TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/7 I403 2137603-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2020
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Entscheidungsdatum

07.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I403 2137603-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Irak, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Nadja LORENZ, Burggasse 116/17-19, 1070 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2019, Zl. 1092326307/190755607, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 03.05.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter um zwei weitere Jahre verlängert wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, stellte am 26.09.2015, nachdem er zuvor illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist war, einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, durch die Sadr-Milizen verfolgt zu werden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15.07.2016, Zl. 1092326307/151626482, wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und dem Beschwerdeführer somit der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt. Eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch Milizen wurde für nicht glaubhaft befunden, doch wurde ihm aufgrund der prekären Sicherheitslage der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Die Spruchpunkte II. und III. dieses Bescheides des BFA erwuchsen in Rechtskraft. Die gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2016, Zl. L504 2137603-1/5E, gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid des BFA vom 03.05.2017 wurde die Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.07.2019 verlängert. Am 03.05.2019 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ein.

Mit "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" des BFA vom 26.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ein Verfahren zur Aberkennung des ihm erteilten Status als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 AsylG eingeleitet worden sei und wurde ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.

Mit Stellungnahme vom 07.08.2019 erklärte der Beschwerdeführer, dass sich seine Rückkehrbefürchtungen nicht geändert hätten und dass sein Lebensmittelpunkt in Österreich liege.

Mit im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 16.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid des BFA vom 15.07.2016 (im Bescheid fälschlich "mit Erkenntnis vom 11.11.2016, L504 2137603-1/5E" angegeben) zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Der Antrag vom 03.05.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt III.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.) und wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VII.). Begründend wurde ausgeführt, dass sich die Sicherheitslage im Irak wesentlich verbessert habe.

Gegen diesen Bescheid wurde am 18.09.2019 Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass sich die Sicherheitslage nicht so wesentlich und vor allem nicht so dauerhaft verbessert habe, dass der Beschwerdeführer in den Irak zurückkehren könne.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte in Bagdad, ehe er am 01.09.2015 in die Türkei ausreiste.

In Bagdad leben seine Eltern und fünf Geschwister, ein weiterer Bruder hält sich in der Türkei auf.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig, ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer hält sich seit etwas mehr als vier Jahren im Bundesgebiet auf und spricht Deutsch auf B1-Niveau. Er ist unbescholten.

1.2. Zur Änderung der Lage im Irak und zur Frage der Rückkehrgefährdung

Der Beschwerdeführer wird im Irak nicht von Milizen verfolgt. Eine besondere Gefährdung seiner Person liegt daher nicht vor.

Die Situation in Bagdad hatte sich zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Bescheides, somit im September 2019, erheblich verbessert und stabilisiert. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2019 gab es 20 Tote (während in diesem Zeitraum 2016 576 Zivilisten um ihr Leben gekommen sind). Auch wenn der IS versucht, seine Unterstützerzone im Gürtel rund um Bagdad wiederaufzubauen, so bleibt er doch erstens außerhalb der Stadt selbst und kam es wochenweise zu keinerlei terroristischen Aktivitäten. Die belangte Behörde war daher zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbarerweise davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer in Bagdad keiner besonderen Gefährdung ausgesetzt wäre.

Aufgrund der seit Oktober 2019 andauernden Proteste ist aktuell aber von einer höchst instabilen Sicherheitslage in Bagdad auszugehen, so dass eine Gefährdung des Beschwerdeführers, unabhängig von seiner Haltung gegenüber den Protesten, nicht ausgeschlossen werden kann. Zudem droht der Irak im Konflikt zwischen den USA und dem Iran zwischen die Fronten zu geraten, so dass eine weitere Eskalation der Situation nicht ausgeschlossen werden kann.

1.3. Zur aktuellen Situation im Irak:

In Bagdad und im Süden des Irak protestieren Teile der Bevölkerung seit Anfang Oktober gegen Misswirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und die nach Religion und Ethnie definierte Proporzregierung. Auch die Nähe der politischen Elite zum Iran steht im Fokus der Kritik (Deutsche Welle, 01.12.2019)

Von offizieller Seite wurde versucht, mit verschiedenen Maßnahmen zur Beruhigung der Situation beizutragen: Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi reichte seinen Rücktritt, der eine zentrale Forderung der Demonstranten war, ein. Die oberste Justizbehörde des Irak erließ einen Haftbefehl gegen einen Militärchef, der für das tödliche Durchgreifen gegen Demonstranten in einer Provinz im Südirak verantwortlich war (Deutsche Welle, 01.12.2019).

