdatum
07.11.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W208 2216567-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch PUTZ & RISCHKA, Rechtsanwälte KG, 1030 WIEN, Reisnerstraße 12, gegen den Bescheid der ZIVILDIENSTSERVICEAGENTUR (ZISA) vom 18.02.2019, Zl. 444619/26/ZD/0219, nach Durchführung einer Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 19a Abs 2 ZDG idF BGBl I Nr 107/2018 mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch zu lauten hat:
"Es wird festgestellt, dass Sie insgesamt 24 Kalendertage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig gewesen sind. Die Dienstunfähigkeit ist nicht auf eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes zurückzuführen. Sie gelten daher mit Ablauf des 14.06.2018 als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen."
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) versah seinen Zivildienst bei der Einrichtung Wiener Hilfswerk, der vom 01.03.2018 bis 30.11.2018 vorgesehen war. Zu den vom BF zu verrichtenden Dienstleistungen gehörten:
Hilfsdienste bei der Pflege und Betreuung behinderter und alter Menschen, Essen auf Rädern, Asylwerber- und Flüchtlingsbetreuung, Transport-, Kraftfahr-, Begleit-, Boten-, Reinigungs- und Bürodienste.
2. Mit Schreiben vom 03.07.2018 teilte die Einrichtung der ZISA per E-Mail mit, dass sich der BF seit 14.06.2018 im Krankenstand befände.
Beigelegt waren 2 Arbeitsunfähigkeitsmeldungen eines Allgemeinmediziners (14.06. bis 22.06.2018 und 25.06. bis 27.06.2018) mit dem handschriftlichen Vermerken "Dg DEPRESSIO" und "Wb. 4.7." sowie die Dienstaufzeichnung des BF vom März 2018.
3. Nachdem die ZISA offensichtlich zur Ansicht gelangt war, dass der BF von 14.06.-01.07.2018 (= 18. Tag und ein Sonntag) durchgehend krank gewesen sei, informierte sie den BF am 05.07.2018, dass er gemäß § 19a Abs 2 ZDG als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen gelte, weil er über 18 Tage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig gewesen sei. Seit seinem letzten Arbeitstag (01.07.2018) sei er aus dem Zivildienst entlassen und nicht mehr Zivildienstleistender. Die ZISA habe mit diesem Datum auch die Abmeldung bei der Gebietskrankenkasse durchgeführt.
4. Mit Ersuchen vom 13.07.2018 beantragte der bereits anwaltlich vertretene BF eine Überprüfung seiner Dienstfähigkeit und legte einen Befundbericht einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin vom 04.07.2017 (richtig: 2018) bei. Aus diesem geht zusammengefasst hervor, dass es aufgrund der Arbeitsanforderungen bzw Arbeitsrahmenbedingungen im Zivildienst zu depressiven Symptomen gekommen sei, er sei derzeit nicht in der Lage seine Arbeit beim Zivildienst wieder aufzunehmen. Es werde ein Krankenstand von mindestens 8 Wochen empfohlen.
5. Die ZISA ersuchte mit Schreiben vom 16.07.2018 den Gesundheitsdienst der Stadt WIEN um ein amtsärztliches Gutachten über die Eignung des BF zum Zivildienst.
6. Mit Schreiben vom 17.07.2018 stellte der BF - der seine Mutter dazu bevollmächtigt hatte - den Antrag auf bescheidmäßige Feststellung des Zeitpunktes der Entlassung.
7. Ohne weitere im Akt dokumentierte Ermittlungen durchzuführen und insbesondere das Ergebnis des beantragten Gutachtens abzuwarten oder den behaupteten Bezug zum Zivildienst zu überprüfen, stellte die ZISA mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.07.2018 (zugestellt am 30.07.2018) fest, dass der BF gem § 19a Abs 2 ZDG aus dem Zivildienst entlassen sei. Da er, beginnend mit 14.06.2018, länger als 18 Tage durchgehend aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig gewesen sei, sei er mit Ablauf des 01.07.2018 vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen.
Begründend wird der Verfahrensgang wiedergegeben - ohne allerdings das beantragte Gutachten anzuführen - und schließlich festgestellt, dass der BF beginnend mit 14.06.2018 länger als 18 Tage durchgehend dienstunfähig gewesen sei.
8. Mit Schreiben vom 13.08.2018 brachte der BF Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid ein und beantragte die aufschiebende Wirkung nach § 2a Abs 4 ZDG.
9. Mit Schreiben vom 20.08.2018 (eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 23.08.2018), wurde der Akt und die Beschwerde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - von der ZISA dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
10. Mit Beschluss vom 29.08.2018, W208 2204061-1/2E behob das BVwG den Bescheid und wies das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die ZISA zurück. Welche die aufgetragenen fehlenden Ermittlungen nachholte und insbesondere mehrere amtsärztliche Gutachten einholte.
11. Mit dem im Spruch genannten - am 21.02.2019 zugestellten - Bescheid stellte die ZISA neuerlich die vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst mit 01.07.2018 (letzter Arbeitstag) fest. Die unstrittige durchgehende Dienstunfähigkeit seit 14.06.2018 stehe aufgrund der Angaben der Einrichtung, der vorgelegten Krankmeldungen sowie der amtsärztlichen Gutachten nicht in einem kausalen Zusammenhang mit der Zivildienstleistung.
12. Mit Schreiben vom 21.08.2018 (Postaufgabedatum) brachte der BF Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid ein.
13. Mit Schreiben vom 25.03.2019 (eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 27.03.2019), wurde der Akt und die Beschwerde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - von der ZISA dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
14. Das BVwG führte am 03.10.2019 eine Verhandlung durch, bei der der BF im Beisein seines Rechtsvertreters einvernommen sowie der Amtssachverständige und eine Zeugin (die Leiterin der Organisationseinheit, der der BF zugewiesen war) gehört wurden. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) an der Verhandlung nicht teil. Die Niederschrift der Verhandlung wurde der ZISA zu einer allfälligen Stellungnahme übermittelt, welche innerhalb der dafür eingeräumten Frist nicht erfolgt ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Verfahrensgang (I.) steht unstrittig fest.
