TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/7 VGW-141/043/15078/2019

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Veröffentlicht am 07.01.2020
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Entscheidungsdatum

07.01.2020

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §21 Abs1
WMG §21 Abs2
WMG §21 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Kovar-Keri über die Beschwerde des Herrn A. B., C., D.-weg, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - Sozialzentrum E., vom 07.10.2019, Zahl …, mit welchem die für den Zeitraum von 01.09.2019 bis 31.10.2019 zu Unrecht empfangenen Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 1.017,18 gemäß § 21 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) idgF rückgefordert wurden,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz – B-VG an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Entscheidungsgründe

Ad I.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Magistrat der Stadt Wien den nunmehrigen Beschwerdeführer die Verpflichtung auferlegt, die im Zeitraum 1. September 2019 bis 31. Oktober 2019 zu Unrecht empfangenen Leistungen der Mindestsicherung in Höhe von EUR 1.017,18 zurückzuzahlen.

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich am 30. September 2019 in C. mit Hauptwohnsitz gemeldet und sei daher für den im Spruch genannten Zeitraum die Leistung zu Unrecht bezogen worden. Auf Grund geänderter Verhältnisse hätten sich die im Spruch zu Unrecht empfangenen Leistungen ergeben. Das Verschulden sei weder geringfügig und werde durch die Rückforderung keine Notlage herbeigeführt.

Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelangte Beschwerde, worin im Wesentlichen vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Verfassung des Bescheides gerade erst eine gute Woche auf die Meldung vergessen hatte. Neu in diesem Land habe es für ihn bei einem Umzug viele Dinge zu bedenken gegeben und dazu zählen auch behördliche Meldungspflichten. Im Zuge der notwendigen Erledigungen habe er für ein paar Tage auf die Meldung seines Wohnsitzwechsels bei der MA 40 vergessen. Da die Rechtsprechung unter „unverzüglich" nicht notwendiger Weise „am gleichen Tag oder am Tag darauf“ versteht, sei er lediglich kurz im Meldungsvollzug gewesen. Ein etwaiger Doppelbezug wäre ohnehin aufgefallen, da er sich in Erfüllung seiner Pflichten in C. gemeldet habe.

Er sei nach C. in Niederösterreich umgezogen. Dort werde die Mindestsicherung erst im Nachhinein ausbezahlt (§ 9 Abs 2 NÖ MSG). Dadurch sei er eine Monatsmiete im Rückstand, weswegen die Rückzahlung zu einer sozialen Härte führen würde, da er sehr gefährdet sei, seine Wohnung zu verlieren.

Deshalb werde der Antrag auf Erlassung der Rückzahlung bzw. Rückerstattung in Teilbeträgen gestellt.

Die Behörde hat die bezughabenden Aktenunterlagen übermittelt und führt in dem beiliegenden Schreiben im Wesentlichen aus, die Beschwerde sei nicht gerechtfertigt, zumal ein Wohnsitzwechsel über einen längeren Zeitraum geplant wird. Der Beschwerdeführer hätte den Umzug bereits früher der Behörde bekannt geben müssen, sodass ein Überbezug verhindert hätte werden können.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 WMG haben Hilfe empfangende Personen jede Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände unverzüglich dem Magistrat der Stadt Wien anzuzeigen. Anzuzeigen sind insbesondere folgende Ereignisse oder Änderungen:

1.  Familienverhältnisse;

2.  Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Lohn- und Einkommensteuerrückzahlungen;

3.  Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltstitel, unionsrechtliches Aufenthaltsrecht), Asylstatus, subsidiärer Schutz;

4.  Schul- und Erwerbsausbildung, Beschäftigungsverhältnis, Schulungsmaßnahme im Auftrag des AMS, Integrationsmaßnahmen im Auftrag des Österreichischen Integrationsfonds;

5.  Wohnverhältnisse;

6.  Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten, länger als zwei Wochen dauernde Abwesenheiten vom Wohn- oder Aufenthaltsort sowie die Aufgabe des Wohnortes in Wien oder die Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts in Wien.

