Entscheidungsdatum
28.01.2020Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W104 2226626-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerde von XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 14.5.2019, AZ II/4-DZ/18-13065305010 betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2018:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist unzulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer stellte über die Internet-Applikation eAMA elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2018 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen für dieses Antragsjahr.
Die Behörde gewährte mit dem angefochtenen Bescheid der Beschwerdeführerin Direktzahlungen in Höhe von EUR 8.075,73. Dabei wurden 60,0000 Zahlungsansprüche (ZA) zu Grunde gelegt und begründend u.a. ausgesprochen, dass bei einer Vor-Ort- oder Verwaltungskontrollen im Kontrollzeitraum 2018 Verstöße gegen die Cross Compliance festgestellt worden seien. Diese Kürzungen aus den Bereichen "Mengenbeschränkung Wirtschaftsdünger" und "Rinder Meldung Gesundheit" führten zu einem Kürzungsprozentsatz von 53 %.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 29.5.2019 Beschwerde, in der vorgebracht wurde, er habe in den letzten Jahren und auch im Antragsjahr zeitgerecht seine Düngerabnahmeverträge übermittelt und die Mengenbeschränkung zu keinem Zeitpunkt überschritten. Bei den Rindermeldungen könne es bei seinem sehr großen Rinderzuchtbetrieb aufgrund betrieblicher Arbeitsspitzen manchmal zu kurzen Meldeverzögerungen kommen, die aber bei der Größe des Betriebes nicht immer vermeidbar seien. Die Kürzung sei im Hinblick auf die Entschuldbarkeit der Fehlleistung jedenfalls unverhältnismäßig.
3. Bei Vorlage der Akten nahm die AMA dahingehend Stellung, dass in der vorliegenden Sache aus Sicht der AMA ein Anwendungsfall des § 28
(3) VwGVG vorliege. Die Aktenlage habe sich dahingehend geändert, dass seitens der AMA Unterlagen nachgereicht worden seien. Diese seien sowohl formal als auch inhaltlich geprüft worden und könnten seitens der AMA zu einer stattgebenden Beurteilung der Beschwerde führen, wäre die AMA noch zuständig. Eine Entscheidung durch die AMA selbst würde zu einer wesentlichen Beschleunigung des Verfahrens führen.
Auf Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts nahm die AMA mit Nachreichung zur Beschwerdevorlage vom 14.1.2020 präzisierend folgendermaßen Stellung:
"Auf dem Betrieb des Beschwerdeführers (BF) fand am 12.12.2018 eine Vor-Ort-Kontrolle zur Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen der Rinderkennzeichnungs-Verordnung 2008 statt. Bei dieser Kontrolle wurden 118 Rinder im Stall vorgefunden. Weiters wurde bei 515 Rindern die Meldung an die Rinderdatenbank geprüft. Im vorliegenden Fall wurde aufgrund wiederholt festgestellter Verstöße im Bereich der Rinderdatenbankmeldung automatisiert ein vorsätzlicher Verstoß gemäß Artikel 39 Abs. 4 VO 640/2014 angenommen und eine CC-Sanktion in Höhe von 50% vergeben. Wäre die 4-monatige Entscheidungsfrist der AMA noch aufrecht, würde die AMA in diesem Einzelfall jedoch aufgrund des Beschwerdevorbringens und der Gesamtumstände von der Verhängung einer CC-Sanktion absehen. Denn es wurden nur 0,2 % der Rinder nicht gemeldet (ein einziges beanstandetes Rind in Relation zu der Zahl der geprüften 515 Rinder). Die Beanstandungen konnten im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle beseitigt werden. Durch den Verstoß war kein Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier gegeben.
