Entscheidungsdatum
16.08.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W239 2220747-1/9E
W239 2220744-1/9E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.06.2019, zu den Zahlen
1.) XXXX und 2.) XXXX , beschlossen:
A) Das Beschwerdeverfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde
gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die Erstbeschwerdeführerin ( XXXX , geb. XXXX ) ist die Mutter der volljährigen Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX , geb. XXXX ); beide sind afghanische Staatsangehörige, reisten legal unter Verwendung je eines deutschen Schengen-Visums in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein und stellten im Bundesgebiet am 31.03.2019 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Zwei weitere volljährige Töchter der Erstbeschwerdeführerin bzw. Schwestern der Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX , geb. XXXX , sowie XXXX , geb. XXXX ) reisten unter Verwendung je eines französischen Schengen-Visums in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein und stellten im Bundesgebiet ebenso Anträge auf internationalen Schutz. Ihre Verfahren sind seit 12.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.
Mit Bescheiden des BFA vom 13.06.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin-III-VO Deutschland zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG gegen die Beschwerdeführerinnen die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen nach Deutschland zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die dagegen fristgerecht erhobene und für beide Beschwerdeführerinnen gleichlautende Beschwerde wurde am 02.07.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2019 wurde der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Am 13.08.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Mitteilung vom selben Tag ein, wonach die Beschwerdeführerinnen mit Antrag vom 08.07.2019 eine Erklärung zur freiwilligen Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat eingebracht hätten. Eine für den 22.08.2019 angekündigte Überstellung nach Frankfurt sei von Seiten der deutschen Behörden zurückgewiesen worden, da den Verfahren gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Eine Überstellung könne nur unter Vorlage einer rechtskräftig abgeschlossenen Entscheidung vollzogen werden. Am 13.08.2019 hätten die Beschwerdeführerinnen einen Beschwerdeverzicht abgegeben, um eine freiwillige Überstellung nach Deutschland zu gewährleisten.
Gemeinsam mit der Mitteilung vom 13.08.2019 wurde der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.07.2019, je eine Faxmitteilung der deutschen Behörden vom 12.08.2019 über die Stornierung der für 22.08.2019 geplanten Überstellung, je ein "Beschwerdeverzicht" vom 13.08.2019 sowie je eine "Erklärung zur Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat" vom 08.07.2019 übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Festgestellt wird der eben dargelegte Verfahrensgang. Insbesondere wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerinnen am 08.07.2019 je eine Erklärung zur freiwilligen Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat Deutschland und am 13.08.2019 je einen rechtswirksamen Rechtsmittelverzicht (Zurückziehung der Beschwerde) abgegeben haben.
Konkrete Hinweise auf Willensmängel bei der Abgabe der Erklärungen sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus dem Wortlaut der Erklärungen der Beschwerdeführerinnen vom 08.07.2019 und vom 13.08.2019.
Dass die Beschwerdeführerinnen bei der Abgabe der Erklärungen etwa an Willensmängeln gelitten hätten, wurde im Verfahren nicht vorgebracht und es ergaben sich auch sonst keine konkreten Hinweise darauf.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Einstellung des Verfahrens:
§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Ein Beschwerdeverzicht kommt erst nach Erlassung des Bescheides (durch Verkündung oder Zustellung) in Betracht. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich. Der Beschwerdeverzicht bzw. die Zurückziehung der Beschwerde ist unwiderruflich, da es sich um eine einseitige, verbindliche Prozesserklärung handelt. Der Beschwerdeverzicht bzw. die Zurückziehung der Beschwerde hat ausdrücklich und unmissverständlich zu erfolgen, sodass keine Zweifel über diese Prozesserklärung bleiben (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Aufl., § 7 VwGVG, K 5 ff.).
Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist also nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. VwGH vom 22.11.2005, 2005/05/0320, uvm).
Ein Beschwerdeverzicht eines Fremden ist ohne Beiziehung eines Dolmetschers nur dann wirksam, wenn feststeht, dass der Fremde im Zeitpunkt der Abgabe des Beschwerdeverzichtes der deutschen Sprache hinlänglich mächtig war, um sich der Tragweite des Verzichtes bewusst zu sein, und ein Willensmangel ausgeschlossen werden kann (VwGH 27.04.2016, Ra 2015/10/0111).
Im gegenständlichen Fall brachten die Beschwerdeführerinnen am 08.07.2019 - nach Erlassung der Bescheide durch das BFA und nach der Einbringung einer Beschwerde - unmissverständlich zum Ausdruck, an einer Überstellung nach Deutschland mitwirken zu wollen (vgl. "Mit dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (...) wurde festgestellt, dass für die Prüfung meines Antrags auf internationalen Schutz Deutschland zuständig ist. Hiermit erkläre ich, mit meiner Überstellung in den für die Prüfung meines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaat einverstanden zu sein und nach Erhalt des zurückweisenden Bescheides daran mitzuwirken, dass diese Überstellung ohne weiteren Verzug erfolgen kann."). In diesem Sinne gaben die Beschwerdeführerinnen am 13.08.2019 einen Beschwerdeverzicht ab, der als Zurückziehung der zuvor eingebrachten Beschwerde zu werten ist (vgl. "Ich habe die mir vorgetragene Belehrung verstanden und gebe dazu an, dass ich dennoch auf die Einbringung einer Beschwerde zur oa. Zahl verzichte! Mir ist bewusst, dass mein Verzicht zur sofortigen Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides führt.")
Der Beschwerdeverzicht vom 13.08.2019 ist unwiderruflich, sodass mit der Abgabe der Verzichtserklärung einer Sachentscheidung über die zuvor eingebrachte Beschwerde durch das Gericht die Grundlage entzogen ist.
Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde war das Beschwerdeverfahren einzustellen. Eine bloß formlose Beendigung (etwa durch Einstellung mittels Aktenvermerk) eines nach dem VwGVG vom Verwaltungsgericht geführten Verfahrens kommt nicht in Betracht, handelt es sich doch bei der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, ein bei ihm anhängiges Verfahren nicht weiterzuführen, um eine Entscheidung im Sinne des § 31 Abs. 1 VwGVG.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dass bei einer Beschwerdezurückziehung keine Sachentscheidung durch das Gericht mehr getroffen werden kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Verfahrenseinstellung, ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W239.2220747.1.01Zuletzt aktualisiert am
04.06.2020