Index
60/01 ArbeitsvertragsrechtNorm
B-VG Art18Leitsatz
Kein Verstoß einer Regelung des Lohn- und Sozialdumping-BekämpfungsG betreffend die Ermittlung des Mindestlohnes gegen das Bestimmtheitsgebot; keine verfassungswidrige dynamische Verweisung auf Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zur Ermittlung des im Einzelfall zu leistenden MindestentgeltsSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, §29 Lohn- und Sozial-dumping-Bekämpfungsgesetz (im Folgenden: LSD-BG), BGBl I 44/2016, seinem gesamten Umfang nach als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. §29 LSD-BG, BGBl I 44/2016, lautet wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Unterentlohnung
§29. (1) Wer als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in §49 Abs3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt übersteigen, sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen. Hinsichtlich von Sonderzahlungen für dem ASVG unterliegende Arbeitnehmer liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem ersten Satz nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer betroffen, beträgt die Geldstrafe für jeden Arbeitnehmer 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro. Ebenso ist zu bestrafen, wer als Auftraggeber im Sinne des §14 Abs1 Z3 einen Heimarbeiter beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz oder Verordnung gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in §49 Abs3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten.
(2) Die Strafbarkeit nach Abs1 ist nicht gegeben, wenn der Arbeitgeber vor einer Erhebung der zuständigen Einrichtung nach den §§12, 14 und 15 die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem Arbeitnehmer nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt nachweislich leistet.
(3) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem Arbeitnehmer nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet, und
1. die Unterschreitung des nach Abs1 maßgeblichen Entgelts unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien gering ist oder
2. das Verschulden des Arbeitgebers oder des zur Vertretung nach außen
Berufenen (§9 Abs1 VStG) oder des verantwortlichen Beauftragten (§9 Abs2 oder 3 VStG) leichte Fahrlässigkeit nicht übersteigt,
hat sie von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Ebenso ist von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem Arbeitnehmer nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt vor der Aufforderung durch die Bezirksverwaltungsbehörde nachweislich leistet und die übrigen Voraussetzungen nach dem ersten Satz vorliegen. Ist die Entscheidung der Bezirksverwaltungsbehörde von der Klärung einer Vorfrage im Sinne des §38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl Nr 51/1991, abhängig, die den Gegenstand eines beim zuständigen Gericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig gemachten Verfahrens bildet, hat die Bezirksverwaltungsbehörde das Verwaltungsstrafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auszusetzen; das verwaltungsbehördliche Strafverfahren gilt als unterbrochen, die Parteien sind davon in Kenntnis zu setzen. In Verwaltungsstrafverfahren nach Abs1 ist §45 Abs1 Z4 und letzter Satz VStG nicht anzuwenden. Weist der Arbeitgeber der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem Arbeitnehmer nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen.
(4) Die Frist für die Verfolgungsverjährung (§31 Abs1 VStG) beträgt drei Jahre ab der Fälligkeit des Entgelts. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, beginnt die Frist für die Verfolgungsverjährung im Sinne des ersten Satzes ab der Fälligkeit des Entgelts für den letzten Lohnzahlungszeitraum der Unterentlohnung. Die Frist für die Strafbarkeitsverjährung (§31 Abs2 VStG) beträgt bei Unterentlohnungen fünf Jahre; für den Beginn des Laufs der Strafbarkeitsverjährung sind erster und zweiter Satz maßgeblich. Hinsichtlich von Sonderzahlungen beginnen die Verfolgungs- und Strafbarkeitsverjährungsfristen ab dem Ende des jeweiligen Kalenderjahres (Abs1 dritter Satz) zu laufen.
(5) Für den Fall, dass der Arbeitgeber das gebührende Mindestentgelt für den betroffenen Zeitraum der Unterentlohnung nach Abs1 nachträglich leistet, beträgt die Dauer der Fristen nach §31 Abs1 und 2 VStG ein Jahr (Verfolgungsverjährung) oder drei Jahre (Strafbarkeitsverjährung), soweit nicht aufgrund des Abs4 die Verjährung zu einem früheren Zeitpunkt eintritt; der Fristenlauf beginnt mit der Nachzahlung." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
2. §16 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl 52/1991, lautet wie folgt:
"Ersatzfreiheitsstrafe
§16. (1) Wird eine Geldstrafe verhängt, so ist zugleich für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.
