TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/5 VGW-141/081/15629/2019

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Veröffentlicht am 05.02.2020
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Entscheidungsdatum

05.02.2020

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §16
WMG §21 Abs1
WMG §21 Abs2
WMG §21 Abs3
WMG §24 Abs1
WMG §24 Abs2
WMG §32 Abs2
WMG §32 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Szep über die Beschwerde des Herrn A. B., Wien, C.-gasse, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - Sozialzentrum ..., vom 09.11.2019, Zahl MA 40 - Sozialzentrum ... - SH/..., mit welchem gemäß § 21 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) in der geltenden Fassung die für den Zeitraum von 01.03.2019 bis 30.06.2019 zu Unrecht empfangenen Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 641,83 rückgefordert wurden,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 9. November 2019 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer zur Zahl MA 40 – Sozialzentrum ... – SH/... verpflichtet, für den Zeitraum von März bis Juni 2019 zu Unrecht empfangene Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 641,83 zurückzuzahlen.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass auf Grund einer Erhöhung der Leistungen des Arbeitsmarktservices Wien ab 6. Dezember 2018 von EUR 20,66 täglich auf EUR 27,54 täglich eine zu Unrecht empfangene Geldleistung entstanden sei. Auf Grund geänderter Verhältnisse würden sich die zu Unrecht empfangenen Leistungen ergeben. Das Verschulden sei weder geringfügig noch würde durch die Rückforderung eine Notlage herbeigeführt.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde führte der nunmehrige Rechtsmittelwerber Nachstehendes aus:

„Hiermit erhebe ich Einspruch gegen den Bescheid der MA40 vom 09.11.2019, welcher die Rückzahlung der zu Recht bezogenen Leistungen im Zeitraum von 01.03. bis 30.06.2019 fordert.

Die MA40 führt an, mein Leistungsbezug im angegebenen Zeitraum wäre zu Unrecht erfolgt, was zu 100% nicht korrekt ist. Dies ist auf die simple Tatsache zurückzuführen, das ich zum angegebenen Zeitraum nicht wusste, ob ich die am 02.09.2019 begonnene Ausbildung zum Elementarpädagogen an der D. antreten würde dürfen, oder nicht.

Da mir mein Betreuer vom AMS … stets gesagt hatte, das AMS würde die Ausbildung nichtfinanzieren und ich solle weiterhin mein Curriculum Vitae versenden, hatte ich auch entsprechend gehandelt.

Zwischen Mitte Juni und Mitte Juli war ich dann auch für die Dauer eines Probemonats bei der Firma E. in F. tätig. Da sich hierdurch mein Bezugsanspruch gegenüber dem AMS bis zum Beginn meiner jetzigen Ausbildung verlängert hatte, war auch das Antreten derselben gewährleistet.

Doch auch zu diesem Zeitpunkt, am 02.09.2019, wusste ich noch immer nicht, das mein zwischen Dezember 2018 und Ende August 2019 bezogenes Taggeld im NACHHINEIN aufgebessert werden würde.

Nun verhält es sich so, dass mir die MA40 de facto unterstellt, ich hätte den erhöhten Bezug bereits zum Zeitpunkt meines Anspruches auf Mindestsicherung gehabt, weswegen diese Beträge zu Unrecht bezogen worden wären.

Des weiteren führt die MA40 in ihrem Schreiben an, „das Verschulden wäre weder geringfügig, noch würde durch die Rückforderung eine Notlage herbeigeführt. Die Rückforderung in einem Betrag sei zumutbar.“

Dies geht jedoch meilenweit an der Realität vorbei!

Richtig ist, das ich die jeweiligen Unterlagen mit dem korrekten Tagesbezug meinem Ansuchen beigefügt hatte, da ich andernfalls ja gar keine finanzielle Zuwendung von Seiten der MA40 bekommen hätte dürfen.

Des weiteren möchte ichfesthalten, bereits am 13.08.2019 (siehe Anhang exkl. Der eMail Anhänge) eine eMail an die MA40 versandt zu haben, in welchem ich darauf hinweise, dass die MA40 offensichtlich bewusst eine falsche Berechnung vorgenommen und ich um entsprechende Korrektur gebeten hatte.

