Entscheidungsdatum
18.03.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W211 2146711-3/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, Araber, und stellte am XXXX .2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX .2015 befragt gab er zusammengefasst an, im Oktober 2014 wegen des herrschenden Krieges von Deir ez Zor in die Türkei ausgereist zu sein.
2. Am XXXX .2016 fand eine Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, in deren Zuge der Beschwerdeführer soweit wesentlich angab, dass sich seine ganze Familie nunmehr in der Türkei aufhalte. Er habe seine Heimat wegen des Islamischen Staates und wegen des Krieges verlassen. Den Wehrdienst habe er nicht abgeleistet und auch keinen Einberufungsbefehl erhalten, weil es keine Behörden mehr dort gegeben habe, wo er gelebt habe.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III).
Mit Verfahrensanordnung vom XXXX .2016 wurde dem Beschwerdeführer eine Rechtsberatung amtswegig zur Seite gestellt.
4. Mit Schriftsatz vom XXXX .2017 wurde gegen Spruchpunkt I. des Bescheids Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen angeführt wurde, dass der Beschwerdeführer die Einberufung zum Militärdienst fürchte.
5. Am XXXX .2020 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an der der Beschwerdeführer, seine Vertretung und eine Dolmetscherin für die arabische Sprache teilnahmen. Die belangte Behörde entschuldigte sich für die Teilnahme an der Verhandlung. Im Rahmen der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, in XXXX gelebt zu haben, bevor die Familie 2007 nach Deir ez Zor gezogen sei. 2011 sei die Familie nach XXXX zurückgekehrt, von wo aus der Beschwerdeführer auch ausgereist sei. 2014 sei der Beschwerdeführer für etwa fünf Tage noch einmal in Deiz ez Zor gewesen. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers würden in der Türkei leben, andere Verwandte in XXXX bei XXXX . In XXXX gebe es noch ein paar weitere junge Verwandte. Die kurdische Armee würde auch Araber rekrutieren. Der Beschwerdeführer habe seinen Wehrdienst in der syrischen Armee nicht absolviert, aber im Mai 2015 eine Einberufung erhalten, bzw. sei sein Aufschub vom Militär bis dahin gewährleistet gewesen. Er habe einen Aufschub für die Matura bekommen. Bei der Passausstellung im Jahr 2014 in Deir ez Zor habe er keine weiteren Probleme gehabt. Der Beschwerdeführer habe Syrien wegen der Assad-Regierung verlassen. Außerdem habe es dort, wo er gewohnt habe, den Islamischen Staat gegeben. Wenn er aus dem IS-Gebiet reisen wollte, habe es vom Assad-Regime Kontrollen gegeben. Der Beschwerdeführer sei auch in der Opposition gewesen und habe bei der Revolution mitgemacht, und zwar 2011. 2014 habe er dann eine Person von der Behörde bestochen, damit Informationen über die Demonstrationsteilnahme 2014 nicht gespeichert würden. Bei der belangten Behörde habe er davon nichts erzählt, weil er Angst gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe auch an Demonstrationen in Österreich teilgenommen. Im Falle einer Rückkehr fürchte der Beschwerdeführer, in seinem Herkunftsgebiet zur kurdischen Armee rekrutiert zu werden, aber es würde ihn auch das syrische Regime bestrafen, weil er seine Stellung versäumt habe.
6. Mit Schreiben vom XXXX 2020 wurde den Parteien weitere Länderinformation zum Parteiengehör zugeschickt. Dazu brachte die Vertretung des Beschwerdeführers mit Schreiben vom XXXX .2020 eine schriftliche Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Syriens, der Syrien im April 2014 legal über die Grenze in die Türkei verließ und am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
Der Beschwerdeführer gehört der Volksgruppe der Araber an.
Er wurde in XXXX geboren, wo der Beschwerdeführer mit seiner Familie bis 2007 lebte, bevor die Familie wegen der Schulen und der Eröffnung eines Geschäfts durch den Vater nach Deir ez Zor zog. Im Jahr 2011 verließ die Familie Deir ez Zor wieder und zog zurück nach
XXXX .
Der Beschwerdeführer reiste noch einmal für fünf Tage nach Deir ez Zor zurück, und zwar im Jahr 2014, um sich einen Reisepass ausstellen zu lassen.
Der Beschwerdeführer besuchte in Syrien die Schule und absolvierte die Matura. Er hütete in XXXX Tiere.
