TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/13 W238 1424468-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.11.2019
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Entscheidungsdatum

13.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W238 1424468-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.07.2019, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.10.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattgegeben. Spruchpunkte I. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 05.04.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX alias XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 13.11.2021 erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 11.10.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid des (vormals zuständigen) Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 19.01.2012, Zahl XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2014, W156 1424468-1/14E, wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde stattgegeben. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.05.2015 erteilt. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde behoben.

5. Der Beschwerdeführer stellte am 11.05.2015 und am 20.04.2017 Anträge auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 18.05.2015 und vom 28.04.2017 wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zunächst bis zum 20.05.2017 und sodann bis zum 20.05.2019 befristete Aufenthaltsberechtigungen erteilt.

6. Am 05.04.2019 stellte der Beschwerdeführer beim BFA einen weiteren Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

7. Mit Schreiben des BFA vom 09.04.2019 wurde der Beschwerdeführer von der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens benachrichtigt. Er wurde aufgefordert, sich binnen zwei Wochen zu seiner Situation in Österreich, zu seiner Integration, zu Kontakten in den Herkunftsstaat sowie zu möglichen gegen eine Aberkennung des subsidiären Schutzes bestehenden Gründen zu äußern.

Am 18.04.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers beim BFA ein, in der er sein Privatleben in Österreich und die bisher unternommenen Integrationsschritte schilderte, über den Aufenthalt seiner Familie in Pakistan berichtete, seinen Gesundheitszustand erörterte, sich zur Sicherheitslage in Afghanistan äußerte und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Beibehaltung des subsidiären Schutzstatus bekräftigte. Der Stellungnahme wurden medizinische Unterlagen, Nachweise über den Besuch von Alphabetisierungs- und Deutschkursen sowie über die Erbringung gemeinnütziger Tätigkeiten und Bestätigungen über seine Beschäftigungen in Österreich (z.B. Gehaltsabrechnungen) beigelegt.

8. Am 10.07.2019 wurde vom BFA eine Einvernahme des Beschwerdeführers unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu durchgeführt. Der Beschwerdeführer legte weitere Unterlagen vor.

9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 15.07.2019 wurde der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2014 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2014 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde nach § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 05.04.2019 wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt VII.).

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wurde - soweit entscheidungserheblich - zusammengefasst ausgeführt, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtswidrig erfolgt sei, weil die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar dargelegt habe, inwiefern sich die Lage in Afghanistan oder die persönliche Situation des Beschwerdeführers seit Zuerkennung des Schutzstatus wesentlich geändert habe.

11. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt langten am 31.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

12. Am 28.10.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter teilnahmen und der eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu beigezogen wurde. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) nicht an der Verhandlung teil. Das Verhandlungsprotokoll wurde dem BFA im Anschluss an die Verhandlung übermittelt. Der Beschwerdeführer wurde vom erkennenden Gericht eingehend zu seiner Identität, Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. Im Zuge der Verhandlung wurden vom erkennenden Gericht auch die Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in das Verfahren eingebracht. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erstattete dazu bereits im Vorfeld der Verhandlung am 27.09.2019 eine schriftliche Stellungnahme, auf die in der Verhandlung ausdrücklich verwiesen wurde. Der Beschwerdeführer brachte weitere Unterlagen betreffend die in Österreich derzeit ausgeübte Beschäftigung und seinen Gesundheitszustand in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Asylaktes (Verwaltungs- und Gerichtsakt) und des auf das Aberkennungsverfahren bezughabenden Aktes einschließlich der Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde am 10.07.2019, des angefochtenen Bescheides, der dagegen erhobenen Beschwerde, der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie der Länderberichte zur Lage in Afghanistan, der dazu erstatteten Stellungnahme des Beschwerdeführers und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen (eine Feststellung, welcher der Namen Vor- oder Familienname ist, kann nicht getroffen werden), ist Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Der Beschwerdeführer verfügt auch über Sprachkenntnisse in Farsi, Hindi, Urdu, Panjabi und (ein wenig) Deutsch.

