Entscheidungsdatum
16.03.2020Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
I414 2173192-2/6E
BESCHLUSS
In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.03.2020, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX (alias XXXX alias XXXX), geb. am XXXX (alias XXXX), StA Marokko, vertreten durch XXXX, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Fremde reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 05.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, dass er seine Cousine nicht heiraten habe wollen und ihre Brüder ihn deshalb bedrohen.
Nach Behebung und Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht wurde der Antrag endgültig mit Bescheid des BFA vom 24.07.2018 gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel wurde nicht erteilt und gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Zulässigkeit der Abschiebung nach Marokko wurde festgestellt, keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Außerdem wurde ausgesprochen, dass er das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Der Fremde reiste am 29.10.2018 freiwillig nach Deutschland aus. Am 10.03.2019 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz in den Niederlanden und wurde er aufgrund der Dublin III-Verordnung am 02.03.2020 nach Österreich rücküberstellt. Am selben Tag stellte er den Folgeantrag in Österreich. Gegen den Fremden wurde sogleich die Schubhaft verhängt.
Er halte die bisherigen Gründe vollinhaltlich aufrecht. Am 09.03.2020 wurde er vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Er gab nunmehr an, mit seiner Cousine geschlafen zu haben und dass ihn ihre Brüder deshalb verfolgen. Mittlerweile hätten sich seine Schulden in Höhe von € 4000,-- außerdem verdreifacht. Das Geld habe er sich für seine Flucht von Familienmitgliedern ausgeliehen.
In weiterer Folge hob das BFA mit mündlich verkündetem Bescheid vom 09.03.2020 den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12 AsylG 2005 iVm § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf und legte sie die Entscheidung samt Verwaltungsakt der zuständigen Gerichtsabteilung I414 des Bundesverwaltungsgerichts am 12.03.2020 vor.
Am 13.03.2020 langte eine Vollmachtsbekanntgabe und Stellungnahme des Rechtsberaters ein. Moniert wurde, dass mit der zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht zu rechnen sei und daher eine wesentliche Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nicht vorläge.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Fremde ist ein Staatsangehöriger Marokkos. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Araber, bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben und spricht Arabisch als Muttersprache. Seine Identität steht nicht fest. Er trat bisher unter verschiedenen Vor- und Nachnamen auf. Das von ihm angegebene Geburtsdatum wurde nach Einholung eines Sachverständigengutachtens auf das im Spruch genannte korrigiert.
Der Fremde ist gesund und arbeitsfähig.
Er ist in Casablanca geboren, besuchte mehrere Jahre eine Schule und arbeitet zuletzt als Maler im Herkunftsstaat. Seinen Lebensunterhalt bestritt er aus der Berufstätigkeit und lebte er bis zur Ausreise bei seiner Mutter. Der Vater ist bereits verstorben. Er hat Kontakt zu seinem Bruder und seine Schwester, die beide in Marokko leben.
In Österreich verfügt der Fremde über keine familiären Anknüpfungspunkte und wurde auch keine Änderung des Privat- und Familienlebens in Österreich behauptet. Außer durch eine strafgerichtliche Verurteilung zu acht Monaten Freiheitsstrafe, davon sechs Monate bedingt, und dem Stellen von Asylanträgen, trat der Fremde in Österreich nicht in Erscheinung. Er weist weder integrative Schritte in sozialer, noch in beruflicher oder sprachlicher Hinsicht auf.
Der erste Asylantrag des Fremden - den er mit Verfolgung aufgrund einer ungewollten Hochzeit mit seiner Cousine begründete - wurde mit Bescheid vom 24.07.2018, Zl. XXXX negativ beschieden und über ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft und reiste der Fremde am 29.11.2018 freiwillig nach Deutschland aus. Zuletzt hielt sich der Fremde in den Niederlanden auf und wurde am 02.03.2020 nach Österreich rücküberstellt.
Der Fremde ist nicht bereit, freiwillig in seinen Herkunftsstaat auszureisen.
Die maßgebliche Lage in Marokko hat sich seit rechtskräftig beendetem Vorverfahren nicht entscheidungswesentlich für den Fremden geändert.
Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz des Fremden wird voraussichtlich abzuweisen sein. Seit 02.03.2020 ist ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates laufend.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der festgestellte maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der Verwaltungsakte des BFA sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Des Weiteren wurden ergänzend Auskünfte aus dem Strafregister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Betreuungsinformationssystem über die Grundversorgung (GVS) eingeholt.
Die Feststellungen zu seiner Person, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit sowie seiner Muttersprache leiten sich aus seinen glaubhaften Angaben im Verfahren seines vorangegangenen ersten Asylverfahrens ab. Die Identität des Fremden erweist sich durch seine unterschiedlichen Angaben und mangels Vorlage von identitätsbezeugenden Dokumenten als nicht geklärt.