Der Beschwerdeführer verließ XXXX vor seiner Familie, die 2015 in die Türkei reiste.
Als Rückkehrort des Beschwerdeführers wird XXXX angenommen.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten und gesund.
1.2. Zur Asylzuerkennung:
1.2.1. Es wird festgestellt, dass sich der Ort XXXX unter kurdischer Kontrolle befindet.
1.2.2.
a) Zur Situation im Herkunftsland wird zuerst festgestellt, dass die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) sind (DZO 13.1.2019). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig (AA 13.11.2018). Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst für Männer von 18 bis 30 Jahren. Der Wehrdienst sollte sechs Monate dauern, dauerte in den letzten Monaten jedoch 12 Monate. Jene, die den Wehrdienst verweigern, müssen zur Strafe 15 Monate Wehrdienst leisten (MOFANL 7.2019).
b) SDF und YPG würden zusätzlich zum Einberufungssystem in der Region unter ihrer Kontrolle (Demokratische Föderation Nordsyrien) Zwangsrekrutierungen bei Männern der Altersgruppe 18 bis 30 Jahren durchführen, um die Truppenstärke zu erhöhen. So sei zur Zeit der türkischen Offensive in Afrin ein Anstieg von Zwangsrekrutierungen durch die YPG und SDF verzeichnet Worden (Die für auswärtige Angelegenheiten zuständige niederländische Regierungsbehörde Ministerie van Buitenlandse Zaken (BZ) Juli 2019)
Es wurde gemeldet, dass YPG und Asayish in den Gebieten, die de facto unter ihrer Kontrolle stehen, Zwangsrekrutierungen und Rekrutierungen von Minderjährigen vornehmen. Die Weigerung, den YPG beizutreten, kann Berichten zufolge schwerwiegende Konsequenzen haben, einschließlich Entführung, Inhaftierung und Misshandlung der inhaftierten Personen sowie Zwangsrekrutierung, da die Verweigerung des Kampfes als Ausdruck der Unterstützung von ISIS oder als Opposition zu PYD/YPG interpretiert werden kann. Es wurden einige Fälle gemeldet, in denen die Familienangehörigen von Personen, die sich der Zwangsrekrutierung widersetzten oder aus anderem Grund verdächtigt wurden, mit ISIS in Verbindung zu stehen, von den YPG ins Visier genommen wurden. (UNHCR, 3. November 2017, S. 55-56)
Der oppositionelle syrische Onlinesender Halab Today berichtet im März 2019, dass Einheiten der YPG Razzien und Festnahmen durchgeführt hätten, die darauf abgezielt hätten, junge Männer zum Wehrdienst zu rekrutieren. (Halab Today, 15. März 2019)
c) Es wird weiter festgestellt, dass die SDF eine kurdisch geführte multiethnische Organisation bestehend aus Kurden, Arabern und anderen ethnischen Gruppierungen ist. Der militärische Flügel der PYD besteht aus der YPG und der YPJ. Abseits der kurdisch dominierten Gebiete kontrollieren SDF/YPG auch andere hauptsächlich arabische Gebiete, wie die Bezirke Aleppo, Deir Ez-Zor und Raqqa. Die syrische Regierung fordert mit russischer Unterstützung die Wiedererlangung der kurdisch kontrollierten Gebiete, wobei dabei mit einer Rückgabe der hauptsächlich arabisch bewohnten Gebiete begonnen werden soll. Die YPG lehnt ein solches Arrangement ab, weil dem Versöhnungsabkommen misstraut wird. Eine Vereinbarung, die die "autonome Verwaltung" und die militärische Ausrichtung der SDF/YPG anerkennen und erlauben würde, wäre für die YPG akzeptabel. Die Syria Study Group führte im September 2019 aus, dass der unsensible Zugang der YPG zur Verwaltung und Verteilung der Ressourcen in arabisch bewohnten Gebieten zu Unruhen geführt habe. Im Bezirk Deir Ez-Zor gab es Proteste gegen die kurdischen Truppen mit den Vorwürfen von Diskriminierung, Zwangsrekrutierung und der fehlenden Freilassung von Gefangenen.