1.2. Der BF (VHS 7) hatte folgende krankheitsbedingte Abwesenheiten in seinem am 01.03.2018 beginnenden Zivildienst:
12.03.2018-16.03.2018 5 Tage Erkältung
04.04.2018-16.04.2018 4 Tage Fußprellung
18.04.2018-20.04.2018 3 Tage Nasenbeinbruch (Kampfsport-Mixed Martial Art)
23.04.2018-04.05.2018 11 Tage Operation aufgrund des Nasenbeinbruches
Nach seiner Rückkehr vom Krankenstand am 04.05.2018 erhielt er eine bereits mit 03.05.2018 datierte Dienstanweisung, ab sofort bei jeder neuerlichen Erkrankung zusätzlich den Vertrauensarzt Dr. XXXX (F) aufzusuchen.
14.06.2018-01.07.2018 18 Tage Depression
Er war lt einer Bestätigung der WGKK von 25.06.2018-28.02.2019 durchgehend arbeitsunfähig (VHS/Beilage 1) und hat keine Einverständniserklärung zu seiner Entlassung abgegeben (VHS 19).
1.3. Am 04.07.2018 (irrtümlich mit 2017 datiert) legte der BF einen ersten Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutischer Medizin Priv.-Doz. Dr. XXXX , MSc PhD (S), vor, die er am selben Tag erstmals aufgesucht hatte. Diese diagnostizierte eine "rez. Depression, ggw. Schwere Episode ICD-10:
F33.2". Der BF sei nicht in der Lage seinen Zivildienst wiederaufzunehmen und werde ein Krankenstand von mindestens 8 Wochen empfohlen. Dass die Erlebnisse während des Zivildienstes auschlaggebend für seine Erkrankung gewesen wäre, ist dem Befundbericht nicht zu entnehmen.
1.4. Ein mit 24.09.2018 datiertes amtsärztliches Gutachten des Amtsarztes Dr. XXXX (P), der den BF am selben Tag begutachtet hatte, kam zum Ergebnis, dass derzeit keine Einsetzbarkeit zum Zivildienst bestehe. Diagnose: "Rezidivierende Depression - gegenwärtig schwere Episode". Dass die Erlebnisse während des Zivildienstes auschlaggebend für seine Erkrankung gewesen wäre, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen.
1.5. Aus einem Patientenbrief (Beilage 2/VHS) der Psychiatrischen Abteilung des XXXX -Spitals vom 17.10.2018, in dem sich der BF von 08.10.-17.10.2018 wegen depressiven Zustand und aufdrängenden Suizidgedanken freiwillig hat aufnehmen lassen, geht folgende Diagnose hervor: "F32.1 Mittelgradige depressive Episode". Weiters wird dort ua angeführt, dass sich in den Therapiegesprächen Hinweise auf das Vorliegen einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstruktur (Stimmungslabilität, selbstverletzendes Verhalten, Gefühl der inneren Leere, Defizit der Charakter-Selbstbeschreibung) ergeben hätten; Vorkontakt in beträchtlich alkoholisiertem Zustand (1,74 %o); anamnestisch habe er angegeben, es gehe ihm seit Anfang Juni sehr schlecht, seitdem fühle er sich sehr belastet und depressiv, könne nicht durchschlafen, komme nicht aus dem Bett und habe wenig Appetit. Es sei ihm schon seit Monaten zunehmend schlechter gegangen. Seine Schwester und seine Großmutter seien an Depressionen erkrankt aber gut eingestellt. Er erfülle zum Zeitpunkt der Testung (lt. SKID II) trotz vier Symptomen einer depressiven Persönlichkeitsstörung, nicht aller Kriterien voll, es gäbe daher zu Zeitpunkt der Testung keine Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung aber Hinweise auf das Vorliegen einer schweren Depression. Dass die Erlebnisse während des Zivildienstes auschlaggebend für seine Erkrankung gewesen wären oder der BF diesbezügliche Angaben gemacht hätte, ist dem Patientenbrief nicht zu entnehmen.
1.6. Einem zweiten Befundbericht von Dr. S vom 19.12.2018 (Beilage 3/VHS) ist zu entnehmen, dass er schon in der Kindheit und Jugend tendenziell eine geringe Frustrationstoleranz und oft eine leicht durch außen beeinflusste Stimmungslage gehabt habe, diese aber nie krankheitswertig gewesen sei. Im Rahmen des Zivildienstes sei es erstmals zu deutlich ausgeprägten depressiven Symptomen mit Suizidalität gekommen. Er sei in dieser Arbeit mit Flüchtlingen konfrontiert, die schwierige traumatisierende Erlebnisse hinter sich gehabt hätten. Er habe keine ausreichende Fähigkeit, sich von diesen Geschichten emotional abzugrenzen, das sei sicherlich die Hauptursache für die Entwicklung der depressiven Episode gewesen. Auch nach Beendigung des Zivildienstes sei es ihm schwergefallen, zu seiner früheren Lebensführung zurückzukehren. Die Erlebnisse im Rahmen des Zivildienstes seien ursächlich für den Ausbruch seiner Erkrankung. Nicht erwähnt wurden belastende Rahmenbedingungen im Zivildienst (Arbeitszeiten etc.).
1.7. Ein mit 18.01.2019 datiertes fachärztliches Gutachten des gerichtlich beeideten und zertifizierten Sachverständigen und Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. XXXX (B), der der BF am selben Tag begutachtet hatte und dem sowohl die Befunde der Dr. S vorlagen als auch der Patientenbrief der Psychiatrischen Abteilung des XXXX -Spitals kam zur Diagnose: Rezidivierende depressive Störung (ICD 10: F 33), derzeit weitgehend remittiert; Verdacht auf emotional instabile Persönlichkeit (F 60.31).
