TE OGH 2020/5/28 14Os53/20f

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in der Strafsache gegen ***** S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 28 Hv 12/20p des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten ***** K***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 30. April 2020, AZ 11 Bs 11/20y (ON 113 der Hv-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

***** K***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

In dem von der Staatsanwaltschaft Innsbruck zum AZ 5 St 143/19a gegen ***** S***** und ***** K**********wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung geführten Ermittlungsverfahren wurde K***** am 26. September 2019 festgenommen, mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 27. September 2019 die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO über ihn verhängt (ON 20) und in der Folge mehrfach aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fortgesetzt (ON 30, 79, 88).

Nachdem der den Genannten betreffende Abschlussbericht des Landeskriminalamts Tirol am 27. Jänner 2020 bei der Anklagebehörde eingelangt war (ON 63), brachte diese am 31. Jänner 2020 die – seit 28. Februar 2020 rechtswirksame (ON 66) – Anklageschrift gegen S***** und K***** beim Landesgericht Innsbruck zum AZ 28 Hv 12/20b ein (ON 65).

Darin legt sie – soweit hier wesentlich – dem Angeklagten K***** als Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB zur Last, er habe von Anfang Juli bis zum 10. Juli 2019 (zu ergänzen: in I*****) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz den Mitangeklagten ***** S***** dazu bestimmt, Univ.-Prof. Dr. ***** Z***** durch Drohung mit dem Tode, nämlich durch die wiederholte Ankündigung, ihn, seine Frau und deren drei Kinder zu erschießen, wobei er dem Genannten eine täuschend echt aussehende Faustfeuerwaffe aus Plastik vorgehalten und ihm auch an die Wange angesetzt haben soll, zur Zahlung von 800.000 Euro zu nötigen, indem er den Tatentschluss beim unmittelbaren Täter erweckte, gemeinsam mit diesem den Tatplan entwarf, eine Vereinbarung über die Aufteilung der Beute traf, sich dazu bereit erklärte, die persönlichen Lebensumstände und Gewohnheiten des Opfers auszukundschaften, was er in der Folge auch tat, und am 10. Juli 2019 Aufpasserdienste bei der (letztlich gescheiterten) Geldübergabe leistete.

Am 11. März 2020 bestimmte die Vorsitzende des Schöffengerichts den 11. Mai 2020 als Tag der Hauptverhandlung (ON 94).

Die Sechsmonatsfrist des § 178 Abs 2 StPO endete – unter Berücksichtigung mehrerer in Unterbrechung der Strafhaft vollzogener (Ersatz-)Freiheitsstrafen – mit Ablauf des 30. April 2020 (vgl die Haftbestätigung, Beilage zu ON 99 und 108).

Am 16. April 2020 beantragte der Angeklagte seine Enthaftung spätestens am 30. April 2020, 17 Uhr, (unter anderem) mit der Begründung, dass Umstände, die eine Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate rechtfertigen würden, nicht gegeben seien (ON 99).

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Innsbruck dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 21. April 2020, mit dem dieser Antrag unter neuerlicher (unbefristeter) Prolongierung der Untersuchungshaft abgewiesen worden war (ON 105), nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft seinerseits aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fort.

Dabei ging es durch (zulässigen; vgl RIS-Justiz

RS0115236 [T1]; 14 Os 16/10z, 17/10x mwN) Verweis auf frühere Entscheidungen in dieser Sache von einem dem oben zitierten Anklagevorwurf entsprechenden dringenden Tatverdacht sowie von Tatbegehungsgefahr aus.

Unter Berufung auf höchstgerichtliche Judikatur (RIS-Justiz RS0125949; 14 Os 120/10v) und eine Literaturstelle (Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 178 Rz 11 f) erachtete das Beschwerdegericht die Voraussetzungen des § 178 Abs 2 StPO (im Wesentlichen) aufgrund des für die gebotene gründliche Vorbereitung des umfangreichen – vier Bände und 110 Ordnungsnummern umfassenden – Aktes erforderlichen Zeitaufwandes (für Aktenstudium sowie Vorkehrungen zur verlässlichen Durchführung der Hauptverhandlung; §§ 221 f StPO) und mit Blick auf die Notwendigkeit weiterer, erst von der Vorsitzenden angeordneter Ermittlungen (nämlich der [neuerlichen] Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten) für „(gerade noch) gegeben“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die ausschließlich eine Verletzung der Bestimmung des § 178 Abs 2 StPO relevierende Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten K*****, der keine Berechtigung zukommt.

Die Bejahung oder Verneinung der Voraussetzungen für eine Fristüberschreitung nach § 178 Abs 2 StPO fällt in den Bereich gebundenen Ermessens. § 2 Abs 1 GRBG bezeichnet nur unrichtige Gesetzesanwendung als Grundrechtsverletzung und führt dabei „insbesondere“ einzelne gravierende Fälle namentlich an. Ermessensausübung innerhalb der gesetzlichen Grenzen kann zwar durch eigenes Ermessen des Rechtsmittelgerichts ersetzt, nicht aber als unrichtig charakterisiert werden (RIS-Justiz RS0121605, dort va 14 Os 120/10v, 13 Os 91/13a).

Indem die Beschwerde den Erwägungen des Oberlandesgerichts bloß eigene Auffassungen gegenüberstellt, zeigt sie keine Willkür im dargelegten Sinn auf. Die vom Beschwerdegericht für die Fristüberschreitung angeführten konkreten Gründe bewegen sich – was die Unvermeidbarkeit der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft betrifft – innerhalb der Grenzen vertretbarer Ermessensabwägung.

***** K***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde
– in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Textnummer

E128258

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00053.20F.0528.000

Im RIS seit

05.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.01.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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