Der Beschwerdeführer wurde zwischen XXXX und XXXX in Afghanistan, Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX , Dorf XXXX geboren. Er lebte einige Jahre in XXXX , zog noch im Kindesalter mit der Familie nach Pakistan ( XXXX ), kehrte zu Taliban-Zeiten für ca. drei Jahre nach Afghanistan zurück, lebte anschließend wieder in Pakistan, hielt sich noch einmal während der Präsidentschaft von Karzai für ca. drei Jahre in Afghanistan auf, bevor er wieder nach Pakistan ging und von dort nach Europa reiste.

In Afghanistan besuchte der Beschwerdeführer keine Schule. Er ist nicht in der Lage, in seiner Muttersprache (persisches bzw. arabisches Alphabet) zu lesen und zu schreiben. Er kann ein wenig im lateinischen Alphabet lesen und schreiben.

Der Beschwerdeführer verrichtete in Pakistan und Afghanistan unterschiedlichste Tätigkeiten. In Pakistan arbeitete der Beschwerdeführer als Viehhirte. Er betrieb Handel und exportierte Waren nach Afghanistan. In Afghanistan arbeitete er als Fotograf; einige Zeit fuhr er Traktor. Er verkaufte auch Holz in Afghanistan.

Durch seine beruflichen Tätigkeiten verdiente er den notwendigen Unterhalt für sich und seine Familie. Er erhielt niemals Unterstützung von seinen (in Pakistan und Afghanistan lebenden) Verwandten und könnte auch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit deren Unterstützung rechnen.

Der Beschwerdeführer heiratete vor ca. 15 Jahren in Pakistan eine afghanische Staatsangehörige namens XXXX . Er hat sechs Kinder (drei Söhne und drei Töchter). Seine Frau und die Kinder leben derzeit in Pakistan und werden vom Beschwerdeführer finanziell unterstützt. Der Beschwerdeführer hat seine Familie bisher zweimal besucht. In Pakistan leben auch die Mutter des Beschwerdeführers, ein Onkel väterlicherseits, eine Tante mütterlicherseits und ein Cousin mütterlicherseits. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers erhält von Verwandten keine finanzielle Hilfe, sondern lediglich Unterstützung bei Alltagsproblemen (z.B. im Krankheitsfall oder bei Schulangelegenheiten).

In der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers leben Cousins und weitere Verwandte väterlicherseits (in XXXX ) sowie ein Onkel mütterlicherseits und seine Großmutter mütterlicherseits (in XXXX ). Der Onkel mütterlicherseits ist in der eigenen Landwirtschaft tätig. Die Verwandten in XXXX haben ihr eigenes Geschäft. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu den Cousins seines Vaters. Zu seinem Onkel mütterlicherseits hat er nur einmal jährlich Kontakt, wenn dieser sich in XXXX aufhält. Zudem hat er mit Freunden und Nachbarn Kontakt, die in Pakistan gelebt und mittlerweile nach Afghanistan zurückgekehrt sind.

Die genannten Verwandten des Beschwerdeführers lebten bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Afghanistan; dies gab der Beschwerdeführer im Verlauf des Verfahrens auch an.

In Österreich war der Beschwerdeführer von 19.06.2014 bis 31.07.2014 Arbeiter bei XXXX , von 13.11.2014 bis 13.11.2014 geringfügig beschäftigter Arbeiter bei der XXXX GmbH, von 09.12.2014 bis 03.05.2015 sowie von 25.11.2015 bis 22.04.2016 Arbeiter bei der XXXX GmbH, von 29.07.2015 bis 18.08.2015 Arbeiter bei der XXXX GmbH, von 10.11.2016 bis 19.05.2017 Arbeiter bei der XXXX GmbH & Co KG, von 24.07.2017 bis 10.08.2017 sowie von 28.08.2017 bis 13.03.2018 Arbeiter bei der XXXX GesmbH und von 08.10.2018 bis 31.05.2019 Arbeiter bei der XXXX GmbH. Seit 12.09.2019 ist er Arbeiter bei der XXXX GmbH. Er verdient monatlich insgesamt € 1.500,- netto und ist selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer verrichtete im Zuge dieser Beschäftigungen folgende Tätigkeiten: Gemüseernte, Arbeit in einem Fast Food Restaurant, Rasenmähen, Fliesenlegen, Mülltrennung und Müllentsorgung, Arbeit im Lager und auf der Baustelle. Die bisher in Österreich ausgeübten Beschäftigungen sind als Hilfsarbeitertätigkeiten zu qualifizieren, für die keine besondere Qualifikation benötigt wird.

Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich Alphabetisierungskurse und einen Deutschkurs, legte noch keine Deutschprüfung erfolgreich ab und spricht derzeit kaum Deutsch. Er leistete in einem Flüchtlingsheim und in umliegenden Gemeinden gemeinnützige Tätigkeiten.

Der Beschwerdeführer leidet unter Rückenproblemen. Nach einer im Jahr 2013 durchgeführten Rückenoperation (Mikrodiskectomie L4/5 von rechts) bestehen chronische Schmerzen. Er nimmt regelmäßig Schmerzmedikamente. Es bestehen keine lebensbedrohenden Krankheiten.

Der Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Der Beschwerdeführer stellte am 11.10.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.01.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Er wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2014, W156 1424468-1/14E, wurde der dagegen erhobenen Beschwerde insoweit stattgegeben, als dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.05.2015 erteilt wurde. Dieses Erkenntnis ist in Rechtskraft erwachsen.

Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter im Erkenntnis vom 19.05.2014 wie folgt (vgl. S. 26 f.):

"Beim BF handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es muss demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass der BF aus der Provinz Nangarhar stammt, jedoch seit Kindesalter, bis auf einen dreijährigen Aufenthalt in Afghanistan, in Pakistan lebt[e]. Seine Frau, seine fünf Kinder, seine Mutter und Schwester leben in Pakistan. Der BF hat einen Onkel mütterlicherseits und einen Onkel väterlicherseits, welche in Afghanistan, in der Provinz Nangarhar leben.

...

Im vorliegenden Fall muss davon ausgegangen werden, dass es dem BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan nicht möglich und zumutbar ist, von der Hauptstadt Kabul aus in seinen Heimatort in der Provinz Nangarhar zu gelangen. So ist die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar als derart unsicher zu beurteilen, dass die Anreise des BF in sein Heimatdorf im Distrikt XXXX gleichsam mit hoher Wahrscheinlichkeit ein verstärktes Risiko für seine Unversehrtheit mit sich bringen würde. Eine Rückkehr in sein Heimatdorf kann dem BF sohin nicht zugemutet werden. Der BF wäre daher im Fall der Rückkehr nach Afghanistan vorerst vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, in der Hauptstadt Kabul nach einem - wenn auch nur vorläufigen - Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten Kabuls zu verfügen. Wie aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ersichtlich ist, stellt sich die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt meist nur unzureichend dar. Angesichts der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan ist zudem ausreichende staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich.

...

Zur Möglichkeit für den BF sich in Kabul niederzulassen, wird auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 07.06.2013, U2436/2012, verwiesen. (...)

Unter Zugrundelegung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ist davon auszugehen, dass der BF mangels sozialer oder familiärer Anknüpfungspunkte in Kabul und auch aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes in Pakistan - der BF hielt sich, unterbrochen durch drei Jahre, seit seiner Kindheit in Pakistan auf - im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan in eine für ihn ausweglose Situation geraten würde, da ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre."

Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 18.05.2015 und vom 28.04.2017 wurden dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Verlängerungsanträge vom 11.05.2015 und am 20.04.2017 jeweils befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.05.2017 und bis zum 20.05.2019 erteilt.

Am 05.04.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, welcher mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 15.07.2019 abgewiesen wurde. Unter einem wurden die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, der Entzug der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan sowie die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise ausgesprochen.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan (einschließlich der urbanen Gebiete insbesondere in Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif) wird festgestellt, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2014 nicht wesentlich und nachhaltig verändert (bzw. verbessert) haben.

Auch sind keine im Zeitpunkt der Zuerkennungsentscheidung angenommene Tatsachen bekannt geworden, die sich als unzutreffend erwiesen hätten.