In seiner Beurteilung führt der B aus:
"Bei dem Untersuchten finden sich anamnestisch bereits Hinweise auf eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung, familienanamnestisch wird auch eine Belastung in Bezug auf Depression angegeben. Im Rahmen der Zivildienstleistung im Vorjahr zeigte sich der Untersuchte vorerst über einige Monate unauffällig und berichtet auch retrospektiv keine inhaltliche Problematik auf seine Tätigkeit. Im Frühsommer 2018 kam es dann ohne weiteren ersichtlichen Auslöser zur Entwicklung einer depressiven Symptomatik, die sich in den Folgemonaten trotz Zivildienstbefreiung und Einleitung fachärztlicher Behandlung noch weiter verschlechterte; symptomatisch werden für diesen Zeitraum unter anderem Unruhe- und Spannungszustände sowie autoaggressive und suizidale Impulse beschrieben, es kam auch zu Selbstverletzungen. Mit einer stationären Behandlung im Herbst des Vorjahres trat dann eine bis heute anhaltende symptomatische Besserung ein, von der ausreichenden und sicheren Stabilisierung kann derzeit allerdings im Hinblick auf die Vorgeschichte noch nicht ausgegangen werden. Von einer neuerlichen Einberufung zur Zivildienstleistung ist damit derzeit noch abzuraten, eine diesbezüglich neuerliche Beurteilung erscheint frühestens in einem Jahr sinnvoll. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Zivildienstleistung und der aufgetretenen psychischen Erkrankung lässt sich aus fachärztlicher Sicht nicht feststellen."
In der Verhandlung vor dem BVwG gab der B - der als Amtssachverständiger zu seinem Gutachten befragt wurde - an, er verfüge über 20 Jahre Erfahrung als gerichtlich beeideter und zertifizierter Sachverständiger für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, er mache rund 30-40 Gutachten pro Monat und habe den BF rund eine Stunde - inklusive Studium der Befunde - begutachtet (VHS, 7, 10).
B erläuterte sein Gutachten und blieb auch nach Konfrontation mit den Ausführungen der Privatgutachterin S in ihrem Gutachten vom 03.04.2019 - dass ihm mit der Ladung übermittelt worden war - bei seinem Gutachten, wonach keine Kausalität zwischen der Erkrankung und dem Zivildienst vorlag, was er wie folgt begründete:
"[...]
1. Es hat in der Vorgeschichte zu früheren Zeitpunkten auch schon depressive Verstimmungen gegeben, dh diese Erkrankung ist nicht erst in der Zivildienstzeit aufgetreten.
2. Der Proband verfügt aus meiner Sicht über eine instabile Persönlichkeitsstruktur, dh es besteht schon aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur eine Neigung zu depressiven Verstimmungen.
3. Es wurden in Zusammenhang mit der Zivildiensttätigkeit keine wesentlichen psychischen Belastungen angegeben. Es wurde lediglich als unangenehm dargestellt, dass regelmäßige Arbeitszeiten, wie sie in einer Volldiensttätigkeit einzuhalten waren, dass die Anreisezeiten lang waren und dass das Einkommen gering war. Nachgefragt nach ev. belastenden Aspekten oder Erlebnissen, insb. beispielsweise die befundmäßig erwähnten Flüchtlingsschicksale, hat der Proband dezidiert mitgeteilt, dass ihn das nicht besonders belastet hat und er sich davon gut abgrenzen konnte.
4. Es finden sich, unabhängig vom Zivildienst, auch andere Belastungsfaktoren zB Unsicherheit über die Zukunftsgestaltung und Berufswahl. Weiters auch der häufige Konsum von legalen und illegalen Rauschmitteln.
5. Auch der Verlauf der Erkrankung wäre für eine Kausalität für den Zivildienst untypisch. Beschrieben wurde, dass die Erkrankung sich nach Beendigung des Zivildienstes noch über Monate weiter verschlechtert hat, sodass dann im Herbst eine Spitalsaufnahme notwendig war. Bei einem kausalen Zusammenhang mit der Zivildienstleistung wäre dagegen zu erwarten gewesen, dass das Befinden sich nach Beendigung der Zivildienstleistung mit dem Ende der Belastung wieder bessert.
[...] die Zivildiensttätigkeit [hat] im Wesentlichen einer einfachen Berufstätigkeit entsprochen, was die Belastung betrifft. Würde man derartige Belastungen als relevant für die Auslösung seiner psychischen Probleme betrachten, müsste man zu Urteil gelangen, dass er gänzlich für eine Berufstätigkeit ungeeignet wäre. Das ist definitiv nicht der Fall.
[...] Es ist richtig, dass im Rahmen des Spitalsbefundes auf eine psychologische Untersuchung hingewiesen wird, in deren Verlauf ein strukturiertes Interview, das sogenannte SKID-Interview verwiesen wird, aus dem der Psychologe offensichtlich keine Persönlichkeitsstörung ablesen konnte. Gleichzeitig enthält der Spitalsbefund aber den Hinweis auf Seite 2, Zitat: ‚In den Therapiegesprächen zeigten sich Hinweise auf das Vorliegen einer emotional instabilen Persönlichkeitsstruktur (Stimmungslabilität, selbstverletzendes Verhalten, Gefühl der inneren Leere, Defizite der Charakter-Selbstbeschreibung).' Darauf habe ich mich bezogen und diese Störung liegt aus meiner Sicht durchaus vor. [...] Eine derartige Störung ist immer eine anhaltende charakterliche Eigenschaft der Persönlichkeit."
Weiters führte der B sinngemäß aus, die Wahrscheinlichkeit für psychiatrische Erkrankungen sei bei einer solchen Veranlagung höher und könne auch eine Konfrontation mit schweren Schicksalen üblicherweise nicht krankmachen, wenn man sich nicht abgrenzen könne (VHS 12). Der BF habe sich aber gut abgrenzen können (VHS 8).
