TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 W208 2225004-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
WG 2001 §25
WG 2001 §26 Abs1 Z2

Spruch

W208 2225004-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Militärkommando VORARLBERG, Ergänzungsabteilung, vom 08.07.2019, GZ P1345187/3-MilKdo V/Kdo/ErgAbt/2019(2) in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 10.10.2019, GZ P1345187/5-MilKdo V/Kdo/ErgAbt/2019(3), zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG i.V.m. § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Tauglichkeit und Wehrpflicht des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) wurde erstmals am 11.11.2016 festgestellt.

2. Mit Antrag vom 29.11.2016, ersuchte der BF beim Militärkommando VORARLBERG (im Folgenden: MilKdo oder belangte Behörde) um Befreiung vom Grundwehrdienst. Als Begründung führte er an, dass er selbstständiger Physiotherapeut wäre und seit 2014 eine berufsbegleitende Osteopathieausbildung an einer namentlich genannten Akademie in GENT (BELGIEN) mache, die noch bis mindesten 2023 dauern würde (eine Immatrikulationsbestätigung vom 21.09.2015 war beigelegt).

3. Aufgrund dieser laufenden Ausbildung in Osteopathie, wurde der XXXX geborene BF gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 Wehrgesetz 2001 (WG) von einer Einberufung bis zum Ablauf des 15. September jenes Kalenderjahres, in dem er das 28. Lebensjahr vollendet (= 15.09.2018), ausgeschlossen.

4. Das MilKdo informierte den BF im Jänner 2019 vom Ablauf der Befreiung und führte ein Ermittlungsverfahren und ein Parteiengehör durch, dass unter anderem ergab, dass der BF seinen Hauptwohnsitz seit 28.09.2009 bis 01.04.2016 in XXXX (SALZBURG) und ab 29.06.2016 in XXXX (VORALRBERG) hatte bzw. hat, sowie den Stellungsaufrufen des MilKdo SALZBUG an der Amtstafel der Gemeinde in den Jahren 2009 bis 2015 nicht Folge geleistet hatte.

Im Parteiengehör gab der BF u.a. an, nun eine Familie gegründet und ein Haus gebaut habe. Das erste Kind sei unterwegs, er betreibe mit seiner Frau eine gemeinsame Praxis und habe erhebliche finanzielle Belastungen.

5. Mit Bescheid vom 08.07.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des BF gem. § 26 Abs. 1 Z 2 WG ab (zugestellt am 11.07.2019 durch Hinterlegung).

6. Mit undatiertem Schriftsatz - indem der BF angab von 05.07.-21.07.2019 ortsabwesend gewesen zu sein und den Rsb Brief erst verspätet erhalten zu haben - brachte der BF Beschwerde (Postaufgabedatum ist dem Akt nicht zu entnehmen) gegen den Bescheid ein.

Begründend führt er sinngemäß aus, dass er während er in SALZBURG wohnhaft gewesen sei, nie eine Stellungsaufforderung vom MilKdo SALZBURG erhalten habe. Der Stellungsaufforderung des MilKdo VORARLBERG 2016 sei er nachgekommen. Er habe nach seinem Antrag 2016 trotz mehrerer Nachfragen bis zum Jänner 2019 nichts zum Stand seines Befreiungsantrages gehört, deshalb habe er die Praxis aufgebaut und eine Familie gegründet. Die wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse seien nicht ausreichend geprüft worden, seine Gattin sei wegen des 5 Monate alten Kindes in Karenz und könne nicht arbeiten. Er müsse bei einer Einberufung seine erst aufgebaute Praxis, trotz laufender Kredite, schließen und würde dadurch Einkommen und Kunden verlieren.

7. Am 12.09.2019 wurde dem BF ein Einberufungsbefehl für den 07.01.2020 in die Kaserne BLUDESCH zugestellt.

8. Mit der verfahrensgegenständlichen Beschwerdevorentscheidung vom 10.10.2019 (zugestellt am 14.10.2019) wies das MilKdo - nach einem ergänzenden Ermittlungsverfahren - die Beschwerde bzw. den Antrag auf Aufschub ab. Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Beschwerde wurde angeführt, dass der Bescheid am 11.07.2019 bei der Post hinterlegt worden wäre und die Rechtzeitigkeit der Beschwerde aufgrund der durch Flugtickets belegten Ortsabwesenheit anerkannt werde.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar wirtschaftliche Interessen vorlägen, diese seien aber nicht besonders rücksichtswürdig, weil er seiner Harmonisierungspflicht nicht nachgekommen sei. Die Praxisgründung mit seiner mithaftenden Gattin als Gesellschafterin am 19.04.2016 sowie die Kreditaufnahmen am 27.05.2016 und am 01.03.2019 hätten nicht berücksichtigt werden können, weil die Einberufung für den BF vorhersehbar gewesen sei. Ein rechtlich relevantes Unterstützungsbedürfnis von Familienangehörigen liege - auch im Hinblick auf die Leistungen nach dem Heeresgebührengesetz - ebenfalls nicht vor.

