TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/20 I414 2181722-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.2020
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Entscheidungsdatum

20.01.2020

Norm

AVG §13 Abs2
AVG §57 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §46a
FPG §57
FPG §57 Abs1
FPG §57 Abs2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2181722-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: LEGAL FOCUS gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich BAL vom 12.12.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid § 28 Abs 1 und 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen ins Bundesgebiet ein und stellte am 29.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2017 gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, sowie gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG als unbegründet abgewiesen wurde. Dem Beschwerdeführer wurde überdies ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist. Letztlich wurde ihm gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise in der Dauer von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.02.2019 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde abgelehnt, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 16.09.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 46 Abs 2a FPG iVm § 19 AVG die Mitwirkung am Verfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes/Heimreisezertifikates aufgetragen. Der Termin vor der nigerianischen Botschaft fand am 04.10.2019 statt.

Mit Mandatsbescheid vom 10.10.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs 1 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung XXXX zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er binnen drei Tagen nachzukommen. Der Mandatsbescheid wurde ihm persönlich durch Beamte des SPK XXXX an seiner Wohnadresse am 11.10.2019 zugestellt.

Gegen den Mandatsbescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass verfahrensgegenständliche Wohnsitzauflage gravierend in sein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingreifen würde. Er habe sich in XXXX integrativ verfestigt, nichts zu Schulden kommen lassen, sei durchgehend in Österreich hauptwohnsitzlich gemeldet und für die Behörden immer greifbar gewesen. Bislang konnte kein Reisedokument ausgestellt werden, er habe am Verfahren aber immer mitgewirkt.

Vor Erlassung des angefochtenen Bescheides wurde ihm Gelegenheit geboten, schriftlich Stellung zu seinen Lebensumständen in Österreich zu machen. Mit Bescheid vom 12.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs 1 FPG aufgetragen, bis zur Ausreise unverzüglich Unterkunft in der näher bezeichneten Betreuungseinrichtung des Bundes zu nehmen. Die aufschiebende Wirkung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gegen ihn eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestehen würde, keine aufrechte Duldung nach § 46a FPG vorliegen würde und er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, weshalb sein Aufenthalt unrechtmäßig sei. Weiters wurde ausgeführt, dass im Bescheid der Rückkehrentscheidung bereits eingehend auf den Kriterienkatalog des § 9 Abs. 2 BFA-VG eingegangen worden sei und seit der Rechtskraft dieser Entscheidung keine Änderungen bekannt geworden sind, vielmehr seien alle seit der Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung eventuell entstandenen Bindungen im Bewusstsein seines unsicheren Aufenthaltsstatus entstanden. Die Wohnsitzauflage würde demnach einen geringfügigen Eingriff in das Recht auf Schutz des Privatlebens darstellen. Weiters wurde ausgeführt, dass er an keinem Rückkehrberatungsgespräch teilgenommen habe und beharrliches illegales Verbleiben nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Interessen darstellen würde und ein illegaler Aufenthalt auch nicht zu einer Aufenthaltsverfestigung führen könne. Aufgrund der Darlegung seines Privat- und Familienlebens, seiner strikten Weigerung seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, zeige er seine Einstellung gegenüber den Gesetzen und Vorschriften in Österreich und sei daher nicht davon auszugehen, dass er wesentliche integrative Bindungen zu Österreich habe, weshalb seinen persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich die daraus resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüberstehen würde. Bezüglich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das überwiegende öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug schon dadurch indiziert sei, dass der Gesetzgeber im Fall einer Wohnsitzauflage zunächst die Erlassung eines Mandatsbescheides - der sofort durchsetzbar ist- vorsieht und gerade angesichts des Zweckes der Wohnsitzauflage im Hinblick auf die Erfüllung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme jedenfalls die überwiegenden öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Bescheides vorliegen würden. Weiters ist dem Bescheid eine Belehrung bezüglich Rechtsfolgen der Missachtung der Wohnsitzauflage zu entnehmen.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2019, erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das Beschwerdevorbringen wiederholt die Ausführungen der Vorstellung und wird außerdem moniert, dass der Beschwerdeführer weder sein bisheriges Privatleben weiterführen, noch seine Religion in der gewohnten Form ausüben könnte. De facto würde die Wohnsitzanordnung eine Freiheitsentziehung darstellen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 15.01.2020 vorgelegt.

