Entscheidungsdatum
29.01.2020Norm
BVergG 2018 §151Spruch
W131 2225609-2/51E
W131 2226547-1/41E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Vorsitzenden, durch die fachkundige Laienrichterin Dr Ilse POHL als Beisitzerin der Auftraggeberseite und durch den fachkundigen Laienrichter Dr Manfred MÜLLNER als Beisitzer der Auftragnehmerseite betreffend das Vergabeverfahren der anwaltlich vertretenen Auftraggeberinnen (= AG) Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau und Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen mit der Bezeichnung "Ambulante Rehabilitation Amstetten 2-stufiges Zertifizierungsverfahren" aufgrund des Antrags der anwaltlich vertretenen Antragstellerin XXXX (ASt) auf Nachprüfung der Ausschreibung, insb der Teilnahmeantragsunterlagen der ersten Stufe einerseits und Nachprüfung einer Berichtigung der Ausschreibung andererseits, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Dem zu W131 2225609-2 protokollierten Nachprüfungsantrag gegen die Ausschreibung und insbesondere gegen die Teilnahmeunterlagen der ersten Verfahrensstufe wird stattgegeben und wird die gesamte Ausschreibung inklusive der Teilnahmeunterlagen für nichtig erklärt.
II. Dem Nachprüfungsantrag gegen die Berichtigung vom 03.12.2019 wird stattgegeben und wird diese Berichtigung zur Gänze für nichtig erklärt.
B)
Die Revision gegen Spruchpunkt A) I. und II. ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG jeweils zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die PVA leitete für sich und weitere Sozialversicherungsträger im Jahr 2019 das im Entscheidungskopf benannte Vergabeverfahren ein.
2. Die Teilnahmeantragsfrist ist zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt nach einer eV - Erlassung durch das BVwG und mehreren auftraggeberseitigen Teilnahmeantragsfristverlängerungen noch offen.
3. Die ASt besitzt für den Standort Amstetten die erforderlichen landeskrankenanstaltenrechtlichen Bewilligungen iSd NÖ KAG für eine ambulante Rehabilitationsanstalt, womit die ASt eine bedarfsgebundene Berufsbefugnis für den streitigen Standort hat, die sie durch die gegenständliche Vergabeverfahren unterlaufen sieht. Die ASt rügt zudem auch weitere Punkte betreffend die Ausschreibung bzw die Berichtigung vom 03.12.2019.
4. Die AG - Seite sah in der Ausschreibung iZm unternehmerischen Erfordernissen für die Teilnahme am Vergabeverfahren vor, dass in der zweiten Verfahrensstufe darüber hinaus ein entsprechender Antrag auf Bedarfsprüfung vorzulegen ist (unabhängig davon, ob die Einrichtung bereits errichtet oder geplant ist).
Der § 10b Abs 5 NÖ KAG mit der Regelung zur Vorabbedarfsfeststellung lautet insoweit:
(5) Der Antragsteller ist berechtigt, vorab eine gesonderte Entscheidung über die Bedarfsfrage zu beantragen. Angaben im Sinne des Abs. 1 lit.e und f sowie die Vorlage der im Abs. 2 aufgezählten Unterlagen sind für die Antragstellung nicht erforderlich. Ein Bescheid, mit dem der Bedarf festgestellt wurde, erlischt, wenn nicht innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft ein entsprechender Antrag auf Bewilligung der Errichtung der Krankenanstalt gestellt wird. Die Behörde hat die Frist für die Antragstellung auf höchstens drei Jahre zu verlängern, wenn dies vor ihrem Ablauf beantragt wird, sich die Planungsgrundlagen nicht geändert haben und berücksichtigungswürdige Gründe bescheinigt werden können.
Die ASt fragte insoweit bei der AG - Seite nach und wurde ihr mitgeteilt, dass dies für die ASt nicht erforderlich sein würde - Fragebeantwortung vom 13.11.2019, abgelegt in den vorgelegten auftraggeberseitigen Vergabeunterlagen.
In der Berichtigung vom 3.12.2019, wie von der ASt dem Nachprüfungsantrag gegen die Berichtigung beigelegt, ist diese Passage, die auch der ASt als krankenanstaltenrechtlicher Bewilligungsinhaberin offenbar wiederum einen Vorabbedarfsfeststellungsantrag nach § 10b Abs 5 NÖ KAG auferlegen würde, dennoch wieder enthalten, was für die ASt mangels Anfechtung der Berichtigung im Wege der vergabekontrollrechtlichen Präklusion zur rechtlichen Unmöglichkeit dieser Bedingungserfüllung führen hätte können.
4. Nach diversen Parteienschriftsätzen vor der Verhandlung fand am 16.01.2020 vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung über die beiden Nachprüfungsanträge statt. In der Verhandlung am 16.01.2019 wurde mit den Parteienvertretern unter Verzicht auf einen weiteren Verhandlungstermin eine Schriftsatzeinbringung bis 24.01.2020 akkordiert, wobei die Parteienvertreter in Abstimmung mit dem Gericht wiederum bis 28.01.2020 wiederum nochmals ihre Position zu gewissen Fragestellungen darlegten.
Danach erklärte das BVwG den Schluss des Ermittlungsverfahrens vor dieser Entscheidung.
5. In diesem parteienseits mit großer Sorgfalt geführten Vergaberechtsstreit sieht sich die ASt in ihrem durch die bedarfsgebundene Krankenanstaltenbewilligung gewährleisteten Existenzschutz und Exklusivrecht für den Standort gefährdet, während die AG - Seite, repräsentiert durch die PVA, eine -maW - nachprüfungsrechtliche Breitoffensive gegen ihr Vergabesystem insb im Bereich ambulanter Rehaleistungen durchgeführt sieht. Krankenanstaltenrechtlich ist dabei für ambulante Rehaleistungen dz in der Rechtsordnung insb auch eine bedarfsgebundene landesbehördliche Bewilligung vorgesehen, wobei das Krankenanstaltenrecht insoweit in jüngerer Zeit auch sogenannte Vertragsvergabeverfahren zur Vergabe von Krankenanstaltendienstleistungen vorsieht.