1.8. Der BF hat schon im Alter von 15 Jahren psychologische Vorstellungen (vermutete Legasthenie) aufgrund schlechter Schulleistungen und 2017 wegen Problemen mit den Lehrern gehabt, wo er mehrfach bei einer niedergelassenen Psychologin war und schließlich die Schule gewechselt hat (VHS, 10). Diesbezüglich liegt ein Widerspruch zur Aussage des BF vor, der Schulwechsel habe "nicht mit psychischen Sachen direkt" zu tun gehabt (VHS, 21). Bereits damals kam es erstmals zu einer depressiven Verstimmung, die aber nicht behandelt wurde (Gutachten B, Seite 3). Bereits mit der Pupertät begannen zunehmende psychosoziale Probleme, ein deutlicher Widerstand gegen Lehrer, Strukturen, Regeln und Pflichten, die schließlich zum Schulwechsel aus dem Gymnasium in einer Maturaschule führten (Gutachten S [1.12.], Seite 2).
1.9. Der BF hat im Alter von 16 Jahren mit Cannabiskonsum begonnen und im Alter von 17 und 18 Jahren etwa zweimal pro Woche geraucht, danach hat er den Konsum wieder eingeschränkt. Sporadisch hat er auch andere Drogen genommen: Speed, Ecstasy, LSD, psychotrope Pilze und synthetische Präparate (Gutachten B, Seite 3).
1.10. Bei der Stellung wurde der BF als TAUGLICH befundet und wurden keine psychischen Auffälligkeiten festgestellt (Untersuchungsprotokoll 13.04.2016). Der BF gab dazu an, dass ein Fragebogen auszufüllen gewesen wäre und es in der anschließenden kurzen Befragung um sein Verhältnis zu Autoritätspersonen, seinen Schulwechsel, psychische Vorerkrankungen und Drogenkonsum gegangen wäre. Er habe sich nicht selbst belastet (VHS 23). Das erklärt warum die Heerespsychologen die instabile Persönlichkeitsstruktur nicht erkannt haben.
1.11. Ein mit 21.01.2019 datiertes amtsärztliches Gutachten des Amtsarztes Dr. P, der den BF am 03.01.2019 noch einmal begutachtet hatte, kam zum Ergebnis, dass derzeit keine Einsetzbarkeit zum Zivildienst bestehe. Diagnose: "Rezidivierende Depression (ICD 10: F 33) derzeit weitgehend remittiert; Verdacht auf emotional instabile Persönlichkeit (F 60.31)". Es bestünden in der Vorgeschichte psychische Defizite. Dass die Erlebnisse während des Zivildienstes auschlaggebend für seine Erkrankung gewesen wären, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen.
1.12. Der BF hat im Beschwerdeverfahren ein ausführliches fachärztliches Gutachten von Dr. S vom 03.04.2019 vorgelegt, dem zu entnehmen ist, dass der BF zwischen 04.07.2018 und 27.03.2019 insgesamt zehnmal in ihrer Wahlarztordination gewesen sei. Sie habe auch Gespräche mit den Eltern und der behandelnden Psychotherapeutin geführt.
Die Mutter habe sich immer wieder besorgt über seinen Zustand bzw seine Lebensführung geäußert, was bei ihm ein abwehrendes Verhalten ausgelöst habe. Der Vater betreibe ein Bauingenieursbüro indem auch die Mutter arbeite und das dem BF als beruflicher Rückhalt diene, dessen Heranwachsen geprägt war durch die behinderte fünf Jahre ältere Schwester die viel Unterstützung und Aufmerksamkeit gebraucht habe. Der BF befinde sich in einer sozialen Spannungssituation insofern, als er finanziell weitestgehend von den Eltern abhängig sei, keine baldige Änderung absehbar und er zugleich um Unabhängigkeit und eigenen Entscheidung ringe. Die Ablösung gelinge nur bedingt und der Individualprozess sei mit wiederholten Grenzüberschreitungen und Konflikten mit den Eltern verbunden (Seite 1). Der Freundeskreis diene ihm zum Ausloten von Grenzen, was sich in den letzten Monaten wiederholt zu Alkohol- bzw Cannabis-Überkonsum und damit verbundene Krisen geführt habe (Seite 2).
Zur Zivildienstleistung ist dort auf das Wesentliche zusammengefasst angeführt, dass es während dieser Arbeit zwar keine Beschwerden gegeben habe, der BF aber eine massive psychische Anpassungsleistung erbringen habe müssen, welche sich in wiederholten Krankenständen und letztlich der psychischen Dekompensation gespiegelt habe. Er habe die Arbeit beim Zivildienst al belastend, einengend und frustrierend empfunden. Diese spezifischen Belastungen im Zivildienst, im Zusammenspiel mit seiner Persönlichkeitsstruktur und den für ihn typischen Reaktionsmustern, hätte letztlich zum Abbruch des Zivildienstes geführt (Seite, 2). Die Art des BF über seinen Zivildienst zu sprechen habe sich mit Fortgang der Therapie verändert, für ihn seien die davor für ihn unbekannten und bedrohlichen psychischen Symptome innerpsychisch eng mit dem Zivildienst verknüpft, was eine Wiederaufnahme des Zivildienstes für ihn subjektiv höchst bedrohlich mache. Er habe von seiner Unfähigkeit die Aufgaben beim Zivildienst zu bewältigen gesprochen. Schwere Klienten-Schicksale, der Umgang mit KollegInnen und die administrativen Anforderungen, das frühe Aufstehen, die langen Pendelzeiten, das geringe Einkommen und den strukturellen Druck habe er als immens belastend empfunden (Seite 3).
Die Beurteilung lautet wörtlich (Seite 5):
"Es finden sich Hinweise für eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung wobei die Krankheitswertigkeit der anamnestisch erhebbaren Symptomatik fraglich ist. Angesichts des Auftretens der anamnestisch erhebbaren Symptomatik in der Pubertät und der nicht gegebenen Behandlungsbedürftigkeit sollte das Vorbestehen einer manifesten psychiatrischen Erkrankung nicht angenommen werden.
Klar ist, dass die Persönlichkeit des Pat derart strukturiert ist, dass er mit Einschränkungen und starren Strukturen nicht zurechtkommt und dysfunktional, im Sinne von Flucht und/oder Selbstschädigung, reagiert. Zudem besteht eine geringe Frustrationstoleranz mit raschem Motivationsverlust bei subjektiv widrigen Bedingungen.