Eine Beruhigung der Lage konnte damit aber nicht erreicht werden: Am Freitag, 6. Dezember 2019, schossen Bewaffnete aus vier Fahrzeugen auf regierungskritische Protestierende am zentralen Al-Chalani Platz und töteten mindestens 16 Personen (die meisten Quellen sprechen von 24 Toten) und verletzten über 100 Menschen. Bereits vor dieser "Gräueltat" (laut UN) war eine Menschenrechtskommission von mehr als 400 Toten und mehr als 20.000 Verletzten ausgegangen (Zeit online, 07.12.2019).

Die Zahl der spurlos Verschwundenen und der willkürlich Verhafteten hat in den letzten Monaten stark zugenommen (Al Jazeera, 19.12.2019). Zugleich wird von den Demonstranten befürchtet, dass "Saboteure" versuchen, die Protestes zu diskreditieren und mit Gewalttaten in Verbindung zu bringen. So wurde nach einem Lynchmord an einem Jugendlichen, der sich gegen die Demonstranten gewandt hatte, eine Erklärung veröffentlicht, dass man sich von dieser Tat distanziere. Dennoch wurde vom einflussreichen Prediger Moktada al-Sadr nach Bekanntwerden des Vorfalls erklärt, dass er, wenn die Täter nicht gefunden würden, seine Milizionäre abziehen werde, die er nach dem blutigen Angriff auf die Demonstranten am 06.12.2019 zu deren Schutz entsandt hatte (Spiegel online, 12.12.2019). Zugleich war auch das Büro von Al-Sadr, der sich gegen den Iran stellt, in Nadjaf Ziel eines Anschlages (Süddeutsche Zeitung, 08.12.2019)

Die USA haben gegen drei Milizführer Sanktionen ausgesprochen, da sie mit anderen für die brutale Vorgehensweise gegenüber den friedlichen Demonstranten verantwortlich gemacht werden (The Guardian 07.12.2019); sie hätten im Auftrag des Iran gehandelt (The New York Times, 06.12.2019). Aktuell steht auch die schiitische Geistlichkeit an einer Weggabelung; der innerschiitische Konflikt zwischen den beiden größten schiitischen Ländern Iran und Irak wird weiter zunehmen (Deutsche Welle, 30.11.2019)

Trotz des harten Durchgreifens der Sicherheitsbehörden und dem Vorfall am 06.12.2019 zeigen sich die Demonstranten entschlossener denn je, für ihre Forderungen einzutreten (The Guardian, 07.12.2019). Jeder Versuch des Irans zu intervenieren könnte zu massiven Problemen führen, das Konsulat in Nadjaf wurde bereits zerstört und angezündet. Auch gibt es die Befürchtung, dass es zu Kämpfen zwischen Milizen, die den Protest unterstützen, und jenen, die ihn bekämpfen, kommen könnte (The Guardian 07.12.2019).

In der Zwischenzeit wurde auch noch keine Lösung für eine neue Regierung gefunden; laut Verfassung leitete der zurückgetreten Al Mahdi die Regierungsgeschäfte interimsmäßig noch bis 19.12.2019, doch konnte kein Kandidat für das vakante Amt auf genügend Unterstützung zurückgreifen, so dass eine politische Einigung noch aussteht (Der Standard, 20.12.2019). Das Parlament schaffte es auch in seiner Sitzung am 18.12.2019 nicht, eine der zentralen Forderungen der Demonstranten, nämlich ein neues Wahlrecht, zu erlassen. Ayatollah Ali al-Sistani erklärte am 20.12.2019, dass baldige Neuwahlen der einzige Weg aus der Krise seien (Reuters, 20.12.2019).

Die Lage eskalierte um den Jahreswechsel: Hunderte schiitische Milizionäre attackierten die US-Botschaft in Bagdad. Als die Demonstranten am Silvestertag versuchten, die US-Botschaft zu stürmen, bekamen sie Besuch von hochrangigen Kadern der Volksmobilisierungseinheiten, darunter: Jamal Jafaar Ibrahimi, mächtiger Kommandeur der Hisbollah-Brigaden und Vize-Chef der Volksmobilisierungseinheiten. Es wird vermutet, dass der Iran für diese Aktionen die Verantwortung trägt (Spiegel online, 01.01.2020). Die USA wiederum töteten bei einem Luftangriff auf den Flughafen in Bagdad am 2. Jänner 2020 den Kommandanten der iranischen Elitetruppe Kassem Soleimani und den Kommandeur der irakischen Miliz Abu Mahdi al-Muhandis (Reuters, 03.01.2020).

