TE Vfgh Erkenntnis 1996/6/17 B179/96

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Veröffentlicht am 17.06.1996
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
UmlagenO der Ärztekammer für Wien für das Jahr 1991 Abschnitt III Abs4
AVG §58 Abs2
AVG §60

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch willkürliche Vorschreibung aushaftender Ärztekammerumlage infolge Fehlens jeglicher Begründungselemente

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie wurde ihren eigenen Angaben und den insoweit übereinstimmenden des Vorstandes und des Präsidenten der Ärztekammer für Wien zufolge mit Bescheid vom April 1995 der Betrag von S 2.545,-- an aushaftender Kammerumlage für das Jahr 1991 vorgeschrieben.

Mit Schriftsatz vom 5. Juli 1995 erhob die Ärztin gegen diesen Bescheid eine als "Einspruch" bezeichnete Berufung mit der Begründung, daß "die Kammerumlage bereits vom Honorar der Wiener Gebietskrankenkasse abgezogen wurde", und stellte den Antrag, die Zahlungsvorschreibung für hinfällig zu erklären.

1.2. Aufgrund der genannten Berufung erließ der Vorstand der Ärztekammer für Wien mit Beschluß vom 17. Oktober 1995 einen am 5. Dezember 1995 ausgefertigten Bescheid, dessen Spruch und Begründung lauten:

"Die Berufung wird abgewiesen.

Der Rückstand aus Vorjahren im Gesamtbetrag von S 2.545,-- ist binnen zwei Wochen auf unser Konto bei der Ersten österreichischen Spar-Casse, Konto Nr. 000-00248 zu überweisen.

BEGRÜNDUNG

Der Rückstand aus Vorjahren setzt sich wie folgt zusammen:

Österreichische Ärztekammer - Kammerumlage 1991 S 2.545,--"

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Verwaltungsaktes begehrt wird.

3. Die Ärztekammer für Wien, vertreten durch den Präsidenten, hat die Akten vorgelegt und eine kurze Stellungnahme abgegeben, worin der Sachverhalt knapp referiert und dargetan wird, daß die Berufung gegen den Bescheid vom April 1995 deshalb, weil die Umlage bis heute nicht bezahlt sei, abgewiesen werden mußte.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das Gleichheitsrecht insbesondere dadurch verletzt, daß die Behörde bei der Erlassung des Bescheides Willkür übt. Dies ist ihr u.a. dann vorzuwerfen, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987). Eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit kann auch dann vorliegen, wenn die Behörde einen Bescheid mit Ausführungen begründet, denen kein Begründungswert zukommt (VfSlg. 9293/1981, 10057/1984, 10997/1986). Ein derartiger Fall ist hier gegeben:

Im Hinblick auf die in den §§58 Abs2 und 60 AVG festgelegte Begründungspflicht - gemäß Abschnitt III Abs4 der Umlagenordnung der Ärztekammer für Wien für das Jahr 1991 sind auf das Verfahren die Bestimmungen des AVG anzuwenden - wäre die belangte Behörde den Umständen nach gehalten gewesen, die Gründe für die Abweisung der Berufung sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht darzulegen. Sie hat sich jedoch lediglich darauf beschränkt, einen Beitragsrückstand für das Jahr 1991 zu behaupten: Obwohl die Berufungswerberin vorgebracht hatte, die behaupteterweise aushaftende Kammerumlage sei vom Honorar der Wiener Gebietskrankenkasse einbehalten worden, ließ die belangte Behörde vollkommen unerörtert, wie es im hier offensichtlich gegebenen Fall einer von Sozialversicherungsträgern einzubehaltenden Umlage (Abschnitt I/B Abs1 der zitierten Umlagenordnung) dazu kommen konnte, daß der strittige Betrag (vom Sozialversicherungsträger) nicht zur Gänze abgeführt wurde und aus welchen rechtlichen Gründen der Ärztin ein Teil der Umlage unmittelbar vorzuschreiben war.

Die belangte Behörde machte zudem auch nicht geltend, daß der Beschwerdeführerin aus Anlaß des Einbehalts der Kammerumlage Mitteilungen darüber zugekommen wären, welche Schuldigkeiten damit abgedeckt wurden. Hat eine Behörde bei einem Einbehaltssystem eine solche Mitteilung unterlassen und wird auch im Bescheid zur Begründetheit der Maßnahme nichts ausgesagt, dann enthält eine Erledigung, die nur eine offene Schuld vorschreibt, in Wahrheit keinerlei Begründungselemente.

Ein solcher Begründungsfehler wiegt nicht weniger schwer als das vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Gleichheitsgebot (zB VfSlg. 9660/1983) als gravierend gewertete Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt (VfSlg. 10092/1984, 11032/1986).

Der angefochtene Bescheid war sohin wegen Verletzung des Gleichheitsrechtes aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte, da die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes bereits genügend klargestellt ist, gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Ärztekammer, Bescheidbegründung, Beiträge (Ärztekammer)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B179.1996

Dokumentnummer

JFT_10039383_96B00179_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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