TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/18 W211 2165547-1

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Veröffentlicht am 18.03.2020
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Entscheidungsdatum

18.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W211 2165547-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG

2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, Araber, und stellte am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX .2016 befragt gab er zusammengefasst an, dass er vom Islamischen Staat bedroht worden sei. Es habe auch Bombardierungen und furchtbare Kämpfe gegeben, weshalb die ganze Familie geflohen sei.

2. Am XXXX .2017 fand eine Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in deren Zuge der Beschwerdeführer soweit wesentlich angab, zuletzt in Syrien in XXXX , davor in Deir ez Zor mit seiner Familie gelebt zu haben. Die Eltern und Geschwister befänden sich zur Zeit in der Türkei; ein Bruder sei in Wien aufhältig. Syrien habe der Beschwerdeführer wegen des Islamischen Staats und des Kriegs im Allgemeinen verlassen. Im Falle seiner Rückkehr würden ihn der Islamische Staat oder das Militär holen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III).

Mit Verfahrensanordnung vom XXXX .2017 wurde dem Beschwerdeführer eine Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.

4. Mit Schriftsatz vom XXXX .2017 wurde gegen Spruchpunkt I. des Bescheids Beschwerde erhoben.

5. Am XXXX 2020 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an der der Beschwerdeführer, seine Vertretung und eine Dolmetscherin für die arabische Sprache teilnahmen. Die belangte Behörde erschien nicht zur mündlichen Verhandlung. Im Rahmen der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, in XXXX gelebt zu haben und später, 2007, nach Deir ez Zor übersiedelt zu sein. Als der Krieg angefangen habe - 2011 -, sei er mit seiner ganzen Familie zurück ins Dorf gegangen. Der Beschwerdeführer sei mit dem Rest der Familie 2015 illegal in die Türkei ausgereist. Die Eltern und die meisten Geschwister hielten sich in der Türkei auf; es gebe noch Mitglieder der Großfamilie in XXXX . Der Beschwerdeführer müsste im Falle einer Rückkehr zum Militär gehen; er habe seinen Wehrdienst noch nicht ableistet. In Syrien gebe es Krieg, alle würden dann zur Armee müssen, er selbst sei aber ein friedlicher Mensch und wolle niemanden töten.

6. Mit Schreiben vom XXXX .2020 wurde den Parteien weitere Länderinformation zum Parteiengehör zugeschickt. Dazu brachte die Vertretung des Beschwerdeführers mit Schreiben vom XXXX 2020 eine schriftliche Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Syriens, der am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.

Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Araber an.

Er wurde in XXXX geboren, wo der Beschwerdeführer mit seiner Familie bis 2007 lebte, bevor die Familie nach Deir ez Zor zog. Im Jahr 2011 verließ die Familie Deir ez Zor wieder und zog zurück nach XXXX . Der Beschwerdeführer verließ XXXX mit seiner Familie, die 2015 in die Türkei reiste. Als Rückkehrort des Beschwerdeführers wird XXXX angenommen.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten und gesund.

1.2. Zur Asylzuerkennung:

1.2.1. Es wird festgestellt, dass sich der Ort XXXX unter kurdischer Kontrolle befindet.

1.2.2.

a) Zur Situation im Herkunftsland wird zuerst festgestellt, dass die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) sind (DZO 13.1.2019). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig (AA 13.11.2018). Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst für Männer von 18 bis 30 Jahren. Der Wehrdienst sollte sechs Monate dauern, dauerte in den letzten Monaten jedoch 12 Monate. Jene, die den Wehrdienst verweigern, müssen zur Strafe 15 Monate Wehrdienst leisten (MOFANL 7.2019).

b) SDF und YPG würden zusätzlich zum Einberufungssystem in der Region unter ihrer Kontrolle (Demokratische Föderation Nordsyrien) Zwangsrekrutierungen bei Männern der Altersgruppe 18 bis 30 Jahren durchführen, um die Truppenstärke zu erhöhen. So sei zur Zeit der türkischen Offensive in Afrin ein Anstieg von Zwangsrekrutierungen durch die YPG und SDF verzeichnet Worden (Die für auswärtige Angelegenheiten zuständige niederländische Regierungsbehörde Ministerie van Buitenlandse Zaken (BZ) Juli 2019)