Konkret geht es hierbei um den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes, welches meine Frau ausbezahlt bekommt. Da wir dies erst im März oder April beantragt hatten, wurde dies ebenfalls rückwirkend auf einmal ausbezahlt. Soweit ich juristisch informiert wurde, muss dieser Betrag sauf die entsprechende Anzahl der Monate aufgeteilt betrachtet werden und darf auf gar keinen Fall als einmalige Zahlung behandelt werden. Dies ist jedoch geschehen. Ich warte, diesen Punkt betreffend, noch immer auf eine Antwort der MA40.

Zum Punkt „keine Notlage“ und „Rückforderung in einem Betrag zumutbar“.

Meine Frau und ich leben seit nunmehr über einem Jahr vom Überziehen unserer Konten und bewegen uns dabei Monat für Monat am Limit des Überziehungsrahmens. Eine Rückzahlung unter solchen Bedingungen als „führt keine Notlage herbei“ zu bezeichnen ist gelinde gesagt eine Untertreibung. In manchen Monaten wissen wir nicht einmal, ob das zu Verfügung stehende Geld (Stichwort Überzugszins), tatsächlich ausreichen wird bis zum Monatsende.

Da mir auch mitgeteilt wurde (von einem Juristen), das nachträgliche Aufstockungen auf gar keinen Fall eine Rückforderung einer zu Recht bezogenen Leistung bedeuten, berufe ich mich somit auf diesen Fakt und verlange einerseits die Einstellung der Forderung der MA40 sowie die korrekte Berechnung der Auszahlung von Seiten der MA40 für den entsprechenden Zeitraum in Bezug auf die Auszahlung und korrekte Aufschlüsselung des bezogenen Kinderbetreuungsgeldes auf die Monate zwischen November 2018 (ab der Geburt meiner Tochter am ...2018) bis Ende August 2019.“

Es ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:

Der am ... 1975 geborene Beschwerdeführer, ein österreichischer Staatsangehöriger, wohnt gemeinsam mit seiner Ehegattin, Frau G. H.-B., und der gemeinsamen minderjährigen Tochter, der am ...2018 geborenen I. B., in seiner Mietwohnung an der Anschrift Wien, C.-gasse. Die Miete belief sich dabei im Jahr 2019 auf EUR 900,--. Wohnbeihilfe wurde dem Einschreiter nicht zuerkannt.

Mit Eingabe vom 4. Februar 2019 beantragte der Rechtsmittelwerber für die gegenständliche Bedarfsgemeinschaft die Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und des Grundbetrags zur Deckung des Wohnbedarfs sowie Mietbeihilfe. Der an ihn gerichteten Aufforderung gemäß § 32 Abs. 3 Wiener Mindestsicherungsgesetz vom 18. Februar 2019, zugestellt am 21. Februar 2019, bis zum 5. März 2019 einen Lichtbildausweis der minderjährigen I. B. vorzulegen, kam der Rechtsmittelwerber innerhalb der gesetzten Frist nicht nach. Vielmehr übermittelte er erst mit Eingabe vom 19. Mai 2019 eine Kopie des Reisepasses seiner Tochter.

Dennoch wurde der gegenständlichen Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 27. Juli 2019, zur Zahl MA 40 – Sozialzentrum ... – SH/..., eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs für den Zeitraum von 4. Februar 2019 bis 31. August 2019 zuerkannt. Der Berechnung dieser so zuerkannten Leistungen der Mindestsicherung wurde insbesondere der Umstand zu Grunde gelegt, dass der Rechtsmittelwerber neben seinem Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit in der Höhe von EUR 653,35 im April 2019 und von jeweils EUR 658,56 im Juni und Juli 2019 ein Einkommen aus dem Bezug von Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 14,45 täglich ab 6. Dezember 2018 bis 4. April 2019 sowie in der Höhe von EUR 20,66 täglich im Zeitraum von 20. April 2019 bis 31. August 2019 mit Unterbrechungen lukrierte. Des Weiteren wurde davon ausgegangen, dass seine Ehegattin Wochengeld in der Höhe von EUR 42,88 täglich bis zum 25. Februar 2019 sowie ein Einkommen durch den Bezug von Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von EUR 16,94 täglich und eine diesbezügliche Beihilfe von EUR 6,06 täglich im Zeitraum ab 26. Februar 2019 bezog. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft und wurden die so zuerkannten Leistungen dem Rechtsmittelwerber vollumfänglich ausbezahlt.