9. Am 23.10.2019 begehrte der BF die Vorlage der Beschwerde an das BVwG und beantragte eine mündliche Verhandlung. Er führte u.a. an, dass er unrichtige Auskünfte von diversen Angehörigen des MilKdo erhalten und eine telefonische Absprache seines Schwiegervaters mit dem Militärkommandanten erfolgt sei, wonach bis zur Erledigung der Beschwerde keine Einberufung erfolgen werde.

10. Mit Schriftsatz vom 31.10.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den elektronischen Verfahrensakt dem BVwG zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem im Punkt I dargestellten Verfahrensgang, dem angefochtenen Bescheid, der Beschwerdevorentscheidung und den in der Beschwerde sowie dem Vorlageantrag des BF angeführten Fakten. Der Sachverhalt wird im Wesentlichen durch entsprechende Urkunden im Akt belegt und steht fest.

Der BF ist österreichischer und griechischer Doppelstaatsbürger und hat seinen Wehrdienst in Griechenland nicht geleistet.

Der BF hat bereits vor seiner Stellung am 19.04.2016 gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Physiotherapiepraxis gegründet, für die er am 27.05.2016 einen Kredit aufgenommen hat. Als männlicher österreichischer Staatsbürger musste er zu diesem Zeitpunkt wissen, dass seine Stellung und Beurteilung der Tauglichkeit zum Wehrdienst noch bevorstand und hatte er keine Anhaltspunkte für eine Untauglichkeit. Aufgrund seines Antrages vom 29.11.2016 wurde ihm wegen seiner nebenberuflichen Ausbildung zum Osteophaten ein Aufschub im gesetzlich maximal möglichen Ausmaß gewährt. Davon wurde er nicht informiert. Im Jänner 2019 wurde er über den Ablauf seines Aufschubes und seine bevorstehende Einberufung informiert. Er hat sein Elternhaus umgebaut und am 01.03.2019 dafür einen Kredit aufgenommen, mittlerweile ist er Vater eines fast einjährigen Kleinkindes und seine Frau, die Mitgesellschafterin in der Physiotherapiepraxis ist, befindet sich in Karenz.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben der belangten Behörde und des BF decken sich in weiten Teilen und werden im Wesentlichen durch entsprechende Unterlagen im Akt belegt (Firmenbuchauszug, Kreditverträge, Immatrikulationsbestätigung, Melderegisterdaten). Soweit der BF in seiner Beschwerde anführt, er habe ab Anfang 2017 fernmündlich bei Behördenorganen die Erledigung seines Befreiungsantrages urgiert, sei aber hingehalten worden und die Behörde dies bestreitet, bedarf es dazu keiner Feststellungen, weil deren Ergebnisse nicht entscheidend für die rechtliche Beurteilung sind. Das gleiche gilt hinsichtlich des Unterlassens einer persönlichen Stellungsaufforderung von 2009-2015 durch das Militärkommando

SALZBURG.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Gemäß § 7 Abs. 4 und § 15 Abs 1 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen und für einen Vorlageantrag zwei Wochen. Diese Fristen wurden eingehalten und liegen auch sonst keine Gründe für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 2013/10, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da das hier anzuwendende Wehrgesetz 2001 (WG 2001) keine Senatszuständigkeit vorsieht, ist im vorliegenden Fall eine Einzelrichterzuständigkeit gegeben.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Der in der Angelegenheit maßgebliche Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage fest. Das BVwG hat daher in der Sache selbst zu entscheiden. Das BVwG hat seiner Entscheidung, den Sachverhalt und die Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte - trotz Antrag auf eine Verhandlung - gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung des Sachverhaltes oder der Rechtsfrage nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (keine "civil rights") noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 (kein Bezug zu EU-Normen) entgegen.

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen

Die fallbezogen maßgeblichen Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (WG) lauten (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG):

"§ 10. (1) Alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind wehrpflichtig. [...]