1.3. Zur Lage in Afghanistan

Betreffend die Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 29.06.2018 inkl. Kurzinformationen (zuletzt eingefügt am 04.06.2019), die in den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 sowie die in Berichten von EASO - EASO Country Guidance Afghanistan von Juni 2019, EASO Afghanistan Security Situation von Juni 2019, EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Key socio-economic indicators Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019 - enthaltenen Informationen wie folgt auszugsweise festgestellt:

Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (LIB 26.03.2019, S. 59).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 26.03.2019, S. 59). Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt

23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan; für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712. Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (LIB 26.03.2019, S. 60).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 26.03.2019, S. 62). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S. 16).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 26.03.2019, S. 70).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 26.03.2019, S. 63).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten ‚high-profile'-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 26.03.2019, S. 63). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 26.03.2019, S. 63).

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist kaum entwickelt. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (LIB 26.03.2019, S. 346 f.).

Zur Herkunftsprovinz Nangarhar:

Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und an den Gebirgszug Spinghar im Süden (Pajhwok o.D.g). Die Provinzhauptstadt Jalalabad ist 120 Kilometer von Kabul entfernt (Xinhua 10.2.2017). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.573.973 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Provinz Nangarhar besteht, neben der Hauptstadt Jalalabad aus folgenden Distrikten: Ghani Khil/Shinwar, Sherzad, Rodat, Kama, Surkhrod, Khogyani, Hisarak/Hesarak, Pachiragam/Pachir Wa Agam, DehBala/Deh Balah/Haska Mina, Acheen/Achin, Nazyan, Mohmand Dara/Muhmand Dara, Batikot, Kot, Goshta, Behsood/Behsud, Kuz Kunar/Kuzkunar, Dara-e Noor/Dara-e-Nur, Lalpora/Lalpur, Dur Baba/Durbaba und Chaparhar (UN OCHA 4.2014; vgl. EASO 12.2017).

Nangarhar zählte 2017 zu den Provinzen mit der höchsten Opium-Produktion (UNODC 11.2017).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert (Khaama Press 2.1.2018; vgl Reuters 14.5.2018); Nangahar war seit dem Sturz des Taliban-Regimes eine der relativ ruhigen Provinzen im Osten Afghanistans, jedoch versuchen bewaffnete Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Provinz auszuweiten (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018, GT 22.1.2018). Begründet wird das damit, dass seit dem Fall des Talibanregimes von weniger Vorfällen berichtet worden war (Khaama Press 28.1.2018). In den letzten Jahren versuchen Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018, Khaama Press 3.2.2018, Khaama Press 5.10.2017, GT 22.1.2018, SD 22.2.2018). Befreiungsoperationen, in denen auch Luftangriffe gegen den IS getätigt werden, werden in den unruhigen Distrikten der Provinz durchgeführt (Pajhwok 16.3.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018a). Angriffe auch auf lokale Beamte und Sicherheitskräfte in der Provinz werden regelmäßig von Aufständischen der Taliban und dem IS durchgeführt (RFERL 12.3.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 795 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (...).

Nangarhar war die Provinz mit den meisten im Jahr 2017 registrierten Anschlägen (Pajhwok 14.1.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Nangarhar 862 zivile Opfer (344 getötete Zivilisten und 518 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 1% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Nangarhar

In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen ausgeführt (VoA 11.1.2018), um gewisse Distrikte von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 4.3.2018; vgl. Khaama Press 3.2.2018, Khaama Press 14.1.2018, Khaama 7.1.2018, Khaama Press 13.5.2017). Ebenso werden Luftangriffe durchgeführt (ABNA 16.3.2018; vgl. Khaama Press 11.3.2018, GT 22.1.2018, Khaama Press 1.3.2018, Khaama Press 14.1.2018a, Khaama Press 2.1.2018); in manchen Fällen wurden Aufständische getötet (Tolonews 26.5.2018; vgl. Khaama Press 11.3.2018, SD 22.2.2018, Khaama Press 1.3.2018, Khaama Press 2.3.2018, Khaama Press 7.1.2018, Khaama Press 13.5.2017); darunter auch IS-Kämpfer (Tolonews 31.5.2018; vgl. ABNA 16.3.2018, GT 22.1.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Nangarhar

Anhänger der Taliban, als auch des IS haben eine Präsenz in gewissen Distrikten der Provinz (Pajhwok 16.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018); zu diesen werden mehrere südliche Distrikte gezählt (VoA 11.1.2018). Nachdem die Grausamkeit des IS ihren Höhepunkt erreicht hat, sind die Taliban in Nangarhar beliebter geworden und haben an Einfluss gewonnen. Auch ist es dem IS nicht mehr so einfach möglich, Menschen zu rekrutieren (AN 6.3.2018).

