Entscheidungsdatum
29.04.2020Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §29bText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde des Herrn A. B., geb. 1957, vom 13.2.2020 gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 7.2.2020, Zl. …, wegen Übertretung des § 52 lit. b Z 15 Straßenverkehrsordnung – StVO,
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben als gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 iVm Abs. 1 letzter Satz VStG von der Fortführung des Strafverfahrens abgesehen und eine Ermahnung ausgesprochen wird. Der dem Beschwerdeführer auferlegte Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens entfällt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision – soweit eine Revision nicht bereits gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist – unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahren
Über den Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 7. Februar 2020 wegen Verletzung des § 52 lit. b Z 15 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 76,– und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 11 Stunden gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO verhängt. Dem Beschwerdeführer wurde ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von EUR 10,– auferlegt. Der Beschwerdeführer habe am 9. September 2019, 10:38 Uhr, in Wien, D., Kreuzung E.-Str., mit dem PKW mit dem Kennzeichen F-1 das deutlich sichtbar aufgestellte Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung“ nicht beachtet und die Fahrt nicht im Sinne des Gebotszeichens „geradeaus“ fortgesetzt.
Gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer die – rechtzeitige – Beschwerde vom 13. Februar 2020, in der er im Wesentlichen unter Verweis auf seinen Ausweis nach § 29b StVO vorbringt, dass der Tathergang unbestritten sei und es um die an dem Verkehrszeichen „geradeausfahren“ angebrachte Zusatztafel gehe. Wenn die Behörde als eine der Ausnahmen „Behindertentransport“ anführe, so sei er davon ausgegangen, dass ein Transport eines Behinderten von der Anordnung, geradeaus zu fahren, ausgenommen sei. Dies werde im Straferkenntnis, ihm unbegreiflicherweise, verneint. Wenn die Behörde nur bestimmte Behindertentransporte meine, so müsse diese das auch in der Zusatztafel klarstellen, was nicht geschehen sei. Daher sei sein Verhalten durch die gegebenen Umstände gedeckt.
Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt den Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
II. Sachverhalt
Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:
Der Beschwerdeführer fuhr am 9. September 2019, 10:38 Uhr, mit dem Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen F-1 in Wien, D., Kreuzung E.-Str., entgegen dem dort deutlich sichtbar aufgestellten Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung“, nicht im Sinne des Gebotszeichens geradeaus, sondern bog nach rechts in die E.-Str. ab.
Die unter dem Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung“ angebrachte Zusatztafel nimmt Müllsammel- und Straßendienstfahrzeuge, Behindertentransporte, Fahrzeuge des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie Fahrräder von der verordneten Fahrtrichtung aus.
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines Parkausweises für Behinderte gemäß § 29b StVO, ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft F. am 26.10.2010. Er glaubte, dass er als Inhaber eines Behindertenpasses wie Behindertentranporte vom Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung“ ausgenommen sei..
Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:
Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt und Würdigung des Beschwerdevorbringens.
Die Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer am 9. September 2019 am angeführten Ort entgegen dem Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung“ nicht geradeaus fuhr, sondern nach rechts abbog, sind unstrittig und ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.
Die Feststellungen zur Zusatztafel gründen im Verwaltungsakt und sind unstrittig.
Dass der Beschwerdeführer Inhaber eines Ausweises nach § 29b StVO ist, ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers und der im Verwaltungsakt aufliegenden Kopie des entsprechenden Ausweises, desgleichen die Feststellung über seinen Rechtsirrtum.
III. Rechtslage
Die in diesem Verfahren entscheidungsrelevanten Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960, lauten – auszugsweise – wie folgt:
§ 29b idF BGBl. I Nr. 123/2015:
„Menschen mit Behinderungen
§ 29b. (1) Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ verfügen, ist als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.
(1a) (Verfassungsbestimmung) Die Ausfolgung und Einziehung eines Ausweises gemäß Abs. 1 kann unmittelbar durch Bundesbehörden besorgt werden.
(2) Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 dürfen
a) auf Straßenstellen, für die durch das Straßenverkehrszeichen „Halten und Parken verboten“ oder eine nicht unterbrochene, am Fahrbahnrand angebrachte gelbe Linie (§ 24 Abs. 1 lit. p) ein Halte- und Parkverbot kundgemacht ist,
b) entgegen der Vorschrift des § 23 Abs. 2 über das Abstellen eines Fahrzeuges am Rand der Fahrbahn
mit dem von ihnen selbst gelenkten Fahrzeug oder mit einem Fahrzeug, das sie als Mitfahrer benützen, zum Aus- oder Einsteigen einschließlich des Aus- oder Einladens der für den Ausweisinhaber nötigen Behelfe (wie etwa ein Rollstuhl u. dgl.) für die Dauer dieser Tätigkeiten halten.