Der Beschwerdeführer erhielt am 9. September 2019 auf Grund der ab 6. Dezember 2018 rückwirkenden Zuerkennung von erhöhtem Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 27,54 täglich eine Nachzahlung vom Arbeitsmarktservice Wien in der Höhe von EUR 1.444,80. Dieser Umstand wurde von der belangten Behörde durch Einholung einer Auskunft aus dem AMS-Behördenportal am 9. November 2019 ermittelt.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Die getätigten Feststellungen gründen sich auf den insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG abgesehen werden, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt vollinhaltlich dem Akteninhalt entnehmen lässt und der Beschwerdeführer trotz entsprechender Belehrung im angefochtenen Bescheid im Beschwerdeschriftsatz nicht die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Auch die belangte Behörde hat von der Beantragung der Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung Abstand genommen.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 1 Abs. 4 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes dient die Wiener Mindestsicherung der Beseitigung einer bestehenden Notlage. Sie erfolgt auch vorbeugend, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegengewirkt werden kann. Eine Fortsetzung ist solange möglich, als dies notwendig ist, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Hilfeleistung zu sichern. Die Mindestsicherung hat rechtzeitig einzusetzen. Eine Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit ist nicht möglich.

Gemäß § 4 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes hat Anspruch auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung, wer

1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,

2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,

3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,

4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes haben Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs volljährige Personen bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und 2. Der Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs kann nur gemeinsam geltend gemacht werden und steht volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zu. Die Abdeckung des Bedarfs von zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen Personen erfolgt durch Zuerkennung des maßgeblichen

Mindeststandards an die anspruchberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft, der sie angehören.

Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung erfolgt die Zurechnung zu einer Bedarfsgemeinschaft nach folgenden Kriterien:

1. Volljährige Personen, zwischen denen keine unterhaltsrechtliche Beziehung oder Lebensgemeinschaft besteht, bilden jeweils eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie mit anderen Personen in der Wohnung leben (Wohngemeinschaft), sofern nicht Z 2, 4 oder 5 anzuwenden ist.

2. Volljährige Personen, zwischen denen eine Ehe besteht oder volljährige Personen, zwischen denen eine eingetragene Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft besteht und die im gemeinsamen Haushalt leben, bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie mit einem Eltern- oder Großelternteil in der Wohnung leben.

3. Minderjährige Personen im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Eltern- oder Großelternteil oder mit einer zur Obsorge berechtigten Person bilden mit diesem oder dieser eine Bedarfsgemeinschaft.

4. Volljährige Personen bis zum vollendeten 25. Lebensjahr im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Eltern- oder Großelternteil bilden mit diesem eine Bedarfsgemeinschaft.

5. Volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr und volljährige auf

Dauer arbeitsunfähige Personen bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie mit einem Eltern- oder Großelternteil in der Wohnung leben.

Gemäß § 9 Abs. 1 Wiener Mindestsicherungsgesetz wird ein über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs nach § 8 Abs. 1 hinausgehender Bedarf an die anspruchsberechtigten Personen als Bedarfsgemeinschaft in Form einer monatlichen Geldleistung (Mietbeihilfe) zuerkannt, wenn dieser nachweislich weder durch eigene Mittel noch durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Die Mietbeihilfe gebührt ab dem auf die Antragstellung folgenden Monat.