Für die Parteien unstrittig findet der Vergaberechtsstreit unter dem durch § 151 BVergG abgesteckten Rechtsrahmen statt
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Über den Verfahrensgang und die darin festgehaltenen Tatsachen hinaus ist festzustellen wie folgt:
1.1. In den als Ausschreibung angefochtenen Teilnahmeunterlagen bzw in der Bekanntmachung ist nicht festgelegt, ob die Rahmenvereinbarung von der AG - Seite mit einem oder mit mehreren Rahmenvereinbarungspartnern abgeschlossen werden soll, wobei die Angabe der Anzahl der Rahmenvereinbarungspartner in jenem Bekanntmachungsformular in Punkt IV.1.3. vorgesehen ist, auf welches über § 56 BVergG, danach über zu Anhang VII zum BVergG und dort über den Punkt 3. dieses Anhangs VII in einer dort genannten, einen Gesetzesbestandteil bildenden Internetadresse verwiesen wird, siehe dazu das am 27.01.2020 versandte Parteiengehör, OZ 45 der Verfahrenszahl W131 2225609-2.
Dieses Informationsdefizit zur Anzahl der potentiell für die Leistungserbringung vorgesehenen Rahmenvereinbarungspartner gilt auch für die Berichtigung vom 3.12.2019.
1.2. Die AG - Seite hat weiters weder in der Ausschreibung noch in der Berichtigung vom 03.12.2019 noch sonst bereits im Vergabeverfahren angegeben, von welchem Gesamtwert der Beschaffung sie gegenständlich ausgeht, wobei diese Angabe in jenem Bekanntmachungsformular in Punkt II.1.5. grundsätzlich vorgesehen ist, auf welches über § 56 BVergG zu Anhang VII zum BVergG und weiter über den Punkt 3. dieses Anhangs VII in einer dort genannten, einen Gesetzesbestandteil bildenden Internetadresse verwiesen wird.
1.3. Wiewohl die streitgegenständlichen Leistungen bei Erbringung durch Krankenanstalten in Form selbständiger Ambulatorien nur durch Unternehmen erbracht werden dürfen, die die erforderlichen krankenanstaltenrechtlichen Bewilligungen aufweisen, sehen die Ausschreibung und die Berichtigung vom 3.12.2019 vor, dass erst in einer zweiten Vergabeverfahrensstufe nach Durchlaufen der ersten mit Teilnahmeaufwand verbundenen Vergabeverfahrensstufe, der Teilnahmeantragsphase, interessierte Unternehmer (grundsätzlich) eine Vorabbedarfsfeststellung gemäß § 10b Abs 5 NÖ KAG beantragen müssen,
was dazu führt, dass die am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmer so wie wohl auch die AG - Seite erst lange nach Legung der Teilnahmeanträge und damit nach dem Betreiben eines erheblichen vorvertraglichen Aufwands der Unternehmer zur bloß potentiellen Anbahnung künftiger Aufträge zur Dienstleistungserbringung wissen werden, inwieweit welche (sonstigen) Wettbewerber ein gleichgerichtetes rechtlich abgesichertes Rahmenvereinbarungs- und Auftragsinteresse für die gegenständlichen Leistungen haben (können).
1.4. In der Ausschreibung (Teilnahmeunterlagen) und in der Berichtigung ist folgende Änderungsklausel jeweils in Punkt 1.6. vorgesehen:
Bedingung und Art der Änderung:
Vor dem Hintergrund gesundheitspolitischer Ziele der PVA und der anderen am
Vergabeverfahren beteiligten Sozialversicherungsträger und abhängig von weiteren
"externen" Faktoren (wie zB der Entwicklung der Situation am Arbeitsmarkt, der
demografischen Entwicklung innerhalb Österreichs, Änderungen aufgrund gesetzlicher
Anordnung [zB Verordnungen, Vorgaben bzw Richtlinien des Hauptverbandes der
Österreichischen Sozialversicherungsträger etc]) behalten es sich die Auftraggeberin
bzw die anderen am Vergabeverfahren beteiligten Sozialversicherungsträger daher
vor, das Leistungsbild der ausschreibungsgegenständlichen
Rehabilitationsleistungen im Laufe der Leistungserbringung zu adaptieren bzw
auch auf derzeit nicht explizit angeführte Bereiche zu erweitern (zB Adaptierung
der medizinischen Leistungsprofile, Änderung bzw Erweiterung der Indikationen
und/oder Phasen, Änderung des Erfüllungsstandorts bzw Erweiterung auf einen
zusätzlichen Erfüllungsstandort innerhalb des jeweiligen Losgebiets, Anpassung der
geltenden Tarife etc).
Die Auftraggeberinnen behalten sich weiters vor, einen allfällig weiteren
ausgewiesenen Bedarf, der sich durch eine Aktualisierung bzw Änderung der derzeit in
Geltung stehenden Planungsgrundlagen ergibt (insbesondere durch einen geänderten
bzw adaptierten Rehabilitationsplan [Rehabilitationsplan 2020]), während der Laufzeit
der Rahmenvereinbarung durch (weitere) Abrufe aus den Rahmenvereinbarungen bzw
durch Änderung der Einzelverträge zu decken.
Es wird klarstellend darauf hingewiesen, dass diese Vertragsänderungen samt Klärung
der damit in Zusammenhang stehenden Fragen bzw Modalitäten (zB allfällige tarifliche
Auswirkungen etc) stets im Einvernehmen mit dem/den jeweiligen Auftragnehmer(n)
erfolgen.
Zur Erreichung dieser Ziele (insbesondere einer einvernehmlichen und von allen
Vertragspartnern unterstützten Vertragsänderung) behält sich die Aufraggeberin auch
die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung mit
dem/den jeweiligen Rahmenvereinbarungspartner(n) oder gegebenenfalls mit dem/den
jeweiligen Einzelvertragspartner(n) vor (vgl § 37 Abs 1 Z 6 des
Bundesvergabegesetzes 2018, BGBl I Nr 65/2018 [in der Folge "BVergG 2018"]).
Umfang der möglichen Änderungen:
Eine (allfällige) Erweiterung umfasst ausschließlich Leistungen der ambulanten
Rehabilitation und erfolgt auf Grundlage des aus den jeweils in Geltung stehenden
Planungsgrundlagen / Planungsergebnissen (ÖSG, Rehabilitationsplan und RSG und
Reha-Evidenz) abgeleiteten Bedarfs.
