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Verfahren vor dem VwGHNorm
AVG §71 Abs1 litaBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Narr und Mag. Meinl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, in der Beschwerdesache der Dr. ST in W, vertreten durch Dr. Hanns Christian Baldinger, Rechtsanwalt in Wien I, Karlsplatz 2/15, gegen die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde ist u.a. eine Ablichtung des von der Beschwerdeführerin an das Finanzamt für Gebühren- und Verkehrsteuern in Wien (in der Folge: FA) gerichteten Schriftsatzes vom 4. Juli 1986 angeschlossen. Daraus ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Mit (der vorliegenden Beschwerde ebenfalls in Ablichtung angeschlossenem) Bescheid des FA vom 2. Dezember 1985 war gegenüber der Beschwerdeführerin Grunderwerbsteuer festgesetzt worden. Die rechtzeitig eingebrachte Berufung der Beschwerdeführerin vom 30. Dezember 1985 (auch von dieser ist eine Ablichtung der vorliegenden Beschwerde angeschlossen) gegen den angeführten erstinstanzlichen Bescheid war mit (der vorliegenden Beschwerde gleichfalls in Ablichtung - ohne erkennbares Datum - angeschlossener) Berufungsvorentscheidung des FA (laut vorliegender Beschwerde vom 5. März 1986) als unbegründet abgewiesen worden.
Die Beschwerdeführerin sei am 8. März 1986 mit ihrem Ehegatten auf Skiurlaub gefahren. Zuvor habe sie jedoch auf Grund der ihr in der Berufungsvorentscheidung erteilten Rechtsbelehrung mit (der vorliegenden Beschwerde in Ablichtung angeschlossenem - an das FA gerichtetem) Schreiben vom 8. März 1986 die Vorlage ihrer Berufung an die Finanzlandesdirektion (offensichtlich für Wien, Niederosterreich und Burgenland) - in der Folge: belangte Behörde - beantragt. Infolge Zeitmangels (wegen der schon erwähnten Abreise zeitig am Morgen) habe sie dieses Schreiben nicht eingeschrieben aufgegeben, sondern lediglich in den Postkasten eingeworfen.
Da der Beschwerdeführerin die festgesetzte Grunderwerbsteuer bis längstens 30. Juni 1986 mit Bescheid des FA vom 13. Jänner 1986 gestundet gewesen war, habe sie vor Ablauf dieser Frist rechtzeitig den Antrag um Verlängerung bis zur Erledigung der "Berufungsvorentscheidung" eingebracht. Zu ihrer Verwunderung habe sie darauf den ihr am 1. Juli 1986 zugestellten Bescheid des FA vom 30. Juni 1986 erhalten, mit dem ihr zuletzt angeführtes Stundungsansuchen mit der Begründung abgewiesen worden sei, daß kein Antrag auf Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt worden sei.
Da die Beschwerdeführerin jedoch einen solchen Antrag innerhalb offener Frist zur Post gegeben habe, dieser aber offenbar auf dem "Postlauf" in Verstoß geraten sei (in der Sachverhaltsdarstellung in der vorliegenden Beschwerde: "... da der - zufolge Zeitdruckes nicht rekommandierte - Vorlageantrag offenbar bei der zuständigen Behörde nicht eingelangt war"), liege für sie ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vor, wodurch sie ohne ihr Verschulden verhindert worden sei, die Frist zur Antragstellung um Vorlage der Berufung einzuhalten. Sie selbst habe alles zur Wahrung der Frist Notwendige unternommen.
Zum Beweis für ihr Vorbringen berief sich die Beschwerdeführerin auf die (bereits erwähnte) angeschlossene Kopie ihres Vorlageantrages, ihren Ehegatten als Zeugen und ihre Einvernahme.
Soweit für die vorliegende Beschwerde noch von Bedeutung, stellte die Beschwerdeführerin in diesem Schriftsatz vom 4. Juli 1986 den Antrag, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Verfahrens vor Ablauf der Frist zur Antragstellung um Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu bewilligen. Gleichzeitig holte sie die "durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis versäumte" Verfahrenshandlung nach und stellte den Antrag auf Vorlage ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 2. Dezember 1985 an die belangte Behörde als Abgabenbehörde zweiter Instanz.