Es wurde gemeldet, dass YPG und Asayish in den Gebieten, die de facto unter ihrer Kontrolle stehen, Zwangsrekrutierungen und Rekrutierungen von Minderjährigen vornehmen. Die Weigerung, den YPG beizutreten, kann Berichten zufolge schwerwiegende Konsequenzen haben, einschließlich Entführung, Inhaftierung und Misshandlung der inhaftierten Personen sowie Zwangsrekrutierung, da die Verweigerung des Kampfes als Ausdruck der Unterstützung von ISIS oder als Opposition zu PYD/YPG interpretiert werden kann. Es wurden einige Fälle gemeldet, in denen die Familienangehörigen von Personen, die sich der Zwangsrekrutierung widersetzten oder aus anderem Grund verdächtigt wurden, mit ISIS in Verbindung zu stehen, von den YPG ins Visier genommen wurden. (UNHCR, 3. November 2017, S. 55-56)

Der oppositionelle syrische Onlinesender Halab Today berichtet im März 2019, dass Einheiten der YPG Razzien und Festnahmen durchgeführt hätten, die darauf abgezielt hätten, junge Männer zum Wehrdienst zu rekrutieren. (Halab Today, 15. März 2019)

c) Es wird weiter festgestellt, dass die SDF eine kurdisch geführte multiethnische Organisation bestehend aus Kurden, Arabern und anderen ethnischen Gruppierungen ist. Der militärische Flügel der PYD besteht aus der YPG und der YPJ. Abseits der kurdisch dominierten Gebiete kontrollieren SDF/YPG auch andere hauptsächlich arabische Gebiete, wie die Bezirke Aleppo, Deir Ez-Zor und Raqqa. Die syrische Regierung fordert mit russischer Unterstützung die Wiedererlangung der kurdisch kontrollierten Gebiete, wobei dabei mit einer Rückgabe der hauptsächlich arabisch bewohnten Gebiete begonnen werden soll. Die YPG lehnt ein solches Arrangement ab, weil dem Versöhnungsabkommen misstraut wird. Eine Vereinbarung, die die "autonome Verwaltung" und die militärische Ausrichtung der SDF/YPG anerkennen und erlauben würde, wäre für die YPG akzeptabel. Die Syria Study Group führte im September 2019 aus, dass der unsensible Zugang der YPG zur Verwaltung und Verteilung der Ressourcen in arabisch bewohnten Gebieten zu Unruhen geführt habe. Im Bezirk Deir Ez-Zor gab es Proteste gegen die kurdischen Truppen mit den Vorwürfen von Diskriminierung, Zwangsrekrutierung und der fehlenden Freilassung von Gefangenen.

1.2.3. Der Beschwerdeführer würde sich damit im Falle einer Rückkehr nach Syrien, in kurdisch kontrolliertes Gebiet, in die Gefahr begeben, durch kurdische militärische Einheiten zwangsweise rekrutiert zu werden, wobei der Beschwerdeführer eine Beteiligung an Kampfhandlungen ablehnt. Im Falle einer Verweigerung der Rekrutierung durch kurdische Milizen müsste der Beschwerdeführer, gerade in einer Zeit, in der die YPG versucht, die Truppenstärke zu erhöhen, mit schwerwiegenden Konsequenzen, wie Entführung, Inhaftierung und Misshandlung sowie Zwangsrekrutierung, rechnen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers dahingehend, dass dieser syrischer Staatsangehöriger und Araber ist, gründen sich auf seine durchwegs gleichbleibenden Angaben und sind nicht strittig.

Die Feststellungen zu den Aufenthalten und zur Familie des Beschwerdeführers basieren ebenfalls auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben. Die Feststellung zum (angenommenen) Rückkehrort gründet sich als Konsequenz auf all die vorigen Feststellungen und Angaben.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruht auf seinen diesbezüglichen Angaben, und die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit auf einem entsprechenden Auszug aus dem Strafregister.