Eine (allfällige) Änderung umfasst im Fall eines Auftragnehmerwechsels
insbesondere den Wechsel oder das Hinzukommen eines Mitglieds der
Arbeitsgemeinschaft sowie den Auftragnehmerwechsel im Rahmen einer
Unternehmensumstrukturierung - einschließlich Übernahme, Fusion, Erwerb oder
Insolvenz, sofern die im Vergabeverfahren bzw gesetzlich festgelegten Anforderungen
an die Befugnis und berufliche Zuverlässigkeit weiterhin gegeben sind. Ein solcher
Auftragnehmerwechsel ist insbesondere nur dann zulässig, wenn sichergestellt ist,
dass die sanitätsbehördlichen Bewilligungen weiterhin bestehen (beispielsweise
durch einen genehmigten Antrag auf Abänderung der bestehenden
sanitätsbehördlichen Bewilligungen gemäß § 5 KAKuG bzw § 12 Abs 1 NÖ KAG). Dies
gilt auch für die nachträgliche Gründung einer Betriebsgesellschaft durch den
Auftragnehmer.
Mit einer derartigen sehr unbestimmten Änderungsklausel weiß ein Unternehmer nicht wirklich, inwieweit welche Leistungen in Zukunft innerhalb der aktuell ausgeschriebenen Rahmenvereinbarung innerhalb der eigenen unternehmerischen Leistungsmöglichkeiten nachgefragt werden sollen, was insb auch in diesem Punkt an die in §§ 151 Abs 1 und 88 Abs 2 BVergG erwähnten unkalkulierbaren Risken denken lässt, zumal es als Allgemeinplatz erscheint, dass idR je jeweils vergrößerter erwartbarer Abrufmenge die Fixkosten pro Dienstleistungseinheit sehr oft aliquot geringer zu kalkulieren sein werden, womit die Kosten pro (Dienstleistungs-) Einheit idR insb als Summe aus aliquot zugerechneten fixen und aus variablen Kosten zu errechnen sind.
1.5. In Punkt 1.3. der Ausschreibung (Teilnahmeunterlage) bzw der Berichtigung vom 3.12.2019 ist jeweils der Rehabilitationsplan 2016 genannt. Dieser dient ausweislich der Ausführungen in diesen Passagen zur Information über den offenen Bedarf an jährlichen Kapazitäten zur Durchführung von ambulanten Rehabilitationsverfahren [...]. Dieser Bedarf ist im Rehabilitationsplan 2016 für den Planungshorizont 2020 dargestellt.
Danach lautet (nach weiteren Textpassagen) Punkt 1.4. der Teilnahmeunterlagen bzw der Berichtigung vom 03.12.2019 wie folgt:
1.4 Ausschreibungsgegenstand
Gegenstand der Ausschreibung ist die Erbringung von Leistungen der ambulanten Rehabilitation in den WHO-Rehabilitationsphasen II und III (kurz "Phasen II und III") im Bereich der Zuweisungsindikationen BSR, HKE, PSY, PUL, ONK, NEU, STV laut Rehabilitationsplan 2016 (gegebenenfalls Rehabilitationsplan 2020) für Personen (kurz "Versicherte") der Auftraggeberinnen in Amstetten, denen diese Leistungen bewilligt wurden.
Insoweit stellen die Vergabeunterlagen aus dem Jahr 2019 auf einen Rehaplan 2016 ab und normieren weiters, dass eventuell auch ein Rehabilitationsplan 2020 für die Bestimmung des (abänderbaren) Ausschreibungsgegenstands maßgeblich sein kann.
MaW wird in der Ausschreibung bzw Berichtigung vom 03.12.2019 zwecks Definition des Auschreibungsgegenstands auf zwei potentiell variierende Dokumente verwiesen. Der - rechtlich - in § 20 Abs 4 BVergG angesprochene, bei Vergabeverfahren erforderliche grundsätzliche Beschaffungswille bleibt damit inhaltlich bzw umfänglich ein weiteres Mal unkonkret für potentiell interessierte Unternehmer.
1.6. Die AG - Seite hat in ihrer Eingabe, OZ 6 des Verfahrensakts W131 2225609-2, einen geschätzten Auftragswert von 2,9 Mio Euro bekannt gegeben, dies klargestellt als Prozesserklärung zur Kenntnis einer einzigen Unternehmerin ohne unionsweite Bekanntmachung.
Die ASt hat für ihren Nachprüfungs- und eV - Antrag gegen die Ausschreibung insgesamt 840 Euro an Pauschalgebühren entrichtet.
Für den Nachprüfungsantrag gegen die Berichtigung wurden Pauschalgebühren iHv 1.728 Euro entrichtet.
Rechtlich vorwegnehmend waren für den ersten Nachprüfungs- und eV - Antrag iZm der Ausschreibung gemäß § 340 BVergG iVm der Verordnung BGBl II 2018/212 ingesamt 25% von 2.160 Euro für den Nachprüfungsantrag gegen die Ausschreibung und zusätzlich 50% dieser Nachprüfungsgebühr für den eV - Antrag geschuldet, sohin 540 Euro Nachprüfungsgebühr und 270 Euro eV-Gebühr, damit insgesamt 810 Euro.
Für den zweiten Nachprüfungsantrag gegen die Berichtigung vom 03.12.2019, die wortlautmäßig und konsekutiv gebührenrechtlich keine Ausschreibung iSd Verordnung BGBl II 2018/212 ist, waren, wie von der ASt durchgeführt, gemäß § 340 Abs 1 Z 5 BVergG 80% von 2.160 Euro, sohin insgesamt 1.728 Euro zu entrichten.
Die ASt hat für ihre bisherigen Rechtsschutzanträge daher jedenfalls hinreichend Gebühren entrichtet, zumal klarstellend festzuhalten ist, dass der Oberschwellenbereich bei den besonderen Dienstleistungen gemäß Anhang XVI BVergG iVm § 151 BVergG erst ab 750.000 Euro beginnt - § 12 Abs 1 Z 2 BVergG, so dass kein Fall eines 10- oder 20-fachen Auftragswerts iSd Verordnung BGBl II 2018/212 vorliegt.