Der Pat war in den ersten Monaten seiner Zivildienstleistung scheinbar unauffällig und dekompensierte dann scheinbar abrupt. Aus meiner Sicht bedeutet dies nicht, dass die Dekompensation unabhängig vom Zivildienst war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Pat in den ersten Monaten des Zivildienstes massive psychische Anstrengung in die Aufrechterhaltung seiner Funktionsfähigkeit investieren musste. Die Rahmenbedingungen des Zivildienstes widersprachen massiv seinem Widerstand gegenüber starren Strukturen und subj nicht nachvollziehbaren Regeln. Aufgrund der geringen Frustrationstoleranz des Pat führte dies rasch zu einem Motivationsverlust und - entsprechend seine Persönlichkeitsstruktur - zu Fluchtimpulsen. Zugleich war ihm bewusst, dass er den Zivildienst absolvieren muss und eine Flucht eigentlich nicht möglich ist, was dazu führte, dass die psychische Kompensation über Monate hinweg aufrechterhalten werden konnte. In diesem Spannungsfeld kam es jedoch zu einer zunehmenden Erschöpfung, dann zu wiederholten Krankenständen und letztlich zur Dekompensation mit depressiver Symptomatik und inneren Anspannung bis hin zur Selbstverletzung und Suizidialität.
[...] Das Auftreten der Symptome während des Zivildienstes stellte außerdem eine traumatisierende Erfahrung für den Pat dar. Um diese innerpsychische Verknüpfung von Zivildienst und Trauma zu lösen, ist ebenfalls eine längerfristige psychotherapeutische Anstrengung notwendig. [...] [Es] erscheint mir unrealistisch, dass eine erfolgreiche Absolvierung des Zivildienstes in den nächsten Jahren möglich sein wird."
1.13. Zu den Bedingungen während des Zivildienstes befragt, gab der BF an zu 75 % an der Rezeption beim Erstkontakt tätig gewesen zu sein, ansonsten Reinigungsarbeiten und administrative Tätigkeiten gemacht zu haben. Eine Stunde pro Woche habe er im Deutschcafe mit den Leuten Konversation geübt. Der Dienst sei anfangs neu und ungewohnt gewesen, das habe sich später gelegt, er können sich aber nicht vorstellen in einem Sozialberuf zu arbeiten. Das einzige das belastend gewesen wäre, seien die vielen Stunden gewesen, die langen Anfahrtswege von 50 Minnten und das Pendeln zwischen zwei Bezirken, weil er von Montag bis Mittwochmittags im einem Bezirk und dann von Mittag bis Freitag im Nachbarbezirk gewesen sei. In einem Bezirk habe er sich wohler gefühlt als im anderen weil dort die Mitarbeiter enger gewesen seien. Er habe eine Einschulung in die Tätigkeit bekommen und in der ersten Woche sei immer jemand bei ihm gesessen, danach habe er sich mit Fragen an jemanden wenden können. Der Zivildienst sei mit dem Privatleben eigentlich gut vereinbar gewesen (VHS 6).
Die Zeugin Mag. XXXX (Z), Leiterin der Organisationseinheit jenes Bezirkes ( XXXX .) in dem er sich nicht so wohl gefühlt hat wie im anderen ( XXXX .), bestätigte die vom BF angeführten Tätigkeiten (VHS 14) sowohl für ihren Bezirk als auch die Tätigkeit im Sprachcafe und in der Lernhilfe im Nachbarsbezirk (VHS 16). Sie gab auch an, dass sie und die Kolleginnen den BF aufgrund seiner vielen Abwesenheit ständig hätten "takten" und "anleiten" müssen. Der BF sei ein normaler nicht besonders motivierter Zivildiener gewesen (VHS 16). Er habe nie erwähnt, dass ihn die Geschichten die er zu hören bekomme belasten. Er habe auch keine Einzelberatungen gemacht (VHS 15) und würden die Menschen im Deutschcafe normalerweise Fremden gegenüber nicht über ihre Fluchtgeschichten sprechen (VHS 17). Ein oder zwei Tage bevor er in Krankenstand gegangen sei, sei er mit glasigen Augen herumgesessen, sie habe ihn angesprochen und er habe ihr gesagt, dass er psychische Probleme hätte, die aber nichts mit der Arbeit, sondern mit seiner Lebenssituation zu tun hätten. Sie habe auch nie das Gefühl gehabt, dass er nicht in der Lage gewesen sei, seine Aufgaben zu erfüllen, die auch nicht besonders herausfordernd gewesen werden (VHS 15). Sie habe auch nicht den Eindruck gehabt, dass er sich schwer getan habe über seine eigentlichen Probleme zu sprechen, weil er gesagt habe, er kämpfe mit Depressionen und er daheim nicht darüber geredet habe (VHS 18), weil er seine Mutter, die ohnehin mit der Schwester belastet sei nicht zusätzlich belasten habe wollen (VHS 15).
Nach dieser Zeugenaussage gab der BF zwar an, er habe sich von den Erzählungen der Klienten "erschlagen" gefühlt (VHS 18), führte aber wenig später an, er habe die Aufgaben gut bewältigen können, manche hätten ihm Spaß gemacht, das Deutschcafe sei am Anfang interessant gewesen, die Botendienste seien schön gewesen. Aus seiner jetzigen Sicht könne er aber nicht behaupten, dass er bei Dr. B gesagt habe, er habe sich gut abgrenzen können und das eins zu eins so gesagt habe (VHS 19). Er habe aus Pflichtbewusstsein - weil er schon viele Krankenstände hatte - nicht mit der Leiterin über Belastungen gesprochen. Die Geschichten habe er eher nach Hause mitgenommen und so teilweise verarbeitet, dass er sie Eltern und Freunden weitererzählt habe (VHS 20). Im Juni 2018 sei der Betriebsarzt respektlos und unhöflich ihm gegenüber gewesen, habe ihm unterstellt, dass er simuliere und ihm eine Standpauke gehalten. Am Rückweg von ihm habe er realisiert, dass er ein psychisches Problem habe und mit der Leiterin (der Z) reden müsse. Auf die konkrete Frage seines Rechtsvertreters führte er aus, vor dem Zusammenbruch habe er nie das Gefühl gehabt, dass er sich über eine Belastung austauschen müsse, weil er diese nicht so wahrgenommen habe (VHS 22).