Das Parlament des Irak hat den Abzug von US-Truppen aus dem Land gefordert. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte für eine Resolution, die das Ende der ausländischen Militärpräsenz im Irak verlangt. Insbesondere wurde die Beendigung eines Abkommens mit den USA gefordert, in dem vor mehr als vier Jahren die Entsendung von US-Soldaten zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vereinbart worden war. 5.000 US-Soldaten sind aktuell im Irak stationiert (Zeit online, 05.01.2020). US-Präsident Donald Trump wiederum drohte dem Irak für den Fall eines feindseligen Rauswurfs amerikanischer Soldaten aus dem Land mit massiven Sanktionen (Zeit online, 06.01.2020).

Quellen (Zugriff auf alle Quellen am 07.01.2020):

* Deutsche Welle, Gastkommentar von Rainer Hermann (FAZ): Irak - Die Ordnung von 2003 ist gescheitert, 30.11.2019, abrufbar unter https://www.dw.com/de/gastkommentar-irak-die-ordnung-von-2003-ist-gescheitert/a-51476583

* Deutsche Welle, Chaos oder Frieden: Welchen Weg nimmt der Irak?, 01.12.2019, abrufbar unter

https://www.dw.com/de/chaos-oder-frieden-welchen-weg-nimmt-der-irak/a-51490474

* The New York Times, U.S. Seeks to Punish Iraqi Militias That Targeted Protesters With Iran¿s Help, 06.12.2019, abrufbar unter https://www.nytimes.com/2019/12/06/us/politics/iraq-iran-sanctions.html

* Zeit online, Unbekannte erschießen mindestens 16 Protestierende, 07.12.2019, abrufbar unter

https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-12/irak-proteste-bagdad-regierung-tote

* The Guardian, Defiant protesters back in Baghdad square within an hour of slaugther, 07.12.2019, abrufbar unter https://www.theguardian.com/world/2019/dec/07/protesters-return-baghdad-square-after-slaughter-iraq

* Süddeutsche Zeitung, Gezielter Angriff auf Demonstranten, 08.12.2019, abrufbar unter

https://www.sueddeutsche.de/politik/irak-gezielter-angriff-auf-demonstranten-1.4714665

* Spiegel online, Jugendlicher in Bagdad von Menge gelyncht, 12.12.2019, abrufbar unter

https://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-jugendlicher-in-bagdad-von-demonstranten-gelyncht-a-1300975.html

* Al Jazeera, Iraq protests: Increase in number of disappearances, 19.12.2019, abrufbar unter

https://www.aljazeera.com/news/2019/12/iraq-protests-increase-number-disappearances-191219111900491.html

* Der Standard, Neuer designierter Premier in Beirut, Patt in Bagdad, Artikel in der Printausgabe vom 20.12.2019

* Reuters, Iraq's Sistani says early election only way out of crisis, 20.12.2019, abrufbar unter https://www.reuters.com/article/us-iraq-protests/iraqs-sistani-says-early-election-only-way-out-of-crisis-idUSKBN1YO104

* Spiegel online, Neujahrsgrüße aus Teheran, 01.01.2020, abrufbar unter

https://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-sturm-auf-us-botschaft-in-bagdad-drahtzieher-ist-iran-a-1303278.html

* Reuters, Irak - Raketenangriff auf Flughafen in Bagdad, 03.01.2020, abrufbar unter

https://de.reuters.com/article/irak-flughafen-raketenangriff-idDEKBN1Z20DM

* Zeit online, Irakisches Parlament fordert US-Truppenabzug, 05.01.2020, abrufbar unter

https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-01/irak-resolution-us-truppen-abzug-iran-kassem-soleimani

* Zeit online, Donald Trump droht Irak bei Rauswurf von US-Truppen mit Sanktionen, 06.01.2020, abrufbar unter https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-01/us-praesident-donald-trump-irak-truppenabzug-soldaten-sanktionen

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in die Unterlagen des vorangegangenen Asylverfahrens, das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zum Irak (Stand 31.10.2019) und weitere Berichte über die Situation im Irak.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen hinsichtlich der Lebensumstände, des Gesundheitszustandes, der Arbeitsfähigkeit, der Herkunft, sowie der Glaubens- und Volkszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid bzw. den Angaben des Beschwerdeführers bei seinen Einvernahmen vor dem BFA und in seiner Stellungnahme. Seine Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zur Frage einer entscheidungsrelevanten Änderung des Sachverhaltes:

Dass der Beschwerdeführer im Irak nicht von Milizen verfolgt wird, ergibt sich aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2016.