1.7. In der Aktenlage des Vergabeverfahrens sind bis jetzt keine Tatsachen dokumentiert, die rechtlich eindeutig bedeuten würden, dass die ASt kein Interesse am Vertragsabschluss hätte; bzw dass der ASt kein Schaden durch die angefochtenen Entscheidungen drohen würde, zumal die ASt aktuell unstrittig über eine sanitätsbehördlich bewilligte ambulante Rehaanstalt in Amstetten verfügt und insoweit gemäß eingeholter Amtshilfeauskunft kein Verfahren gemäß § 28 NÖ KAG behängt. Vielmehr beweisen die Rechtsschutzanträge insb das Vertragsabschlussinteresse und drohen der ASt durch die angefochtenen Entscheidungen Nachteile im Vergabeverfahren durch die von ihr vorgebrachten Rechtswidrigkeiten Schäden an ihren rechtlich geschützten Möglichkeiten, an einem rechtskonformen Vergabeverfahren teilnehmen und dadurch Aufträge erhalten zu können.
Das Vergabeverfahren ist bislang weder durch Zuschlag noch durch einen Widerruf beendet worden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus der Aktenlage der Gerichtsakten und aus den vorgelegten Vergabeunterlagen bzw aus der eingeholten Amtshilfeauskunft der krankenanstaltenrechtlichen Landesbehörde - siehe OZ 33 aus der Verfahrenszahl W131 2225609-2.
Den Parteien wurde rücksichtlich einer potentiellen questio mixta auch das Formular mit den Abfragefeldern zum Gesamtwert und zur Zahl der Rahmenvereinbarungspartner vorgehalten, auf das § 56 BVergG verweist - OZ 45 aus dem verfahrensakt W131 2225609-2.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gegenständlich war wegen der Vergabeverfahrenseinleitung nach dem 21.08.2018 das BVergG 2018 gemäß BGBl I 2018/65 einschlägig, § 376 Abs 4 BVergG 2018 (= BVergG).
Das BVwG hatte gegenständlich unstrittig in der im Entscheidungskopf ersichtlichen Senatsbesetzung zu entscheiden, nachdem die erstgereihte Beisitzerin der Auftragnehmerseite der GAbt W131 gemäß der ab 01.01.2020 gültigen Geschäftsverteilungsfassung verhindert war und insoweit der gemäß GV zweitgereihte Beisitzer der Auftragnehmerseite einzutreten hatte - § 328 BVergG iVm § 6 VwGVG.
Als Verfahrensrecht waren dabei abseits der Sonderverfahrensvorschriften des BVergG das VwGVG und die in § 333 BVergG verwiesenen Teile des AVG anzuwenden.
3.2. Die ASt und die AG gingen übereinstimmend von der Zuständigkeit des BVwG zur Nachprüfung gemäß BVergG aus, was gemäß § 6 AVG nicht bindend ist.
Unstrittig ist gleichfalls, dass die Dienstleistungen, die Gegenstand der strittigen Rahmenvereinbarungsvergabe sind, dem § 151 BVergG unterfallen, womit der durch § 151 BVergG für besondere Dienstleistungen abgesteckte - eingeschränkte - Vergaberechtsrahmen Anwendung findet.
3.2.1. Die AG als Sozialversicherungsträger gemäß der Rechtslage vor und nach dem 01.01.2020 sind gegenständlich unstrittig öffentliche Auftraggeberinnen, dies unbeschadet des Umstands, dass sich die Zahl und Bezeichnung der Sozialversicherungsträger zum Zeitpunkt der Vergabeverfahrenseinleitung danach ab 01.01.2020 geändert hat. Die das Vergabeverfahren vorrangig (auch für andere Träger) führende PVA ist jedenfalls unbeschadet der Änderung in der Existenz mancher Sozialversicherungsträger ab 01.01.2020 ident geblieben.
3.2.2. Insoweit ist festzuhalten, dass für Deutschland insb zu § 130 GWB iVm va Art 1 Abs 5 RL 2014/24/EU vertreten wird, dass reine Zulassungssysteme im sozialversicherungsrechtlichen Dreiecksverhälntnis nicht der vorgenannten Richtlinie unterfallen, siehe dazu zB Kraus in Ziekow/Völlink, Vergaberecht3 § 130 GWB Rz
15. Die gegenständlichen Verfahrensparteien vertreten dies nicht.
3.2.3. In vorliegenden Verfahrenskomplex behauptet nun die ASt ein Ausschließlichkeitsrecht für die ausgeschriebenen Leistungen kraft der für sie aktuell bestehenden krankenanstaltenrechtlichen Bewilligung für ambulante Rehablitiationsleistungen am Standort Amstetten, was an § 9 Abs 1 Z 11 BVergG denken lässt.
Der VwGH hat zu einer bedarfsgebunden Bewilligung einer Krankenanstalt - zeitlich nach dem Urteil des EuGH in der Rs C-169/07 Hartlauer zu Zl 2013/11/0242 (- dort zum Salzburger Ausführungsgesetz zum Bundeskrankenanstaltenrecht - ) ausgeführt wie folgt:
... Zweck der [...] Bedarfsprüfung ist es daher, dass ein neuer Anbieter medizinischer Leistungen in Form einer Krankenanstalt erst auf den Markt treten soll, wenn das mit öffentlichen Mitteln (insbesondere im Wege der Sozialversicherung) finanzierte Leistungsangebot (vgl. auch § 12a Abs. 2 Z 3 SKAG) ausgelastet ist.
...
3.2.4. Wenn jedoch ASt und AG ausdrücklich übereinstimmend gemäß ihren Eingaben am 24.01.2020 davon ausgehen, dass die ASt für den Standort Amstetten eine private Krankenanstalt gemäß NÖ Krankenanstaltengesetz (= NÖ KAG) ist und insoweit eine Privatkrankenanstaltenbewilligung für den Standort Amstetten hat, ist (neuerlich) auf den Wortlaut des§ 9 Abs 1 Z 11 BVergG zu verweisen.
Nach dieser gemäß § 151 Abs 1 BVergG anwendbaren Bestimmung, die dem Art 11 der RL 2014/24/EU korrespondiert, unterfallen Dienstleistungsaufträge an einen öffentlichen Auftraggeber, der zusätzlich ein ausschließliches Recht, wie in § 9 Abs 1 Z 11 BVergG genannt, innehat, nicht dem (Rechtsschutz des) BVergG (im hier unstrittig vorliegenden Bundesvollzugsbereich gemäß § 1 Z 3 BVergG).
3.2.5. Der VwGH hat nun zu Zl 2013/11/0144 iZm Ordensspitälern ausgeführt, dass eine öffentliche gemeinnützige Krankenanstalt iSd oö Krankenanstaltenausführungsrechts eine öffentliche Auftraggeberin iSd BVergG (damals gemäß BVergG 2006, jedoch insoweit ohne relevante Änderung der Vorraussetzungen ) ist.