1.14. In einer Zusammenschau der vorliegenden Beweismittel - insbesondere der Aussagen des BF selbst - waren die Rahmenbedingungen und Belastungen im Zivildienst nicht derart, dass der BF nicht damit umgehen konnte und eine Gesundheitsschädigung ausgelöst wurde. Die Krankenstände in den Monaten vor dem Ausbruch der Depression sind auf Erkältungen und größtenteils auf Verletzungen in dem von ihm ausgeübten Kampfsport zurückzuführen und nicht auf den Zivildienst. Beim BF lagen bereits vor dem Zivildienst Hinweise auf Depressionen und eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung (emotional instabile Persönlichkeit) vor die unter anderem zu wiederholtem Drogenmissbrauch und einem Schulwechsel geführt haben, wenngleich deren Krankheitswertigkeit nicht erkannt wurde.
Der Ausbruch während des Zivildienstes ist möglicherweise auf den Ablösungsprozess vom Elternhaus zurückzuführen die damit verbundenen Grenzüberschreitungen und familiären Konflikte bzw Spannungen. Eine Gesundheitsschädigung in Folge des Zivildienstes konnte durch den BF nicht nachgewiesen werden und ist es ihm nicht gelungen durch die Vorlage des Gutachtens von Dr. S, die Schlüssigkeit und Aussagekraft des Gutachtens des Amtssachverständigen B - in Verbindung mit dessen nachvollziehbaren Ergänzungen in der Verhandlung vor dem BVwG und seinen sonstigen Aussagen und der Z - zu entkräften, wonach ein kausaler Zusammenhang zwischen der Zivildienstleistung und der aufgetretenen psychischen Erkrankung nicht festzustellen ist.
Unzweifelhaft ist, dass der BF derzeit aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage ist den Zivildienst abzuleisten.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen konnten aufgrund der Aktenlage und den Ergebnissen der Verhandlung vor dem BVwG getroffen werden. In den Feststellungen wird auf die Verhandlungsschrift des BVwG (VHS) und die Seitenzahl bzw die Beilage verwiesen, wo sich die entsprechenden Aussagen der Beteiligten befinden.
Den Beweisanträgen des Rechtsvertreters (RV) des BF (VHS 23) zur Einvernahme der Ärzte S und P sowie der Einholung eines ärztlichen Ergänzungsgutachtens zum Beweis dafür, dass die Umstände und Erfahrungen im Zivildienst sehr wohl der Auslöser für die Erkrankung des BF waren, war aus den folgenden Gründen nicht Rechnung zu tragen und werden Sie abgewiesen.
Dr. P hat sich in seinen beiden Gutachten erkennbar nur mit der Eignung des BF zum Zivildienst zu den Begutachtungszeitpunkten (24.09.2018 und 03.01.2019) beschäftigt und gerade keine Aussagen dazu getroffen, ob die Erlebnisse und Rahmenbedingungen während des Zivildienstes auschlaggebend für seine Erkrankung gewesen sind. Er hat sowohl die Befunde von Dr. S (in beiden Begutachtungen) als auch von Dr. B (in seinem Gutachten vom 21.01.2019) berücksichtigt. Die vom RV angesprochene Aussage wonach "vorher keine psychische Beeinträchtigung" bestanden hat, stammt nicht vom Gutachter P, sondern ist eine Wiedergabe der Aussage des BF. Ob die im Zivildienst zu verrichtenden Tätigkeiten zur Sprache gekommen sind, ist den Gutachten zwar nicht zu entnehmen, sie sind wie der ausdrückliche Bezug auf die Befundberichte der S und das Gutachten des B beweist, jedenfalls in seine Gutachten eingeflossen. Aufgrund des Vorliegens der Gutachten der S und des B und der Verhandlungsergebnisse ist eine Einvernahme des P nicht erforderlich.
Eine Einvernahme der Dr. S ist nicht notwendig, weil sich diese in ihrem Gutachten vom 03.04.2019 ausführlich zu den Umständen und Erfahrungen des BF im Zivildienst geäußert hat. Es bestehen auch keine Zweifel darüber, dass sie in 10 Therapiesitzungen einen tieferen Einblick in die Psyche des BF erhalten hat, als der B in seiner einstündigen Begutachtung. Ihr Gutachten ist jedoch - trotz dessen Ausführlichkeit - nicht geeignet, dass Gutachten des Amtssachverständigen Dr. B und dessen schlüssige Ausführungen in der Verhandlung in Zweifel zu ziehen, weil aus dem bloßen Auftreten der Symptome während des Zivildienstes nicht auch zwingend auf eine Auslösung derselben durch die Umstände beim Zivildienst geschlossen werden kann.
So hat sie selbst in ihrem ersten Befundbericht am 04.07.2018 noch nicht ausgeführt, dass die Erlebnisse während des Zivildienstes auschlaggebend für die Erkrankung des BF gewesen wären.
Im Gutachten vom 03.04.2019 hat sie, obwohl sie familiäre Konflikte aufgrund der Lebensführung des BF, wiederholte Grenzüberschreitung (ua Drogenmissbrauch) seit dem 15. Lebensjahr sowie psychosozialer Probleme (Seiten 1 und 2) erhoben und darin Hinweise für eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung (Seite 5) sah bzw in den schulischen Problemen eine depressiven Verstimmung als wahrscheinlich annahm (Seite 3), den letztlichen Ausbruch der Krankheit den Umständen im Zivildienst zugeordnet und nicht den privaten Problemen des BF. Diese Annahme widerspricht aber den glaubhaften Aussagen der Z, des BF selbst (II.1.13.) und den schlüssigen Ausführungen des Amtsgutachters Dr. B. (II.1.7.)