§ 19. (1) Der Präsenzdienst ist zu leisten als

1. Grundwehrdienst [...]

Ausschluss von der Einberufung

§ 25. (1) Von der Einberufung zum Präsenzdienst sind ausgeschlossen

[...]

4. hinsichtlich der Einberufung zum Grundwehrdienst jene Wehrpflichtigen, die nachweislich in einer laufenden Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung am Beginn jenes Kalenderjahres standen, in dem jene Stellung begann, bei der erstmals oder, im Falle einer zwischenzeitlich festgestellten vorübergehenden Untauglichkeit oder Untauglichkeit, neuerlich ihre Tauglichkeit festgestellt wurde.

Wird die Stellung nach Z 4 zu einem späteren Termin als jenem begonnen, zu dem der Wehrpflichtige erstmals aufgefordert wurde, so ist der Beginn des Kalenderjahres maßgeblich, in dem dieser erstmalige Stellungstermin lag. Der Ausschluss nach Z 4 gilt, sofern die Wehrpflichtigen einer Einberufung nicht ausdrücklich zugestimmt haben, bis zum Abschluss der jeweiligen Berufsvorbereitung, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. September jenes Kalenderjahres, in dem diese Wehrpflichtigen das 28. Lebensjahr vollenden. [...]

Befreiung und Aufschub

§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und

2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Als sonstige öffentliche Interessen gelten insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Als familiäre Interessen gelten auch solche aus einer eingetragenen Partnerschaft. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zu verfügen.

(2) Anträge auf Befreiung nach Abs. 1 Z 2 dürfen beim Militärkommando eingebracht werden und darüber hinaus

1. hinsichtlich des Grundwehrdienstes auch im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission und

2. während einer Präsenzdienstleistung auch bei jener militärischen Dienststelle, der der Wehrpflichtige zur Dienstleistung zugeteilt ist.

Bescheide nach Abs. 1 Z 1 sind, sofern es sich um eine Befreiung wegen einer beruflichen Tätigkeit handelt, dem Auftraggeber für diese berufliche Tätigkeit, insbesondere dem Arbeitgeber des Wehrpflichtigen, zur Kenntnis zu bringen.

(3) Tauglichen Wehrpflichtigen ist, sofern militärische Interessen nicht entgegenstehen, der Antritt des Grundwehrdienstes aufzuschieben, wenn

1. sie nicht zu einem innerhalb eines Jahres nach ihrer jeweiligen Heranziehbarkeit zum Grundwehrdienst gelegenen Termin zu diesem Präsenzdienst einberufen wurden und sie durch eine Unterbrechung einer bereits begonnen Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung einen bedeutenden Nachteil erleiden würden oder

2. sie vor der rechtswirksam verfügten Einberufung zum Grundwehrdienst eine weiterführende Ausbildung begonnen haben und eine Unterbrechung dieser Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde.

Ein Aufschub ist auf Antrag der Wehrpflichtigen zu verfügen. Der Aufschub darf bis zum Abschluss der jeweiligen Berufsvorbereitung gewährt werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. September jenes Kalenderjahres, in dem diese Wehrpflichtigen das 28. Lebensjahr vollenden.

(4) Mit Erlassung eines Bescheides, durch den einem Wehrpflichtigen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, wird eine bereits rechtswirksam verfügte Einberufung für den Zeitraum dieser Befreiung oder dieses Aufschubes für ihn unwirksam."

3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes

3.3.1. Der Gegenstand der Beschwerde ist, dass unterschiedliche Auffassungen der Parteien vorliegen, ob die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 26 Abs 1 Z 2 WG vorliegen. Mit anderen Worten, ob die vom BF angeführten wirtschaftlichen Gründe und seine familiäre Situation besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen darstellen die eine Befreiung erfordern.

3.3.2. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dazu in ähnlich gelagerten Fällen u.a. folgende Aussagen getroffen:

Auch wenn der Wehrpflichtige im vorliegenden Fall im Zeitpunkt seiner hier maßgebenden wirtschaftlichen Dispositionen (Pachtvertrag) noch nicht zum Grundwehrdienst einberufen war, so musste er doch aufgrund der Feststellung seiner Tauglichkeit mit der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes rechnen. Indem er dennoch den landwirtschaftlichen Betrieb gepachtet hat, hat er damit die Schwierigkeiten, die für seinen landwirtschaftlichen Betrieb durch die Leistung seines Grundwehrdienstes verbunden sind, selbst geschaffen (Hinweis E vom 29. September 2005, 2003/11/0026). Der Wehrpflichtige hätte somit wegen der (aufgrund der Tauglichkeitsfeststellung) zu erwartenden Einberufung zum Grundwehrdienst seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einrichten müssen, dass er der Einberufung ohne voraussehbare Schwierigkeiten nachkommen kann. Ließe sich somit die Führung des gepachteten Betriebes mit der Leistung des Grundwehrdienstes nicht vereinbaren, so hätte der Wehrpflichtige das Pachtverhältnis nicht eingehen dürfen, selbst wenn es sich dabei um eine besondere (wirtschaftliche) Gelegenheit gehandelt haben sollte. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde führt dies zu keinem Berufsverbot in der Phase vor Ableistung des Grundwehrdienstes, stehen dem Wehrpflichtigen doch vor der Einberufung zum Grundwehrdienst alle beruflichen (z.B. unselbständigen) Erwerbsmöglichkeiten offen, die für die Dauer des Ableistens des Grundwehrdienstes ohne größere Schwierigkeiten unterbrochen werden können (VwGH 27.01.2014, 2013/11/0246).

Die Auffassung, wirtschaftliche Interessen des Wehrpflichtigen seien immer dann besonders rücksichtswürdig, wenn durch die Leistung des Präsenzdienstes die wirtschaftlichen Interessen so schwer getroffen würden, dass mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz gerechnet werden müsse, ist nicht zielführend, weil dabei außer Acht gelassen wird, dass der Wehrpflichtige derart durch entsprechende Dispositionen die Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht vereiteln könnte. Die wirtschaftlichen Interessen können somit auch dann nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der Bestimmungen des WehrG 2001 anerkannt werden, wenn auf Grund der Verletzung der Verpflichtung, die Dispositionen in wirtschaftlicher Hinsicht so zu treffen, dass für den Fall der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden werden, durch die Leistung des Präsenzdienstes eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz eintreten könnte (Hinweis E 1. Oktober 1996, 95/11/0400; E 24. April 2001, 2000/11/0082). In einem solchen Fall hätte der Wehrpflichtige die Gefährdung seiner Existenz nämlich selbst herbeigeführt. (VwGH 18.11.2008, 2008/11/0096).

Der Wehrpflichtige ist gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es ein Wehrpflichtiger, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinn der Bestimmungen des Wehrgesetzes angesehen werden (Hinweis E 29. September 2005, 2003/11/0026).

Wenn es der Wehrpflichtige also unterlässt seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne des § 26 Abs. 1. Z. 2 WG 2001 angesehen werden. Ist dem Wehrpflichtigen nämlich bekannt, dass er seiner Präsenzdienstpflicht werde nachkommen müssen, ist er verpflichtet seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass er in der Lage ist seiner Präsenzdienstpflicht nachzukommen (VwGH vom 18.11.2008, GZ. 2008/11/0096). Diese Verpflichtung, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass im Fall der Einberufung voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht erst durch das Eingehen von Verbindlichkeiten derartige Schwierigkeiten geschaffen werden, besteht nicht erst ab der Zustellung des Einberufungsbefehls, sondern bereits ab dem Zeitpunkt an dem vom Wehrpflichtigen verlangt werden kann, dass er nunmehr Handlungen unterlässt, die die Erfüllung der mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Wehrpflicht vereiteln oder gefährden können (VwGH vom 18.11.2008, 2008/11/0096). Spätestens mit der Feststellung der Tauglichkeit ist mit der Einberufung zum Grundwehrdienst zu rechnen und spätestens zu diesem Zeitpunkt setzt auch die oben dargestellte Harmonisierungspflicht ein, die auch beinhaltet mit der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit bis nach der Ableistung des Präsenzdienstes zuzuwarten oder zu versuchen den Präsenzdienst möglichst früh abzuleisten, um dann ungestört den Aufbau eines Unternehmens zu betreiben (VwGH vom 24.4.2001, GZ. 2000/11/0082).

Die Harmonisierungspflicht schließt mit ein, rechtzeitig für eine erforderliche Vertretung des Wehrpflichtigen durch Dritte vorzusorgen (VwGH vom 27.03.2008, 2007/11/0202).