(3) Ferner dürfen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 das von ihnen selbst gelenkte Fahrzeug oder Lenker von Fahrzeugen in der Zeit, in der sie einen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 befördern,
a) auf Straßenstellen, für die durch das Straßenverkehrszeichen „Parken verboten“ oder eine unterbrochene, am Fahrbahnrand angebrachte gelbe Linie (§ 24 Abs. 3 lit. a) ein Parkverbot kundgemacht ist,
b) in einer Kurzparkzone ohne zeitliche Beschränkung,
c) auf Straßen, für die ein Parkverbot, das gemäß § 44 Abs. 4 kundzumachen ist, erlassen worden ist, und
d) in einer Fußgängerzone während der Zeit, in der eine Ladetätigkeit vorgenommen oder die Fußgängerzone gemäß § 76a Abs. 2a befahren werden darf,
parken.
(4) Beim Halten gemäß Abs. 2 sowie beim Befahren einer Fußgängerzone gemäß § 76a Abs. 2a hat der Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 diesen den Straßenaufsichtsorganen auf Verlangen vorzuweisen. Beim Parken gemäß Abs. 3 sowie beim Halten oder Parken auf den nach § 43 Abs. 1 lit. d freigehaltenen Straßenstellen hat der Ausweisinhaber den Ausweis bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar, bei anderen Fahrzeugen an einer sonst geeigneten Stelle gut wahrnehmbar anzubringen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 2 bis 4 gelten auch für Inhaber eines Ausweises, der von einer ausländischen Behörde oder Organisation ausgestellt worden ist und der im wesentlichen einem Ausweis nach Abs. 1 entspricht.
(6) Ausweise, die vor dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 16. November 1976, BGBl. Nr. 655/1976, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 80/1990, entsprechen, verlieren ihre Gültigkeit mit 31. Dezember 2015. Ausweise, die nach dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über den Ausweis für dauernd stark gehbehinderte Personen (Gehbehindertenausweisverordnung), BGBl. II Nr. 252/2000, entsprechen, bleiben weiterhin gültig.“
§ 52 StVO idF BGBl. I Nr. 37/2019:
„§ 52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) Gebotszeichen oder
c) Vorrangzeichen.
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
[…]
b) Gebotszeichen.
15. „VORGESCHRIEBENE FAHRTRICHTUNG“
Dieses Zeichen zeigt an, dass Lenker von Fahrzeugen nur in der durch den Pfeil angegebenen Fahrtrichtung fahren dürfen. Der Pfeil kann der jeweiligen örtlichen Verkehrslage entsprechend, z. B. senkrecht, gebogen, geneigt oder mit mehr als einer Spitze ausgeführt sein. Ein nach unten geneigter Pfeil zeigt den zu benützenden Fahrstreifen an. Durch eine Zusatztafel oder durch weiße Aufschrift im blauen Feld unter dem Pfeil kann angezeigt werden, dass das Gebot nur für eine bestimmte Gruppe von Straßenbenützern gilt.
Das Zeichen ist, sofern es sich auf eine Kreuzung bezieht, in angemessenem Abstand vor der Kreuzung, sonst vor der Stelle, für die es gilt, anzubringen; bei einer einmündenden Straße darf dieses Zeichen statt vor der Kreuzung auch nur gegenüber der einmündenden Straße angebracht werden. Das Zeichen darf entsprechend dem angestrebten Gebot auch nur auf der Fahrbahn (wie etwa auf einer Schutzinsel oder vor einem Hindernis) angebracht werden.
[…]“
§ 54 StVO idF BGBl. I Nr. 18/2019:
„§ 54. Zusatztafeln.
(1) Unter den in den §§ 50, 52 und 53 genannten Straßenverkehrszeichen sowie unter den in § 38 genannten Lichtzeichen können auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben gemacht werden.
(2) Die Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln müssen leicht verständlich sein. Insbesondere kann auch durch Pfeile in die Richtung der Gefahr oder des verkehrswichtigen Umstandes gewiesen werden.