Für Niederösterreich ist betreffend die gegenständlichen Nachprüfungsverfahren vergleichend zu Oberösterreich auf § 31 NÖ KAG (- siehe dazu grundsatzgesetzlich wiederum § 15 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (= KAkuG -) hinzuweisen, der iZm öffentlichen Krankenanstalten, also solchen mit Öffentlichkeitsrecht, die Gemeinnützigkeit als Tatbestandsvoraussetzung verlangt.
3.2.6. Die ASt versteht sich jedoch entsprechend der vorgelegten Bewilligungen nach Krankenanstaltenrecht übereinstimmend mit der Sicht der AG - Seite als private Krankenanstalt iSd §§ 78ff NÖ KAG, sohin nicht als solche mit Öffentlichkeitsrecht iSd §§ 30ff NÖ KAG, womit die ASt entsprechend den Kriterien gemäß VwGH Zl 2013/11/0144 gerade keine öffentliche Auftraggeberin iSd BVergG ist.
Damit fehlt es maW jedenfalls an einer Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Vergaberechtsausnahme gemäß § 9 Abs 1 Z 11 BVergG, da die ASt nach den Verfahrensergebnissen bereits deshalb keine öffentliche Auftraggeberin ist, womit das BVergG im Umkehrschluss jedenfalls anwendbar erscheint.
Es kann damit hier dahinstehen, ob die krankenanstaltenrechtlichen Bewilligungen der ASt für Amstetten bei dieser ein ausschließliches Recht iSv §§ 9 Abs 1 Z 11 darstellen.
3.3. Zur Frage der gesonderten Anfechtbarkeit ist vorerst festzuhalten, dass bei DL - Aufträgen gemäß § 151 BVergG der Gesetzgeber in § 2 Z 15 lit a sublit ii BVergG eine Regelung getroffen hat, bei der alle gemäß den sublit aa bis hh und in der sublit jj aufgezählten Entscheidungen anfechtbar sein sollen; bzw mangels Anwendbarkeit dieser Bestimmungen eine gesondert anfechtbare Entscheidungen jedenfalls jede nach außen in Erscheinung tretende Entscheidung des Auftraggebers ist.
IdZ ist zusätzlich festzuhalten, dass die sonstigen Begriffsbestimmungen des § 2 BVergG gemäß § 151 BVergG gleichfalls gelten.
3.3.1. Sohin ist unter der Ausschreibung iSv § 2 Z 7 BVergG sowohl die Vergabebekanntmachung als auch jede Erklärung zu verstehen, in welcher AG - seitig festgelegt wird, welche Leistungen die AG - Seite zu welchen Bedingungen erwerben möchte, siehe dazu zB Heid/Ring in Heid et al, BVergG 2018 § 2 Rz 27.
Das BVwG geht daher gegenständlich rücksichtlich der Z 7 und 15 lit a sublit ii des § 2 BVergG davon aus, dass die ASt mit ihrem ersten Nachprüfungsantrag zu W131 2225609-2 eine gesondert anfechtbare Entscheidung bekämpft hat, da der Gesetzgebener den Ausschreibungsbegriff der genannten Z 7 auch im Bereich des § 151 BVergG gelten lässt.
3.3.2. Da die AG - Seite gegenständlich ein im Bereich des § 151 BVergG zulässiges, gesetzlich nicht vertyptes Vergabeverfahren durchführen will, welches zumindest teilweise an gesetzlich vertypte mehrstufige Vergabeverfahren erinnert, erscheint auch die zu W131 2226547-2 angefochtene Berichtigung vom 3.12.2019 genäß § 2 Z 15 lit a sublit ii BVergG gesondert anfechtbar.
3.3.3. Gesondert anfechtbare Entscheidungen sind (nach hM) Willenserklärungen bzw zumindest Willensmitteilungen der Auftraggeberseite.
Wenn gegenständlich die Berichtigung vom 3.12.2019 über weite Teile textident mit der Ausschreibung und dort insb der Teilnahmeunterlage ist, ist auf die Rsp des VwGH zu verweisen, die zB zu VwGH Zl 2006/04/0024 ausgeführt hat wie folgt:
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt bei der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen, somit hinsichtlich der Willenserklärungen des Auftraggebers, den objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt für maßgebend erachtet (Hinweis E vom 19. November 2008, 2007/04/0018, mit Verweis auf die Vorjudikatur). Dass der objektive Erklärungswert maßgeblich ist, gilt auch für die Auslegung der Willenserklärung des Bieters.
Wenn daher die AG - seite gegenständlich vorerst die Ausschreibung an die Unternehmer kommuniziert und danach die Berichtigung vom 03.12.2019, spricht nach dem Maßstab des durchschnittlich fachkundigen Bieters nichts dagegen, dass die AG - Seite mit der Ausschreibung und der zitierten Berichtigung zweifach und präkludierbar festgelegt hat, was sie zu welchen Bestimmungen beschaffen will.
ISd insb nach der RL 89/665/EWG idgF gebotenen effektiven Rechtsschutzes geht das BVwG daher gegenständlich davon aus, dass sowohl die ursprüngliche Ausschreibung, soweit nicht durch die Berichtigung vom 3.12.2019 in kleinen Teilen geändert, als auch die Berichtigung vom 3.12.2019 bislang weiterhin gesondert anfechtbar dem Rechtsbestand angehört haben und daher mit diesem Erkenntnis nichtig erklärbar sind.
Da die Ausschreibung und die Berichtigung vom 03.12.2019, wie im Sachverhalt aufgezeigt, Identes und hier vergaberechtswidrig Erkanntes normierten, war zweifach mit der Aufhebung, sprich Nichtigerklärung vorzugehen.
3.3.4. Die ASt hat in ihren Nachprüfungsanträgen die Formalvoraussetzungen des Gesetzes erfüllt.
Die Antragslegitimation der ASt wurde nicht substantiiert bestritten.
Die Rechtsschutzanträge erscheinen unstrittig fristgerecht eingebracht und und insb mangels Zuschlagserteilung /Widerruf weiter zulässig.
Die ASt hat insb die für eine jeweilige Sachentscheidung erforderlichen Pauschalgebühren entrichtet - §§ 344 Abs 2 Z 3 und 350 Abs 7 BVergG.