(2) Die Ersatzfreiheitsstrafe darf das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig. Sie ist ohne Bedachtnahme auf §12 nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein Unternehmen mit Sitz in Österreich beauftragte (mittels Subunternehmervertrag, vergeben von einem niederländischen Unternehmen) ein niederländisches Unternehmen mit Montagearbeiten an einer Baustelle in Österreich. Anlässlich einer Kontrolle der Finanzpolizei am 26. Juni 2017 wurden auf der Baustelle in Österreich Mitarbeiter des niederländischen Unternehmens arbeitend angetroffen. Die Arbeitnehmer waren zur Erbringung von Arbeitsleistung nach Österreich entsandt worden. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld vom 14. März 2019 wurden über den gemäß §9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Beauftragten (nach Aufforderungen zur Nachzahlung des offenen Entgeltanspruches) Geldstrafen wegen Übertretung des §29 Abs1 LSD-BG verhängt, weil drei Arbeitnehmer beschäftigt worden waren, ohne dass ihnen das gebührende Entgelt geleistet wurde. Die Gesamtstrafe beträgt € 3.000,– zzgl. Verfahrenskosten von € 300,–; für den Fall der Uneinbringlichkeit wurden Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils einem Tag und neun Stunden verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der gemäß §9 VStG für das niederländische Unternehmen Verantwortliche Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark.
2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
"II. Präjudizialität
Bei dem im Sachverhalt beschriebenen Anlassfall handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen Geschäftsführer [des niederländischen Unternehmens], dem aus Anlass eines anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens wegen des Verdachtes von drei Unterentlohnungen dreier Arbeitnehmer für die Übertretung des §29 LSD-BG in der Höhe von € 3.000,00 zzgl. € 300,00 Kosten bzw im Falle der Uneinbringlichkeit 4 Tage und 3 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe aufgetragen wurden. Die Bestimmung des §29 LSD-BG ist somit in diesem Verfahren vom Landesverwaltungsgericht Steiermark anzuwenden.
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit:
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegt gegen die gesetzliche Regelung des §29 LSD-BG, dessen Aufhebung es beantragt, Bedenken im Hinblick auf das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK und Art47 GRC, die Einhaltung des rechtsstaatlichen Prinzips und dem sich daraus ableitenden Bestimmtheitsgrundsatzes sowie auf das in Art7 EMRK statuierte, strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip nullum crimen, nulla poena sine lege, welche wie folgt näher ausgeführt werden:
[…]
Das Recht auf ein faires gerichtliches Verfahren gemäß Art6 EMRK:
Längere Freiheitsstrafen und sonstige Strafsanktionen von vergleichbarer Schwere begründen jedenfalls eine strafrechtliche Anklage (vgl Walter Berka, Die Grundrechte Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich, S. 445).
Gemäß Art3 Abs1 des B-VG vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (Pers.Frg.) darf nur ein Gericht aufgrund einer mit Strafe bedrohten Handlung auf Freiheitsentzug erkennen. Gemäß Art3 Abs2 Pers.Frg. darf die Verhängung einer Freiheitsstrafe und die Festsetzung von Freiheitsstrafen durch Verwaltungsbehörden jedoch vorgesehen werden, wenn das Ausmaß des angedrohten Freiheitsentzuges je 6 Wochen, soweit die Entscheidung einer unabhängigen Behörde obliegt, je 3 Monate nicht übersteigt.
Die Bestimmung des Art3 Pers.Frg. soll den Art5 Abs1 und Art6 Abs1 EMRK Rechnung tragen; welche vorsehen, dass Freiheitsstrafen durch 'Gerichte' verhängt werden müssen. Art3 Abs2 Pers.Frg. sieht vor, dass Freiheitsstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen bis zu 6 Wochen von 'normalen' (d.h. weisungsgebundenen) Verwaltungsbehörden festgesetzt werden dürfen – diesfalls muss die Anfechtung der Entscheidung bei einer unabhängigen Behörde ('Gerichte' iSd. EMRK) in vollem Umfang und mit aufschiebender Wirkung gewährleistet sein (VwGH 29.08.2000, 2000/05/0174; vgl Mayer/Muzak B-VG Kurzkommentar, 5. Auflage, S. 685).
Die als zulässig erachteten Freiheitsstrafen bzw Ersatzfreiheitsstrafen durch die Kumulierung der Geldstrafe in §29 LSD-BG können dazu führen, dass tatsächlich Haftstrafen verhängt werden. Dies widerspricht jedoch dem Recht auf ein faires Verfahren.
Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen gemäß Art49 GRC:
Im Verfahren die im Anwendungsbereich des Unionsrechts sind, ist die Grundrechtscharta der EU heranzuziehen. Der VfGH kann daher wegen einer Verletzung der Charta angerufen werden. Im konkreten Anlassfall spielt das Unionsrecht zweifellos eine Rolle, zumal es um die Beschäftigung von niederländischen Arbeitnehmern in Österreich geht.
Gemäß Art49 Abs3 GRC darf das Strafmaß zur Straftat nicht unverhältnismäßig sein. Art49 Abs3 GRC enthält ein eigenständiges einklagbares Grundrecht (vgl Jarass, EU Grundrechte §42 Rz 14). Art49 Abs3 GRC bindet die Organe der Union und jene der Mitgliedstaaten, wenn und soweit diese Unionsrecht vollziehen. Art49 Abs3 GRC richtet sich zum einen an den zuständigen Gesetzgeber, der angehalten ist, für eine bestimmte Straftat nur eine verhältnismäßige Strafe und einen dementsprechenden Strafsatz gesetzlich zu erlassen, zum anderen an die Vollziehung, die eine im Wege der Strafzumessung festzusetzende verhältnismäßige Strafe auszusprechen hat, sofern dies im Einzelfall überhaupt geboten ist.
Ein strafrechtlich relevantes Verhalten darf nur insoweit sanktioniert sein, als dies im Einzelfall erforderlich, geeignet und angemessen ist. Sanktionen dürfen demnach nicht über den Rahmen des zur Erreichung des verfolgten Zieles unbedingt Erforderlichen hinausgehen. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist dabei insbesondere die Schwere des Verstoßes sowie das Gewicht der Strafe entscheidend. Bereits Art3 EMRK enthielt ein Exzessverbot von Strafen.
Das Recht auf Einhaltung des rechtsstaatlichen Prinzips gemäß Art18 B-VG:
§29 LSD-BG ist im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip bedenklich. Demnach sind gesetzliche Ge- und Verbote der Öffentlichkeit in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis zu bringen, damit sich die Adressaten normgemäß verhalten können. Dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht daher eine Vorschrift, die nur mit 'subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksportangaben' verstanden werden kann (VfSlg 12.420/1990). Aus §29 LSD-BG geht nicht hinreichend hervor, wie sich der Normadressat zu verhalten hat, zumal mit Sicherheit zumindest 'archivarischer Fleiß' von Nöten ist, um (weit über die bloße Berechnung von Gehältern hinaus) den im konkreten Fall zur Anwendung kommenden und die Strafbarkeitsschwelle statuierenden Mindestlohn zu eruieren. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass mehrere Richterinnen und Richter am Landesverwaltungsgericht Steiermark aufgrund der hohen Komplexität und einer praktischen Unmöglichkeit das zustehende Entgelt selbst exakt zu berechnen, zukünftig Sachverständige mit der Berechnung der Höhe des zustehenden Entgelts zu beauftragen beabsichtigen. In diesem Zusammenhang muss auch bedacht werden, dass es für ausländische Arbeitgeber teilweise praktisch unmöglich ist, das gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu bestimmen, zumal die sich aus den Kollektivverträgen teilweise ableitbaren Einstufungskriterien nicht eins zu eins auf ausländische Ausbildungssysteme, Prüfungen, Zeugnisse etc. übertragen lassen. Für jeden sich auch noch so bemühenden Arbeitgeber bleibt somit immer ein gewisses Restrisiko bestehen, welches sich nicht mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 12.420/1990) in Einklang bringen lässt. Weiters erscheint die dynamische Verweisung in §29 LSD-BG auf 'Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag' unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit problematisch. Mit §29 LSD-BG überlässt der Gesetzgeber in erster Linie der Sozialpartnerschaft pauschal die Kompetenz, für die den Straftatbestand maßgeblichen Umständen mit einer Allgemeinwirksamkeit zu normieren. Eine solche Kompetenz zur Setzung von generell, individuellen Strafbarkeitsschwellen kommt der Sozialpartnerschaft weder nach einfachgesetzlichem, noch nach verfassungsgesetzlichem Recht zu. Darüber hinaus mögen dynamische Verweisungen auf einzelne Normen grundsätzlich möglich sein. Diese sind jedoch nicht mit immens breitflächigen, dynamischen Verweisungen auf nichtstaatliche Normen zu vergleichen.