Obwohl militärische Operationen durchgeführt werden, um Aktivitäten der Aufständischen zu unterbinden, sind die Taliban in einigen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 12.1.2018). In Nangarhar kämpfen die Taliban gegen den IS, um die Kontrolle über natürliche Minen und Territorium zu gewinnen; insbesondere in der Tora Bora Region, die dazu dient, Waren von und nach Pakistan zu schmuggeln (AN 6.3.2018). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und IS fanden statt, dabei ging es um Kontrolle von Territorium (UNGASC 27.2.2018). In einem Falle haben aufständische Taliban ihren ehemaligen Kommandanten getötet, da ihm Verbindungen zum IS nachgesagt wurden (Khaama Press 20.1.2018).

Seit dem Jahr 2014 tauchen immer mehr Berichte zu einem Anstieg von Aktivitäten des IS in manchen abgelegenen Teilen der Provinz - dazu zählt auch der Distrikt Achin (Pajhwok 16.3.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018, Khaama Press 20.1.2018). Der IS zeigte weiterhin große Widerstandsfähigkeit, wenngleich die afghanischen und internationalen Kräfte gemeinsame Operationen durchführten. Die Gruppierung führte mehrere Angriffe gegen die zivile Bevölkerung und militärische Ziele aus - insbesondere in Kabul und Nangarhar (UNGASC 27.2.2018).

Eine Anzahl Aufständischer der Taliban und des IS haben sich in der Provinz Nangarhar dem Friedensprozess angeschlossen (Khaama Press 5.10.2017; vgl. Khaama Press10.1.2018). Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Nangharhar IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen Zivilisten, Auseinandersetzungen mit den Streitkräften und Gewalt) gemeldet (ACLED 23.2.2018).

Zur Provinz Balkh:

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt. Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan] und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 26.03.2019, S. 102). Die Infrastruktur ist noch unzureichend, da viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, in schlechtem Zustand und in den Wintermonaten unpassierbar sind (LIB 26.03.2019, S. 103). Mazar-e Sharif ist jedoch grundsätzlich auf dem Straßenweg mittels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 26.03.2019, S.258). In Mazar-e Sharif gibt es zudem einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 26.03.2019, S. 103 und 261).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften. Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 26.03.2019, S. 103 f.). Im Herbst 2018 wurde im Norden Afghanistans - darunter u.a. in der Provinz Balkh - eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden registriert; Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit (LIB 26.03.2019, S. 36).

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen. Dabei werden Taliban getötet und manchmal auch ihre Anführer (LIB 26.03.2019, S. 104).

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (LIB 26.03.2019, S. 105).

Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich - wie im Rest von Afghanistan - als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.

Zur Provinz Herat:

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (LIB 26.03.2019, S. 139). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler, etwa 10 km außerhalb von Herat-Stadt (LIB 26.03.2019, S. 261), und ein militärischer in Shindand (LIB 26.03.2019, S. 139). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (LIB 26.03.2019, S.139).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen Afghanistans gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (LIB 26.03.2019, S. 140); die Sicherheitslage in der Provinz Shindand ist vergleichsweise schlecht (LIB 26.03.2019, S. 139). Es gibt interne Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 26.03.2019, S. 142).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 26.03.2019, S. 140).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37 % im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 26.03.2019, S. 140 f.).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 26.03.2019, S. 141). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) zählt Herat neben den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar und Uruzgan zu den Provinzen Afghanistans, in welchen bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen stattfanden (LIB 26.03.2019, S. 16).

Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren in der Provinz Herat (mit Stand 19.03.2019) die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi von der Zerstörung und Beschädigung von Häusern infolge starker Regenfällen betroffen. Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der Herat (und die Provinz Badghis) am meisten betroffen war und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren) sie es weiterhin sind. In den beiden Provinzen wurden am 13.09.2018 ca. 266.000 IDPs (afghanische Binnenflüchtlinge) vertrieben; davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (LIB 26.03.2019, S. 12).

Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich - wie im Rest von Afghanistan - als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.

Zur Provinz Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an Maidan Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten: Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara und Surobi/Sorubi. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (LIB 26.03.2019, S. 84).