S hat außer Acht gelassen, dass der BF selbst die Rahmenbedingungen des Zivildienstes (bis auf die Dienstzeiten und das Pendeln) als nicht so belastend wahrgenommen hat (VHS 22) sowie mit seinem Privatleben als gut vereinbar (VHS 6) empfand. Die Krankheiten waren entgegen ihren Ausführungen (Seite 5) eine normale Erkältung bzw gößtenteils auf Verletzungen im Kampfsport zurückzuführen und nicht auf psychischen Druck durch subjektiv nicht nachvollziehbare Regeln und starre Strukturen. Der BF hat in der Verhandlung nichts dergleichen angeführt. Denn Aussagen des BF in der Verhandlung ist auch nicht zu entnehmen, dass er mit den schweren Klientenschicksalen nicht umgehen konnte und hat der BF selbst nur einen einzigen Fall konkret geschildert und darüber hinaus angegeben, dass er darüber mit Freunden und den Eltern geredet hat und diese Geschichten teilweise kompensiert hat. Dass ihn diese Geschichten "erschlagen" haben, ist aufgrund seiner sonstigen Ausführungen, seiner geringen Anwesenheitszeiten an zwei verschiedenen Bezirken und den Aussagen der Z zu den Rahmenbedingungen und der Reaktion des BF als sie ihn angesprochen hat (I.1.13.) nicht glaubhaft. So hat er zwar geschildert zu manchen Klienten eine Beziehung aufgebaut zu haben, konnte sich aber - bis auf eine Ausnahme - an die Namen und die konkreten Geschichten nicht erinnern, sodass das nicht glaubhaft ist.
Demgegenüber steht das inhaltlich schlüssige Gutachten des Dr. B mit seinen ergänzenden Ausführungen in der Verhandlung, dass sich auch mit den Aussagen des BF und der Z in der Verhandlung (II.1.7.) sowie sogar mit Feststellungen der S zur sozialen Anamnese und zum Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Persönlichkeitsstörung und einer bereits im Schulalter vorliegenden depressiven Verstimmung deckt. Dass der BF nunmehr angeführt hat aus seiner jetzigen Sicht würde er nicht mehr behaupten, sich gut habe abgrenzen können und das nicht "eins zu eins so gesagt zu haben" (VHS 19), ändert daran bei einer Gesamtbetrachtung aller Beweisergebnisse nichts.
Die Einholung eines Obergutachtens war daher nicht erforderlich.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und Verfahren
Gemäß § 2a Abs 4 ZDG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über Beschwerden gegen Bescheide der Zivildienstserviceagentur.
Die Einzelrichterzuständigkeit ergibt sich aus § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), wonach das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter entscheidet, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 28 Abs 2 hat das BVwG über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Anhaltpunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde liegen nicht vor.
Zwar hat das [B]VwG bei einer Entscheidung, mit der es eine Verwaltungssache erledigt, an sich die im vorherigen Zeitpunkt dieser Entscheidung sich darbietende Sach- und Rechtslage anzuwenden (Hinweis E vom 30. Juni 2015, Ra 2015/03/0022). Dies muss aber dann anders gesehen werden, wenn das Gesetz ausdrücklich die Anwendung einer bestimmten Rechtslage gebietet (VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht, wenn es in der Sache selbst entscheidet, seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten; allfällige Änderungen des maßgeblichen Sachverhalts und der Rechtslage sind zu berücksichtigen (VwGH 30.03.2017, Ro 2015/03/0036).
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur
3.2.1. Die anwendbaren Bestimmungen des Zivildienstgesetz (ZDG) idF BGBl I Nr 107/2018, lautet (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG, in eckiger Klammer ist der Wortlaut vor der mit 01.01.2019 in Kraft getretenen Novelle angeführt):
"§ 19a. (1) Dienstunfähig ist, wer geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst unfähig ist.
(2) Zivildienstleistende, die insgesamt 24 Kalendertage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig sind, gelten mit Ablauf des 24. Kalendertages der Dienstunfähigkeit als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen. Die Zivildienstserviceagentur kann in diesen Fällen eine Untersuchung durch den Amtsarzt veranlassen. Auf Antrag hat die Zivildienstserviceagentur den Zeitpunkt der Entlassung festzustellen.
[(2) Zivildienstleistende, die durchgehend länger als 18 Tage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig sind, gelten mit Ablauf des 18. Tages der Dienstunfähigkeit als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen. Auf Antrag hat die Zivildienstserviceagentur den Zeitpunkt der Entlassung festzustellen.]
(3) Ist die angeführte Dienstunfähigkeit auf eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes zurückzuführen, so findet Abs. 1 nur dann Anwendung, wenn der betroffene Zivildienstleistende mit seinem unverzüglichen Ausscheiden aus dem Zivildienst einverstanden ist.
(4) Für die verbleibende Dienstzeit hat nach Wegfall des Entlassungsgrundes sobald wie möglich eine weitere Zuweisung zu erfolgen.
(5) Zivildienstpflichtige, die aus dem Zivildienst vorzeitig entlassen worden sind, haben den Wegfall der Voraussetzungen für die vorzeitige Entlassung unverzüglich der Zivildienstserviceagentur mitzuteilen.
[...]
§ 76b [...] (14) Für Zivildienstleistende, die ihren Zivildienst vor dem 1. Jänner 2019 angetreten sind, gilt § 19a Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 107/2018 mit der Maßgabe, dass Tage der Dienstunfähigkeit vor dem 1. Jänner 2019 in die Dauer einzurechnen sind. Zivildienstleistende, die bereits vor dem 1. Jänner 2019 mindestens 24 Kalendertage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig waren, gelten mit Ablauf des ersten Kalendertags einer Dienstunfähigkeit nach dem 31. Dezember 2018 gemäß § 19a Abs. 2 als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen. [...]"