Vor dem Hintergrund, dass es sich bei §29 LSD-BG um eine Norm handelt, deren Zuwiderhandeln mit Strafen in recht bald exorbitanten Höhen geahndet wird, müsste angesichts des sich aus dem Legalitätsprinzip gemäß Art18 B-VG ergebenden Bestimmtheitsgrundsatz die gesetzliche Determinierung besonders genau gegeben sein (VfSlg 13.785/1994). Das ist aber nicht der Fall. Auch das Recht auf Einhaltung des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips gemäß Art7 EMRK (nullum crimen, nulla poena sine lege) wird durch verletzt, weil das Bestimmtheitsgebot einschließlich der Vorhersehbarkeit und Zugänglichkeit durch die Verweisung auf Kollektivverträge nicht gegeben ist.
Zum Umfang der Anfechtung:
Sollte der Verfassungsgerichtshof die Bedenken des antragstellenden Verwaltungsgerichtes teilen, dass es in Hinblick auf das Recht auf ein faires Verfahren, den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen gemäß §49 Abs3 GRC, dem rechtsstaatlichen Prinzip und dem strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip gemäß Art7 EMRK prinzipiell nicht zulässig ist, dass in einem Verfahren nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz existenzbedrohende Geld- bzw Ersatz-freiheitsstrafen ausgesprochen werden können, wäre die gesamte Bestimmung des §29 LSD-BG nicht mehr vollziehbar, weshalb sie auch anzufechten war." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
"II. Zur Zulässigkeit:
1. Der Antrag erweist sich nach Ansicht der Bundesregierung mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen als unzulässig. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, dh dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die jeweils bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl VfSlg 11.150/1986, 13.851/1994, 14.802/1997, 19.933/2014). Es reicht nicht aus, dass im Antrag behauptet wird, dass die bekämpften Gesetzesstellen gegen eine oder mehrere
– wenn auch näher bezeichnete – Verfassungsbestimmung(en) verstoßen; vielmehr muss konkret dargelegt werden, aus welchen Gründen den bekämpften Normen die behauptete Verfassungswidrigkeit anzulasten ist. Begnügt sich ein Antrag damit, den Verstoß gegen Verfassungsgebote zu behaupten, unterlässt er aber konkrete Darlegungen, warum die bekämpften Regelungen im Einzelnen gegen die genannten Verfassungsbestimmungen verstoßen, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfSlg 13.123/1992, 16.507/2002, 17.099/2003).
2. Das Vorbringen des antragstellenden Gerichtes betreffend das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK und die Verhältnismäßigkeit von Strafen gemäß Art49 GRC ist im Wesentlichen ident mit den entsprechenden Beschwerdepunkten des antragstellenden Gerichts in Bezug auf vergleichbare Straftatbestände in den Verfahren G60/2018, G62/2018, G219/2018, G325/2018 und G326/2018. In diesen Verfahren ist der Verfassungsgerichtshof auf diese Beschwerdepunkte mangels ausreichender Darlegung der Bedenken nicht weiter eingegangen. Auf dieses Vorbringen ist daher, ebenso wie in diesen Verfahren, nicht weiter einzugehen.
3. Die Ausführungen des antragstellenden Gerichts zu seinen Bedenken betreffend die Bestimmtheit der angefochtenen Bestimmung bestehen jedoch gleichermaßen nur aus pauschalen Aussagen, die nicht näher substantiiert sind. Das antragstellende Gericht beschränkt sich dabei auf die pauschale Behauptung, dass '‘archivarischer Fleiß‘ von Nöten ist, um … den im konkreten Fall zur Anwendung kommenden und die Strafbarkeitsschwelle statuierenden Mindestlohn zu eruieren', bzw es für ausländische Arbeitgeber praktisch unmöglich sei, das gebührende Entgelt zu bestimmen. Es werden somit nur allgemein Probleme bei der Ermittlung des Mindestlohns behauptet, ohne näher dazulegen, worin diese Probleme konkret bestehen.
4. Auch das Vorbringen hinsichtlich der mangelnden Determiniertheit der Bestimmung in Anbetracht der 'recht bald exorbitanten' Strafhöhen beschränkt sich auf eine bloße Behauptung. Die Feststellung, dass '[a]uch das Recht auf Einhaltung des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips gemäß Art7 EMRK (nullum crimen, nulla poena sine lege)' dadurch verletzt werde, 'weil das Bestimmtheitsgebot einschließlich der Vorhersehbarkeit und Zugänglichkeit durch die Verweisung auf Kollektivverträge nicht gegeben ist' entspricht nicht den Anforderungen des §62 VfGG und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
5. Aus diesen Gründen ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Antrag zur Gänze unzulässig ist.
Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof den Antrag dennoch als zulässig erachten sollte, nimmt die Bundesregierung im Folgenden in der Sache Stellung:
III. In der Sache:
1. Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.