In Kabul leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (LIB 26.03.2019, S. 84), wobei keine der Gruppe eindeutig dominiert (ACCORD, Afghanistan, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018, 07.12.2018, S. 25). Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt. Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen. In Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (LIB 26.03.2019, S. 85).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen namens ‚Hamid Karzai International Airport' (LIB 26.03.2019, S. 85). Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul (LIB 26.03.2019, S. 260). Die afghanische "Ring Road" verbindet Kabul zudem mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (LIB 26.03.2019, S. 253).

Die Hauptstadt Kabul ist von öffentlichkeitswirksamen (‚high-profile') Angriffen der Taliban und des IS betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (LIB 26.03.2019, S. 85 f.). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren ‚high-profile'-Angriffen in der Stadt Kabul (LIB 26.03.2019, S. 63 und 85).

Die Anschläge in Kabul finden hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter, auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen statt. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 26.03.2019, S. 64 ff.). Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) zeichnete im August und im September 2018 für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia, auf die Mawoud-Akademie in Dasht-e Barchi/Kabul, auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, auf eine Demonstration gegen die Übergriffe der Taliban in Ghazni und Uruzgan und auf das Kabuler Gefängnis Pul-i-Charkhi verantwortlich (LIB 26.03.2019, S. 17, 29, 37). Der ISKP hat eine eingeschränkte territoriale Reichweite und diese Übergriffe stehen zumeist mit einer vorgeworfenen Solidarität mit dem Iran und der Bekämpfung des IS in Syrien in Zusammenhang (EASO Country Guidance Notes, Seite 61 und 62).

Am 9.8.2018 starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet. (LIB 26.03.2019, S. 47 f.).

Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert. Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen (LIB 26.03.2019, S. 85 f.).

In der Hauptstadt werden regelmäßig Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen des Sicherheitsplanes ‚Zarghun Belt' (der grüne Gürtel) mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Die afghanische Nationalarmee (ANA) übernimmt einige der ‚porösen' Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen (LIB 26.03.2019, S. 86, 87).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken (LIB 26.03.2019, S. 314). Die Dari-sprachige Minderheit der Tadschiken ist somit die zweitgrößte und zweitmächtigste Gemeinschaft in Afghanistan (LIB 26.03.2019, S. 319). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten, wo diese mehrheitlich gesprochen werden, eingeräumt (LIB 26.03.2019, S. 315).

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert. Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (LIB 26.03.2019, S. 304 f.).

Wirtschaft:

Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Dennoch ist das Land weiterhin arm und von Hilfeleistungen abhängig. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 26.03.2019, S. 353). Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans ist nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 26.03.2019, S. 354, UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, S. 19, 20).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus dem Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 26.03.2019, S. 366).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 26.03.2019, S. 367 f.)

Die Organisationen IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden. Die internationale Organisation für Migration IOM bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an. Das Norwegian Refugee Council (NRC) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die Afghanistan Independent Human Rights Commission. Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben (LIB 26.03.2019, S. 369 f.). Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten Rückkehr/innen Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (LIB 26.03.2019, S. 370).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile ‚universell' geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 26.03.2019, S. 370 f.).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 26.03.2019, S. 371).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 26.03.2019, S. 370 f.).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Namensführung (einschließlich Aliasnamen), ungefähres Alter, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Muttersprache einschließlich weiterer Sprachkenntnisse, Familienstand, Gesundheitszustand, Geburtsort und anschließenden Aufenthaltsorten in Afghanistan und Pakistan, fehlender Schulbildung einschließlich mangelnder Schreib- und Lesekompetenz in der Muttersprache (persisches bzw. arabisches Alphabet) und kaum vorhandener Schreib- und Lesekompetenz im lateinischen Alphabet sowie beruflicher Tätigkeiten in Afghanistan und Pakistan ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien, gleichbleibenden und glaubhaften Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Asyl- und Aberkennungsverfahren (hinsichtlich des Gesundheitszustandes auch aus den vorgelegten medizinischen Beweismitteln).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer durch seine in Afghanistan und Pakistan ausgeübten beruflichen Tätigkeiten den notwendigen Unterhalt für sich und seine Familie verdiente, stützt sich auf die glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.

