TE Bvwg Beschluss 2019/9/5 W199 2196961-1

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Veröffentlicht am 05.09.2019
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Entscheidungsdatum

05.09.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

W 199 2196961-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael SCHADEN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2018, Zl. 831847204/2466901, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1.1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 16.12.2013 den Antrag, ihm internationalen Schutz zu gewähren (in der Folge auch als Asylantrag bezeichnet). Begründend gab er dazu bei seiner Befragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizeiinspektion XXXX Erstaufnahmestelle) am selben Tag an, er stamme aus Kabul und habe von April bis Oktober 2013 als Reinigungskraft in einem Büro und als Fahrer und danach in einer Buchhandlung gearbeitet. Auf die Frage, wann er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, nannte er den 23.10.2013. Auf die Frage nach seinem Reisepass gab er an, er habe noch nie einen besessen. Kurz darauf gab er an, er sei bereits 2011 ausgereist und über den Iran, Griechenland, Italien und Frankreich nach Deutschland gelangt. Er habe in Italien und in Deutschland um Asyl angesucht; in Italien habe er Asyl erhalten, in Deutschland einen negativen Bescheid. Er sei nach Italien abgeschoben worden und wieder nach Deutschland gereist und am 16.4.2013 von München in die Türkei und dann nach Afghanistan geflogen, wo er am nächsten Tag angekommen sei. Er habe zuvor zwar die freiwillige Rückkehr beantragt, jedoch hätte dies zu lange gedauert, deshalb sei er selbständig nach Afghanistan gereist. Er sei dorthin zurückgekehrt, weil seine Probleme in Italien noch größer geworden seien als jene in Afghanistan. Auf die Frage, ob er seine Rückkehr in die Heimat belegen könne, erklärte der Beschwerdeführer, er könne sich Arbeitsbescheinigungen schicken lassen. - Zwischen dem 17.4.2013 und dem 13.10.2013 habe er sich durchgehend in Afghanistan aufgehalten. An diesem Tag sei er von Kabul aufgebrochen und über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien (heute Nordmazedonien) und Serbien nach Österreich gelangt. In Italien habe er Probleme gehabt, weil er keine Unterkunft und keine Arbeit gehabt habe und auf der Straße habe leben müssen. Daher sei er nach Afghanistan zurückgekehrt. In Deutschland habe man ihm gesagt, er müsse nach Italien zurückkehren. Dorthin wolle er nicht, weil er dort keine Unterkunft und keine Verpflegung habe.

Auf die Frage nach dem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, ein Mann namens XXXX habe behauptet, dass der Beschwerdeführer die Taliban mit Waffen versorge. Er sei nicht zurück nach XXXX gegangen und sei nicht mehr auf XXXX getroffen. Es könne aber sein, dass seine Familie vor jenem geflohen sei, denn er wisse nicht, wo sie sich aufhalte. Zudem habe er in einer Buchhandlung gearbeitet, in der auch christliche Bücher verkauft worden seien, und sei von Regierungsbehörden festgenommen und zu einem Stützpunkt des Sicherheitsdienstes gebracht worden. In der Nacht vom 13.10.2013 seien er und andere ("wurden wir") von einem Unbekannten befreit worden und hätten mit dessen Hilfe fliehen können. Bei einer Rückkehr fürchte er, von der Regierung hingerichtet zu werden.

Am 15.1.2014 legte der Beschwerdeführer in Kopie Bestätigungen eines Unternehmens namens " XXXX " vor, bei dem er, wie er angab, nach seiner Rückkehr nach Afghanistan 2013 beschäftigt gewesen sei.

1.1.2. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt; Erstaufnahmestelle XXXX in XXXX ) am 17.1.2014 berichtigte der Beschwerdeführer, er sei nicht, wie bei der Befragung angegeben, im April, sondern bereits im März (2013) wieder in Afghanistan gewesen; er habe die Monatsnamen verwechselt. Der Beschwerdeführer legte die Kopie einer Bordkarte zum Beleg dafür vor, dass er von München über Istanbul nach Afghanistan zurückgereist sei. Das Original befinde sich in Afghanistan, die Kopie sei ihm per e-mail zugeschickt worden. Er werde versuchen, sich die Originale der Bordkarte und der Arbeitsbestätigungen schicken zu lassen. Dem Beschwerdeführer wurde dafür eine Frist gewährt (die später um eine Woche verlängert wurde). Er machte Angaben zu seiner Rückreise und gab ua. an, er habe bei der Passkontrolle ein Dokument vorgewiesen, das ihm in Italien ausgestellt worden sei, "ein Heft wie ein Reisepass" mit einem dreijährigen Visum.