In der Beschwerde führt die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, nach Ablauf von Monaten sei ihr Ehegatte als Zeuge vernommen worden. Am 11. Juni 1987 habe sie hinsichtlich ihres Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 311 Abs. 2 BAO den Antrag auf Entscheidung durch die belangte Behörde, bei der dieser Antrag am 12. Juni 1987 eingegangen sei, gestellt. Am 30. Juni 1987 sei ihrem Vertreter der (der vorliegenden Beschwerde in Ablichtung angeschlossene) Bescheid des FA vom 26. Juni 1987 zugestellt worden. Mit diesem Bescheid wurde der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin vom 4. Juli 1986 abgewiesen, und zwar mit folgender Begründung:
"Der Wiedereinsetzungsantrag mußte abgewiesen werden, da die Partei in ihrem Antrag kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis angeführt hat, durch das sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Im Gegensatz dazu behauptet die Partei vielmehr, sie hatte die Frist eingehalten.
Nachdem der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen war, war über den gleichzeitig gestellten Vorlageantrag (nach Ansicht des Antragstellers nunmehr nachgeholt, seinerzeit versäumte Handlung gem. § 308 (3) BAO) formalrechtlich nicht abzusprechen.
Weiters wird bemerkt, daß such ein vom Wiedereinsetzungsantrag gesondert eingebrachter Vorlageantrag nach der Judikatur des VwGH (Z1. 82/16/0119) zurückzuweisen gewesen wäre."
Zu dieser Begründung führt die Beschwerdeführerin in der vorliegenden Beschwerde folgendes aus:
Nach hier ausgesprochener Ansicht der Erstbehörde sei der Antrag um Wiedereinsetzung also gar nicht notwendig gewesen, da die Beschwerdeführerin die Verfahrenshandlung rechtzeitig gesetzt habe. Daraus ergebe sich, daß ihr Antrag um Vorlage der Berufung offenbar - unter Berücksichtigung des Postweges - spätestens am 11. März (gemeint offensichtlich 1986) bei der Erstbehörde eingelangt sein müsse, dieser somit zu diesem Zeitpunkt, jedenfalls aber mit Wiederholung dieses Antrages gemeinsam mit dem Wiedereinsetzungsantrag (eingelangt am 9. Juli 1986) habe bekannt sein müssen. Ungeachtet dieses Umstandes habe die belangte Behörde als Berufungsbehörde zweiter Instanz über ihre Berufung/Vorlageantrag bislang nicht entschieden.
Den Beschwerdepunkt bezeichnet die Beschwerdeführerin wie folgt: Durch die Nichterledigung ihres an die belangte Behörde gerichteten Vorlageantrages vom 8. März 1986 (bzw. nach nochmaliger Vorlage am 9. Juli 1986) - somit rechtswidrige Nichteinhaltung der Entscheidungspflicht - fühle sie sich in ihrem (subjektiv-öffentlichen) Recht auf ungesäumte Entscheidung innerhalb von sechs Monaten durch die Untätigkeit der belangten Behörde verletzt.
Als Begründung führt die Beschwerdeführerin weiters im wesentlichen aus, durch den Vorlageantrag nach erfolgter Berufungsvorentscheidung sei die Zuständigkeit gemäß § 276 BAO auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz übergegangen. Eine Zurückweisung des Vorlageantrages sei nicht erfolgt. Der Vorlageantrag sei von der Beschwerdeführerin seinerzeit rechtzeitig gestellt worden. Der Umstand, daß die Eingabe offenbar im Bereich der erstinstanzlichen Behörde in Verstoß geraten sei, könne nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen. In ihrer Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag gehe die Behörde aber davon aus, daß die Beschwerdeführerin die von ihr zu setzende Verfahrenshandlung rechtzeitig vorgenommen hätte.