Gemäß § 10 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist auf den Mindeststandard das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen. Bei der Berechnung der Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs von mehreren Personen, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, erfolgt die Bemessung für die Bedarfsgemeinschaft. Dabei ist auf die Summe der heranzuziehenden Mindeststandards die Summe der Einkommen aller anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, sofern nicht § 7 Abs. 3 anzuwenden ist. Das Einkommen eines Elternteils, einer Ehegattin, eines Ehegatten, einer eingetragenen Partnerin, eines eingetragenen Partners, einer Lebensgefährtin oder eines Lebensgefährten, die nicht anspruchsberechtigt sind, ist jeweils in dem Maß anzurechnen, das 75 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG abzüglich des Beitrages für die Krankenversicherung übersteigt.

Gemäß § 21 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes haben Hilfe empfangende Personen jede Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände, insbesondere der Vermögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohnverhältnisse sowie Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten oder sonstige, voraussichtlich länger als zwei Wochen dauernde Abwesenheiten vom Wohnort unverzüglich dem Magistrat der Stadt Wien anzuzeigen.

Gemäß § 21 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sind Leistungen, die auf Grund einer Verletzung der Anzeigepflicht gemäß Abs. 1 zu Unrecht empfangen wurden, mit Bescheid zurückzufordern. Die Behörde ist berechtigt, die Aufrechnung gegen Ansprüche auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung zu verfügen.

Gemäß § 21 Abs. 3 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes kann die Rückforderung in Teilbeträgen erfolgen oder unterbleiben, wenn die anzeigepflichtige Person glaubhaft macht, dass die Verletzung der Anzeigepflicht auf einem geringfügigen Verschulden beruht, die Rückforderung eine Notlage herbeiführen würde, der Anspruch voraussichtlich uneinbringlich wäre oder der Betrag unbedeutend ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist für Kosten, die dem Land Wien als Träger der Mindestsicherung durch die Zuerkennung von Leistungen zur Mindestsicherung entstehen, dem Land Wien als Träger der Mindestsicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Ersatz zu leisten. Ein Anspruch auf Mindestsicherung schließt dabei einen Kostenersatzanspruch des Trägers der Wiener Mindestsicherung nicht aus.

Gemäß § 24 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sind ersatzpflichtig alle Personen, die Leistungen der Mindestsicherung bezogen haben, soweit sie nach Zuerkennung der Leistung zu Vermögen oder Einkommen, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, gelangen, unabhängig davon, ob sie Hilfe empfangen oder das Vermögen noch vorhanden ist. Es sind jene Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Mindestsicherung durch Hilfegewährungen in den letzten drei Jahren der Hilfeleistung entstanden sind. Stichtag für die Berechnung der Frist ist der letzte Tag des Monats, in dem Leistungen an die Ersatzpflichtige oder den Ersatzpflichtigen geflossen sind.

Gemäß § 32 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz muss der Antrag von allen anspruchsberechtigten oder zu deren Vertretung befugten Personen unterfertigt sein. Dem Antrag ist ein Nachweis über die Identität aller Antrag stellenden und ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten Personen anzuschließen.

Gemäß § 32 Abs. 3 Wiener Mindestsicherungsgesetz ermächtigen Mängel im Sinne des Abs. 2 die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann den Antrag stellenden Personen die Behebung der Mängel innerhalb angemessener Frist mit der Wirkung auftragen, dass der Antrag nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist als zurückgezogen gilt. Die Antrag stellenden Personen sind auf diese Rechtsfolge nachweislich hinzuweisen. Bei rechtzeitiger Behebung beginnt die Entscheidungsfrist mit dem Zeitpunkt des Einlangens des verbesserten Antrages zu laufen. Wird der Mangel verspätet vollständig behoben, ist dies als neuer Antrag zu werten.

Somit sind durch die Behörde Leistungen, welche auf Grund einer Verletzung der Anzeigepflicht durch die Hilfe empfangende Person zu Unrecht empfangen wurden, zurückzufordern. Der so normierten Anzeigepflicht wird dann entsprochen, wenn die Hilfe empfangende Person jede Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände unverzüglich dem Magistrat der Stadt Wien anzeigt. Insbesondere umfasst diese Meldepflicht auch Änderungen der Einkommensverhältnisse.