Leistungen, die auf Grund einer Verletzung der Anzeigepflicht gemäß Abs. 1 zu Unrecht empfangen wurden, sind nach Absatz 2 dieser Bestimmung mit Bescheid zurückzufordern. Die Behörde ist berechtigt, die Aufrechnung gegen Ansprüche auf Leistungen der Wiener Mindestsicherung zu verfügen.

Die Rückforderung kann gemäß § 21 Abs. 3 WMG in Teilbeträgen erfolgen oder unterbleiben, wenn die anzeigepflichtige Person glaubhaft macht, dass die Verletzung der Anzeigepflicht auf einem geringfügigen Verschulden beruht, die Rückforderung eine Notlage herbeiführen würde, der Anspruch voraussichtlich uneinbringlich wäre oder der Betrag unbedeutend ist.

Auf Grund des Akteninhaltes steht folgender Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer hat im bescheidgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz bezogen. Am 1. Oktober 2019 teilte der Beschwerdeführer der Behörde mit, dass er seit 30. September 2019 seinen Hauptwohnsitz in C. hat. Seit diesem Zeitpunkt war er auch mit Hauptwohnsitz in C., D.-weg, gemeldet.

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

§ 21 Abs. 1 WMG verpflichtet Bezieher von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zur unverzüglichen Anzeige jeder Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände. Voraussetzung für die Rückforderung von Leistungen gemäß § 21 Abs. 2 WMG ist, dass eine Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 21 Abs. 1 WMG vorliegt und dadurch Leistungen zu Unrecht empfangen werden.

Im Allgemeinen wird unter unverzüglichem Handeln ein Handeln ohne unnötigen Aufschub verstanden (vgl. VwGH vom 6. Juli 2011, Zl. 2008/08/0160). Nach hg. Ansicht hat der Beschwerdeführer durch die Anzeige seiner geänderten Wohnsituation innerhalb eines Tages ab Wohnsitznahme unverzüglich gehandelt.

Wenn die Behörde im Vorlageschreiben, mit welchem der bezughabende Akt dem Verwaltungsgericht Wien vorgelegt wurde, vermeint, die Beschwerde sei nicht gerechtfertigt, zumal ein Wohnsitzwechsel nach der allgemeinen Lebenserfahrung bereits im Voraus geplant werde und daher die Meldung desselben bereits früher erfolgen hätte müssen bzw. eine Meldepflichtverletzung gegeben sei, ist zu entgegnen, dass diese Begründung im angefochtenen Bescheid nicht enthalten ist. Auch erweist sie sich als zweifelhaft, da entsprechend dem eindeutigen und klaren Wortlaut der Bestimmung des § 21 Abs. 1 Z 6 WMG die (faktische) Aufgabe des Wohnortes in Wien zur Meldung verpflichtet, nicht aber bereits der geplante Wohnsitzwechsel. Wenn die belangte Behörde ihre Rechtsmeinung auf den ersten Satz der Bestimmung des § 21 Abs. 1 WMG stützen wollte und den geplanten Wohnsitzwechsel als eine Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände qualifiziert, so wären für die Feststellung der Unverzüglichkeit der Meldung bzw. der Verletzung der Meldepflicht jedenfalls Ermittlungen hinsichtlich des Zeitpunktes, zu welchem der bloß abstrakte Plan des Wohnsitzwechsels konkret wurde, erforderlich gewesen. Die bloße Festsetzung eines Datums ohne jedweden Anhaltspunkt erweist sich jedenfalls als willkürlich und wird einem nach den Grundsätzen des Rechtsstaates geführten Verfahrens nicht gerecht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass eine Verletzung der Anzeigepflicht durch den Beschwerdeführer vorliegt und erweist sich die Rückforderung demnach als rechtswidrig. Der angefochtene Bescheid war daher zu beheben.

Da bereits auf Grund der Aktenlage zu erkennen war, dass der angefochtenen Bescheid zu heben war, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Ad II.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mindestsicherung; Rückforderung; Verletzung der Anzeigepflicht; Meldepflichtverletzung; Meldung des Wohnsitzwechsels

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.141.043.15078.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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