2. Das antragstellende Gericht hegt Bedenken im Hinblick auf das Recht auf ein faires gerichtliches Verfahren gemäß Art6 EMRK (bzw Art47 GRC), die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen gemäß Art49 GRC und 'die Einhaltung des rechtsstaatlichen Prinzips und dem sich daraus ableitenden Bestimmtheitsgrundsatzes sowie auf das in Art7 EMRK statuierte, strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip nullum crimen, nulla poena sine lege'.
3. Das Vorbringen des antragstellenden Gerichtes betreffend das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK und die Verhältnismäßigkeit von Strafen gemäß Art49 GRC entspricht im Wesentlichen fast wörtlich jenem in den Verfahren G60/2018, G62/2018, G219/2018, G325/2018 und G326/2018. Wie in Punkt II.2. zur Zulässigkeit bereits ausgeführt, hat der Verfassungsgerichtshof in diesen Verfahren die Bedenken betreffend Art6 EMRK und Art49 GRC jeweils als unzureichend dargelegt beurteilt und ist darauf nicht weiter eingegangen.
Soweit sich die Bedenken des antragstellenden Gerichtes darauf gründen, dass die Verwirklichung der Verwaltungsübertretungen gemäß §29 LSD-BG letztlich zu einer unverhältnismäßigen (Ersatz-)Freiheitsstrafe führen kann, sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass §29 LSD-BG weder die Verhängung einer primären Freiheitsstrafe noch einer Ersatzfreiheitsstrafe vorsieht. Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe hat ihre Grundlage vielmehr in §16 VStG, wonach bei Verhängung einer Geldstrafe für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen ist. Das antragstellende Gericht hat §16 VStG jedoch nicht mitangefochten (vgl zuletzt VfGH vom 25.02.2019, G326/2018, Rz 22).
4. Das antragstellende Gericht hegt weiters das Bedenken, dass der Verweis in §29 Abs1 LSD-BG auf das 'nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt' den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots gemäß Art18 B-VG in mehrfacher Weise nicht entspreche.
4.1. Einerseits bringt das antragtragstellende Gericht vor, es sei weder der Öffentlichkeit noch der Vollziehung ohne 'archivarischen Fleiß' möglich, den konkret jeweils gebührenden Mindestlohn zuverlässig zu ermitteln. Insbesondere für ausländische Arbeitgeber sei es praktisch unmöglich, die einschlägigen Einstufungskriterien zu bestimmen, weil diese nicht eins zu eins auf ausländische Bildungssysteme übertragbar seien. Es bleibe daher ein Restrisiko bestehen, das nicht mit den im 'Denksporterkenntnis' des Verfassungsgerichtshofs, VfSlg 12.420/1990, dargelegten Grundsätzen vereinbar sei.
Der Verfassungsgerichtshof hat beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 3130/1956 aus dem rechtsstaatlichen Gedanken der Publizität des Gesetzesinhalts die Schlussfolgerung gezogen, dass der Gesetzgeber der betroffenen Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen muss, weil andernfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten (VfSlg 12.420/1990, 13.740/1994, 18.886/2009). Bei Ermittlung des Inhalts des Gesetzes sind alle zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden auszuschöpfen: Nur wenn sich nach Heranziehung aller Interpretationsmethoden immer noch nicht beurteilen lässt, was im konkreten Fall rechtens ist, verletzt die Norm die in Art18 B-VG statuierten rechtsstaatlichen Erfordernisse (VfSlg 19.960/2014 mwN).
Da Kollektivverträgen normative Wirkung zukommt, ist der Inhalt von Kollektivverträgen zur Auslegung heranzuziehen. Soweit das antragstellende Gericht die tatsächliche Verfügbarkeit der Inhalte von Kollektivverträgen in Frage stellt, ist darauf hinzuweisen, dass zusätzlich zur Kundmachung der Abschlüsse der Kollektivverträge im Amtsblatt zur Wiener Zeitung der Inhalt der österreichischen Kollektivverträge online auf der Website www.entsendeplattform.at in deutscher Sprache abgerufen werden kann und auf der Website www.postingofworkers.at Kurzinformationen zu den Kollektivverträgen in englischer Sprache abgerufen werden können. Überdies bieten die Wirtschaftskammer Österreich und die Österreichische Gewerkschaftsbund auf ihren Websites kostenlos Informationen zu geltenden Kollektivverträgen an. Es ist ausländischen Arbeitgebern daher zumutbar, sich vor der Entsendung von Arbeitnehmern selbständig über die bestehenden Mindestlohnregelungen zu informieren.