(3) Die Zusatztafeln sind Straßenverkehrszeichen. Sie sind, sofern sich aus den Bestimmungen des § 53 Z 6 nichts anderes ergibt, rechteckige, weiße Tafeln; sie dürfen das darüber befindliche Straßenverkehrszeichen seitlich nicht überragen.
(4) Zusatztafeln dürfen nicht verwendet werden, wenn ihre Bedeutung durch ein anderes Straßenverkehrszeichen (§§ 50, 52 und 53) zum Ausdruck gebracht werden kann.
(5) Die nachstehenden Zusatztafeln bedeuten:
[…]“
§ 99 StVO idF BGBl. I Nr. 39/2013:
„§ 99. Strafbestimmungen.
[…]
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,
a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,
[…]“
IV. Rechtliche Beurteilung
Das Gebotszeichen gemäß § 52 lit. b Z 15 StVO (weißer Pfeil auf blauem Hintergrund) zeigt an, dass Lenker von Fahrzeugen nur in der durch den Pfeil angegebenen Fahrtrichtung fahren dürfen. Der Pfeil kann der jeweiligen örtlichen Verkehrslage entsprechend, z. B. senkrecht, gebogen, geneigt oder mit mehr als einer Spitze ausgeführt sein.
Gemäß § 54 Abs. 1 StVO können unter den in den §§ 50, 52 und 53 StVO genannten Straßenverkehrszeichen sowie unter den in § 38 StVO genannten Lichtzeichen auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben gemacht werden.
Nach den Sachverhaltsfeststellungen ist der Beschwerdeführer als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen F-1 am 9. September 2019, 10:38 Uhr, entgegen dem Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung (geradeaus)“, rechts eingebogen und ist somit nicht in der angegeben Fahrtrichtung gefahren.
Die unter dem Gebotszeichen angebrachte Zusatztafel nimmt Müllsammel- und Straßendienstfahrzeuge, Behindertentransporte, Fahrzeuge des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie Fahrräder von der verordneten Fahrtrichtung „geradeaus“ aus.
Der Verfassungsgerichtshof sprach in seiner Entscheidung vom 5.12.1987, V 74/86, im Zusammenhang mit Zusatztafeln aus, dass diese Verkehrszeichen nur erläutern, erweitern, einschränken oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben machen können. In solchen Zusatztafeln enthaltene Ausnahmen setzen das öffentlich-rechtliche Verbot für den ausgenommenen Benützerkreis außer Kraft; was sie allenfalls „gestatten“, das ist öffentlich-rechtlich entgegen dem zunächst allgemein formulierten Verbot nicht verboten.
Der Beschwerdeführer bringt vor, auf Grund der auf der Zusatztafel angeführten Ausnahme „Behindertentransporte“ sei er berechtigt, an der angeführten Kreuzung rechts abzubiegen, und verweist auf seinen Parkausweis für Behinderte gemäß § 29b StVO. Wenn die Behörde nur bestimmte Behindertentransporte meine, so müsse diese das auch in der Zusatztafel klarstellen, was nicht geschehen sei.
Inhaber eines Ausweises gemäß § 29b Abs. 1 StVO dürfen gemäß Abs. 2 leg. cit.
a) auf Straßenstellen, für die durch das Straßenverkehrszeichen „Halten und Parken verboten“ oder eine nicht unterbrochene, am Fahrbahnrand angebrachte gelbe Linie (§ 24 Abs. 1 lit. p) ein Halte- und Parkverbot kundgemacht ist,
b) entgegen der Vorschrift des § 23 Abs. 2 über das Abstellen eines Fahrzeuges am Rand der Fahrbahn
mit dem von ihnen selbst gelenkten Fahrzeug oder mit einem Fahrzeug, das sie als Mitfahrer benützen, zum Aus- oder Einsteigen einschließlich des Aus- oder Einladens der für den Ausweisinhaber nötigen Behelfe (wie etwa ein Rollstuhl u. dgl.) für die Dauer dieser Tätigkeiten halten.
Gemäß § 29b Abs. 3 StVO dürfen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 leg. cit. ferner das von ihnen selbst gelenkte Fahrzeug oder Lenker von Fahrzeugen in der Zeit, in der sie einen Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 befördern,
a) auf Straßenstellen, für die durch das Straßenverkehrszeichen „Parken verboten“ oder eine unterbrochene, am Fahrbahnrand angebrachte gelbe Linie (§ 24 Abs. 3 lit. a) ein Parkverbot kundgemacht ist,
b) in einer Kurzparkzone ohne zeitliche Beschränkung,
c) auf Straßen, für die ein Parkverbot, das gemäß § 44 Abs. 4 kundzumachen ist, erlassen worden ist, und
d) in einer Fußgängerzone während der Zeit, in der eine Ladetätigkeit vorgenommen oder die Fußgängerzone gemäß § 76a Abs. 2a befahren werden darf,
parken.