Die gegenständliche Rückforderung von für den Zeitraum von März bis Juni 2019 zuerkannten Leistungen der Mindestsicherung stützt sich auf den Umstand, dass dem Rechtsmittelwerber nachträglich das Arbeitslosengeld ab Dezember 2018 auf EUR 27,54 täglich erhöht wurde. Wie sich aus dem Akteninhalt ergibt, erhielt der Einschreiter tatsächlich am 9. September 2019 auf Grund der rückwirkenden Erhöhung des Arbeitslosengeldes eine Nachzahlung des Arbeitsmarktservice Wien in der Höhe von EUR 1.444,80.

Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, wäre bei einem Abstellen auf in der Vergangenheit (nach Empfang der Leistungen aus der Mindestsicherung) zugeflossene Geldmittel, die - im Zeitpunkt des Zufließens - ein Einkommen dargestellt hätten, nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber in § 24 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz auch auf „verwertbares Vermögen“ Bezug genommen hat, wären derartige Einnahmen doch stets - als in der Vergangenheit zugeflossenes Einkommen - zur Gänze einer Ersatzpflicht zugrunde zu legen. Es ist bei der Norminterpretation aber nicht zu unterstellen, dass der Gesetzgeber inhaltsleere oder überflüssige Anordnungen getroffen hat (vgl. VwGH 4.4.2002, 97/08/0468, VwSlg. 15805 A/2002). Es ist davon auszugehen, dass zugeflossene Geldmittel infolge einer Nachzahlung von Pension als „Vermögen“ iSd § 24 Abs. 2 WMG anzusehen sind, die nur insoweit, als es sich um „verwertbares Vermögen“ iSd § 12 Abs. 2 WMG - sohin unter Berücksichtigung des Vermögensfreibetrages gemäß § 12 Abs. 3 Z 5 leg.cit. - handelt, der Ersatzpflicht unterliegen (vgl. VwGH vom 26. Februar 2018, Zl. Ra 2016/10/0055).

Auf Grund dieser Judikatur des Höchstgerichts stellt die vom Rechtsmittelwerber lukrierte Nachzahlung des Arbeitslosengeldes auf Grund einer rückwirkenden Erhöhung dieser Leistung somit ein Vermögen im Sinne des § 24 Abs. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz dar, welche nur dann einer Kostenersatzpflicht unterliegt, wenn die gegenständliche Bedarfsgemeinschaft zum Zeitpunkt der Erlassung eines diesbezüglichen Kostenersatzbescheides – unter Berücksichtigung des sonstigen Vermögens der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und des aktuellen Vermögensfreibetrages - über verwertbares Vermögen verfügt.

Im Hinblick auf diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erscheint es des Weiteren als unzulässig dieses durch Nachzahlung von rückwirkend erhöhtem Arbeitslosengeld erworbene Vermögen einer Rückforderung dadurch zu unterziehen, dass es quasi fiktiv als Einkommen in vorangegangenen Monaten angesehen wird, welches der Bemessung der zuerkannten Leistungen der Mindestsicherung zu Grunde zu legen gewesen wäre. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass bei einer Rückforderung gemäß § 21 Abs. 2 WMG das im Zuerkennungsbescheid der Bemessung zu Grunde gelegte Einkommen dem tatsächlich lukrierten Einkommen gegenüberzustellen ist, der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von März bis Juni 2019 jedoch lediglich das dem Zuerkennungsbescheid zu Grunde gelegte Arbeitslosengeld ausbezahlt erhielt. Würde man die Nachzahlung des erhöhten Arbeitslosengeldes aber – wie von der Behörde angenommen - als Einkommen ansehen, wäre diese konsequenterweise als im September 2019 bezogenes Einkommen der für den Monat Oktober 2019 vorzunehmenden Bemessung der Leistungen der Mindestsicherung zu Grunde zu legen.

Eine Rückforderung der im Zeitraum von März bis Juni 2019 zuerkannten Leistungen der Mindestsicherung auf Grund der im September 2019 erfolgten Nachzahlung des rückwirkend erhöhten Arbeitslosengeldes erscheint somit als unstatthaft.

