TE OGH 2020/4/8 3Ob221/19z

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Veröffentlicht am 08.04.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.-Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** und 2. S*****, beide vertreten durch Mag. Alois Pirkner, Rechtsanwalt in Tamsweg, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwalt in St. Michael im Lungau, wegen Feststellung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 11. September 2019, GZ 22 R 245/19m-16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen gaben der Klage auf Feststellung, dass dem Beklagten als Eigentümer des Grundstücks 225/1 am Grundstück 224/29 der Kläger ein Geh- und Fahrrecht nicht zustehe, sowie auf Unterlassung der Anmaßung oder Ausübung dieses Rechts statt.

Der Beklagte zeigt in seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, weshalb diese als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung kann die bereits vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 6 ZPO in der Revision nicht mehr erfolgreich gerügt werden (RIS-Justiz RS0042981 [T13]; RS0043405 [T18]).

2. Der Beklagte sieht eine erhebliche Rechtsfrage im Kern darin, dass die Entwidmung des Grundstücks 224/29 aus dem öffentlichen Gut und die gleichzeitige Übertragung in das Privateigentum der Kläger rechtswidrig sei, weil damit sein aus einem Gemeingebrauch abgeleitetes Recht, sein Grundstück 225/1 vom öffentlichen Gut aus betreten/befahren zu können, (eingeschränkt bzw) vernichtet worden sei.

2.1. Dabei übergeht der Beklagte einerseits die Tatsache, dass sein Grundstück 225/1 über eine weitere taugliche Zufahrt verfügt; andererseits übersieht er, dass dieser selbständige Einwand nicht Gegenstand der Berufung war, weshalb er in dritter Instanz nicht mehr nachgeholt werden und eine Zulässigkeit des drittinstanzlichen Rechtsmittels nicht begründen kann (RS0043352 [T27, T33]; RS0043338 [T10, T11, T13]).

2.2. Im Übrigen ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Mit der hier durch Verordnung (vgl zum Sbg LStG: 6 Ob 109/08k) vom 26. September 2017 vorgenommenen und öffentlich kundgemachten Entwidmung (RS0111847) verlor das Grundstück 224/29 seinen Charakter als öffentliches Gut und wurde zu Privateigentum der Gemeinde, weshalb diese darüber privatrechtlich verfügen durfte (1 Ob 126/09z ua). Gegen die Klage nach § 523 ABGB, die von Erwerbern (und seit Ende 2017 grundbücherlichen) Eigentümern des Grundstücks 224/29 erhoben wurde, kann der Beklagte daher den Einwand nicht (mehr) erfolgreich erheben, er dürfe das Grundstück 224/29 im Rahmen des Gemeingebrauchs der Gemeindestraße Grundstück 224/1 begehen und befahren.

2.3. Welchen Einfluss es haben sollte, dass diese Vorgänge während des vom Beklagten eingeleiteten (und letztlich ohnehin zu seinen Gunsten entschiedenen) Besitzstörungsverfahrens erfolgten, ist nicht nachvollziehbar. Fest steht, dass die Kläger den Kaufvertrag über die strittige Grundfläche mit den damaligen Eigentümern bereits im Jahr 2014 abschlossen, also vor der Widmung des Wegs Grundstück 224/1 (offenbar irrtümlich samt der strittigen Grundfläche) zum Gemeingebrauch durch die Gemeinde im Jahr 2015, und die Entwidmung des Grundstücks 224/29 „wegen“ dieses älteren Kaufvertrags erfolgte.

3. Das Rechtsmittelverfahren der ZPO hat lediglich nachprüfenden Charakter, weshalb Berufungsgericht und Oberster Gerichtshof nur zu beurteilen haben, ob der Klagsanspruch bei Schluss der Verhandlung erster Instanz berechtigt war (vgl RS0041116; RS0036969); nach diesem Zeitpunkt liegende Sachverhaltsänderungen (nova producta) dürfen bei der Rechtsmittelentscheidung daher nicht berücksichtigt werden (Fucik in Fasching/Konecny, III/23 § 406 ZPO Rz 10 mwN; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka5, Vor § 390 ZPO Rz 29).

3.1. Der vom Revisionswerber ins Treffen geführte Umstand, dass nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eine Entscheidung eines Landesverwaltungsgerichts erging, deren Spruch allerdings weder eine Aussage über den hier strittigen Gemeingebrauch noch über ein anderes Nutzungsrecht am hier strittigen Grundstück 224/29 enthält (vgl aber RS0037051; RS0036948; RS0037015 je zur Bindung der Gerichte), kann daher ebenfalls keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen.

3.2. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass (auch) in der Begründung dieser Entscheidung das aktuelle Bestehen eines Gemeingebrauchs am Grundstück 224/29 ausdrücklich verneint wird. Die in der Revision erkennbar vertretene Ansicht, die Vorfrage nach dem Gemeingebrauch sei durch die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts zugunsten des Beklagten entschieden worden, erweist sich daher als aktenwidrig.

Textnummer

E128246

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00221.19Z.0408.000

Im RIS seit

05.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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