Die besondere Rücksichtswürdigkeit familiärer Interessen ist dann anzunehmen, wenn durch die fehlende Unterstützung der Angehörigen (hier: Eltern bzw. Geschwister) eine Gefährdung ihrer Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen, wie zB der Verlust der Existenzgrundlage, zu befürchten ist. Zur Unterstützung der Angehörigen ist in diesem Zusammenhang aber nicht nur der Wehrpflichtige, sondern die ganze Familie berufen. Jene Familienangehörigen, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, haben überdies ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des wehrpflichtigen Angehörigen einzurichten (Hinweis E 23. 1. 2001, 2000/11/0206; E 26. 2. 2002, 2000/11/0269; E 4. 6. 1991, 90/11/0231; E 1. 12. 1992, 92/11/0113; E 10. 11. 1998, 97/11/0377; VwGH 13.12.2005, 2005/11/0167).

Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen iSd § 36a Abs 1 Z 2 WehrG 1990 liegen nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger des Wehrpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren könnte, und wenn mangels Unterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. November 2000, Zl. 2000/11/0064, und vom 21. September 1990, Zl. 90/11/0044, VwSlg 13261 A/1990, m. w. N.; VwGH 27.03.2008, 2007/11/0202).

Nur ein rechtskräftiger Bescheid, mit dem der Aufschub des Antrittes des Grundwehrdienstes (gemäß § 26 Abs. 3 WehrG 2001) oder die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes (gemäß § 26 Abs. 1 WehrG 2001) gewährt wurde, stellt ein rechtliches Hindernis für die Erlassung des Einberufungsbefehles dar. Die Stellung eines Antrages auf Gewährung des Aufschubes oder der Befreiung hindert demnach nicht die Einberufung zum Grundwehrdienst (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0204, vom 20. März 2001, Zl. 2001/11/0065, vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/11/0167, vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/11/0338, und vom 23. April 2002, Zl. 2002/11/0067; VwGH 30.01.2003, 2003/11/0013).

3.3.3. Im vorliegenden Fall hat der BF seine wirtschaftlichen Dispositionen teilweise noch vor der erstmaligen Feststellung seiner Tauglichkeit getroffen (die Praxisgründung und die dazu erforderliche Kreditaufnahme), dennoch ist die oa. Rechtsprechung auf ihn anwendbar, weil er vor der Stellung und erstmaligen Feststellung seiner Tauglichkeit nicht davon ausgehen konnte, dass er untauglich sein würde. Zumal er als österreichischer Staatsbürger nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hat. Dass er zu diesem Zeitpunkt Anhaltspunkte für eine Untauglichkeit bzw. eine Nichteinberufung hatte, hat er nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen. Auch nach dem Tauglichkeitsbeschluss konnte er - gerade, weil er keine Informationen über den Bearbeitungsstand seines Befreiungsantrages hatte - nicht davon ausgehen, dass dieser in seinem Sinne positiv erledigt werde, dass er überhaupt nicht mehr zum Wehrdienst herangezogen werde. Für den Fall der Säumnis einer Behörde mit einer Entscheidung hätte er eine Säumnisbeschwerde einbringen können und sich nicht auf allfällige mündliche Auskünfte (seien sie nun erfolgt oder nicht) verlassen dürfen. Im Übrigen könnten mündliche Auskünfte von Behördenvertretern im Fall der gesetzlichen Wehrpflicht eine bescheidmäßige Erledigung nicht ersetzen.

Die Kreditaufnahmen für den Umbau des Hauses sind hingegen erst nach der Information erfolgt, dass seine Befreiung auslaufe.

Der BF war daher zu allen Zeitpunkten im Sinne der Harmonisierungspflicht angehalten, keine Dispositionen zu treffen die seine Wehrpflicht erschweren. Er kann auch jetzt noch um die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Einberufung zu vermindern, beispielsweise eine Vereinbarung mit den Banken treffen, seine Ratenzahlungen vorübergehend auszusetzen oder durch Anstellung einer Vertretung für den Entfall seiner Arbeitskraft in der Praxis sorgen. Auf die Ersatzleistungen gemäß Heeresgebührengesetz (§§ 23ff HGG) wurde bereits durch die Behörde verwiesen.

Es liegen daher weder besonders rücksichtwürdige wirtschaftliche noch familiäre Interessen vor, die ein Befreiung iSd § 26 Abs 1 Z 2 WG rechtfertigen würden.

Im Sinne der zitierten Judikatur des VwGH ist der belangten Behörde zu folgen, wenn sie auf Grund der vom BF angeführten Gründe eine Befreiung von der Ableistung des Präsenzdienstes (Grundwehrdienstes) verneint.

Zusammengefasst haftet dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden. Der BF muss dem Einberufungsbefehl nachkommen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH wird verwiesen.

Schlagworte

Befreiungsantrag, Harmonisierungspflicht, Tauglichkeit, Wehrdienst

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W208.2225004.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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