2.2. Dass die Herkunftsregion des Beschwerdeführers unter kurdischer Kontrolle steht, ergibt sich durch die Nachschau auf einer Website betreffend die Kontrolllage in Syrien (https://syria.liveuamap.com/) und wird auch durch die Parteien so bestätigt (vgl. S. 5 des Verhandlungsprotokolls).

Die Feststellungen zur relevanten Situation beruhen auf:

a) dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien mit Stand September 2019, und darin wiederum auf den folgenden Einzelquellen:

-

AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-

DZO - Die Zeit Online (13.1.2019): Assad ist der lachende Dritte, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/ypg-syrien-russland-baschar-al-assad/komplettansicht, Zugriff 13.3.2019

-

MOFANL - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports (7.2019):

Country of Origin Information Report Syria - The security situation, per E-Mail am 27.8.2019

b) einer Anfragebeantwortung von ACCORD a-11060 vom 14.08.2019 (mit den oben angeführten Detailquellen)

c) sowie dem EASO Bericht "Syria, Actors" aus dem Dezember 2019, Seite 45ff, der online abrufbar ist.

An der Aktualität, Relevanz und Richtigkeit der Informationen hat die erkennende Richterin keinen Zweifel, und ergeben sich solche auch nicht aus der Stellungnahme der Vertretung vom XXXX .2020.

2.3. Aus diesen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Situation in seiner Herkunftsregion ergibt sich schließlich, dass der Beschwerdeführer in ein kurdisch kontrolliertes Gebiet zurückkehren würde, in dem es Rekrutierungsmaßnahmen durch die SDF/YPG - auch, um aktuell die Truppenstärken zu erhöhen - gibt. Dass an eine Verweigerung des Beitritts zur YPG schwerwiegende Folgen knüpfen, geht aus den Länderfeststellungen ausreichend klar hervor. Eine Verweigerung wird als Ausdruck der Unterstützung von ISIS oder als Opposition zu PYD/YPG interpretiert. Die Länderinformation klärt weiter darüber auf, dass auch Araber von kurdischen Einheiten rekrutiert werden. Dass der Beschwerdeführer eine Mitwirkung an Kampfhandlungen der Kurden ablehnt, gab er in der Verhandlung glaubhaft an (vgl. S. 6 des Protokolls).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Spruchpunkt I.:

3.1. Rechtsgrundlagen

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

3.2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch die Gefahr einer wegen "Wehrdienstverweigerung" (allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen) drohenden Bestrafung dann zur Asylgewährung führen, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Ist Letzteres der Fall, so kann dies aber auch auf der - generellen - Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion im konkreten Fall wirklich zugrunde liegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre (vgl. VwGH 14.12.2004, 2001/20/0692).

3.2.2. Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass die YPG gerade auch zur Zeit wegen aktiver Konflikte durch die Offensive der Türkei ihre Truppenstärke zu erhöhen sucht und daher nicht nur Rekrutierungskampagnen, sondern auch Zwangsrekrutierungen vornimmt. Eine Weigerung, bei der YPG mitzumachen, wird von dieser als oppositionelle Haltung gewertet, an die teils schwerwiegende Konsequenzen geknüpft sind.

Der Beschwerdeführer konnte im Verfahren und auch in der Beschwerdeverhandlung deutlich machen, dass er eine Beteiligung an den Kriegshandlungen durch die YPG ablehnt. Die Maßnahmen, die ihm daraufhin durch die YPG drohen könnten, beruhen einerseits auf einem relevanten Motiv, nämlich der auch nur unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung, sind andererseits außerdem unverhältnismäßig und stellen schwerwiegende Eingriffe und damit Verfolgungshandlungen dar.

Der Beschwerdeführer konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat insbesondere aufgrund seiner (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

3.2.3. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

3.2.4. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist dem Beschwerdeführer nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Schlagworte

Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,
begründete Furcht vor Verfolgung, Desertion, Fluchtgründe,
Flüchtlingseigenschaft, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, mündliche
Verhandlung, unterstellte politische Gesinnung, Verfolgungsgefahr,
Verfolgungshandlung, Verhältnismäßigkeit, Wehrdienstverweigerung,
wohlbegründete Furcht, Zwangsrekrutierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W211.2165547.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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