4.2. Andererseits hegt das antragstellende Gericht das Bedenken, dass der Gesetzgeber die Festlegung von maßgeblichen Umständen für einen Verwaltungsstraftatbestand pauschal in erster Linie der Sozialpartnerschaft überlasse. 'Eine solche Kompetenz zur Setzung von generell, individuellen Strafbarkeitsschwellen kommt der Sozialpartnerschaft weder nach einfachgesetzlichem, noch nach verfassungsgesetzlichem Recht zu.' Überdies sei eine derart breitflächige, dynamische Verweisung auf nichtstaatliche Normen unzulässig.
4.2.1. Mit dieser Argumentation vernachlässigt das antragstellende Gericht zunächst, dass die angefochtene Bestimmung, von der Verweisung auf §49 Abs3 ASVG abgesehen, keine eigenständigen Entgeltbemessungskriterien aufstellt, sondern lediglich auf das nach den in Betracht kommenden (ihrer Art nach einzeln aufgezählten) Quellen zwingenden Rechtsgrundlagen gebührende Entgelt abstellt. Es sind dies die auch sonst im Arbeitsrecht, neben vielem anderem für die Entgelthöhe, maßgeblichen Rechtsgrundlagen. Insbesondere das Vorbringen, dass kollektivvertragliche Einstufungskriterien sich nicht 'eins zu eins' auf ausländische Qualifikationsnachweise übertragen lassen, lässt die Anwendung kollektivvertraglicher Einstufungskriterien noch keineswegs als 'Denksportaufgabe' oder 'archivarischen Fleiß' erscheinen.
Weiters übersieht das antragstellende Gericht, dass die von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für dynamische Verweisungen aufgestellten Kriterien hier nicht anwendbar sind. Keinem Gesetzgeber ist es verfassungsrechtlich verwehrt, an die von einer anderen Rechtssetzungsautorität geschaffene Rechtslage anknüpfend, diese Rechtslage zum Tatbestandselement seiner eigenen Regelung zu machen (VfSlg 12.384/1990, 14.599/1996, 18.101/2007, 19.645/2012). Eben dies liegt hier vor: Der Gesetzgeber knüpft an die arbeitsrechtliche Rechtslage an, innerhalb deren insbesondere den Kollektivverträgen, daneben auch den Satzungen eine erhebliche Bedeutung zukommt.
4.2.2. Bereits in Zusammenhang mit legistischen Arbeiten des Bundesministeriums für soziale Verwaltung im Jahr 1970, mit denen eine 'alle Zweifel ausschließende verfassungsrechtliche Absicherung' der Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Kollektivvertrages in der Bundesverfassung geschaffen werden sollte, stellte der Verfassungsgerichtshof in einer Stellungnahme fest, dass er eine solche 'verfassungsrechtliche Fundamentierung nicht für erforderlich' hält. Mit Blick auf die historische Entwicklung des Kollektivvertragsrechts seit seinen Anfängen im 19. Jahrhundert führte er aus, dass angenommen werden darf, dass die Verfassungsgesetzgebung bei der Schaffung des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 vom bestehenden Sozial- und Gesetzesstand betreffend Kollektivverträge unterrichtet war:
'[…] Daraus ergibt sich, daß die Bundesverfassung nicht dahin ausgelegt werden darf, daß dem einfachen Gesetzgeber die Vollmacht abginge, Regelungen mit dem Inhalt der bis zum Inkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetzes ergangenen Gesetze auf dem Gebiete des kollektiven Arbeitsrechtes zu schaffen.
Das Schweigen der Bundesverfassung zu einer Frage, deren Bedeutung im besonderen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundes-Verfassungsgesetzes nicht zu übersehen war, kann nur im Sinne der Zustimmung zur Beibehaltung der bestehenden Einrichtungen und der Bejahung der Vollmacht des einfachen Gesetzgebers, der sie geschaffen hat, gewertet werden. […]' (wiedergegeben in ZAS 1971, S. 73 ff. [75]; vgl Schwarz, DRdA 1972, 234).