Das Begehren im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG lautet im wesentlichen,
"der VwGH wolle in Stattgebung meiner Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und den angefochtenen Bescheid vom 2.12.85, mit welchem Grunderwerbsteuer im Betrag von S 62.931,-- vorgeschrieben wird, in Stattgebung meiner Berufungsanträge mit Rücksicht auf das Erkenntnis des VFGH G 167/86 vom 10.12.1986, aufheben, ...."
Der vorliegenden Säumnisbeschwerde steht im Hinblick auf das in ihr enthaltene - im wesentlichen in Übereinstimmung mit den ihr angeschlossenen Beilagen stehende - Vorbringen der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung im Sinne des § 34 Abs. 1 letzter Fall VwGG entgegen.
Die Nichterledigung eines Begehrens, über das bereits ein rechtskräftiger abweisender Bescheid (im vorliegenden Fall die angeführte Berufungsvorentscheidung des FA vom 5. März 1986) vorliegt, berechtigt nämlich nicht zu einer Säumnisbeschwerde (siehe z.B. die von Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 221, Abs. 4, zitierte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Beschwerdefall bedarf die Frage, ob der erwähnte Bescheid des FA vom 26. Juni 1987, mit dem der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde, von der zuständigen Behörde erlassen und eine gesonderte Entscheidung über den nachgeholten (verspäteten) Vorlageantrag (Zurückweisung) mit Recht unterlassen wurde oder nicht, weil dieser Bescheid - ganz abgesehen von dem Zeitpunkt seiner Erlassung - nicht Gegenstand der nunmehrigen Säumnisbeschwerde ist und gar nicht Gegenstand einer solchen sein könnte (siehe z.B. die von Dolp - Dolp, a.a.O., S. 194 Abs. 5 bzw. 220 Abs. 5, S. 203 Abs. 2 und S. 221 Abs. 6, zitierte Rechtsprechung).
Entgegen der von der Beschwerdeführerin versuchten - oben angeführten - unrichtigen Auslegung der Begründung dieses Bescheides des FA vom 26. Juni 1987, ergibt sich aus diesem Bescheid, noch dazu in Verbindung mit dem angeführten Bescheid des FA vom 30. Juni 1986, der die Stellung eines Vorlageantrages bzw. dessen Einlangen bei den Abgabenbehörden ausdrücklich verneint, daß die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den zitierten Grunderwerbsteuerfestsetzungsbescheid des FA vom 2. Dezember 1985 durch die erwähnte Berufungsvorentscheidung des FA vom 30. Juni 1986 mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 276 Abs. 1 fünfter Satz BAO erledigt gilt bzw. diese Berufungsvorentscheidung rechtskräftig ist.
Nur wenn ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörden zweiter Instanz rechtzeitig eingebracht wird, gilt nämlich gemäß § 276 Abs. 1 fünfter Satz BAO ungeachtet des Umstandes, daß die Wirksamkeit der Berufungsvorentscheidung dadurch nicht berührt wird, die Berufung von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt.
Im übrigen ergibt sich aus dem bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1983, Zl. 82/16/0119, ÖStZB 15/1983, S. 287, daß es auch im Falle der Beschwerdeführerin - ganz abgesehen von der Frage des Vorliegens der anderen Voraussetzungen des § 308 Abs. 1 BAO - darauf ankam, das Einlangen des Vorlageantrages bei der Behörde glaubhaft zu machen, und nicht das bloße Einwerfen dieses Schriftstückes in den Postkasten. Daran vermag die erstmals am Schluß der Beschwerde gemachte Ausführung, der Umstand, daß die Eingabe offenbar im Bereiche der erstinstanzlichen Behörde in Verstoß geraten sei, könne nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen, nichts zu ändern.
Aus allen angeführten Gründen ist die vorliegende Säumnisbeschwerde gemäß § 34 Abs. 1 letzter Fall VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung durch den nach § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen. Wien, am 3. September 1987
Schlagworte
Anspruch auf Sachentscheidung AllgemeinInhalt der SäumnisbeschwerdeMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1987:1987160088.X00Im RIS seit
04.06.2020Zuletzt aktualisiert am
04.06.2020