Schließlich ist festzuhalten, dass gemäß § 21 Abs. 1 Wiener Mindestsicherungsgesetz die Anzeigepflicht betreffend Änderungen der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände nach dem Gesetzeswortlaut „Hilfe empfangende Personen“ trifft, woraus folgt, dass ein Hilfesuchender zwar am Verfahren betreffend die Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung mitzuwirken hat, ihn jedoch keine Anzeigeobliegenheit im Sinne dieser Norm mit den in § 21 Abs. 2 leg.cit normierten Konsequenzen trifft. Diesbezüglich ist anzumerken, dass der gegenständlichen Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 27. Juli 2019 rückwirkend Leistungen der Mindestsicherung ab 4. Februar 2019 zuerkannt wurden, sodass eine Rückforderung von Leistungen auf Grund der Verletzung der Anzeigepflicht erst für den Zeitraum ab Erlassung des Bescheides in Betracht kommt. Denn erst ab diesem Zeitpunkt wird der Hilfesuchende zu einer „Hilfe empfangenden Person“, welche gemäß § 21 Abs. 1 WMG die Obliegenheit trifft, für die Bemessung der Leistung maßgebliche Umstände unverzüglich der Behörde anzuzeigen. Somit obliegt es der Behörde den für die Zuerkennung und Bemessung der Leistungen der Mindestsicherung relevanten Sachverhalt vor Erlassung eines Bescheides umfassend zu ermitteln, wobei auch den Hilfesuchenden eine entsprechende Mitwirkungsobliegenheit, insbesondere im Sinne des § 16 Wiener Mindestsicherungsgesetz trifft, und können neu hervorgekommene Tatsachen betreffend den Zeitraum, für welchen eine rückwirkende Zuerkennung erfolgte, nicht im Rahmen eines Rückforderungsverfahrens nach § 21 Wiener Mindestsicherungsgesetz geltend gemacht werden.

Da somit eine Rückforderung gemäß § 21 Wiener Mindestsicherungsgesetz im verfahrensgegenständlichen Zeitraum von März 2019 bis Juni 2019 schon alleine deshalb nicht möglich ist, als der gegenständlichen Bedarfsgemeinschaft Leistungen der Mindestsicherung erstmals mit Bescheid vom 27. Juli 2019 zuerkannt wurden, war der angefochtene Bescheid zu beheben. Die belangte Behörde hat somit im fortgesetzten Verfahren zu prüfen, ob die Vorschreibung eines Kostenersatzes gemäß § 24 Wiener Mindestsicherungsgesetz bzw. § 24a Wiener Mindestsicherungsgesetz in Betracht kommt.

Abschließend ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach der Aktenlage einem Auftrag zur Behebung eines Mangels gemäß § 32 Abs. 3 Wiener Mindestsicherungsgesetz innerhalb der ihm gesetzten Frist – trotz Belehrung über die Rechtsfolge - nicht nachgekommen ist, sondern den mit Frist bis zum 5. März 2019 angeforderten Lichtbildausweis seiner Tochter erst am 19. Mai 2019 übermittelte. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 32 Abs. 3 Wiener Mindestsicherungsgesetz, welche vorsieht, dass mangels Entsprechung eines solchen Mängelbehebungsauftrages der Antrag nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist als zurückgezogen gilt, erfolgte die mit Bescheid vom 27. Juli 2019 vorgenommene Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung ab 4. Februar 2019 unrechtmäßig. Vielmehr wäre das Verfahren - wie zunächst richtigerweise im Aktenvermerk vom 13. März 2019 festgehalten – auf Grund der gesetzlich fingierten Zurückziehung des Antrags einzustellen gewesen. Allerdings wäre die verspätet vorgenommene Vorlage des Reisepasses der minderjährigen I. B. mit Eingabe vom 19. Mai 2019 als neuer Antrag zu werten gewesen (vgl. § 32 Abs. 3 letzter Satz WMG).

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mindestsicherung; Rückforderung; Verletzung der Anzeigepflicht; Vermögen; Arbeitslosengeld; Nachzahlung des rückwirkend erhöhten Arbeitslosengeldes; Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.141.081.15629.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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