1.2.3. Der Beschwerdeführer würde sich damit im Falle einer Rückkehr nach Syrien, dort in kurdisch kontrolliertes Gebiet, in die Gefahr begeben, durch kurdische militärische Einheiten zwangsweise rekrutiert zu werden, wobei der Beschwerdeführer eine Beteiligung an Kampfhandlungen ablehnt. Im Falle einer Verweigerung der Rekrutierung durch kurdische Milizen müsste der Beschwerdeführer, gerade in einer Zeit, in der die YPG versucht, die Truppenstärke zu erhöhen, mit schwerwiegenden Konsequenzen, wie Entführung, Inhaftierung und Misshandlung sowie Zwangsrekrutierung rechnen.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers dahingehend, dass dieser syrischer Staatsangehöriger und Araber ist, sowie, wann und wie er Syrien verlassen hat, gründen sich auf seine durchwegs gleichbleibenden Angaben und sind nicht strittig.
Die Feststellungen zu den Aufenthalten und zur Familie des Beschwerdeführers basieren ebenfalls auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben.
Die Feststellung zur Ausstellung des Reisepasses beruht auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers im Laufe der mündlichen Verhandlung, wie auch die Feststellungen zum Schulbesuch und zur Arbeit in Syrien.
Die Feststellung zum (angenommenen) Rückkehrort gründet sich als Konsequenz auf all die vorigen Feststellungen und Angaben. Zu den diesbezüglichen Ausführungen der Vertretung in der Stellungnahme vom XXXX .2020 ist auszuführen, dass diese wohl darauf abzielen, Deir ez Zor als potentiellen Rückkehrort anzunehmen. Der Meinung der Vertretung und auch der in der Stellungnahme zitierten Literatur/Leitfäden wird dahingehend gefolgt, dass ein aus Gründen der Flucht nur (relativ) kurzzeitig angenommener Wohnsitz nicht als Rückkehrort definiert werden darf. Dennoch stellt sich die gegenständliche Situation differenzierter dar: Die Familie des Beschwerdeführers war in XXXX ansässig, wo der Beschwerdeführer - im Kreise seiner erweiterten Familie - die ersten elf Jahre seines Lebens verbrachte (1996 - 2007), bevor die Familie aus Gründen der besseren Infrastruktur (Schulen, Arbeit) nach Deir ez Zor zog. Der Beschwerdeführer hielt sich dann von 2007 - 2011 (also ca. vier Jahre) in Deir ez Zor auf, besuchte dort die Schule, bevor die Familie aus Sicherheitsgründen und wegen der Kriegshandlungen in den Heimatort zurückkehrten - nämlich 2011. Da war der Beschwerdeführer ca. 15 Jahre alt. In XXXX verbrachte der Beschwerdeführer dann wieder ca. drei, dreieinhalb Jahre, bevor er in die Türkei ausreiste, wobei er in dieser Zeit nur einmal wegen eines Behördenbesuchs zur Passbeantragung nach Deir ez Zor reiste. Damit verbrachte die ganze Familie bereits nur einige Jahre (drei-vier) in Deir ez Zor, während sie einen wesentlich längeren Zeitraum im Dorf ihrer Familie verbrachte. Der Beschwerdeführer selbst war zum Zeitpunkt seines Aufenthalts in Deir ez Zor zwischen elf und fünfzehn Jahre alt; er verbrachte eben ca. vier Jahre dort, jedoch ca. 14 Jahre in seinem Heimatdorf im Kreis der (erweiterten) Familie. Während zwar sicher von einer Lebensmittelpunktsverlegung der Familie zwischen 2007 und 2011 nach Deir ez Zor gesprochen werden kann, kann aber dennoch genauso angenommen werden, dass die Rückkehr der Familie nach XXXX - trotz der dafür vorherrschenden Gründe - wiederum eine Verlegung des Lebensmittelpunktes für beinahe gleichlang vor der Ausreise, wie es der Aufenthalt in Deir ez Zor war, darstellte, womit sich der in der Stellungnahme erwähnte Begriff "home region" diesfalls nach Ansicht der erkennenden Richterin sehr wohl auf XXXX zu beziehen hat. Aus der konkreten Situation des Beschwerdeführers heraus muss daher - im Lichte der rechtskräftigen Zuerkennung von subsidiärem Schutz - von der konkreten Herkunftsregion XXXX ausgegangen werden.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruht auf seinen diesbezüglichen Angaben, und die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit auf einem entsprechenden Auszug aus dem Strafregister.
