Entscheidungsdatum
15.01.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I406 2143377-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX StA Kosovo, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Martin DELLASEGA und Dr. Max KAPFERER, Schmerlingstraße 2/2, 6020 Innsbruck, gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 14.11.2016 um 06:05 Uhr und die nachfolgende Anhaltung bis 16.11.2016, 12:00 Uhr, sowie über den Kostenantrag zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; die belangte Behörde) vom 21.04.2016, Zl. XXXX wurde Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel besonderer Schutz nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und gleichzeitig die Zulässigkeit seiner Abschiebung in sein Herkunftsland festgestellt. Ihm wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3. Mit Schreiben des BFA vom 21.04.2016 in deutscher und albanischer Sprache wurde der Beschwerdeführer gemäß § 58 FPG über seine Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise informiert und darauf hingewiesen, dass seine Ausreise auch mit Abschiebung erzwungen und Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können.
4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.08.2016, Zl. G309 2125768-1/6E, wurde die gegen obigen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
5. Am 10.11.2016 erteilte das BFA den Auftrag, den Beschwerdeführer festzunehmen und in das PAZ XXXX zu überstellen. Die Festnahme erfolgte am 14.11.2016 um 06:05 Uhr. Anschließend wurde der Beschwerdeführer in das PAZ XXXX überstellt.
6. Am 16.11.2016 um 12:00 Uhr wurde der Beschwerdeführer im Rahmen eines begleiteten Charterflugs in den Kosovo abgeschoben.
7. Mit Schreiben vom 27.12.2016 erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG gegen die am 14.11.2016 erfolgte Festnahme sowie die darauffolgende Überstellung nach Wien und die Anhaltung bis zum 16.11.2016. Gemäß § 58 Abs. 2 FPG habe das BFA den Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz zurück- oder abgewiesen wurde und gegen den eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde, ehestmöglich ab Vorliegen der dafür erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nachweislich über den festgelegten Abschiebetermin sowie über die Rechtsfolgen eines versäumten Abschiebetermins zu informieren. Diese Information sei nicht ehestmöglich erfolgt. Der Beschwerdeführer habe sich nicht auf seine Abschiebung vorbereiten, insbesondere nicht seine freiwillige Ausreise betreiben können, um nach seiner Rückkehr in den Kosovo nicht von der 18-monatigen Sperrfrist nach § 11 Abs. 1 Z 3 NAG betroffen zu sein. Der Beschwerdeführer sei dadurch in seinem Recht auf ehestmögliche Information über den Abschiebetermin gemäß § 58 Abs. 2 FPG sowie in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit gemäß Art. 5 EMRK sowie Art. 1 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit verletzt worden. Der Beschwerdeführer stelle daher die Anträge, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen sowie die Festnahme und Anhaltung für rechtswidrig zu erklären und der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen.
8. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 29.12.2016 vorgelegt. Aufgrund der Unzuständigkeitsanzeige des Richters der Geschäftsabteilung W137 vom 04.11.2019 wurde gegenständliches Beschwerdeverfahren der Geschäftsabteilung I406 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Kosovo und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Er stellte am 29.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 21.04.2016 negativ entschieden wurde. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel besonderer Schutz nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Kosovo festgestellt. Ihm wurde keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.08.2016, Zl. G309 2125768-1/6E wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom 21.04.2016 in deutscher und albanischer Sprache informierte das BFA den Beschwerdeführer gemäß § 58 FPG über seine Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise. Es erging der Hinweis, dass seine Ausreise auch mit Abschiebung erzwungen werden und Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können.
Am 10.11.2016 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG erlassen.
Am 14.11.2016 wurde der Beschwerdeführer um 06:05 Uhr widerstandslos und ohne Vorkommnisse festgenommen. Im Zuge seiner Festnahme wurde der Beschwerdeführer über die bevorstehende Abschiebung informiert. Ihm wurde die Möglichkeit eingeräumt, seine persönlichen Gegenstände aus der Personalunterkunft in XXXX sowie aus der Wohnung seines Vaters in XXXX mitzunehmen. Um 14:30 Uhr wurde er in das Polizeianhaltezentrum XXXX überstellt.
Der Beschwerdeführer befand sich von 14.11.2016, 14:30 Uhr, bis 16.11.2016, 08:50 Uhr, im Polizeianhaltezentrum XXXX. Am 16.11.2016 um 12:00 Uhr wurde er per Charterflug in den Kosovo abgeschoben.