Mit Verständigung durch die zuständige Gerichtsabteilung vom 17.01.2020 wurde der belangten Behörde, aufgetragen, genau bezeichnete entscheidungsrelevante Bestandteile des Administrativverfahrens unverzüglich anher zu übermitteln.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria, und somit Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Seine Identität (Staatsangehörigkeit) steht fest.

Der Beschwerdeführer stellte am 29.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, der negativ entschieden wurde, rechtskräftig seit 06.02.2019. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Die 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ist verstrichen.

Die belangte Behörde hat am 26.08.2019 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet, des Status "laufend" ist. Der Beschwerdeführer wurde nach Erlassung eines Mitwirkungsbescheides am 04.10.2019 neuerlich vor der nigerianischen Delegation vorstellig. Er wurde als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert, eine Zustimmung wurde seitens der Botschaft noch nicht erteilt. Ein gültiges Heimreisezertifikat wurde bislang nicht ausgestellt.

Der Beschwerdeführer ist seit 30.03.2016 durchgehend in Österreich mit Hauptwohnsitz aufrecht gemeldet. Seit 02.10.2017 wohnt er an der Meldeadresse in XXXX. Eine Ortsanwesenheit kann angenommen werden.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über kein Familienleben und kein schützenswertes Privatleben und hat sich diesbezüglich seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung durch das BVwG im Februar 2019 keine Änderung ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der Akten des Bundesamtes sowie die des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellung zu seiner Identität ergeben sich aus dem unbestritten gebliebenen Akteninhalt und der Vorstellung vor der nigerianischen Delegation. Dass eine Identifizierung stattfand, aber noch keine Zustimmung erteilt wurde, ergibt sich aus einem Telefonat mit der belangten Behörde vom 17.01.2020. Es muss diesbezüglich auf den dazugehörigen Aktenvermerk zurückgegriffen werden, da das BFA zwar den Mitwirkungsbescheid wie aufgetragen übermittelte, nicht aber die Bestätigung der nigerianischen Vertretungsbehörde. Es wurde telefonisch bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer erschienen ist und als Nigerianer identifiziert wurde. Die Botschaft hat noch keine Zustimmung erteilt, aber auch nicht verweigert. Seitens des BFA wurde mehrfach urgiert. Das Verfahren ist laufend.

Daraus und einem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister ergibt sich auch das laufende Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates und dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht durch Erscheinen vor der nigerianischen Delegation auch nachgekommen ist.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, zum Ausgang des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz, zum Bestehen einer Rückkehrentscheidung, zum Verbleib in Österreich nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise und seinen Anträgen, ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit nunmehr über zwei Jahre und drei Monate durchgehend an derselben Adresse in XXXX aufrecht gemeldet ist und dass Ortsanwesenheit angenommen werden kann, stützt sich auf den aktuellen ZMR-Auszug sowie den vorliegenden Akteninhalt. Sowohl der Mitwirkungsbescheid vom 16.09.2019 als auch der Mandatsbescheid vom 10.10.2019 konnten dem Beschwerdeführer an die Meldeadresse zugestellt werden. Seit seiner Asylantragstellung im März 2016 ist der Beschwerdeführer durchgehend mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet und haben sich keine Hinweise ergeben, dass er gegen das Meldegesetz verstoßen könnte, untertauche oder nicht mehr greifbar wäre.

Die Feststellungen zu seinem Privatleben ergeben sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.02.2019. In Zusammenschau mit seinen eigenen Angaben in den Rechtsmitteln bzw. der Stellungnahme konnte festgestellt werden, dass sich seither keine Änderungen ergeben habe.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des § 57 und § 46 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) - (5) ...

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen.

Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

[...]"

Zu A) Behebung des Bescheides:

Die Wohnsitzauflage gemäß § 57 kann in zeitlicher Hinsicht als Anschlussstück zur Anordnung der Unterkunftnahme nach § 15b AsylG sowie als Ergänzung zur Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG und allfällig damit verbundene Auflagen gemäß § 56 gesehen werden.

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird. Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.200 I, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist.

Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll jedoch nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

Eine Begründung für die Erlassung einer Wohnsitzauflage und eine Darstellung der konkreten Umstände ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde beschränkt sich darauf, unter dem Punkt "Feststellungen", Unterpunkte "zu Ihrem bisherigen Verhalten" bzw. "Voraussetzungen für die Erlassung einer Wohnsitzauflage", die Feststellungen zum unrechtmäßigen Aufenthalt und der unterbliebenen Ausreise des Beschwerdeführers zu wiederholen und anschließend anzuführen, dass der Beschwerdeführer auch zusätzlich zu den von der Behörde anberaumten Terminen bei der Vertretungsbehörde vorsprechen hätte können, um ein Reisedokument zu erwirken.

Die belangte Behörde legt im angefochtenen Bescheid jedoch nicht dar, zu welchem Ermittlungsergebnis sie gelangt sei, worauf sich dieses stütze und welche bestimmten Tatsachen im Sinne des § 57 FPG die Annahme rechtfertigen, der Beschwerdeführer werde seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen.

Stattdessen wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer "nicht gewillt" war, "aus eigenem Tun bzw. im Rahmen der Amtshandlungen der Behörde im dafür notwendigen Maß mitzuwirken".

Diese Feststellung ist aktenwidrig. Der Beschwerdeführer hat bereits in der niederschriftlichen Einvernahme im Asylverfahren angegeben, Interesse an einer freiwilligen Ausreise zu haben. Zudem ist er der Aufforderung im Mitwirkungsbescheid nachgekommen und hat sich der nigerianischen Delegation am 04.10.2019 vorgestellt. Es haben sich während dem gesamten Verfahren keine Hinweise ergeben, dass er falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hätte und war er aufgrund durchgehender Meldung eines Hauptwohnsitzes auch nach Erlassung einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung stets greifbar. Behördliche Schriftstücke konnten ihm bis dato problemlos zugestellt werden. Ausgeführt wird außerdem, dass er bis zur Bescheiderlassung ein Rückkehrberatungsgespräch nicht wahrgenommen habe. Diese Feststellung ist für das erkennende Gericht nicht überprüfbar, da weder eine Bestätigung darüber, noch eine Meldung über das Fernbleiben zu einem Termin dem Verwaltungsakt zu entnehmen sind. Ebenso fehlt es an einem nachweislichen Angebot einer Rückkehrberatungsstelle im Sinne des § 57 Abs 2 FPG, das er nicht wahrgenommen hätte.

In der Beweiswürdigung bezieht sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darauf, dass das gesamte bisher einbezogene Verhalten deutlich zeigen würde, dass der Beschwerdeführer nicht zur Mitwirkung willens und nicht ausreisewillig sei.

In Gesamtschau ergeben sich also keine Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen werde, sich beharrlich weigere oder Handlungen vereitle, die zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes/Heimreisezertifikates notwendig sind. Gravierend wiegt dabei, dass ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates seit 26.08.2019 "laufend" ist und eine Entscheidung der Botschaft noch ausständig ist. Wie festgestellt, hat der Beschwerdeführer bisher auch mitgewirkt.

Insofern ist durch unrichtige Feststellungen nicht ersichtlich, auf welches Ermittlungsergebnis die Annahmen gestützt wurden, sodass hier der wesentliche Sachverhalt nicht ermittelt wurde bzw. unrichtig in der rechtlichen Beurteilung subsumiert wurde.

Hätte die belangte Behörde die Tatsachenermittlung korrekt durchgeführt, wäre sie im gegenständlichen Fall zum Ergebnis gelangt, dass keine der zitierten Merkmale der Z 1 bis 5 des § 57 Abs 2 FPG vorliegen, eine Wohnsitzauflage im gegenständlichen Fall daher überschießend ist und keine Notwendigkeit dafür besteht.

Da es kein Ermittlungsergebnis und damit keinen festgestellten Sachverhalt gibt, aufgrund dessen das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer Wohnsitzauflage als gegeben angenommen werden kann, war der angefochtene Bescheid zu beheben.

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert, zudem würden diese Interessen in Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen.

Mangels festgestellter Verwirklichung der Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage und der dieser immanenten "Gefahr im Verzug" (vgl. oben) war der angefochtene Bescheid auch im Umfang der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II.) zu beheben.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Anordnung einer Wohnsitzauflage und der Frage, inwieweit ein Fremder seiner Mitwirkungspflicht nachkommt; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Einzelfallentscheidung, Gesamtbetrachtung, Interessenabwägung,
konkrete Darlegung, Mandatsbescheid, Mitwirkungspflicht, öffentliche
Interessen, Privat- und Familienleben, private Interessen,
Verhältnismäßigkeit, Vorstellung, Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2181722.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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