Dass der Fremde gesund ist, bestätigte er zuletzt in seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 09.03.2020. Daran ändert auch sein Vorbringen nichts, dass er seit einer Auseinandersetzung "eine gut verheilte Narbe ca. 3 cm auf der Innenfläche des linken kleinen Fingers" hat. In Zusammenschau mit seinem Alter und den Angaben über seine bisherige Erwerbstätigkeit im Herkunftsstaat leitet sich daraus die Feststellung seiner Arbeitsfähigkeit ab.
Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen in Marokko, insbesondere seiner Schul- und Berufskarriere, dem bisherigen Verdienst seines Lebensunterhaltes, seinem Aufenthalt bis zu seiner Ausreise sowie die Feststellungen zu seinen familiären Verhältnissen und dem Kontakt zu seinen Verwandten in Marokko gründen sich einerseits aus seinen getätigten glaubhaften Angaben im Verfahren seines vorangegangenen ersten Asylantrages in Zusammenschau mit den diesbezüglich glaubhaften Angaben im gegenständlichen Verfahren vom 09.03.2020.
Ebenso leiten sich aus den Angaben im vorangegangenen Asylantrag in Zusammenschau mit den glaubhaften Angaben im gegenständlichen Verfahren die Feststellungen hinsichtlich seiner nicht vorhandenen Bindungen in bzw. an Österreich ab. Er verneinte sowohl familiäre, als auch integrative Anknüpfungspunkte. Einen Deutschkurs hat er lt. GVS zwar besucht, eine Prüfungsbestätigung wurde nicht vorgelegt und war er während der Einvernahme auf einen Dolmetsch angewiesen.
Die strafgerichtliche Verurteilung des Fremden und das Verbüßen des unbedingten Teils der Haftstrafe in einer Justizanstalt leiten sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister und des ZMR ab.
Die Angaben zum vorangegangenen Asylverfahren des Fremden und dessen rechtskräftiger negativer Abschluss ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des BFA und der Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister. Den Aufenthalt in den Niederlanden und die dortige Asylantragstellung ergibt sich aus der Rückübernahme nach der Dublin III-Verordnung und dem entsprechenden EURODAC-Treffer. Dass er zuvor freiwillig am 29.10.2018 nach Deutschland ausgereist ist, bestätigt sich aus dem IZR. Außerdem ergibt sich daraus das laufende Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates seit 02.03.2020.
In seiner Einvernahme betreffend die Verhängung der Schubhaft verneinte der Fremde die Bereitschaft zu einer freiwilligen Ausreise in seinen Herkunftsstaat. Er gab an, dass er sich einer Abschiebung widersetzen werde.
Dass sich die maßgebliche Lage in Marokko seit rechtskräftig beendetem Vorverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert hat, gründet auf den aktuellen Länderberichten (Stand: Gesamtaktualisierung 08.11.2019, letzte Kurzinformation 23.01.2020), die dem Fremden bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA zur Kenntnis gebracht wurde. Der Fremde verzichtete ausdrücklich auf eine Übersetzung durch den Dolmetscher und trat weder den Länderberichten, noch den Quellen explizit entgegen und führte aus, dass er wisse, dass dort Sicherheit herrscht. Er habe aber ein persönliches Problem, weil ihn die Cousins verfolgen.
Die Feststellung, dass der gegenständliche Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, begründet sich vor allem darin, dass sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat (vgl. VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0338). Berücksichtigt man die Angaben des Fremden aus seinem abgeschlossen ersten Asylantrag mit seinen Angaben im gegenständlichen Folgeantrag resultiert daraus, dass die Fluchtmotive ident sind. Dies ergibt sich zunächst aus dem Erstbefragungsprotokoll vom 02.03.2020, wenn er nach Vorhalt seines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens auf die Frage, weshalb er nunmehr einen neuerlichen Asylantrag stelle, wie folgt ausführt: "Ich halte meine alten Fluchtgründe vollinhaltliche für aufrecht. Neue Gründe gibt es nicht." Vor dem BFA gab er zwar widersprüchlich zum Vorverfahren an, dass er die Cousine geschwängert habe und nicht, dass er eine Hochzeit mit ihr verweigerte. Gleich blieb aber der eigentliche Fluchtgrund, dass ihn die Cousins verfolgen. Er hielt auch daran fest, dass er immer noch Schulden wegen der Schlepperkosten habe. Zwischenzeitlich hätten sich die Rückzahlungsverpflichtungen verdreifacht. Hierbei ist anzumerken, dass diese Behauptung keinen glaubhaften Kern aufweist und es sich um ein gesteigertes Vorbringen handelt (vgl. VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429, u.a.). Die Glaubhaftigkeit ist deshalb abzusprechen, weil er im Erstverfahren angab, Marokko legal per Flugzeug in Richtung Türkei verlassen zu haben und erst dort den Reisepass verloren zu haben. Für eine Ausreise hat er also keinen Schlepper benötigt und ist es nicht nachvollziehbar, dass er sich bereits in Marokko von Familienangehörigen bereits Geld für eine schlepperunterstützte Weiterreise von der Türkei aus ausgeborgt hätte. Zudem gab er in der Einvernahme die Schubhaft betreffend an:
"Ich habe nie einen Reisepass gehabt oder besessen."