Gegen den Beschwerdeführer wurde keine Schubhaft verhängt.
2. Beweiswürdigung:
Die Angaben zum Verfahrensgang ergeben sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten.
Die Feststellungen zum negativ entschiedenen Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem im Akt erliegenden Bescheid des BFA vom 21.04.2016 und dem im Akt enthaltenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.08.2016, Zl. G309 2125768-1/6E.
Die Angaben zur Festnahme, Anhaltung und Abschiebung des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akteninhalt und einem im Akt erliegenden Bericht über die erfolgte Frontex-Charterrückführung des Bundesministeriums für Inneres vom 17.11.2016.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I.:
3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u. a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG (§§ 34 - 47 BFA-VG) und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z 3).
Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder wenn gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).
Während der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung VwGH 26.1.2001, 2000/02/0340, zu § 72 Abs. 1 FrG 1997 noch davon ausging, dass mit Anhaltung nur die Anhaltung in Schubhaft gemeint war, subsumierte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwGH 19.5.2011, 2009/21/0214, zu § 82 Abs. 1 FPG aF eine Anhaltung ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides ausdrücklich unter § 82 Abs. 1 Z 2 FPG, weil diese Bestimmung nicht nur für Beschwerden gegen die Anhaltung in Schubhaft, "sondern für jede Beschwerde, die sich gegen eine auf das FPG gestützte Anhaltung richtet," zur Verfügung stand. Gleiches hat auch für die Anfechtungsbefugnis gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG zu gelten, der ausweislich der Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP) § 82 Abs. 1 FPG aF entspricht (vgl. Szymansiki, § 22a BFA-VG Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, 2014).
Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich gegen Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers; es liegt daher eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG vor.
3.1.2. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 40 Abs. 1 BFA-VG ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht (Z 1), wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt (Z 2) oder der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 3). In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann gemäß § 40 Abs. 3 BFA-VG die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt. Das Bundesamt ist gemäß § 40 Abs. 4 BFA-VG ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.
Ein Festnahmeauftrag kann gemäß § 34 Abs. 3 BFA-VG gegen einen Fremden auch dann erlassen werden, wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt (Z 1), wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist (Z 2), wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll (Z 3) oder wenn er, ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2a FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung eines Ersatzreisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat (Z 4). Der Festnahmeauftrag ergeht laut § 34 Abs. 5 BFA-VG in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden. In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten gemäß § 34 Abs. 6 BFA-VG auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen. Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 9 BFA-VG den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben.
Der Beschwerdeführer wurde am 14.11.2016 um 06:05 Uhr auf Basis eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festgenommen und um 14:30 Uhr in ein Polizeianhaltezentrum überstellt. Es besteht daher kein Zweifel, dass die Sicherheitsorgane mit der Anhaltung des Beschwerdeführers bis zur Abschiebung am 16.11.2016 sowie mit der Verbringung zum Flughafen Wien-Schwechat am 16.11.2016 entsprechend den Aufträgen des Bundesamtes gehandelt haben (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025) und sich die in Beschwerde gezogene Anhaltung durch das Bundesamt gestützt auf die Bestimmungen der §§ 34, 40 BFA-VG auf den Zeitraum 14.11.2016, 06:05 Uhr, bis 16.11.2016, 12:00 Uhr, bezieht.
3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zur Prüfung der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 BFA-VG gegen die dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurechenbare Anhaltung gemäß § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG iVm § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG vom 14.11.2016, 06:05 Uhr, bis 16.11.2016, 12:00 Uhr, zuständig.
3.1.4. Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025); bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrundeliegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).
Das Bundesamt erließ am 10.11.2016 einen Festnahmeauftrag gegen den Beschwerdeführer, der kosovarischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger ist, weil gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestand. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG sind somit erfüllt.
3.1.5. Nach Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Abs. 1 lit. a bis f und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.
Art. 1 PersFrBVG gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs. 2 PersFrBVG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrBVG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht. Nach Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.
Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der § 40 Abs. 1 Z 1 gemäß Abs. 4 BFA-VG bis zu 72 Stunden zulässig. Dabei handelt es sich aber - wie bei § 39 FPG (vgl. VwGH 12.09.2013, 2012/21/0204) - um eine Maximalfrist. Auch im Bereich fremdenpolizeilicher Festnahmen ist die Behörde schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz als möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen.