Bei der im Jahr 2018 durchgeführten Verwaltungskontrolle Nitrat (VWK NIT) wurde im Rahmen der Cross Compliance (CC) gemäß Art. 39 VO 640/2014 ein wiederholter fahrlässiger Verstoß bei der Anforderung Mengenbeschränkung Wirtschaftsdünger des Modules "Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat (NIT)" festgestellt. Konkret wurde bei einem Datenabgleich in der AMA festgestellt, dass die zulässige Stickstoffhöchstmenge überschritten wurde. Der Kürzungsprozentsatz von 3 % ist auf das wiederholte Feststellen des Verstoßes zurückzuführen, so wurde bereits im Zuge der VWK NIT 2017 ein Verstoß gegen die Anforderung Mengenbeschränkung Wirtschaftsdünger festgestellt. Aufgrund des VWK-NIT-Schreibens 2018 wurden der AMA vier Düngerabnahmeverträge übermittelt. Da selbst unter Berücksichtigung dieser Verträge die zulässige Stickstoffhöchstmenge überschritten wurde, war jedoch eine Sanktion bei der Anforderung Mengenbeschränkung Wirtschaftsdünger auszusprechen. Im Zuge der Beschwerde wurden weitere Düngerabnahmeverträge übermittelt, festzuhalten ist jedoch, dass die im Zuge der Beschwerde übermittelten Wirtschaftsdüngerabnahmeverträge von der AMA nicht anerkannt werden konnten, da diese Verträge für das Wirtschaftsjahr 2018 abgeschlossen wurden. Die Verwaltungskontrolle Nitrat 2018 wird jedoch auf Basis der Daten des Jahres 2017 durchgeführt. Der AMA wurde am 14.06.2019 für das Wirtschaftsjahr 2017 ein weiterer Wirtschaftsdüngerabnahmevertrag über 100 m³ Gülle übermittelt. Unter Berücksichtigung dieses Vertrages liegt aus Sicht der AMA kein Verstoß bei der Anforderung Mengenbeschränkung Wirtschaftsdünger mehr vor. Wenn die AMA für dieses Verfahren noch zuständig wäre, wäre die CC-Sanktion daher erstinstanzlich aufgehoben worden."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Beschwerdeführerin stellte über die Internet-Applikation eAMA elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2018 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen für dieses Antragsjahr.
Aufgrund einer Vor-Ort- und Verwaltungskontrolle wurden Verstöße gegen Cross Compliance Bestimmungen im Bereich "Mengenbeschränkung Wirtschaftsdünger" und "Rinder Meldung Gesundheit", die zu einem Kürzungsprozentsatz von 53 % geführt haben.
Nach Übermittlung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wurde jedoch festgestellt, dass die Gründe für die CC-Sanktion nicht mehr gegeben sind. Dies könnte zu einer stattgebenden Beurteilung der Beschwerde führen, wäre die AMA noch zuständig. Eine Entscheidung durch die AMA selbst würde zu einer wesentlichen Beschleunigung des Verfahrens führen.
2. Beweiswürdigung:
Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2013 über die Finanzierung, die Verwaltung und das Kontrollsystem der Gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 549, im Folgenden VO (EU) 1306/2013:
"TITEL VI
CROSS-COMPLIANCE
KAPITEL I
Geltungsbereich
Artikel 91
Allgemeiner Grundsatz
(1) Erfüllt ein in Artikel 92 genannter Begünstigter die Cross-Compliance-Vorschriften gemäß Artikel 93 nicht, so wird gegen ihn eine Verwaltungssanktion verhängt.
(2) Die Verwaltungssanktion gemäß Absatz 1 findet nur dann Anwendung, wenn der Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem betreffenden Begünstigten anzulasten ist, und mindestens eine der beiden folgenden zusätzlichen Bedingungen erfüllt ist:
a) Der Verstoß betrifft die landwirtschaftliche Tätigkeit des Begünstigten;
b) die Fläche des Betriebs des Begünstigten ist betroffen.
[...].
Artikel 92
Betroffene Begünstigte
Artikel 91 gilt für Begünstigte, die Direktzahlungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, Zahlungen gemäß den Artikeln 46 und 47 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 und die jährlichen Prämien gemäß Artikel 21 Absatz 1 Buchstaben a und b sowie den Artikeln 28 bis 31, 33 und 34 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 erhalten.
[...].
Artikel 93
Cross-Compliance-Vorschriften
(1) Die in Anhang II aufgeführten Cross-Compliance-Vorschriften umfassen die Grundanforderungen an die Betriebsführung gemäß Unionsrecht und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand und betreffen die folgenden Bereiche:
a) Umweltschutz, Klimawandel und guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen,
b) Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen,
c) Tierschutz.
(2) Die in Anhang II genannten Rechtsakte über die Grundanforderungen an die Betriebsführung gelten in der zuletzt in Kraft getretenen Fassung und im Falle von Richtlinien so, wie sie von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurden.
[...]."
§ 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:
"(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."
Die behördlich festgestellten Mängel im Bereich Cross Compliance liegen nicht mehr vor.
Der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichten die Behörde jedoch, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grund zu legen. Vor dem Hintergrund des Amtswegigkeitsprinzips und dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, hätte die belangte Behörde den wahren Sachverhalt zum Antragsjahr 2018 hinsichtlich der Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften erheben müssen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz 3ff).
Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus dem neuen Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts.
Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Zurückverweisung liegt ständige einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, von der nicht abgewichen wird.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Cross Compliance, Direktzahlung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W104.2226626.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.06.2020