Entscheidungsdatum
20.11.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W213 2222487-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien, Ergänzungsabteilung, vom 18.06.2019, GZ. P1530191/3-MilKdoW/Kdo/ErgAbt/2019(4), betreffend Ladung zur Feststellung seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Wehrdienst, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG i.V.m. Art. 1 des Haager Protokolls über militärische Pflichten in gewissen Fällen von doppelter Staatsangehörigkeit vom 12.04.1930, BGBl. Nr. 214/1958 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Mit dem nun angefochtenen Ladungsbescheid vom 18.06.2019 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde für den 02.12.2019 zur Feststellung seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Wehrdienst vorgeladen.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit Geburt sowohl die Österreichische Staatsbürgerschaft als auch jene von Schweden besitze. Seit 18.10.2018 sei er mit Hauptwohnsitz in 1020 WIEN, Untere Donaustraße 33/2/25, aufrecht gemeldet. Über Aufforderung des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport vom 12.02.2019, GZ P1530191/2-PersC/2019(1), habe er mit E-Mail vom 24.02.2019 mitgeteilt, dass habe er im Jahr 2017 in Schweden maturiert und dann einige Monate in XXXX für die XXXX AB im Tourismusbereich gearbeitet habe. Nach dieser Tätigkeit habe er für etwa ein halbes Jahr eine Sprachreise in verschiedene Länder Zentralamerikas angetreten, um seine Spanischkenntnisse zu erweitern.
Im Sommer 2018 sei er wieder für mehrere Monate in XXXX im Tourismusbereich tätig gewesen. Der Hauptgrund seines Österreichaufenthaltes sei die beabsichtigte Verbesserung seiner deutschen Sprachkenntnisse und er habe sich deshalb für Österreich entschieden, weil sich dort ein großer Teil seiner mütterlichen Verwandtschaft aufhalte. Um die Mittel für seinen Österreichaufenthalt zu verdienen und seine Deutschkenntnisse anzuwenden und zu verbessern, habe er sich eine dementsprechende Beschäftigung gesucht und sich den Bestimmungen in Österreich entsprechend angemeldet. Er gebe an, derzeit bei der XXXX angestellt zu sein und im Hotel XXXX in Wien zu arbeiten. Längerfristig wolle er ein Studium beginnen und eine akademische Ausbildung anstreben, wobei er derzeit noch nicht entscheiden habe, wo er sein Studium machen werde. Aus seiner Sicht kämen hierfür verschiedene Länder wie Schweden, Österreich oder Deutschland aber auch Spanien in Betracht.
Gemäß Artikel 1 des Protokolls über militärische Pflichten in gewissen Fällen von doppelter Staatsangehörigkeit - "Haager Protokoll", BGBl. Nr. 214/1958, werde eine Person, die zwei oder mehreren Staaten angehört, im Gebiete eines dieser Staaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe und mit diesem Staat am meisten verbunden sei, in jedem anderen Heimatstaat von allen militärischen Pflichten befreit. Dieses Protokoll sei sowohl von Österreich als auch von Schweden ratifiziert worden.
Unter militärischen Pflichten im Sinne des Artikels 1 leg. cit. seien die in § 11 Wehrgesetz 2001. normierten einschlägigen Pflichten zu verstehen. Mit dem Haager Protokoll würden die militärischen Pflichten bei Doppel- oder Mehrfachstaatsangehörigkeit geregelt. In diesem Zusammenhang solle der Betroffene in jenem Land seine Wehrpflicht erfüllen, zu dem er die engere Verbindung habe. Anknüpfungspunkte zur Feststellung dieser engeren Verbindung seien unter anderem der ständige Aufenthalt, der Schulbesuch, der Bekanntenkreis oder die Erwerbstätigkeit.
Der Beschwerdeführer sei zwar vor der Begründung seines Hauptwohnsitzes in Österreich mit 18.10.2018 in Schweden wohnhaft gewesen und habe dort auch seine bisherige Ausbildung absolviert. Wie er jedoch selbst ausführe, sei seine Einreise nach Österreich deshalb erfolgt, um hier arbeiten zu können und eventuell ein Studium zu beginnen.
