Rechtssatznummer
1Entscheidungsdatum
22.04.2020Rechtssatz
* Das Delikt des § 20 Abs. 1 BStMG kann – ungeachtet dessen, dass nach § 4 BStMG sowohl der Fahrzeuglenker als auch der Zulassungsbesitzer als Schuld-ner der Benützungsgebühr gelten – nach der insoweit unmissverständlichen Formulierung des Gesetzeswortlauts nur vom Lenker des KFZ in Form der un-mittelbaren Täterschaft begangen werden; der Zulassungsbesitzer kann hin-gegen allenfalls nur als Beitragstäter i.S.d. § 7 VStG belangt werden. Dazu kommt weiters, dass im BStMG keine dem § 103 Abs. 2 KFG oder vergleichba-ren Bestimmungen entsprechende Pflicht zur Auskunftserteilung – und erst recht nicht auf Verfassungsebene – festgelegt ist.
* Hat die Bf. von Anfang an bestritten, das KFZ gelenkt zu haben, sodass der Behörde als einziges Indiz nur deren Eigenschaft als Zulassungsbesitzerin für die Schlussfolgerung vorlag, dass sie auch als Lenkerin fungierte, ist objektiv besehen kein konkret sachverhaltsbezogener Hinweis bezüglich der tatsächli-chen Identität des Lenkers erkennbar. Insbesondere konnte aus einem Schweigen bzw. vorläufigen Verschweigen von Beweismitteln ein Schluss da-rauf, dass die Bf. als Zulassungsbesitzerin selbst die Fahrzeuglenkerin gewe-sen ist, nicht auf eine entsprechend apriorische "allgemeine Lebenserfahrung" gegründet werden, zumal bei verfassungskonformer Interpretation der ein-fachgesetzlichen Rechtslage des § 20 Abs. 1 BStMG im Lichte des Art. 6 Abs. 1 EMRK eine Rechtfertigung des Zulassungsbesitzers weder faktisch noch recht-lich geboten ist.
* Auf Grund der von der belangten Behörde ermittelten Faktenbasis konnte somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Bf. i.S.d. § 20 Abs. 1 BStMG – nämlich als Lenkerin des KFZ – tatbestandsmäßig gehandelt hat. Vielmehr hätte sie allenfalls als Beitragstäterin i.S.d. § 7 VStG belangt werden können, wobei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen ist, dass es sich insoweit um eine Frage der rechtlichen Qualifikation handelt, sodass diesbezüglich nicht die einjährige Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 2 VStG, sondern die dreijährige Strafbarkeitsverjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG zum Tragen kommt.
* Im Ergebnis war daher der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 50 VwGVG insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufzuhe-ben war, weil objektiv besehen kein nachvollziehbarer Beleg dafür vorliegt, dass die Bf. hinsichtlich des ihr angelasteten Deliktes tatbestandsmäßig ge-handelt hat; im Übrigen war die Beschwerde hingegen als unbegründet abzu-weisen. Ob und in welcher Weise bzw. welchem Umfang das Verwaltungsstraf-verfahren weitergeführt wird, hat hingegen die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.
Schlagworte
Recht zu schweigen; Selbstbelastungsverbot; nemo tenetur; Lenkererhe-bung; Zulassungsbesitzer; unmittelbare Täterschaft; Beitragstäter; Verjäh-rungAnmerkung
Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2020:LVwG.400440.2.Gf.RoKZuletzt aktualisiert am
03.06.2020