Gemäß § 29b Abs. 4 StVO hat der Inhaber eines Ausweises gemäß Abs. 1 diesen beim Halten gemäß Abs. 2 sowie beim Befahren einer Fußgängerzone gemäß § 76a Abs. 2a StVO den Straßenaufsichtsorganen auf Verlangen vorzuweisen. Beim Parken gemäß Abs. 3 sowie beim Halten oder Parken auf den nach § 43 Abs. 1 lit. d StVO freigehaltenen Straßenstellen hat der Ausweisinhaber den Ausweis bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar, bei anderen Fahrzeugen an einer sonst geeigneten Stelle gut wahrnehmbar anzubringen.
Der Beschwerdeführer war als Inhaber eines Parkausweises für Behinderte iSd § 29b Abs. 1 StVO im Hinblick auf den dadurch verliehenen Berechtigungsumfang nicht dazu berechtigt, entgegen der verordneten und kundgemachten „Vorgeschriebene Fahrtrichtung (geradeaus)“ rechts abzubiegen. Der Beschwerdeführer kann sich ferner nicht auf die mit der Zusatztafel kundgemachten Ausnahme „Behindertentransporte“ berufen, da das Lenken eines Kraftfahrzeuges auch als Inhaber eines Parkausweises für Behinderte iSd § 29b Abs. 1 StVO bzw. als Inhaber eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, keinen Behindertentransport darstellt.
Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers lässt die unter dem Gebotszeichen angebrachte Zusatztafel im Hinblick auf die Ausnahme „Behindertentransporte“ keine "mehrfache Deutung" in dem Sinn zu, dass sich Lenker von Kraftfahrzeugen, die Inhaber eines Parkausweises für Behinderte iSd § 29b Abs. 1 StVO sind, von der Ausnahme erfasst sehen könnten. Durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges als Inhaber eines Parkausweises für Behinderte bzw. eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, wird kein Behindertentransport bewirkt (vgl. in diesem Zusammenhang zur Mehrdeutigkeit von Zusatztafeln VwGH vom 23.5.2016, Ra 2016/02/0088, und VwGH vom 14.6.2005, 2005/02/0047).
Im Übrigen trifft auch keine der sonstigen mit der Zusatztafel kundgemachten Ausnahmen vom Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung (geradeaus)“ auf den Beschwerdeführer zu.
Der Beschwerdeführer war somit nicht berechtigt, entgegen dem Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung (geradeaus)“ rechts abzubiegen.
Der Beschwerdeführer hat daher die Verwaltungsübertretung des § 52 lit. b Z 15 StVO 1960 in objektiver Hinsicht verwirklicht.
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit – mangels einer abweichenden Bestimmung – fahrlässiges Verhalten. Zudem handelt es sich bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt, bei dem gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG die gesetzliche Vermutung des Vorliegens der fahrlässigen Begehung der angelasteten Verwaltungsübertretung gilt, sofern das Vorliegen eines tatbildmäßigen Verhaltens festgestellt und das mangelnde Verschulden durch den Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht worden ist. Es ist sohin Sache des Beschuldigten, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht, etwa durch die Beibringung geeigneter Beweismittel oder Stellung entsprechender konkreter Beweisanträge (vgl. etwa VwGH 31.01.2014, 2013/02/0224; 15.05.1990, 89/02/0108).
Seitens des Beschwerdeführers wurde nicht vorgebracht, dass das Gebotszeichen gemäß § 52 lit. b Z 15 StVO als auch die darunter angebrachte Zusatztafel nicht deutlich wahrnehmbar und erkennbar war. Vielmehr gibt der Beschwerdeführer an, in Kenntnis des Gebotszeichens und der Zusatztafel, rechts abgebogen zu sein und beruft sich dabei darauf, die Ausnahme „Behindertentransporte“ zu erfüllen. Mag es auch durchaus zutreffen, dass sich der Beschwerdeführer als unter die Ausnahme „Behindertentransporte“ fallend erachtet hat, so ändert dies jedoch nichts daran, dass er bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass er durch das Lenken des Kraftfahrzeuges auch als Inhaber eines Parkausweises nach § 29b Abs. 1 StVO keinen Behindertentransport darstellt. Dass der Beschwerdeführer daher diesem seinem Rechtsirrtum unterlag, war ihm somit als fahrlässig anzulasten.