3.4. § 151 Abs 1 BVergG rezipiert den § 20 BVergG insb in seinen Abs 1 und 4 für Vergaben gemäß § 151 BVergG.
3.4.1. § 20 Abs 1 BVergG gebietet faire und insb transparente Vergabeverfahren, was für den Rechtsrahmen gemäß § 151 Abs 1 BVergG bereits in Art 76 RL 2014/24/EU grundgelegt ist.
Unter Transparenz ist im aktuellen allgemeinen Sprachgebrauch gerichtsnotorisch synonym insb die Durchschaubarkeit, Ehrlichkeit, Geradheit, Geradlinigkeit, Nachvollziehbarkeit, Offenheit zu verstehen, wie leicht im Internet zB im Duden recherchierbar.
3.4.2. Das subjektive und von der ASt in ihren Rechtsschutzanträgen angezogene subjektive Recht auf Transparenz begründet für die ASt den vergabekontrollbehördlich durchsetzbaren Anspruch, dass sie im Vergabeverfahren jederzeit möglichst bald durchschauen und nachvollziehen kann, welche vorvertraglichen Rechte und Pflichten eine Auftraggeberseite im vorvertraglichen Vertragsanbahnungsprozedere für sie präkludierbar begründen will, um damit die - letztlich - vertragliche Absatzchance der ASt in bestimmter Weise zu gestalten.
3.4.3. Ein Unternehmer wie die ASt soll durch den Transparenzanspruch einerseits davor geschützt werden, dass letztlich nachträglich frustrierter Vertragsanbahnungsaufwand betrieben wird, den der Unternehmer rational niemals getrieben hätte, wenn er bereits objektiv durchschaubar vorab gewusst hätte, dass er in den wahren Beschaffungszielsetzungen der AG Seite kein Interesse an der vermuteten Absatzchance gehabt hätte.
3.4.4. Andererseits aber soll durch das Transparenzgebot auch gewährleistet werden, dass ein Unternehmer wie die ASt möglichst bald auf aus Unternehmersicht vergaberechtswidrig erscheinende vorvertragliche Entscheidungen der AG -Seite reagieren kann, nachdem mangels rechtzeitiger Anfechtung von Auftraggeberentscheidungen idR deren Bestandskraft eintritt und dem Unternehmer danach entgegengehalten wird, dass mangels rechtzeitiger Anfechtung die rechtswidrigen vorvertraglichen Entscheidungen dem weiteren Vergabeverfahren unbeschadet deren allfälliger Rechtswidrigkeit als präkludiert zu Grunde gelegt werden.
Durch Transparenz wird zudem auch dem dem § 20 Abs 1 BVergG innewohnenden Fairnessgebot entsprochen, wonach es anständig und korrekt erscheint, dass der Vertragsanbahnungspartner möglichst bald weiß, was für ihn aus Auftraggebersicht gelten soll. Fair wird idZ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, wie zB im Internet bei Duden ersichtlich, insb als anständig, ehrenhaft, ehrlich, einwandfrei, gerecht, in Ordnung, kameradschaftlich, kollegial, korrekt, legitim, ordentlich, redlich verstanden.
3.4.5. Das Transparenzgebot als Erfordernis für auftraggeberseitige Entscheidungen erscheint insb vor dem Hintergrund der bereits benannten Rsp des VwGH zur Bestandskraft/Präklusion von Entscheidungen zu beachtend, wenn der VwGH in stRsp wie zB zu Zl Ra 2016/04/0132 ausführt:
Allfällige Rechtswidrigkeiten einer bestandfesten Entscheidung dürfen vom VwG im Rahmen der Nachprüfung einer späteren Auftraggeberentscheidung nicht mehr aufgegriffen werden (Hinweis E vom 17. Juni 2014, 2013/04/0029, mwN).
3.5. Da Vergabekontrolle unionsrechtskonform iSd RL 89/665/EWG zur Gewährlesitung eines effektiven Rechtsschutzes zu geschehen hat, ist nunmehr vorab noch auf EuGH Rs C-C-216/17 mit der dortigen Betonung des ident gemäß (Art 18 und hier) Art 76 RL 2014/24/EU geltenden Transparenzgebots zu verweisen wie folgt:
[...]
62 Drittens ist diese Auslegung geeignet, die Beachtung der fundamentalen Grundsätze sicherzustellen, die die Vergabe öffentlicher Aufträge regeln und die gemäß Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/18 beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung anwendbar sind. Die Rahmenvereinbarung fällt nämlich allgemein unter den Begriff "öffentlicher Auftrag", da sie die verschiedenen Aufträge, für die sie gilt, zu einem einheitlichen Auftrag zusammenfasst (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Mai 1995, Kommission/Griechenland, C-79/94, EU:C:1995:120, Rn. 15, vom 29. November 2007, Kommission/Italien, C-119/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:729, Rn. 43, und vom 11. Dezember 2014, Azienda sanitaria locale n. 5 "Spezzino" u. a., C-113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 36).
63 Sowohl die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung als auch der daraus folgende Grundsatz der Transparenz (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2015, UNIS und Beaudout Père et Fils, C-25/14 und C-26/14, EU:C:2015:821, Rn.
38) verlangen, dass alle Bedingungen und Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar, genau und eindeutig formuliert sind, damit, erstens, alle durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ihre genaue Bedeutung verstehen und sie in gleicher Weise auslegen können und, zweitens, der öffentliche Auftraggeber imstande ist, tatsächlich zu überprüfen, ob die Angebote der Bieter die für den betreffenden Auftrag geltenden Kriterien erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2017, Ingsteel und Metrostav, C-76/16, EU:C:2017:549, Rn. 34).
64 Die u. a. in Art. [...] verankerten Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der am Abschluss der Rahmenvereinbarung interessierten Wirtschaftsteilnehmer würden beeinträchtigt, wenn der öffentliche Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, die Gesamtmenge, die eine solche Vereinbarung betrifft, nicht angäbe.
65 Der Grundsatz der Transparenz ist gerade deshalb so notwendig, weil die öffentlichen Auftraggeber im Falle eines Folgeauftrags gemäß Art. 35 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 für jeden Einzelauftrag, der aufgrund dieser Rahmenvereinbarung vergeben wird, eine Bekanntmachung mit den Ergebnissen des jeweiligen Vergabeverfahrens nicht abzusenden brauchen.