Den Erläuterungen zu BGBl I Nr 107/2018, 380 BlgNR XXVI.GP RV, Seite 6, ist zusammengefasst zu entnehmen, dass aufgrund der Missbrauchsgefahr nunmehr eine maximal mögliche Krankenstandsdauer eingeführt werden soll. Bei Erreichen des 24. Kalendertages der Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen, soll ein Zivildiener ex lege als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen gelten. Nur bei einem Nachweis, dass die Dienstunfähigkeit auf eine Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes zurückzuführen ist, soll dieser Zeitraum nicht in die Summe der Dienstunfähigkeiten eingerechnet werden, es sei den der betroffene Zivildiener würde sich damit einverstanden erklären.
Zur Übergangsbestimmung ist angeführt, dass aus "Gleichbehandlungsgründen" klargestellt werden soll, dass auch Krankenstandstage die vor Inkrafttreten der Bestimmung mit 1. Jänner 2019 angefallen sind, in die maximal mögliche Krankenstandsdauer einzurechnen sind. Zivildienstleistende die bereits vor dem 1. Jänner 2019 mindestens 24. Kalendertage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig waren, sollen aus "Sachlichkeitsüberlegungen" erst mit Ablauf des ersten Krankenstandstages nach dem 31.12.2018 ex lege als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen gelten. Unbeachtlich soll dabei sein, ob dieser Krankenstand direkt an einen vorigen anschließt.
3.2. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
3.2.1. Gemäß § 19a Abs 1 iVm Abs 2 ZDG in der seit 01.01.2019 anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 107/2018 gilt ein Zivildienstleistender der insgesamt 24 Kalendertage aus gesundheitlichen Gründen dienstunfähig ist, mit Ablauf des 24. Kalendertages ex lege als vorzeitig aus dem Zivildienst entlassen. Die belangte Behörde hat diese Gesetzesänderung übersehen und ihren Feststellungsbescheid nach der ersten Aufhebung durch das BVwG noch auf die alte Rechtslage gestützt, wonach eine durchgehende 18-tägige-Dienstunfähigkeit erforderlich war.
Aus der Übergangsregelung des § 76b Abs 14 ZDG erster Satz ergibt sich ausdrücklich, dass diese Bestimmung auch für Zivildiener gelten soll, die vor dem 01.01.2019 ihren Zivildienst angetreten haben. In diesem Fall sind die davor angefallenen Krankenstandstage einzurechnen. Das trifft auf den BF zweifellos zu.
Er hat aber bereits mit 14.06.2018 seinen 24. Kalendertag einer Dienstunfähigkeit erreicht und damit auch die Voraussetzung des zweiten Satzes des § 76b Abs 14 ZDG erfüllt, was nach dem Wortlaut der Bestimmung dazu führen würde, dass er - da er von 25.06.2018-28.02.2019 durchgehend krank war (erst) mit 01.01.2019 als entlassen gelten würde. Im konkreten Fall dauert der Zivildienst des BF allerdings nur bis 30.11.2018 und würde zu dem nicht vom Gesetzgeber intendierten "unsachlichen" Ergebnis führen, dass die Übergangsregelung ins Leere laufen würden. Die Übergangsregelung des zweiten Satzes macht nur für solche Zivildiener Sinn die über den 01.01.2019 hinaus aktiv gerade Zivildienst leisten.
Die Übergangsregelung des § 76b Abs 14 ZDG ist daher teleologisch zu reduzieren und im konkreten Fall lediglich der erste Satz anzuwenden, was dazu führt, dass sich der Entlassungszeitpunkt des BF auf den Ablauf des 14.06.2018 (seinen 24. Krankenstandstag) vorverlegt.
3.2.2. Diese Gesetzesänderung hat aber keine Auswirkung auf die strittige Frage, ob die während des Zivildienstes aufgetretene Depression (Gesundheitsschädigung) am 24. Krankenstandstag auf die Belastungen im Zivildienst zurückzuführen ist und daher nicht einzurechnen ist. Dies ungeachtet der Tatsache, dass die krankheitsbedingten Abwesenheiten des BF im März und April (vgl II.1.2.) - die unzweifelhaft nicht auf den Zivildienst zurückzuführen sind - bereits 23 Tage insgesamt ausgemacht haben.
Anders gewendet, wenn die unstrittig vorliegende Depression nachweislich infolge des Zivildienstes entstanden ist, wäre die vorzeitige Entlassung des BF unrechtmäßig erfolgt und er hätte so gestellt zu werden, als wäre er nie entlassen worden, was zu Konsequenz hätte - da er von 14.06.2018 bis 30.11.2018 im Krankenstand war - dass er seine Zivildienstleistung bereits erfüllt hätte. Bei einer Aufhebung müsste er - sofern er wieder soweit gesund ist, dass er den Zivildienst antreten kann - seine restliche Zivildienstverpflichtung nach einer neuerlichen Zuweisung ableisten (§ 19 Abs 4 ZDG).
§ 19a Abs 3 ZDG sieht vor, dass dann wenn die Dienstunfähigkeit auf eine "Gesundheitsschädigung infolge des Zivildienstes" zurückzuführen ist, der § 19a Abs 1 ZDG nur Anwendung findet, wenn der Zivildienstpflichtige sein Einverständnis erklärt. Eine derartige Einverständniserklärung ist nicht erfolgt.
Da das Beweisverfahren ergeben hat, dass es dem BF nicht gelungen ist nachzuweisen, dass seine Depression (Gesundheitsschädigung) eine Folge des Zivildienstes ist, ist § 19a Abs 3 ZDG nicht anzuwenden und die Beschwerde ist mit der Maßgabe, dass der Spruch an die neue Rechtslage anzupassen ist als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So gibt es zwar keine Rechtssprechung zu § 19a ZDG, doch liegt im vorliegenden Fall eine Frage der Beweiswürdigung - insb in Bezug auf die teilweise widersprechenden ärztlichen Gutachten (vgl VwGH 25.3.2009, 2008/03/0021; 24.4.2013, 2010/03/0100; 22.5.2013, 2011/03/0089; VwGH 26.4.1991, 91/18/0004; 09.05.2019, Ra 2018/02/0187) - und damit eine Tatsachenfrage und keine Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Dienstunfähigkeit, Gesundheitsschädigung, Gutachten, Kausalität,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W208.2216567.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.06.2020