Die belangte Behörde begründete die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten folgendermaßen: "Die Sicherheitslage im Irak hat sich signifikant verbessert. Die Zahl der durch Gewalt getöteten Zivilisten ist auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Invasion durch die US-Streitkräfte im Jahr 2003 gesunken. Sie selbst sind Schiite und gehören somit auch der Bevölkerungsmehrheit im Irak an und es sit für die Behörde daher nicht ersichtlich, weshalb Sie nicht in der Lage sein sollten, sich wieder im Irak niederzulassen."

Wie dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 08.04.2016 (welches in Bezug auf die Lage zum Zeitpunkt der erstmaligen Gewährung des subsidiären Schutzstatus heranzuziehen ist) zu entnehmen ist, war Bagdad - die Heimatstadt der Beschwerdeführer - zu diesem Zeitpunkt fast täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten. Im Jahr 2015 gab es in der Region Bagdad

3.736 Personen aus der Zivilbevölkerung, die durch Gewalt um Leben kamen. Auch in den ersten beiden Monaten des Jahres 2016 wurden in Bagdad zumindest 576 Zivilisten getötet.

Auch zum Zeitpunkt der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter am 03.05.2017 stellte sich die Sicherheitslage in Bagdad noch immer als äußerst prekär dar.

Dem stellte die belangte Behörde die zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung aktuelle Sicherheitssituation gegenüber. Dem aktuellen Länderinformationsblatt ist zu entnehmen, dass seit 2016 das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2019 gab es 20 Tote (während in diesem Zeitraum 2016 576 Zivilisten um ihr Leben gekommen sind). Auch wenn der IS versucht, seine Unterstützerzone im Gürtel rund um Bagdad wiederaufzubauen, so bleibt er doch erstens außerhalb der Stadt selbst und kam es wochenweise zu keinerlei terroristischen Aktivitäten. Auch EASO bestätigt in der Country Guidance vom Juni 2019, dass gewalttätige Zwischenfälle seit 2017 in Bagdad zurückgegangen sind und die Stadt unter staatlicher Kontrolle ist. UNHCR spricht ebenfalls davon, dass sich die Sicherheitssituation in Bagdad stabilisiert habe (UNHCR, International Protection Considerations with Regard to people Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019).

Aus Sicht der belangten Behörde kam es daher zu einer eindeutigen Verbesserung der Sicherheitslage in der Hauptstadt; das Bundesverwaltungsgericht teilt diese Ansicht, soweit die Sachlage im September 2019 betroffen war. Diese Lageänderung war allerdings nicht dauerhaft. Auch wenn die Konflikte mit dem IS und die Auseinandersetzungen zwischen sunnitischen und schiitischen Bevölkerungsgruppen nur mehr in geringerem Umfang Todesopfer fordern und das damit verbundene Ausmaß an Gewalt zurückgegangen ist, hat sich die im Oktober 2019 in Bagdad entstandene Protestbewegung derart ausgeweitet bzw. waren die Reaktionen der Sicherheitsbehörden derart repressiv und gewalttätig, dass es zu einer massiven Krise in der Politik, aber auch zu einer instabilen Sicherheitssituation geführt hat, die in den letzten Monaten Hunderte Tote und Zehntausende Verletzte gefordert hat. Auch eine politische Lösung ist trotz des Rücktritts des früheren Premierministers nicht in Sicht und bleibt auch abzuwarten, wie der Iran auf die zunehmende Kritik an seiner Rolle im Irak reagiert. Insbesondere durch die Ereignisse rund um den Jahreswechsel (Luftangriff der US auf Kassem Soleimani und den Kommandeur der irakischen Miliz Abu Mahdi al-Muhandis) droht der Irak zwischen die Fronten des Iran und der USA zu geraten und ist nicht ausgeschlossen, dass die Lage weiter eskaliert.

