Entscheidungsdatum
25.02.2020Norm
AVG §14Spruch
W114 2219327-1/6E
W114 2219483-1/5E
W114 2219480-1/5E
W114 2219481-1/5E
W114 2219484-1/5E
W114 2219485-1/5E
W114 2219487-1/5E
W114 2219489-1/5E
W114 2219491-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , XXXX , XXXX , XXXX ,
XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch XXXX ,
XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch XXXX ,
XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , alle vertreten durch XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Vermessungsamtes Kufstein, Oskar Pirlo-Straße 15, 6330 Kufstein, vom 23.08.2018, Geschäftsfallnummer (GFN) 1337/2015/83:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid des Vermessungsamtes Kufstein, Oskar Pirlo-Straße 15, 6330 Kufstein, vom 23.08.2018, Geschäftsfallnummer (GFN) 1337/2015/83 wird behoben und die Rechtssache hinsichtlich des Antrages von XXXX , XXXX , XXXX , vom 29.05.2015 auf Umwandlung des Grundstückes Gst. Nr. XXXX vom Grundsteuerkataster in den Grenzkataster an das Vermessungsamt Kufstein zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich des Grenzverlaufes zwischen dem Grundstück Gst. Nr. XXXX einerseits und dem Grundstück XXXX , XXXX andererseits und zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 29.05.2015 stellte XXXX , XXXX , XXXX , einen Antrag zur Umwandlung seines Grundstückes Gst. Nr. XXXX vom Grundsteuerkataster in den Grenzkataster.
2. Da in der gegenständlichen Angelegenheit dem Antrag auf Umwandlung nicht alle Zustimmungserklärungen im Protokoll gemäß § 43 Abs. 6 VermG beigebracht wurden, hatte das zuständige Vermessungsamt Kufstein ein Ermittlungsverfahren zum Zwecke der Erlangung fehlender Zustimmungen zum Grenzverlauf einzuleiten.
3. Am 16.07.2015 führte das Vermessungsamt Kufstein eine Grenzverhandlung, zu der auch XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX ,
XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch XXXX , XXXX ,
XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch die XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , XXXX ,
XXXX , im Weiteren: Beschwerdeführer, als Miteigentümer des angrenzenden Grundstückes Gst. Nr. XXXX geladen wurden.
Da zwischen einem weiteren Grundstückseigentümer und XXXX , XXXX eine einvernehmliche Grenzfestlegung nicht möglich war, wurde dieser Grundstückseigentümer vom Vermessungsamt Kufstein unter Hinweis auf § 25 Abs. 2 VermG auf den Gerichtsweg verwiesen und angewiesen, ein für die Bereinigung eines Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, was der weitere Grundstückseigentümer auch machte.
Die von diesem Grundstückseigentümer eingebrachte Klage nach § 851 ABGB wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Rattenberg vom 27.07.2016, 3 C 300/15g-9 abgewiesen. Damit wurde auch der von XXXX , XXXX , XXXX geltend gemachte Grenzverlauf seines Grundstückes Gst. Nr. XXXX einerseits und des Grundstückes des weiteren Grundstückseigentümers andererseits für rechtlich verbindlich erklärt.
4. Da in der Grenzverhandlung am 16.07.2015 eine Einigung über den Grenzverlauf des Grundstückes Gst. Nr. XXXX von XXXX , XXXX , XXXX einerseits und des Grundstückes Gst. Nr. XXXX der Beschwerdeführer andererseits, nicht erzielt werden konnte, wurde zur Abklärung offener Fragen die Grenzverhandlung unterbrochen und auf einen Termin nach der Schneeschmelze im Frühjahr 2018 vertagt.
5. Am 09.11.2017 um 10.00 Uhr wurde wahrscheinlich die am 16.07.2015 unterbrochene Grenzverhandlung fortgesetzt und offensichtlich erneut vertagt. Im vom Vermessungsamt Kufstein dem Bundesverwaltungsgericht übermittelten "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" befindet sich dazu ein handschriftlicher Vermerk mit folgendem Inhalt:
"Die Grenzverhandlung wurde um 1000 am 9.11.2017 eröffnet.
Die Grenzen von Gst XXXX zu Gst XXXX und vom GPA bis GP 1622 und Gst 139 wurden festgelegt - die restliche Festlegung wurde vertagt.
XXXX "
6. Am 17.04.2018 wurde die Grenzverhandlung fortgesetzt. Aus den vom Vermessungsamt Kufstein dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen ist folgender Eintrag ersichtlich:
"17. April 2018 / 1000
Die Grenzverhandlung wird neuerlich geöffnet.