66 Wäre zudem der öffentliche Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, nicht verpflichtet, von vornherein die Gesamtmenge und den Gesamtbetrag der Leistungen, die von dieser Vereinbarung abgedeckt werden, anzugeben, könnte deren Abschluss dazu dienen, einen Auftrag künstlich aufzuspalten und so unter den von der Richtlinie 2004/18 festgelegten Schwellenwerten bleiben, was Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18 verbietet.
67 Überdies kann man, selbst unterstellt, dass sich eine Bezugnahme auf den normalen Bedarf der in der Rahmenvereinbarung eindeutig bezeichneten öffentlichen Auftraggeber für die nationalen Wirtschaftsteilnehmer als ausreichend explizit erweisen könnte, nicht annehmen, dass dies zwangsläufig auch für einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmer gilt.
68 Wenn die Gesamtmenge der Dienstleistungen, die dieser normale Bedarf darstellt, bekannt ist, dürfte es schließlich keine Schwierigkeit bereiten, sie in der Rahmenvereinbarung selbst oder in einem anderen veröffentlichten Dokument wie den Verdingungsunterlagen anzugeben und dadurch die vollumfängliche Beachtung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung zu gewährleisten.
69 Viertens konkretisiert die Tatsache, dass vom öffentlichen Auftraggeber, der von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt ist, verlangt wird, in der Rahmenvereinbarung die Menge und den Betrag der Leistungen, die diese Vereinbarung abdeckt, anzugeben, das in Art. 32 Abs. 2 Unterabs. 5 der Richtlinie 2004/18 aufgestellte Verbot, das Instrument der Rahmenvereinbarung missbräuchlich oder in einer Weise anzuwenden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht wird.
3.6. IZm der Ausschreibungsanfechtung sind nunmehr wie folgt dokumentierte Rechtsprechungsgrundsätze des VwGH festzuhalten:
3.6.1. [wie zB zu VwGH Zl 2011/04/0115]
[§ 325 Abs. 2 BVergG 2006, aktuell § 347 Abs 2 BVergG 2018 ] sieht als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen in den Ausschreibungsunterlagen oder in jedem sonstigen Dokument des Vergabeverfahrens vor. Eine Streichung solcher Bestimmungen, wie dies auch in Art. 2 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 89/665/EWG ausdrücklich vorgesehen ist, kommt dann nicht in Betracht, wenn danach kein Ausschreibungsgegenstand verbliebe, die Ausschreibung dadurch einen gänzlich anderen Inhalt bekäme oder ein anderer Bieterkreis angesprochen würde. In diesen Fällen wäre die gesamte Ausschreibung für nichtig zu erklären (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. April 2010, Zl. 2008/04/0077, und vom 22. Juni 2011, Zl. 2009/04/0128).
3.6.2. [wie zB zu VwGH Zl Ra 2014/04/0045]
Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt eine Streichung einzelner Bestimmungen (anstelle der Nichtigerklärung der gesamten Ausschreibung) dann nicht in Betracht, wenn danach kein Ausschreibungsgegenstand verbliebe, die Ausschreibung dadurch einen gänzlich anderen Inhalt bekäme oder ein anderer Bieterkreis angesprochen würde. In diesen Fällen wäre die gesamte Ausschreibung für nichtig zu erklären (Hinweis E vom 6. März 2013, 2011/04/0115, 0130, 0139, mwN). [...].
3.7. Zu A) Zu den Nichtigerklärungen
3.7.1. Im vorliegenden Nachprüfungsgeschehen war einerseits strittig, ob die ASt durch eine krankenanstaltenrechtliche Bewilligung am Standort Amstetten nur sie für eine künftige Leistungserbringung in Betracht kommt Die ASt will mit diesem Argument ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung nur mit ihr vergabekontrollbehördlich durchsetzen.
3.7.2. Dies kann gegenständlich jedoch dahinstehen, weil andererseits im Rahmen des jeweils als Beschwerdepunkt hinreichend benannten Transparenzanspruchs der ASt zu prüfen war, ob die ASt mit den angefochtenen Entscheidungen jene Informationen erhalten hat, die sie zum jeweiligen Zeitpunkt der Kenntnis (-möglichkeit) der angefochtenen Auftraggeberentscheidungen verlangen durfte, um abschätzen zu können, ob eine weitere Vergabeverfahrensteilnahme für sie samt Betreibung eines entsprechenden eigenen Vertragsanbahnungsaufwands unternehmerisch rational und sinnvoll ist; bzw ob einige AG - seitige Festlegungen (allenfalls auch anderweitig) vergaberechtswidrig sind.
3.7.3. Wenn die AG - Seite gegenständlich nicht bereits in der Ausschreibung oder deren Berichtigung vom 03.12.2019 offenlegt, ob sie die Rahmenvereinbarung mit einem oder mit mehreren Unternehmern; und im zweiteren Fall mit wie vielen abschließen will, verstößt die AG - Seite nicht nur gegen die formalen Informationspflichten gemäß § 56 BVergG (anwendbar gemäß § 151 BVergG) iVm Anhang VII zum BVergG, dort Z 3 iVm dem auf EU - Ebene vorgesehenen Formular zur Verabebekanntmachung, dort Punkt IV.1.3., sondern lässt die AG - Seite die ASt darüber generell intransparent im Dunkeln, ob der durch die Rahmenvereinbarung abzudeckende Bedarf später allenfalls einmal unter mehreren Dienstleistungserbringern aufzuteilen sein wird/könnte.
3.7.4. Durch die Verschweigung des geschätzten Gesamtwerts bei dieser Beschaffung in den angefochtenen Entscheidungen, wie zB in Punkt II.1.5. des über § 56 BVergG verwiesenen EU - Formulars, wie in OZ 45 der Verfahrenszahl W131 2225609-2 ersichtlich, blieb die ASt darüber im Dunkeln, welchen Gesamtwert die AG - Seite EU - weit den potentiellen Wettbewerb informierend auf den Markt bringen könnte.
Diese Information an potentielle Wettbewerber hat evident potentiellen Einfluss darauf, mit wie vielen Wettbewerbern sich die ASt um den in Frage stehenden Beschaffungsbedarf konkurrenzieren wird müssen, nachdem der Wert des Beschaffungsvolumens im Regelfall die Entscheidung über das Treiben von Vertragsanbahnungsaufwand durch den Unternehmer regelmäßig sehr beeinflussen wird.