Zusammengefasst war daher im September 2019 von einer entscheidungswesentlichen Verbesserung der Sicherheitslage in Bagdad auszugehen, doch war diese nicht dauerhaft und kann bei einem Vergleich der Situation in den Jahren 2016 und 2017 mit der aktuellen Situation nicht von einer wesentlichen und andauernden Änderung der Umstände gesprochen werden. Die Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Bagdad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt ist, besteht aktuell wieder.

Es liegt somit keine entscheidungsrelevante Änderung der Sachlage in Bezug auf die Sicherheitssituation im Irak vor. Änderungen in der Person des Beschwerdeführers wurden von keiner der Verfahrensparteien behauptet. Daher ist zum aktuellen Zeitpunkt die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigter nicht gerechtfertigt.

2.4. Zu den Länderfeststellungen

Unter Punkt 2.3. wurde zur Beurteilung der Sicherheitslage in Bagdad zu den unterschiedlichen Zeitpunkten der BFA-Entscheidungen auf die verschiedenen Länderinformationsblätter der Staatendokumentation, EASO- und UNHCR-Berichte zurückgegriffen. Zur aktuellen Lage im Irak (siehe dazu Punkt 1.3.) wurde auf verschiedene Medienberichte zurückgegriffen, da sich keine tagesaktuellen Berichte anerkannter Organisationen finden ließen. Es wurde diesbezüglich auf eine Vielfalt seriöser Medien zurückgegriffen, die alle im Wesentlichen das gleiche Bild zeichnen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gesetzliche Bestimmungen

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der §§ 8, 9 AsylG 2005 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

...

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

..."

"Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."

3.2. Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides)

Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausdrücklich auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs. 1 AsylG 2005 bezog. Die Frage, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht vorliegen", oder auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr vorliegen", gestützt wurde, ist anhand der konkretisierenden Ausführungen in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung des BFA zu beantworten, wonach die Aberkennung erfolgt, weil "die Gründe, die zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht mehr vorliegen

[...]".

Im zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der in den Jahren 2016 und 2017 vorherrschenden prekären Sicherheitslage in Bagdad - welches zu den relevanten Zeitpunkten annähernd täglich Schauplatz von Anschlägen und Gewaltakten war - zuerkannt, wobei sich die belangte Behörde hierbei auf die jeweils aktuell gültigen Länderfeststellungen zum Irak gestützt hat. Zur Zeit der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides hatten sich die Umstände in Bagdad verändert. Die Sicherheitslage in Bagdad gestaltete sich - insbesondere im Vergleich mit der Situation in den Jahren 2016 und 2017 - im Wesentlichen stabil und war durch eine geringere Anzahl ziviler Opfer gekennzeichnet. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass er aufgrund einer Verfolgung durch Milizen besonders gefährdet sei, ist das Vorbringen nicht glaubhaft bzw. wurde darüber bereits rechtskräftig abgesprochen.

Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht nach der jetzigen Sachlage zu entscheiden (VwGH, 14.12.2016, Ro 2016/19/0005) und hat sich die Situation in Bagdad inzwischen wieder massiv verschlechtert. Wie unter Punkt 1.3. ausgeführt wurde, protestieren Teile der Bevölkerung seit Anfang Oktober gegen Misswirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und die Nähe der politischen Elite zum Iran. Es gab inzwischen mehr als 400 Tote und mehr als 20.000 Verletzte. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass sich die politische Krise verschärft und es auch zu offenen Konfrontationen zwischen den Milizen kommt, die auf unterschiedlichen Seiten stehen. Auch ohne ein eigenes Engagement bei der Protestbewegung kann nicht ausgeschlossen werden, dass man als Zivilperson in die Krisensituation hineingezogen wird und einen Schaden an Leib und Leben davon trägt. Zudem muss abgewartet werden, wie sich der aktuelle Konflikt zwischen den USA und dem Iran weiter entwickelt und welche Rolle dabei dem Irak, der in einer politischen Krise steckt, zukommt. Zum aktuellen Zeitpunkt kann daher - anders als noch im September 2019 - von keiner grundlegenden Veränderung im Herkunftsstaat seit Gewährung des subsidiären Schutzes ausgegangen werden, da die Sicherheitssituation (wieder) sehr schlecht und volatil ist.