Eintragungen in die GV-Skizze in grüner Farbe.
Die Eigentümer haben sich auf die in den Plänen dargestellten und in der Natur rückgesteckten und vorgezeigten Grenzen geeinigt.
Alle weiteren Ansprüche (z.B. Mauer bei Gst XXXX und XXXX ) werden zu einem späteren Zeitpunkt geklärt.
Die Grenzverhandlung wird um 1100 geschlossen.
XXXX "
6. Mit dem nunmehr von den Beschwerdeführern angefochtenen Bescheid vom 23.08.2018, Geschäftsfallnummer (GFN) 1337/2015/83 wandelte das Vermessungsamt Kufstein auf Grund des Antrages von XXXX , XXXX ,
XXXX das Grundstück Gst. Nr. XXXX vom Grundsteuerkataster in den Grenzkataster um.
7. Die Beschwerdeführer haben mit Schriftsatz vom 19.09.2018 gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben.
Dabei beantragten die Beschwerdeführer die Durchführung einer "Berufungsverhandlung", den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Vermessungsamt Kufstein zurückzuverweisen, in eventu in der Sache selbst zu entscheiden und XXXX , geb. XXXX , XXXX , XXXX , den Eigentümer des Grundstückes Nr. XXXX XXXX , auffordern, innerhalb von 6 Wochen ein gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, widrigenfalls die zwischen den Grundstücken Nr. XXXX und Nr XXXX je XXXX vorhandene Naturgrenze (Terrasseneinfriedung und Zaun) als zustimmend angesehen wird und nach fristlosem Verstreichen dieser Frist diese Naturgrenze als maßgebliche Grenze im Grenzkataster zu bestimmen.
Im Wesentlichen zusammengefasst begründen die Beschwerdeführer ihr Vorbringen damit, dass sowohl XXXX , als auch XXXX und XXXX bei der Grenzverhandlung anwesend gewesen wären. Diese wären mit der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Grenzfestsetzung nicht einverstanden gewesen. Das Protokoll sei vollkommen unrichtig. Sie hätten bei der Grenzverhandlung auch ausdrücklich erklärt und betont, nicht mit diesem Grenzverlauf einverstanden zu sein und hätten deswegen das Protokoll auch nicht unterzeichnet. Zudem wäre auch kein den erforderlichen Formvorschriften entsprechendes Protokoll erstellt worden. Ihre Einwände wären auch nicht protokolliert worden.
8. Mit Schreiben vom 17.05.2019, GFN 1337/2015/83, wurden am 27.05.2019 die Beschwerde, der angefochtene Bescheid sowie einige Unterlagen des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Eine vollständige Vorlage sämtlicher vorhandener Unterlagen des beim Vermessungsamt Kufstein geführten Verwaltungsverfahrens erfolgte nicht.
9. Da nicht erkennbar war, ob und dass die dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Beschwerde an alle Parteien des Umwandlungsverfahrens übermittelt wurde, wurde diese Beschwerde vom BVwG am 16.01.2020 an alle anderen Parteien zum Parteiengehör übermittelt.
10. XXXX , XXXX , XXXX , nunmehr vertreten durch XXXX , verwies in zwei E-Mails vom 27.01.2020 bzw. vom 28.01.2020 auf den anlässlich der fortgesetzten Grenzverhandlung vom 17.04.2018 im Verhandlungsprotokoll aufgenommen oben angeführten Vermerk und führte aus, dass es bei der fortgesetzten Grenzverhandlung gegen die dokumentierten Grenzen keinen Widerstand mehr gegeben hätte, wodurch auch ein Gerichtsverweis überflüssig geworden wäre. Zudem hätte ansonsten auch die Textierung von XXXX keinen Sinn gemacht. Aus dem Protokoll der Grenzverhandlung sei auf Seite 6 vermerkt worden, dass sich XXXX , als auch XXXX und XXXX ohne Unterschriftsleistung vor deren Ende von der Grenzverhandlung entfernt hätten. Daraus ergebe sich, dass der streitgegenständliche Grenzverlauf, wie er von XXXX ,
XXXX , XXXX , beantragt worden wäre, festgelegt worden wäre.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Am 29.05.2015 stellte XXXX , XXXX , XXXX , einen Antrag zur Umwandlung seines Grundstückes Gst. Nr. XXXX der XXXX vom Grundsteuerkataster in den Grenzkataster.