Es sei daher (derzeit) seine engere Verbindung mit Österreich als erwiesen angenommen, weshalb er in Österreich nicht von allen militärischen Pflichten zu befreien sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine anwaltliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass eine Wehrpflicht des Beschwerdeführers in Österreich nicht bestehe. Der Beschwerdeführer sei am XXXX in Schweden geboren. Sein Vater sei schwedischer Staatsbürger, Reserveoffizier beim schwedischen Heer und auch zivil für das schwedische Militär tätig. Seine Mutter sei ebenfalls in Schweden geboren, besitze aufgrund der österreichischen Staatsbürgerschaft ihres Vaters jedoch zusätzlich die österreichische Staatsbürgerschaft; die Mutter der Mutter des Beschwerdeführers sei ebenfalls schwedische Staatsbürgerin und Zeit ihres Lebens nur in Schweden aufhältig gewesen. Den Möglichkeiten gemäß sei dem Beschwerdeführer mit Geburt neben der schwedischen Staatsbürgerschaft als Zweitstaatszugehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft erteilt worden.
Der Beschwerdeführer sei ausschließlich in Schweden aufgewachsen. Er habe dort den Kindergarten besucht und auch seine Schulausbildung in Schweden absolviert und sei dort auch jahrelang berufstätig gewesen. Seit seiner Geburt sei er durchgehend in Schweden hauptwohnsitzgemeldet. Aufgrund seiner Sozialisierung in Schweden habe der Beschwerdeführer stets seinen Lebensmittelpunkt und ausschließlichen Bezugspunkt in Schweden: In Schweden lebten sämtliche unmittelbare Verwandte des Beschwerdeführers, sein Freundes- und Bekanntenkreis sei vorwiegend auf Schweden ausgerichtet und seine soziale Integration ist ebenfalls auf Schweden bezogen. Der Beschwerdeführer lebe die schwedische Mentalität und spreche auch Deutsch lediglich als Zweitsprache mit schwedischem Akzent. Der engste Bezug und die meiste Verbundenheit des Beschwerdeführers bestünden demgemäß zweifelsohne zu Schweden; auch sein gewöhnlicher Aufenthalt befinde bzw. habe sich stets in Schweden befunden.
Der Beschwerdeführer sei überdies beim schwedischen Militär als Wehrdienstpflichtiger registriert.
Im Jahr 2018 habe der Beschwerdeführer nach Sprachaufenthalten in spanischsprachigen Ländern beschlossen, seine Deutschkenntnisse durch einen mehrmonatigen Aufenthalt in Österreich aufzufrischen bzw. zu verbessern. Aus diesem Grund sei er von 18.10.2018 bis 26.06.2019 (zusätzlich zu seinem schwedischen Hauptwohnsitz) auch in Österreich polizeilich gemeldet gewesen. Um die Spracherfahrung zu intensivieren und die österreichische Mentalität und Kultur besser kennen zu lernen, sowie zur beruflichen Praxis und insbesondere auch zur Bestreitung seines Unterhalts (dem Beschwerdeführer stehe sei es als EU-Bürger selbstverständlich frei, überall in der Europäischen Union einer Erwerbstätigkeit nachzugehen), ging der Beschwerdeführer für den Zeitraum von 07.112018 bis 30.06.2019 überdies ein Beschäftigungsverhältnis in Wien eingegangen. Seinen Sprachaufenthalt in Österreich habe der Beschwerdeführer nunmehr beendet und sei seit 27.06.2019 wiederum ausschließlich in Schweden gemeldet und aufhältig.
Der vorübergehende Aufenthalt führe die werde jedoch freilich nicht dazu, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Beschwerdeführers dadurch einem anderen Staat zugeschrieben wird. Selbst bei Annahme einer Äquivalenz des Rechtsbegriffes "gewöhnlicher Aufenthalt" mit den Vorgaben des Steuerrechts, könne bei dem zeitlich eng befristeten Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Land ausgegangen werden.
Die engste Beziehung bzw. die engste Verbundenheit des Beschwerdeführers zu Schweden stehe außer Frage. Dies ändere sich auch durch einen zeitweiligen Aufenthalt in einem anderen EU-Land nicht. Der Beschwerdeführer möge Behörde zwar in Österreich Großeltern und weiter entfernte Verwandte haben, sein engster Bezug zum unmittelbaren Familienkreis (Eltern und Geschwister) wird dadurch aber wohl nicht aufgehoben und/oder in Frage gestellt. Auch die ausschließlich in Schweden erfolgte Sozialisierung und Ausbildung ändere sich durch einen kurzfristigen Sprach- und Arbeitsaufenthalt in Österreich nicht. Der Lebensmittelpunkt und demnach auch seine engste Verbundenheit bestünden und würden immer in bzw. zu Schweden bestehen.