Der Beschwerdeführer wurde am 14.11.2016 um 06:05 Uhr auf Basis eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG festgenommen. Das Bundesamt hatte zum Zeitpunkt der Erlassung des Festnahmeauftrags am 10.11.2016 bereits den (nächstmöglichen) Flug und die Abschiebung organisiert; das Verfahren wurde sohin sehr zügig geführt. Die Anhaltung des Beschwerdeführers im Rahmen des § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG dauerte insgesamt rund 54 Stunden. Die Dauer der Anhaltung war damit nicht unverhältnismäßig.
Es ist daher - auch vor dem Hintergrund der tatsächlich erfolgten Abschiebung innerhalb der für die Anhaltung im Rahmen der Festnahme vorgesehenen Höchstfrist - der belangten Behörde nicht vorzuwerfen, wenn sie davon ausging, dass die Abschiebung tatsächlich in Frage kommt und innerhalb der vorgesehenen Frist bewerkstelligt werden konnte (vgl. zur Schubhaft VwGH 26.09.2007, 2007/21/0253; 23.10.2008, 2006/21/0128; 11.06.2013, 2013/21/0024).
3.1.6. Die gegenständliche Beschwerde wird - zusammengefasst - ausschließlich damit begründet, dass der Beschwerdeführer seine freiwillige Ausreise nicht betreiben habe können und sich nicht auf seine Abschiebung vorbereiten habe können, weil ihn die belangte Behörde nicht gemäß der Bestimmung des § 58 Abs. 2 FPG über den festgelegten Abschiebetermin sowie die Rechtsfolgen eines versäumten Abschiebetermins informiert habe.
Die zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Maßnahme anzuwendende, "frühere" Bestimmung des § 58 Abs. 2 FPG (in der Fassung BGBl. I. Nr. 87/2012, Inkrafttretensdatum 01.01.2014, Außerkrafttretensdatum 31.10.2017) beinhaltete die Verpflichtung der Behörde, einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz zurück- oder abgewiesen wurde und gegen den eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde, ehestmöglich ab Vorliegen der dafür erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nachweislich über den festgelegten Abschiebetermin sowie über die Rechtsfolgen eines versäumten Abschiebetermins zu informieren.
Die vom Beschwerdeführer in Beschwerde geführte "verspätete" Information über die beabsichtigte Abschiebung wurde jedoch unter Heranziehung der Judikatur des VwGH in rechtskonformer Weise vorgenommen. Im Einklang mit der Judikatur des VwGH vom 20.12.2013, 2012/21/0118-5 ist es rechtskonform, die Erteilung der "Information über die bevorstehende Abschiebung", zum Zwecke der Hintanhaltung kurzfristiger Verhinderungen von Abschiebungen auch erst im Zuge der Festnahme als "rechtzeitig" zu beurteilen.
Der Beschwerdeführer war bereits Monate vor der erfolgten Festnahme und Anhaltung über seine Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise informiert und auch darüber belehrt worden, dass seine Ausreise auch mit Abschiebung erzwungen werden und Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden können. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestand nie. Dennoch verblieb der Beschwerdeführer im Bundesgebiet und setzte seine im Juni 2016 begonnene Lehre als Koch fort. Die Annahme, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung bei Kenntnis des vorgesehenen Abschiebetermins verhindern könne, war somit durchaus gerechtfertigt.
Den detaillierten Beschwerdeausführungen zur Integration des Beschwerdeführers ist entgegenzuhalten, dass gegen den Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der gegenständlich angefochtenen Maßnahmen bereits eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestand. Eine neuerliche Überprüfung oder gar Revidierung einer rechtskräftigen Entscheidung einer erstinstanzlichen Behörde oder des Bundesverwaltungsgerichts ist im Beschwerdeverfahren gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG nicht vorgesehen.
Sonstige außergewöhnliche Umstände, die die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers unzulässig machen könnten, sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.
3.1.6. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II., Kostenentscheidung:
3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde stellte keinen Antrag auf Kostenersatz.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG im gegenständlichen Fall die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die Einvernahme des Beschwerdeführers unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf Spruchpunkt I. nicht zuzulassen.
Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Abschiebung, Anhaltung, Asylverfahren, aufrechteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I406.2143377.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.06.2020