1.2. Das Vermessungsamt führte am 16.07.2015 eine Grenzverhandlung durch, die unterbrochen wurde, am 09.11.2017 wieder fortgeführt und unterbrochen wurde, sowie am 17.04.2018 fortgesetzt und geschlossen wurde.
1.3. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde eine einzige "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" vorgelegt. In dieser "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" wurden offensichtlich am 16.07.2015, am 09.11.2017 und am 17.04.2018 Eintragungen vorgenommen, wobei nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, wann welche Eintragung erfolgte. Aus dieser "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" ist nicht zweifelsfrei ersichtlich, wer bei diesen drei Terminen jeweils wann und wie lange anwesend war, wann die "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" von den unterfertigten Parteien des Verwaltungsverfahrens gezeichnet wurden und welcher Umfang der "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" von der jeweiligen Unterfertigung umfasst ist.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Parteien, die offensichtlich am 17.11.2018 die Grenzverhandlung vor deren Ende verlassen haben, über die Folgen eines Verlassens vor Schluss der mündlichen Verhandlung und ohne die Niederschrift zu unterzeichnen, manuduziert wurden.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass eine Niederschrift der am 17.04.2018 fortgesetzten Grenzverhandlung an den Vertreter von XXXX übermittelt wurde, wie es von deren Vertreter, der sich für seine Abwesenheit von der fortgesetzten Grenzverhandlung entschuldigt hat, beantragt wurde.
Die "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" endet - abgesehen von zwei planlichen Darstellungen auf Seite acht mit dem oben wiedergegebenen Vermerk von XXXX vom 17.04.2018, der von niemandem gegengezeichnet wurde.
Da die Grenzverhandlung in drei Teilen durchgeführt wurde, müssten vom Vermessungsamt auch drei Niederschriften existieren. Es gibt jedoch keine drei Niederschriften, sondern nur die "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung".
Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass die vom Vermessungsamt Kufstein vorgelegte "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" von der belangten Behörde nicht derart erstellt wurde, dass darauf aufbauend auch nur ansatzweise eine Entscheidung in der gegenständlichen Angelegenheit erfolgen könnte. Die vom Vermessungsamt Kufstein verfasste "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" entspricht insgesamt nicht einmal ansatzweise den in § 14 AVG enthaltenen Erfordernissen an eine Niederschrift.
2. Beweiswürdigung:
Der wiedergegebene Sachverhalt und die getroffenen Feststellungen ergeben sich schlüssig aus den, vom Vermessungsamt Kufstein dem BVwG vorgelegten Unterlagen des Verwaltungsverfahrens.
Während die Beschwerdeführer vorbringen, dass keine Einigung über den verfahrensgegenständlichen Grenzverlauf vorliegt, behauptet der Antragsteller im Umwandlungsverfahren das Gegenteil. Als Nachweis für das Vorliegen einer rechtsgültig vorliegenden Einigung vermögen der Antragsteller des Umwandlungsverfahrens und das Vermessungsamt Kufstein nur auf die "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" hinzuweisen, die einen ausschließlich vom Verhandlungsleiter der Grenzverhandlung selbst verfassten Vermerk vom 17.04.2018 enthält, der nur vom Verhandlungsleiter selbst abgezeichnet wurde. Erwartungsgemäß behauptet der Antragsteller des Umwandlungsverfahrens, dass eine rechtsverbindliche Einigung über den streitgegenständlichen Grenzverlauf hergestellt wurde. Dieser Behauptung wird jedoch in der vorliegenden Beschwerde sehr deutlich entgegengetreten und das Vorliegen einer rechtsverbindlichen Einigung bestritten.
Im Zuge der freien Beweiswürdigung und der Abwägung der vorliegenden Argumente der Parteien und der Qualität der vom Vermessungsamt Kufstein erstellten "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" gelangt das Bundesverwaltungsgericht zur Auffassung, dass die vom Vermessungsamt Kufstein erstellte "Verhandlungsschrift Grenzverhandlung" mangels Einhaltung von in § 14 AVG geforderten Formvorschriften an Niederschriften in einem Verwaltungsverfahren nicht geeignet ist, um darauf aufbauend zweifelsfrei zur Auffassung zu gelangen, dass in der bisher durchgeführten Grenzverhandlung eine rechtsverbindliche Einigung des verfahrensgegenständlichen Grenzverlaufes zwischen den Beschwerdeführern und dem Antragsteller im Umwandlungsverfahren vorliegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und Verfahrensrecht:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Das Vermessungsgesetz (VermG) sieht die Entscheidung durch Senate nicht vor.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 138/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in den dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Aus § 3 Abs. 3 VermG ergibt sich die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung.