4.2.3. Anknüpfend an diese grundlegende Sichtweise stellte der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 13.880/1994 zur Frage der Verfassungskonformität von Satzungen in Hinblick auf Art18 B-VG fest, dass das Wesen der Satzung darin bestehe, dass sie den Geltungsbereich eines Kollektivvertrages erweitere, der Kollektivvertrag im Übrigen aber keine Änderung dadurch erfahre. Insbesondere werde die normative Wirkung, die schon dem Kollektivvertrag zukomme, in keiner Weise abgeschwächt (VfSlg 2410/1952). Nur der Satzungserklärung komme Verordnungscharakter zu, die darin für verbindlich erklärten Inhalte des Kollektivvertrages blieben Bestandteil des Kollektivvertrages. 'Sie bedürfen folglich – wie dieser – keiner Determinierung durch das Gesetz. […] An der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Satzung von Kollektivverträgen hegt der Verfassungsgerichtshof ebensowenig Zweifel wie an der Zulässigkeit der Kollektivverträge selbst. Der Verfassungsgesetzgeber hat das Institut der Satzung […] ebenso vorgefunden wie das des Kollektivvertrages. Zweck der Satzung ist die Absicherung und Ergänzung der Kollektivverträge […]. Der Satzung kann daher ebensowenig ein Mangel inhaltlicher Determinierung vorgeworfen werden wie dem Kollektivvertrag, und die Vorstellung einer verbotenen dynamischen Verweisung ist verfehlt' (vgl VfSlg 13.880/1994).
4.2.4. Die Bedenken sind daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht berechtigt.
4.3. Abschließend bringt das antragstellende Verwaltungsgericht vor, dass aufgrund der Kumulation von Strafsanktionen gemäß §29 LSD-BG potentiell exorbitant hohe Strafhöhen erreicht würden und daher erhöhte Bestimmtheitsanforderungen an §29 LSD-BG gälten.
In diesem Zusammenhang ist – zusätzlich zu den vorherigen Ausführungen – darauf hinzuweisen, dass das LSD-BG eine Reihe verfahrenstechnischer Schritte vorsieht, bevor es überhaupt zu einer Bestrafung gemäß §29 LSD-BG kommen kann. Gemäß §13 Abs5 LSD-BG (zuvor §7e Abs4 AVRAG) ist das Kompetenzzentrum LSDB grundsätzlich befugt, zu Entgeltfragen, wie insbesondere zur Ermittlung des einem Arbeitnehmer unter Beachtung der Einstufungskriterien kollektivvertraglich zustehenden Entgelts, die einschlägigen Kollektiv-vertragspartner anzuhören. Erhebt ein Arbeitgeber begründete Einwendungen, ist das Kompetenzzentrum LSDB verpflichtet, die Kollektivvertragspartner anzuhören. Dabei werden insbesondere auch die jeweiligen innerstaatlichen Arbeitgebervertreter angehört, die gerade auf die besonderen Erfordernisse der Branche abstellen und darauf achten, dass die Kollektivverträge einschließlich der Mindestentgelte auch im Interesse der Arbeitgeber ausgestaltet und verständlich sind.
Sollte es bereits zu einer Anzeige bei der Bezirksverwaltungsbehörde gekommen sein, sieht §29 Abs3 LSD-BG (wie schon zuvor §7e Abs5 AVRAG) außerdem vor, dass die Bezirksverwaltungsbehörde von der Verhängung einer Strafe über den Arbeitgeber abzusehen hat, wenn die Unterschreitung des Grundlohns oder das Verschulden des Arbeitgebers geringfügig ist. Ebenso ist von einer Strafe abzusehen, wenn der Arbeitgeber zusätzlich zu diesen Kriterien die Differenz zum gebührenden Entgelt mittlerweile an den Arbeitnehmer geleistet hat. Ein betroffener Arbeitgeber hat somit die Möglichkeit, eine Strafe nach §29 LSD-BG abzuwenden, vorausgesetzt die Unterentlohnung der Arbeitnehmer war tatsächlich das Ergebnis eines Versehens bzw Irrtums des Arbeitgebers und ist betragsmäßig geringfügig. Allenfalls hat der Arbeitgeber den ausstehenden Lohn nach Bekanntwerden der Unterentlohnung bereits nachgeleistet.
5. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die angefochtene Bestimmung nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
4. Die Partei des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark anschließt.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit das Gericht solche Normen anficht, die denkmöglich eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bilden und damit präjudiziell sind; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die für das antragstellende Gericht offenkundig keine Voraussetzung seiner Entscheidung im Anlassfall bilden und die somit nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des antragstellenden Gerichtes bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).
Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.
1.3. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark beantragt die Aufhebung des §29 LSD-BG zur Gänze und hegt gegen §29 LSD-BG Bedenken im Hinblick auf Art6 EMRK, Art49 GRC und Art18 B-VG.
1.4. Die Bundesregierung erachtet den Antrag deshalb als unzulässig, weil die geltend gemachten Bedenken nicht im Einzelnen dargelegt wurden. Auf dieses Vorbringen sei der Verfassungsgerichtshof schon bisher mangels ausreichender Darlegung der Bedenken des antragstellenden Gerichtes in Bezug auf vergleichbare Straftatbestände nicht weiter eingegangen. Das Vorbringen zur Unbestimmtheit der angefochtenen Bestimmung beschränke sich auf pauschale, nicht näher substantiierte Aussagen. Da der Antrag nicht den Anforderungen des §62 Abs1 zweiter Satz VfGG entspreche, sei er als unzulässig zurückzuweisen.
1.5. Damit ist die Bundesregierung teilweise im Recht: Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegt gegen §29 LSD-BG Bedenken im Hinblick auf Art6 EMRK und auf Art49 GRC, die sich ausschließlich darauf gründen, dass die Verwirklichung der Verwaltungsübertretung gemäß §29 Abs1 LSD-BG letztlich zu einer unverhältnismäßigen (Ersatz-)Freiheitsstrafe führen kann: Die angefochtene Bestimmung sieht nur die Verhängung einer Geldstrafe und nicht auch einer Ersatzfreiheitsstrafe vor. Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe käme vorliegend daher nur auf Grund von §16 VStG in Betracht, den das Landesverwaltungsgericht Steiermark jedoch nicht mitangefochten hat. Auf die Bedenken im Hinblick auf die (Ersatz-)Freiheitsstrafe ist daher nicht einzugehen (vgl VfGH 4.10.2018, G62/2018; 26.11.2018, G219/2018; 25.2.2019, G325/2018, sowie vom selben Tag, G326/2018).
1.6. Soweit die Verfassungswidrigkeit des §29 LSD-BG im Lichte des Art18 B-VG behauptet wird, ist der Antrag zulässig.
1.7. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag hinsichtlich §29 LSD-BG, BGBl I 44/2016 daher als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Soweit zulässig, ist der Antrag jedoch nicht begründet:
2.3. §29 Abs1 LSD-BG normiert die Verwaltungsstrafbestimmung in Bezug auf die Unterentlohnung von Arbeitnehmern. Zu bestrafen ist der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer beschäftigt (bzw der Auftraggeber nach dem Heimarbeitsgesetz, der einen Heimarbeiter beschäftigt), ohne ihm zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt zu leisten. Die Geldstrafe beträgt pro Arbeitnehmer € 1.000,– bis € 10.000,–, im Wiederholungsfall € 2.000,– bis € 20.000,–. Für den Fall, dass mehr als drei Arbeitnehmer betroffen sind, wird die Geldstrafe pro Arbeitnehmer mit € 2.000,– bis
€ 20.000,–, im Wiederholungsfall mit € 4.000,– bis € 50.000,– festgesetzt. Im Falle, dass bereits vor einer Erhebung der jeweils zuständigen Kontrollbehörde die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem zumindest zustehenden Entgelt nachweislich geleistet wurde, ist keine Strafbarkeit nach Abs1 leg.cit. gegeben (§29 Abs2 LSD-BG). Von einer Strafe hat die Bezirksverwaltungsbehörde gemäß §29 Abs3 LSD-BG abzusehen, wenn eine vollständige Nachzahlung der Differenz erfolgt ist (und die Unterschreitung oder das Verschulden gering war). Die (Verfolgungs- bzw Strafbarkeits-)Verjährung ist in §29 Abs4 und 5 LSD-BG festgelegt.
2.4. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegt gegen §29 LSD-BG Bedenken im Lichte des Art18 B-VG, weil für die Ermittlung des Mindestlohnes "'archivarischer Fleiß' von Nöten ist" und auf Grund der "recht bald exorbitanten Höhen" der Strafen eine besonders genaue gesetzliche Determinierung erforderlich sei. Zudem werde in §29 LSD-BG dynamisch auf "Gesetz, Verordnung oder Kollektivver