2.2. Dass die Herkunftsregion des Beschwerdeführers unter kurdischer Kontrolle steht, ergibt sich durch die Nachschau auf einer Website betreffend die Kontrolllage in Syrien (https://syria.liveuamap.com/) und wird auch durch die Parteien so bestätigt (vgl. S. 5 des Verhandlungsprotokolls).
Die Feststellungen zur relevanten Situation beruhen auf:
a) dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien mit Stand September 2019, und darin wiederum auf den folgenden Einzelquellen:
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AA - Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018
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DZO - Die Zeit Online (13.1.2019): Assad ist der lachende Dritte, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/ypg-syrien-russland-baschar-al-assad/komplettansicht, Zugriff 13.3.2019
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MOFANL - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands - Department for Country of Origin Information Reports (7.2019):
Country of Origin Information Report Syria - The security situation, per E-Mail am 27.8.2019
b) einer Anfragebeantwortung von ACCORD a-11060 vom 14.08.2019 (mit den oben angeführten Detailquellen)
c) sowie dem EASO Bericht "Syria, Actors" aus dem Dezember 2019, Seite 45ff, der online abrufbar ist.
An der Aktualität, Relevanz und Richtigkeit der Informationen hat die erkennende Richterin keinen Zweifel, und ergeben sich solche auch nicht aus der Stellungnahme der Vertretung vom XXXX .2020.
2.3. Aus diesen Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Situation in seiner Herkunftsregion ergibt sich schließlich, dass der Beschwerdeführer in ein kurdisch kontrolliertes Gebiet zurückkehren würde, in dem es Rekrutierungsmaßnahmen durch die SDF/YPG - auch, um aktuell die Truppenstärken zu erhöhen - gibt. Dass an eine Verweigerung des Beitritts zur YPG schwerwiegende Folgen knüpfen, geht aus den Länderfeststellungen ausreichend klar hervor. Eine Verweigerung wird als Ausdruck der Unterstützung von ISIS oder als Opposition zu PYD/YPG interpretiert. Die Länderinformation klärt weiter darüber auf, dass auch Araber von kurdischen Einheiten rekrutiert werden.
Dass der Beschwerdeführer eine Mitwirkung an Kampfhandlungen der Kurden ablehnt, gab er in der Verhandlung glaubhaft an (vgl. S. 11 des Protokolls).
Im Lichte der getroffenen Feststellungen und der sich daraus ergebenden rechtlichen Würdigung kann eine Prüfung des Vorbringens einer allfälligen Übergabe an das Assad Regime durch die Kurden bzw. eine drohende Rekrutierung durch das syrische Militär sowie einer allfälligen oppositionspolitischen Betätigung unterbleiben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Spruchpunkt I.:
3.1. Rechtsgrundlagen
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch die Gefahr einer wegen "Wehrdienstverweigerung" (allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen) drohenden Bestrafung dann zur Asylgewährung führen, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Ist Letzteres der Fall, so kann dies aber auch auf der - generellen - Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion im konkreten Fall wirklich zugrunde liegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre (vgl. VwGH 14.12.2004, 2001/20/0692).
3.2.2. Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass die YPG gerade auch zur Zeit wegen aktiver Konflikte durch die Offensive der Türkei ihre Truppenstärke zu erhöhen sucht und daher nicht nur Rekrutierungskampagnen, sondern auch Zwangsrekrutierungen vornimmt. Eine Weigerung, bei der YPG mitzumachen, wird von dieser als oppositionelle Haltung gewertet, an die teils schwerwiegende Konsequenzen geknüpft sind.
Der Beschwerdeführer konnte im Verfahren und auch in der Beschwerdeverhandlung deutlich machen, dass er eine Beteiligung an den Kriegshandlungen durch die YPG ablehnt. Die Maßnahmen, die ihm daraufhin durch die YPG drohen könnten, beruhen einerseits auf einem relevanten Motiv, nämlich der auch nur unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung, sind andererseits außerdem unverhältnismäßig und stellen schwerwiegende Eingriffe und damit Verfolgungshandlungen dar.
Der Beschwerdeführer konnte somit glaubhaft machen, dass ihm im Herkunftsstaat insbesondere aufgrund seiner (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.
3.2.3. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).
3.2.4. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist dem Beschwerdeführer nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.
Schlagworte
Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W211.2146711.3.00Zuletzt aktualisiert am
04.06.2020