Dass er niemals Unterstützung von seinen (in Pakistan und Afghanistan lebenden) Verwandten erhielt, führte der Beschwerdeführer glaubhaft in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aus.

Das Bundesverwaltungsgericht geht - anders als die belangte Behörde - auch nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan mit Unterstützung seiner Angehörigen rechnen könnte.

Das BFA führte diesbezüglich im angefochtenen Bescheid lediglich pauschal und ohne weitere Begründung aus, dass der Beschwerdeführer

"jedenfalls von ... [seiner] Familie aus Pakistan unterstützt werden

[könnte]" (vgl. S. 237 des Bescheides).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes ist dazu jedoch festzuhalten, dass der angefochtene Bescheid jegliche Feststellungen darüber vermissen lässt, wie sich die konkrete Lebens- und Wohnsituation der in Pakistan lebenden Angehörigen des Beschwerdeführers sowie insbesondere deren aktuelle wirtschaftliche Lage darstellen. So übersieht die belangte Behörde etwa auch, dass die in Pakistan aufhältige Kernfamilie des Beschwerdeführers ausschließlich von dessen finanziellen Zuwendungen lebt. Ebenso wenig traf die belangte Behörde tragfähige Feststellungen hinsichtlich der tatsächlichen Lebensverhältnisse der in Afghanistan (Nangarhar) aufhältigen Angehörigen des Beschwerdeführers, sodass das Bundesverwaltungsgericht auch nicht davon ausgeht, dass diese in der Lage und willens wären, ihn im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan finanziell zu unterstützen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte zwar auf Basis der nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung feststellen, dass sein Onkel mütterlicherseits in der eigenen Landwirtschaft tätig ist und seine Verwandten väterlicherseits ein eigenes Geschäft betreiben. Es entspricht aber auch dem Amtswissen über die Verhältnisse in afghanischen Familien, dass Unterstützung (nur) jene Angehörigen erhalten, die nicht arbeiten (können), also insbesondere Alte, Kranke, Frauen und Kinder. Vom Beschwerdeführer würde demgegenüber im Rückkehrfall erwartet werden, dass er als erwachsener Mann selbst für sich und seine Kernfamilie sorgt.

Der Beschwerdeführer könnte daher - wie bereits im Zeitpunkt der Zuerkennung subsidiären Schutzes - weiterhin nicht mit finanzieller Unterstützung seiner Familie rechnen.

Die Feststellungen über den Aufenthalt von Familienangehörigen in Pakistan und Afghanistan und die Kontakte des Beschwerdeführers zu seiner Familie konnten anhand der glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers im gesamten Verlauf des Verfahrens getroffen werden. Der Beschwerdeführer gab insbesondere stets gleichbleibend an, dass er Angehörige in Afghanistan hat, sodass auch insoweit keine Änderung des Sachverhalts seit der Zuerkennungsentscheidung eingetreten ist (vgl. dazu die Angaben des Beschwerdeführers bei der Einvernahme vom 08.11.2011 "In Afghanistan habe ich einen Onkel väterlicher-, und mütterlicherseits und einen Cousin", bei der Einvernahme vom 17.01.2012 "Ich habe noch Verwandte in Afghanistan, einen Onkel väterlicherseits - er lebt in XXXX - und einen Onkel mütterlicherseits - er lebt im Dorf XXXX - mit der Familie" und die Feststellung des Bundesverwaltungsgerichtes auf S. 13 des Erkenntnisses vom 19.05.2014).

Die Feststellung, dass die Ehefrau und sechs Kinder des Beschwerdeführers mit finanzieller Unterstützung des Beschwerdeführers in Pakistan leben und bisher zweimal vom Beschwerdeführer besucht wurden, konnte auf Basis der glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes getroffen werden. Auch den Umstand, dass die Kernfamilie des Beschwerdeführers von den Verwandten keine finanzielle Hilfe, sondern lediglich Unterstützung bei Alltagsproblemen erhält, legte der Beschwerdeführer glaubhaft dar.

Die in Österreich ausgeübten Beschäftigungen sind dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Versicherungsverlauf zu entnehmen. Das derzeit erzielte Einkommen konnte auf Grundlage der vorgelegten Gehaltsabrechnungen und der Anga

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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