3.2. Rechtsgrundlagen:
§ 28 Abs. 2 und 3 VwGVG lauten wie folgt:
"(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."
3.3. Rechtlich ergibt sich daraus Folgendes:
Das Vermessungsamt Kufstein hat in der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit offensichtlich die in § 24 VermG geforderte Grenzverhandlung nicht rechtskonform abgeschlossen und insbesondere eine für das weitere Umwandlungsverfahren erforderliche rechtskonforme Niederschrift unter Berücksichtigung der sich aus § 14 AVG ergebenden Vorschriften, der im weiteren Umwandlungsverfahren die erforderliche Rechtsverbindlichkeit zukommt, nicht erstellt. Eine alle Erfordernisse des § 14 AVG berücksichtigende Niederschrift über die Ergebnisse der Grenzverhandlung ist jedoch Voraussetzung für die weitere Durchführung eines Verfahrens zur Umwandlung eines Grundstückes vom Grenzsteuerkataster in den Grenzkataster. Insbesondere ist in einer Grenzverhandlung abzuklären, ob es zu einer Einigung über alle Grenzverläufe mit allen erforderlichen Eigentümern (deren Grundstück nicht im Grenzkataster eingetragen ist) benachbarter Grundstücke gekommen ist. Die Ergebnisse einer solchen Grenzverhandlung sind für alle betroffenen Grundstücksgrenzen in der jeweiligen Niederschrift unter Einhaltung der sich aus § 14 AVG ergebenden Formvorschriften so festzuhalten, sodass zweifelsfrei aus der Niederschrift erkennbar ist, ob es entsprechende Einigungen gibt oder solche Einigungen nicht zustande gekommen sind. Dabei sind auch die sich aus § 14 AVG ergebenden Erfordernisse hinsichtlich der Unterfertigung einer Niederschrift einzuhalten. Jedenfalls sind dabei auch bestehende Einwände objektiv und neutral von einem Verhandlungsleiter zu protokollieren.
Einigen sich die Eigentümer nicht über den Grenzverlauf und ist noch kein gerichtliches Verfahren anhängig, so ist der Eigentümer, der behauptet, dass die Grenze nicht mit dem sich auf Grund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreites bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Lässt sich auf diese Weise der zur Einleitung des gerichtlichen Verfahrens aufzufordernde Eigentümer nicht ermitteln, so ist derjenige Eigentümer aufzufordern, dessen Behauptung den sonstigen in der Grenzverhandlung hervorgekommenen Umständen nach den geringeren Grad der Wahrscheinlichkeit besitzt.
Erscheint ein erforderlicher Eigentümer unentschuldigt nicht zur Grenzverhandlung, so ist von dessen Zustimmung zu den in der Grenzverhandlung festgelegten Grenzen auszugehen.
Erscheint ein erforderlicher Eigentümer entschuldigt nicht zur Grenzverhandlung, so ist diesem, wenn er es verlangt, jedenfalls unter Fristsetzung zur Erhebung von allfälligen Einwänden jedenfalls die ordnungsgemäß erstellte Niederschrift über die durchgeführte Grenzverhandlung zum Parteiengehör zu übermitteln.
Erforderliche Eigentümer, die sich während der Grenzverhandlung ohne Unterzeichnung der Niederschrift von der Grenzverhandlung entfernen, sind wie unentschuldigt abwesende erforderliche Eigentümer zu behandeln, wenn sie darüber spätestens vom Verhandlungsleiter vor deren Verlassen der Grenzverhandlung im Zuge seiner Manuduktionspflicht, darüber belehrt wurden, wobei die Belehrung in der Niederschrift zu vermerken ist. Verlassen erforderliche Eigentümer eine Grenzverhandlung überstürzt, sodass der Verhandlungsleiter keine Gelegenheit mehr hat, diese Eigentümer zu belehren, sind sie wie unentschuldigt nicht erschienene erforderliche Eigentümer zu behandeln, wobei der gescheiterte Belehrungsversuch in der Niederschrift der Grenzverhandlung festzuhalten ist.
Die Bestimmungen des § 14 AVG sind auch auf Niederschriften einer Grenzverhandlung anzuwenden.