Das Geld für die Reise nach Österreich (14.500 Dollar) habe ihm ein Onkel mütterlicherseits gegeben. In Italien habe er im Freien gelebt und habe gedacht, dass sich die Probleme, die er damals in Afghanistan gehabt habe, vielleicht schon gelöst hätten und es besser sei, in Afghanistan als in Italien zu leben. Jetzt habe er wegen neuer Probleme erneut flüchten müssen. Wegen seiner seinerzeitigen Probleme sei er nicht in seine Provinz zurückgekehrt, sondern habe sich "die ganze Zeit" in Kabul aufgehalten. Er stamme aus der Provinz XXXX , Bezirk XXXX , Dorf XXXX . Er habe keine Schule besucht, keinen Beruf gelernt und nichts gearbeitet. Sein Vater habe ihm das Autofahren beigebracht. Von Italien sei er nach zwei bis drei Tagen nach Deutschland gereist und sei von dort nach Italien abgeschoben worden. Dort habe er ein "dreijähriges Visum" erhalten. Er wolle auf keinen Fall wieder nach Italien zurück, dort könne man nicht leben.

Dem Beschwerdeführer wurden Feststellungen des Bundesamtes zur Lage in Italien ausgefolgt und ihm eine Frist für eine Stellungnahme eingeräumt. Mit Schreiben vom 27.1.2014 (eingelangt am 29.1.2014) nahm der Beschwerdeführer dazu Stellung (freilich der Sache nach zur Situation in Afghanistan) und führte ua. aus, er habe nach seiner Rückkehr nach Afghanistan persönliche Bedrohungen, Entführung und Folter erfahren müssen.

Mit Schreiben vom 14.2.2014 (eingelangt am 18.2.2014) legte der Beschwerdeführer die angesprochenen Unterlagen einschließlich des Briefumschlags vor. Das Bundesamt ließ die Unterlagen ins Deutsche übersetzen.

Mit Schreiben vom 14.4.2014, vom 3.6.2014 und vom 1.12.2014 legte der Beschwerdeführer Integrationsunterlagen vor.

Bei einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesamt (Erstaufnahmestelle XXXX ) am 23.7.2014 legte der Beschwerdeführer auf die Frage nach weiteren Beweismitteln oder Dokumenten seine Tazkira und seinen afghanischen Führerschein vor. Auf seinen Asylantrag in Italien, so gab er an, habe er einen "Aufenthalt für 3 Jahre bekommen". Auf den Vorhalt, Italien habe ihm subsidiären Schutz zuerkannt und dem Bundesamt mitgeteilt, dass dieser Status am 12.11.2015 ablaufe, gab der Beschwerdeführer an, er habe diesen subsidiären Schutz in Italien nicht gewollt. Er sei weggegangen, weil er dort Probleme gehabt habe. Er sei dort als Flüchtling anerkannt, sei aber nicht untertsützt worden und habe dort nicht leben können. Er denke nicht daran, dorthin zurückzukehren. Er habe "das Recht darauf wo und wie ich Leben möchte", wie es in der Niederschrift heißt.

Seit er Afghanistan 2011 verlassen habe, habe er keinen Kontakt zu seiner Familie.

Am 27.1.2015 brachte der Beschwerdeführer eine Säumnisbeschwerde ein.

1.1.3. Mit Bescheid vom 8.5.2015 wies das Bundesamt diesen Asylantrag gemäß § 4a des Asylgesetzes 2005, Art. 2 BG BGBl. I 100 (in der Folge: AsylG 2005) als unzulässig zurück und sprach aus, dass sich der Beschwerdeführer nach Italien zu begeben habe (Spruchpunkt I). Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, ordnete gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 des BFA-Verfahrensgesetzes (in der Folge: BFA-VG;

Art. 2 Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz BGBl. I 87/2012 [in der Folge: FNG]) die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005;

in der Folge: FPG) an und sprach aus, dass "[d]emzufolge" seine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II).

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.5.2015 zugestellt. Er brachte dagegen am 18.5.2015 eine Beschwerde ein.