In Anlehnung an Art. 16 der Statusrichtlinie bedarf es hier (§ 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005) einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland des Fremden. So ist es keineswegs ausreichend, lediglich festzustellen, dass sich seit der ursprünglichen Antragstellung in Österreich die Gegebenheiten im Herkunftsstaat wesentlich gebessert haben und darauf basierend gegenwärtig keine reale Gefahr für den bislang subsidiär Schutzberechtigten besteht, im Falle seiner Abschiebung in dieses Land, Opfer einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder des 6. bzw. 13. ZPEMRK zu werden, respektive als Zivilperson ernsthaft am Leben oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht zu sein. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 objektiv zu erfüllen, muss eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderungen im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lässt (Schrefler-König/Gruber, Asylrecht, § 9 AsylG 2005, Anm. 11).

Im Vergleich zu den dem Erstbescheid zugrunde gelegten Länderfeststellungen ist eine dauerhafte und nachhaltige Änderung (Verbesserung) der Lage in Bagdad anhand der in dieser Entscheidung wiedergegebenen Medienberichte nicht erkennbar.

Gegenüber der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der rechtskräftigen Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter hat sich also keine Sachverhaltsänderung ergeben.

Eine grundlegende Änderung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wurde vom BFA nicht dargetan.

Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 lagen sohin mangels wesentlicher und nachhaltiger Änderung der maßgeblichen Umstände gegenständlich nicht vor.

Da gegenständlich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Tatbestands im Sinn des § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegen, war eine darauf beruhende Aberkennung nicht zu prüfen (VwGH, 17.10.2019, Ro 2019/18/005).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der Behebung dieses Spruchpunktes weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Irak zu.

3.3. Zur Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides)

Die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten ist gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten im vorliegenden Beschwerdefall nicht erfüllt sind (siehe dazu die Ausführungen unter Punkt A) 3.2.), ist Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ebenfalls zu beheben.

3.4. Zur Abweisung des Verlängerungsantrages (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)

Zu den Voraussetzungen der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und damit auch ihrer Dauer ergibt sich aus § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005, dass die Verlängerung auf Antrag des Betroffenen und nach Maßgabe des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den subsidiären Schutz zu erfolgen hat. Dies entspricht auch Art. 16 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304), wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen (VwGH 31.03.2010, 2007/01/1216).

Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für den Status eines subsidiär Schutzberechtigten im vorliegenden Fall weiterhin gegeben sind, war dem Antrag des Beschwerdeführers vom 03.05.2019 auf Verlängerung seiner bis zum 15.07.2019 befristet erteilten Aufenthaltsberechtigung stattzugeben.

3.5. Zu den sonstigen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen etwa der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht zuerkannt wird, sowie eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt. Demgemäß sind diese Aussprüche separat anfechtbar; sie können auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen. Es besteht zwischen diesen gemäß den maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 und des Fremdenpolizeigesetzes lediglich insofern ein rechtlicher Zusammenhang, als es für manche Aussprüche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits andere Aussprüche getätigt wurden und zudem manche Aussprüche miteinander zu verbinden sind, sodass im Fall der Aufhebung eines Spruches ein darauf rechtlich aufbauender Ausspruch seine Grundlage verlieren kann (vgl. VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047; 28.01.2015, Ra 2014/20/0121; 08.09.2015 Ra 2015/18/0134, je mwN). Nach Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichtes gilt dasselbe im Verhältnis zwischen der Aberkennung eines (subsidiären) Schutzstatus und einer damit verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

Da dem Beschwerdeführer mit diesem Erkenntnis in Folge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, verlieren die übrigen von der belangten Behörde getroffenen Aussprüche (Spruchpunkt IV. bis VII.) ihre rechtliche Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Im gegenständlichen Verfahren war nur auf die Frage der Sicherheitssituation im Irak und die Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative einzugehen, welche sich aus dem Länderinformationsblattes der Staatendokumentation und UNHCR- bzw. EASO-Berichten sowie aktuellen Medienberichten ergibt.

Der Beschwerde wurde stattgegeben; daher kann von Seiten des Beschwerdeführers kein Interesse an der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung bestehen. Von Seiten des BFA wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,
Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1, Aberkennungsverfahren,
Abschiebung, Amtswegigkeit, Aufenthaltsberechtigung besonderer
Schutz, Aufenthaltstitel, befristete Aufenthaltsberechtigung,
berücksichtigungswürdige Gründe, Entziehung, Entziehungsbescheid,
Entziehungsgrund, freiwillige Ausreise, Frist, real risk, reale
Gefahr, Rückkehrentscheidung, subsidiärer Schutz, Verlängerung,
Verlängerungsantrag, Wegfall der Gründe, wesentliche Änderung,
wesentliche Sachverhaltsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2137603.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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