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:
Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden unter nachstehenden Voraussetzungen aufheben, wenn der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vorliegt:
1. Gegen den Fremden besteht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG,
2. der Antrag ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für den Fremden als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.
Als Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag zu qualifizieren. Im gegebenen Fall hat der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 gestellt.
Im gegenständlichen Verfahren sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben:
Mit Bescheid des BFA vom 24.07.2018 wurde der erste Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig negativ entschieden. Dem Fremden droht keine asylrelevante Verfolgung in Marokko. Mit selbigem Bescheid hat das BFA auch rechtskräftig einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung einschließlich der Feststellung erlassen, dass die Abschiebung des Fremden nach Marokko zulässig ist, ihm keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt wird und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkennt wird. Außerdem wurde ausgesprochen, dass er das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat.
Beim gegenständlichen Antrag des Fremden auf internationalen Schutz handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 und liegt auch kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor. Die Rückkehrentscheidung aus dem Erstverfahren ist gemäß Abs. 6 leg. cit. aufrecht, da der Fremde am 29.10.2010 das Bundesgebiet freiwillig verlassen hat und die 18-monatige Frist somit noch nicht verstrichen ist.
Der gegenständliche Folgeantrag, eingebracht am 02.03.2020, ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine allfällige Sachverhaltsänderung wurde in der Erstbefragung zum Folgeantrag nicht behauptet. Vor dem BFA gab der Fremde an, dieselben Fluchtgründe zu haben wie im bereits rechtskräftig negativ entschiedenen ersten Asylverfahren. Das weitere Vorbringen, dass sich seine Schulden, die er für den Schlepper bei Familienangehörigen gemacht hätte, verdreifacht hätte, wird als Steigerung und als solches als unglaubhaft gewertet.
Aus den Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid eingetreten ist.
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus:
Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).
Auch diesbezüglich wurden keine Sachverhaltsänderungen vorgebracht.
Die Abschiebung würde auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen:
Auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und er in die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Der Fremde ist volljährig, gesund und erwerbsfähig und hat familiäre Anknüpfungspunkte. Der Kontakt zu seiner Mutter und den Geschwistern ist nach wie vor aufrecht und ist es ihm möglich, sein Familienleben nach seiner Rückkehr im Herkunftsstaat fortzusetzen bzw. Unterkunft bei seiner Familie zu nehmen. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte. Außerdem besteht ganz allgemein in Marokko derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zu EMRK ausgesetzt wäre.
Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremden ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.
Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wird vom Fremden nicht vorgebracht. Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Fremde angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines Aufenthalts in Österreich nicht angenommen werden, zumal er auf die Frage nach seinem bisherigen Leben in Österreich auch selbst angab: "Ich habe gar nichts gemacht". Es kann daher auch kein Überwiegendes Interesse seines Rechts auf Privat- oder Familienleben gegenüber einer Abschiebung festgestellt werden.
Auf Grund der aktuellen Länderberichte kann nicht festgestellt werden, dass dem Fremden als Zivilperson durch die Rückkehr in den Irak eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes erwachsen würde.
Am 13.03.2020 wies die Rechtsberatung in einer Stellungnahme darauf hin, dass der Rechtsprechung folgend die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 nur dann zulässig sei, wenn mit der tatsächlichen Abschiebung des Fremden alsbald nach Aberkennung zu rechnen ist.
Diese Voraussetzung sei nicht gegeben, da die Identität des Beschwerdeführers nicht feststehe, nach Abschluss des Erstverfahrens ebenso kein Heimreisezertifikat erlangt worden sei und es aufgrund einer parlamentarischen Anfrage den Anschein habe, dass die marokkanische Botschaft offenkundig zwischenzeitig in vielen anderen genannten Fällen keine Heimreisezertifikate ausstelle.
Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nach Abschluss des Erstverfahrens freiwillig seiner Ausreiseverpflichtung nachkam, ein Heimreisezertifikat somit nicht erforderlich war. Die weiteren Ausführungen stützen sich auf bloße Behauptungen und beispielhafte Aufzählungen von anderen Verfahren und eine fehlende Kooperationsbereitschaft, ohne dies durch eine Bestätigung der marokkanischen Vertretungsbehörde zu bestätigen. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Fremden im gegenständlichen Fall ist seit knapp zwei Wochen laufend und kann nach einer so kurzen Zeit keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die Ausstellung eines HRZ tatsächlich nicht erfolgen würde.
Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 09.03.2020 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.
Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zum faktischen Abschiebeschutz und den Voraussetzungen seiner Aufhebung in Folgeverfahren oder zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache und zur Beurteilung unglaubhaften und "gesteigerten" Vorbringens in Folgeverfahren. Weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2173192.2.00Zuletzt aktualisiert am
04.06.2020