1.1.4. Mit Erkenntnis vom 23.5.2017, W205 2107451-1/12E, gab das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG der Beschwerde statt und behob den Bescheid vom 8.5.2015. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist des Art. 20 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, ABl. 2003 Nr. L 50 ff. (Dublin-II-Verordnung) überstellt worden sei. Die Zuständigkeit sei mit Ablauf des 2.7.2014 auf Österreich übergegangen.

1.2. Im fortgesetzten Verfahren vor dem Bundesamt (Regionaldirektion XXXX in XXXX ) legte der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 20.7.2017 eine Reihe von Integrationsunterlagen vor. Er sei in Afghanistan nicht zur Schule gegangen, habe aber sechs bis sieben Jahre eine Koranschule besucht und dort lesen und schreiben gelernt. Auf die Frage nach seiner Berufstätigkeit gab er an, er sei als Fahrer für eine Transportfirma aktiv gewesen; auf den Vorhalt, er habe bei der Befragung angegeben, dass er von April bis Oktober 2013 in einer Buchhandlung gearbeitet habe, erwiderte er, es sei keine "Buchhandlung", sondern ein "Buchgeschäft" gewesen. Dort habe er vom 8.10.2013 bis zum 13.10.2013 gearbeitet, als Fahrer habe er von April bis Oktober 2013 gearbeitet. Er habe dort aufgehört zu arbeiten, weil er bedroht worden sei: Er sei aufgefordert worden, mit einer "Gruppierung" zusammenzuarbeiten. Er sei in der Zeit, als er als Fahrer gearbeitet habe, bedroht worden, aber auch später. Auf Grund der Drohungen habe er mit der Arbeit aufhören müssen und gekündigt. Die Transportfirma habe indirekt für die Amerikaner gearbeitet. Es handle sich um Bauprojekte, teilweise in amerikanischen Kasernen und Stützpunkten. Die Gruppierungen hätten diese Situation ausnützen wollen und die Firma zu einer Zusammenarbeit aufgefordert bzw. den Beschwerdeführer bedroht. Einmal sei auf das Fahrzeug geschossen worden, als er Richtung XXXX unterwegs gewesen sei. Derartige Drohungen habe es ziemlich oft gegen verschiedene Mitarbeiter der Firma gegeben. Einige hätten "damit klar kommen" können, einige hätten Angst gehabt und gekündigt. Er habe nicht im Vorhinein gewusst, dass die Firma solche Probleme habe, sondern erst nachdem auf das Fahrzeug geschossen worden sei. Er habe im ganzen Land Aufträge für seinen Arbeitgeber erledigt. - Das Buchgeschäft sei in Kabul gelegen gewesen. Einige Tage, nachdem er dort mit der Arbeit begonnen habe, habe er einen Drohanruf bekommen. Der Anrufer habe wissen wollen, warum er mit jenen Leuten nicht zusammengearbeitet habe und warum er seine Arbeit in der Transportfirma beendet habe. Er habe geantwortet, dass er "gefeuert" worden sei. Der Anrufer habe gesagt, er wisse, dass der Beschwerdeführer freiwillig gekündigt habe. Am 13.10.2013 sei das Geschäft von der afghanischen Polizei gestürmt worden. Sie habe ihn und auch den Besitzer festgenommen. Es sei ihnen vorgeworfen worden, dass sie in diesem Geschäft unislamische Tätigkeiten durchgeführt, nämlich christliche und unislamische Bücher verkauft hätten. Die Polizei habe einige Bücher entdeckt. Er und der Geschäftsinhaber seien in die Sicherheitsdirektion des fünften Bezirks in Kabul gebracht worden. Vorher habe er nicht davon gewusst, dass in dieser Buchhandlung christliche Bücher verkauft würden, nach der Durchsuchung habe er aber gesehen, dass ein Buch namens "Versuchen wir den richtigen Gott zu entdecken" gefunden worden sei, ein Buch über das Christentum. Er wisse nicht, wie lange es dieses Buchgeschäft schon gegeben habe, glaube aber, dass dies mindestens ein bis zwei Jahre der Fall gewesen sei. Der Beschwerdeführer nannte die Namen des Buchgeschäftes und seines Besitzers und den Platz, an dem es gelegen gewesen sei. - Der Anrufer habe ihm nicht gesagt, zu welcher Gruppierung er gehöre. Da der Beschwerdeführer gekündigt habe (und nicht entlassen worden sei), müsse er "mit schlimmen Konsequenzen rechnen". Der Anruf sei ein oder zwei Tage nach dem Beginn seiner Arbeit in dem Buchgeschäft gekommen. Auch als er bei der Transportfirma gearbeitet habe, sei er angerufen worden und habe damals "diese Männer" zweimal persönlich getroffen, einmal auf einem Parkplatz in XXXX , das sei ein Militärstützpunkt, einmal auf einer Straße. Ein Anrufer habe ihn zu einer Zusammenarbeit aufgefordert und ihm gesagt, dass er dafür bezahlt werde. Auf die Frage des Beschwerdeführers nach der Art der Zusammenarbeit habe er gemeint, der Beschwerdeführer sei Fahrer und solle einige Gegenstände transportieren; gemeint sei gewesen: zu Militärstützpunkten. Er habe gefragt, warum er dazu gebraucht werde; es sei ihm geantwortet werden, er solle die Sachen zum Parkplatz bringen, von dort würden sie alles selbständig organisieren. Er habe sich geweigert. Ein paar Tage später sei er nochmals angerufen worden und man habe ihm gesagt, dass man alles über ihn wisse. Diese Anrufe habe er etwa einen Monat nach der Arbeitsaufnahme bekommen. Die Treffen hätten etwa 25 Tage nach dem Drohanruf stattgefunden.