Wie bereits ausgeführt, kann auch nicht von einer Mehrdeutigkeit der Zusatztafel ausgegangen werden, welche das Verschulden des Beschwerdeführers ausschließen würde (vgl. VwGH vom 23.5.2016, Ra 2016/02/0088).
Somit hat der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht.
Die vorliegende Übertretung ist gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe bis zu EUR 726,-- im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Wochen bedroht.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß Abs. 2 par. cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten (§ 45 Abs. 1 letzter Satz VStG).
Dies soll der Regierungsvorlage zufolge im Wesentlichen den Kriterien des früheren § 21 Abs. 1 VStG entsprechen (vgl ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP 19), sodass die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Vorschrift grundsätzlich auf § 45 Abs. 1 Z 4 übertragen werden kann (VwGH 17.4.2015, Ra 2015/02/0044).
Voraussetzung für die Anwendung der Z 4 ist das kumulative Vorliegen der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände (vgl. zB. VwGH 16.12.2016, Ra 2014/02/0087).
Nach der Judikatur zu § 21 Abs. 1 VStG aF ist von geringem Verschulden nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. zB VwGH 25.10.1994, 92/07/0112, sowie zB VwGH 9.9.2016, Ra 2016/02/0118).
Gegenständlich hat sich der Beschwerdeführer als Inhaber eines Parkausweises für Behinderte iSd § 29b StVO rechtsirrig als unter die Ausnahme „Behindertentransporte“ fallend erachtet hat, obwohl er bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen, dass er dadurch keinen Behindertentransport begründet.
Der Unrechtsgehalt der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Tat erscheint aber aus folgenden Gründen im Konkreten als deutlich geringer als der in § 52 lit. b Z 15 StVO typisierte Fall der Verletzung einer durch ein Gebotszeichen vorgeschriebenen Fahrtrichtung durch einen KFZ-Lenker:
Das Gebotszeichen des § 52 lit. b Z 15 StVO 1960 dient insbesondere der Sicherheit des Verkehrs. Das gegenständliche Gebotszeichen „Vorgeschriebene Fahrtrichtung (geradeaus)“ wird im Konkreten aber duch die darunter angebrachte Zusatztafel eingeschränkt, welche Müllsammel- und Straßendienstfahrzeuge, Behindertentransporte, Fahrzeuge des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie Fahrräder von der vorgeschriebenen Fahrtrichtung „geradeaus“ ausnimmt. Durch die Ausnahmen, die es dem ausgenommenen Benutzerkreis erlauben, nach rechts abzubiegen, erfährt die Bedeutung des geschützten Rechtsgutes eine erhebliche Einschränkung, und es ist daher dem Rechtsgut eine eher geringfügige Bedeutung beizumessen, weil insbesondere auch unabhängig von der Fahrtrichtung „geradeaus“ mit Verkehrsaufkommen gerechnet werden muss und die Teilnehmer des Straßenverkehrs im Hinblick auf die zahlreichen Ausnahmen nicht darauf vertrauen können, dass sämtliche Verkehrsteilnehmer ihren Weg geradeaus fortsetzen. Auch die Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes durch die Tat weist dadurch eine lediglich geringfügige Intensität auf.
Da somit gegenständlich die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG vorliegen, war von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen. Der Ausspruch einer Ermahnung erschien geboten, aber aufgrund des Rechtsirrtums des Beschwerdeführers auch ausreichend, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art in Hinkunft abzuhalten.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Dem Beschwerdeführer waren daher die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen.
Die Revision für den Beschwerdeführer ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen. Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Entscheidung gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG liegt im Ermessen der Behörde ("kann") bzw. des VwG, und hängt von einer auf den Einzelfall abzustellenden spezialpräventiven Prognose ab. Dahingehend liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur eine die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfrage vor. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. VwGH 16.12.2016, Ra 2014/02/0087). Das Verwaltungsgericht Wien hat sich bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG an der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof orientiert. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Gebotszeichen; Zusatztafel; Behindertentransport; Behindertenpass; ErmahnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.092.3619.2020Zuletzt aktualisiert am
03.06.2020