3.7.5. Durch die wiedergegebenen Vertragsänderungsklauseln, die qualitativ und quantitativ den Beschaffungsgegenstand ändern können, bleibt für die ASt ein weiteres Mal sehr intransparent, hinsichtlich welchen konkreten Auftragsgegenstands (und -Volumens-) sie bei ihren mit Aufwand verbundenen Vertragsanbahnungsschritten auszugehen hat. Der idente Vorwurf eines Transparenzmankos wird durch die alternierende Bestimmung des Auftragsgegenstands entweder durch den Rehaplan 2016 oder aber 2020 begründet, wenn der jeweilige Rehaplan ausweislich der Ausschreibungspassagen in Punkt 1.3. der Teilnahmeunterlage bzw Berichtigung Aufschluss über den Beschaffungsbedarf gibt.
3.7.6. Wenn dann nach den angefochtenen Vergabeunterlagen erst relativ spät nach zuvor umfangreich erforderlichen vorherigen Vertragsanbahnungsschritten erst in einer zweiten Vergabeverfahrensstufe der krankenanstaltenrechtliche Bedarf durch Vorab - Bedarfsfeststellungsverfahren festgestellt werden soll, obwohl dies bereits wesentlich früher und insb bereits zu Beginn des Vergabeverfahrens zu tun möglich wäre; und zudem Vergabeverfahren nur bei grundsätzlich unbedingtem Beschaffungswillen iSd § 20 Abs 4 BVergG durchgeführt werden sollen, erscheinen die angefochtenen Vergabeentscheidungen in einer Gesamtschau jeweils jedenfalls so, dass damit eine Vergabeverfahrenssituation in der ersten Vergabeverfahrensstufe geschaffen wird, die in ihrer Gesamtschau rechtswidrig gegen das aufgezeigte Transparenzgebot verstößt, da die AG - Seite eben in allen Vergabeverfahrensphasen größtmöglich transparent im aufgezeigten Sinn vorzugehen hat.
3.7.7. Da ohne die aufgezeigten Transparenzrechtswidrigkeiten der potentielle Kreis abschlussinteressierter Unternehmer und nachmaliger potentieller Bieter evident verändert werden kann, weil ohne die aufgezeigten Intransparenzen naheliegend weit mehr Unternehmer nach der Vergabebekanntmachung entscheiden hätten können, ob sie Vertragsanbahnungsaufwand treiben sollen, war nicht mit irgendwelchen Streichungen, sondern jeweils mit Gesamtnichtigerklärung vorzugehen. Dies, da nach § 347 Abs 1 Z 2 BVergG der potentielle Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens ausreichend ist.
3.7.8. Bei diesem Verfahrensstand konnte dahinstehen, ob weitere Teile der angefochtenen Entscheidungen und insoweit zB auch der bei den Referenzanforderungen gebrauchte Begriff des Zuweisungsvertrags hinreichend transparent ist, nachdem idZ zB gemäß § 81 Abs 1 NÖ KAG Verträge zwischen Sozialversicherungsträgern und privaten Krankenanstalten zwecks Gültigkeit genehmigungspfichtig sind, dieses landesrechtliche Genehmigungserfordernis dz branchenspezifisch allenfalls bislang in der Praxis evtl nicht entsprechend eingehalten worden sein könnte.
Nicht mehr erörtert werden musste zB auch, inwieweit die erneute Erwähnung des Vorab - Bedarfsantrags in der Berichtigung vom 3.12.2019 nach der Streichung dieses Erfordernisses für die ASt in der Fragebeantwortung vom 13.11.2019 allenfalls gegen die Grundsätze des §20 Abs 1 BVergG verstößt - § 39 Abs 3 AVG.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
3.8. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die Nichtigerklärung gegen die Ausschreibung war gegenständlich zuzulassen, da bislang keine gefestigte Rsp des VwGH zur Frage vorliegt, ob beim System der gesondert anfechtbaren Entscheidungen gemäß §§ 151 und 2 Z 15 lit a sublit ii BVergG bei diesbezüglicher Geltung der sonstigen Begriffsdefinitionen des § 2 BVergG gemäß § 151 Abs 1 BVergG die Teilnahmeunterlagen in einem grundsätzlich frei gestalteten Vergabeverfahren gemeinsam mit der Vergabebekanntmachung als Ausschreibung anzufechten bzw nichtig zu erklären sind, oder ob insoweit iSd § 2 Z 15 lit a sublit ii BVergG die Vergabebekanntmachung zur Vergabeverfahrenseinleitung und die Ausschreibungsunterlagen bzw Teilnahmeunterlagen allenfalls dennoch zwei gesondert anfechtbare Entscheidungen sind, die im Anwendungsbereich des § 151 BVergG mit verschiedenen Nachprüfungsanträgen zu bekämpfen sind.
Die Revision gegen die Nichtigerklärung der Ausschreibung und der Berichtigung vom 03.12.2019 war (auch) zuzulassen, weil bislang keine gefestigte Rsp des VwGH vorliegt, inwieweit bei einer Berichtigung von Teilnahmeunterlagen im Anwendungsbereich des § 151 Abs 1 BVergG nach einer Nichtigerklärung der Ausschreibung bzw der insoweit hier als Bestandteil der Ausschreibung verstandenen Teilnahmeunterlagen ein Unternehmer, der auch die so verstandene Ausschreibung bekämpft hat, durch eine Berichtigung einer danach nichtig erklärten Ausschreibung überhaupt noch in subjektiven Rechten verletzt sein kann; bzw inwieweit nach einer nichtig erklärten Ausschreibung eine allfällige Rechtswidrigkeit allenfalls zB wegen Klaglosstellung nicht mehr von wesentlichem Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens gemäß § 347 Abs 1 Z 2 BVergG ist. Dies insbesondere, wenn die Berichtigung dergestalt erfolgt, dass die Teilnahmeunterlagen mit einigen darin gestrichenen Worten zur Gänze noch einmal an den Unternehmer kommuniziert werden und insoweit eine gänzlich neue, die ursprüngliche Teilnahmeunterlage ersetzende Teilnahmeunterlage kommuniziert wird - § 2 Z 15 lit a sublit ii BVergG, bei der man auch Klaglosstellung im Punkte der ursprünglichen Ausschreibung vertreten könnte.
Schlagworte
Ausschreibung, Bedarfsprüfung, Bekanntgabepflicht, Berichtigung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2225609.2.00Zuletzt aktualisiert am
04.06.2020