Gemäß Haager Protokoll (Protokoll über militärische Pflichten in gewissen Fällen von doppelter Staatsangehörigkeit vom 12.4.1930), noch über die Bestimmungen des Übereinkommens im Rahmen des Europarates hinausgehend, schreibe in Artikel 1 vor, dass ein Staatsbürger zweier Staaten, der im Gebiet eines Staates "seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und mit diesem Staat tatsächlich am meisten verbunden ist", in jedem anderen Staat vom Wehrdienst befreit ist. Damit werde vorgegeben, dass diese beiden Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssten. Dies sei im vorliegenden Fall keineswegs gegeben. Eine Wehrpflicht des Beschwerdeführers in Österreich sei deshalb grundsätzlich auszuschließen.
Es werde daher beantragt,
* den gegenständlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben und das gegenständliche Verfahren einzustellen; und
* festzustellen, dass der Beschwerdeführer von sämtlichen militärischen Pflichten in Österreich befreit ist.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer ist am XXXX in XXXX , Schweden, geboren. Er ist dort aufgewachsen, hat in Schweden den Kindergarten besucht und seine schulische Ausbildung absolviert. Da seine ebenfalls in Schweden geborene Mutter nach ihrem Vater die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, besitzt auch der Beschwerdeführer seit Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer ist in Schweden als Wehrpflichtige registriert. Nach Beendigung seiner schulischen Ausbildung hat er sich von 18.10.2018 bis 27.06.2019 in Österreich aufgehalten und hier seine Deutschkenntnisse zu verbessern und einer Erwerbstätigkeit bei der XXXX nachzugehen. Dieses Dienstverhältnis wurde am 31.05.2019 mit Wirkung vom 30.06.2019 aufgelöst. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz in Österreich am 26.06.2019 abgemeldet.
2. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen konnten unmittelbar auf Grund der Aktenlage getroffen werden, wobei hervorzuheben ist, dass die Angaben des Beschwerdeführers und die Feststellungen der belangten Behörde im Wesentlichen übereinstimmen und somit als unstrittig gelten können.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit - mangels derartiger gesetzlicher Bestimmungen - Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
§ 11 Abs. 1WehrG lautet:
"Pflichten der Wehrpflichtigen
§ 11. (1) Die Wehrpflicht umfasst
----------
1.-die Stellungspflicht,
2.-die Pflicht zur Leistung des Präsenzdienstes,
3.-die Pflichten des Milizstandes und
4.-die Melde- und Bewilligungspflichten nach den Abs. 4 bis 6."
Artikel 1 des Haager Protokolls über militärische Pflichten in gewissen Fällen von doppelter Staatsangehörigkeit vom 12.04.1930, BGBl. Nr. 214/1958, lautet wie folgt:
"Wer zwei oder mehr Staaten angehört, im Gebiet eines dieser Staaten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und mit diesem Staat tatsächlich am meisten verbunden ist, wird in jedem anderen Heimatstaat von allen militärischen Pflichten befreit.
Eine solche Befreiung kann den Verlust der Staatsangehörigkeit in jedem dieser anderen Staaten zur Folge haben."
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der am XXXX in Schweden geborene Beschwerdeführer bis auf den Zeitraum vom 18.10.2018 bis 27.06.2019 sein ganzes Leben Schweden verbracht hat. Er hat dort seine gesamte (vor-) schulische Ausbildung absolviert und hat sich nur vorübergehend in Österreich aufgehalten, um seine Sprachkenntnisse zu verbessern und Berufspraxis zu erwerben. Darüber hinaus ist er in Schweden als Wehrpflichtige registriert.
Vor dem Hintergrund dieser Sachlage ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich hat und nicht mit Österreich tatsächlich am meisten verbunden ist. Gemäß Art. 1 des Haager Protokolls über militärische Pflichten in gewissen Fällen von doppelter Staatsangehörigkeit vom 12.04.1930, BGBl. Nr. 214/1958, ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Österreich von allen militärischen Pflichten befreit ist.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG i.V.m. Art. 1 des Haager Protokolls über militärische Pflichten in gewissen Fällen von doppelter Staatsangehörigkeit vom 12.04.1930, BGBl. Nr. 214/1958, aufzuheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Doppelstaatsbürger, gewöhnlicher Aufenthalt, WehrdienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W213.2222487.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.06.2020