Übertragen auf das gegenständliche Beschwerdeverfahren bedeutet das, dass das Umwandlungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und dass sich daher das Umwandlungsverfahren mangels Vorliegens einer rechtskonform erstellten und rechtskonform unterfertigten Niederschrift einer rechtskonform durchgeführten Grenzverhandlung noch im Stadium der Grenzverhandlung befindet. In weiterer Folge ist rechtskonform vom Vermessungsamt Kufstein zu ermitteln, ob es hinsichtlich aller Grenzverläufe des umzuwandelnden Grundstückes mit den jeweiligen Eigentümern der angrenzenden Grundstücke Einigungen gibt oder nicht. Das Vorliegen bzw. das Nichtvorliegen einer Einigung ist in der Niederschrift über die Grenzverhandlung so festzuhalten, dass ein Zweifel daran nicht entstehen kann. Insbesondere sind auch Anmerkungen von Parteien über Einwände in der Niederschrift festzuhalten. Parteien ist auch Gelegenheit zu geben, ihre Einwände in der Grenzverhandlung vorzutragen. Wenn von keiner Partei Einwände erhoben werden, ist das in der Niederschrift festzuhalten und durch Unterschriften der Parteien zu bestätigen. Die Niederschrift über die durchgeführte Grenzverhandlung ist insbesondere unter Berücksichtigung von § 14 AVG rechtskonform zu fertigen.
Ergibt sich in der durchzuführenden bzw. abzuschließenden Grenzverhandlung, dass es zwischen Grundstücksnachbarn zu keiner Einigung kommt, ist gemäß § 25 Abs. 2 VermG vorzugehen.
Daraus ergibt sich, dass im Ermittlungsverfahren bezüglich der Umwandlung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes des Vermessungsamtes Kufstein der Sachverhalt in der gegenständlichen Angelegenheit nicht hinreichend umfassend ermittelt wurde, um darauf aufbauend zu einer rechtskonformen Entscheidung zu gelangen. Viel mehr können vom Vermessungsamt Kufstein noch durchzuführende Ermittlungen auch zu einem Gerichtsverweis und damit zu einer gänzlich anderen Beurteilung führen.
In Anbetracht der Komplexität der Angelegenheit, der geographischen Disloziertheit des Bundesverwaltungsgerichtes (alle Parteien und Beteiligten des Umwandlungsverfahrens müssten zu einer vom BVwG durchgeführten Grenzverhandlung aus Alpbach, Kufstein und Innsbruck nach Wien anreisen oder der Richter des BVwG müsste von Wien nach Tirol lediglich deswegen anreisen, weil er im Zuge der ergänzenden Grenzverhandlung feststellen müsste, ob es eine Einigung über den streitgegenständlichen Grenzverlauf gibt, was sowohl aus ökonomischen und auch ökologischen Erwägungen einen bedeutenden Mehraufwand bedeuten würde) und des technischen Charakters der Entscheidung liegt eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch der Kostenersparnis. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer rascheren und kostensparenden Weiterführung des Umwandlungsverfahrens.
Unter Hinweis auf § 24 Abs. 2 VwGVG, wonach eine Verhandlung entfallen kann, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, wurde von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen.
4. Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit stellt sich insbesondere die Frage, wie vorzugehen ist, wenn eine Verwaltungsbehörde fundamental einzuhaltende Formvorschriften, die an eine Niederschrift zu stellen sind, nicht eingehalten hat und damit - wenn das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit meritorisch entscheiden würde - auf das Verwaltungsgericht die Durchführung des ganzen Verwaltungsverfahrens überwälzt werden würde. Ergebnis wäre dann, dass es dann Verwaltungsbehörden immer in der Hand hätten durch Nichtbeachten von gesetzlichen Vorschriften sich in heiklen Angelegenheiten freizuspielen, da dann immer Verwaltungsgerichte deren Aufgaben zu übernehmen hätten. Das würde weiter dazu führen, dass in einem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Verwaltungsverfahren der Verwaltungsbehörde, deren Aufgaben das Verwaltungsgericht wahrnimmt und erledigt, Parteistellung einzuräumen wäre. Die Verwaltungsbehörde würde dann gleichsam als Kontrolleinrichtung des Verwaltungsgerichtes fungieren. Das würde im Ergebnis die Rollen von Verwaltungsbehörde und Verwaltungsgericht umdrehen und wäre nach Auffassung des BVwG mit verfassungsrechtlichen Überlegungen hinsichtlich der Kontroll- und Rechtsprechungsfunktion von Gerichten und Überlegungen zur Gewaltentrennung nicht in Einklang zu bringen.
Schlagworte
Anwesenheitsliste, Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W114.2219485.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.06.2020