Beide Arbeitsplätze habe er über einen Geschäftsmann gefunden, den er auf der Rückreise von Europa im Flugzeug kennengelernt habe.

Nach seiner Festnahme sei er bis etwa 23 Uhr in der Polizeistation geblieben. Dann sei jemand gekommen, habe ihm die Augen verbunden und ihn in ein Auto gezerrt. Dort habe er die Stimme seines Chefs gehört, der ihm gesagt habe, er solle kein Wort sagen. Nach einer halben Stunde hätten sie in ein anderes Auto umsteigen müssen. Bis dahin sei der Beschwerdeführer davon ausgegangen, dass hinter dem ganzen Geschehen jene Leute gestanden seien, die seine Zusammenarbeit gewünscht hätten. Nach etwa zweieinhalb bis drei Stunden seien sie in XXXX angekommen und ausgestiegen; sein Chef habe ihm gesagt, er wolle nach XXXX in Pakistan fliehen. Der Beschwerdeführer sei mit ihm geflohen; er habe in XXXX einen Onkel mütterlicherseits gehabt. Er habe keine andere Wahl gehabt, da das unislamische Buch in dem Geschäft entdeckt worden sei. Ob sein Chef wirklich mit unislamischen Büchern gehandelt habe oder ob das Buch von jenen Gruppierungen in dem Geschäft versteckt worden sei, habe keine Rolle gespielt. So etwas zu verkaufen, werde in Afghanistan hart bestraft. Man müsse damit rechnen, dass man als konvertierter Christ oder als Ungläubiger bezeichnet werde. Solche Leute würden in Afghanistan hingerichtet.

Auf die Frage, wer ihn von der Polizeistation bzw. aus dem Gefängnis geholt habe, gab der Beschwerdeführer an, das könne er nicht sagen. Der Mann, der seine Augen verbunden und ihn dann in das Fluchtfahrzeug gebracht habe, sei ein uniformierter Polizist gewesen. Es sei möglich, dass "diese Männer" von seinem Chef bezahlt worden seien. Der Chef habe sicher gute Kontakte gehabt. Wer sich in Afghanistan traue, unislamische Bücher zu verkaufen, müsse Unterstützung haben. Wahrscheinlich habe der Chef seine Beziehungen spielen lassen. - Der Beschwerdeführer schilderte, er habe, als er in jenem Zimmer gewesen sei, mehrmals angeklopft. "Die Polizei" habe ihm immer wieder gesagt, dass er warten müsse und dass die Ermittlungen liefen. Schließlich sei jener Polizist aufgetaucht, habe gesagt, dass er ihn zum Auto bringen müsse, und ihm die Augen verbunden. Den Grund dafür kenne der Beschwerdeführer nicht. Im Auto sei nicht gesprochen worden, er habe mit dem Fahrer auch nicht am Ende der Fahrt gesprochen. Nachdem er ausgestiegen sei, sei das Fahrzeug samt Fahrer verschwunden, seine Augen seien noch immer verbunden gewesen. Dann habe er mit seinem Chef gesprochen, und dann sei jemand gekommen und habe sie abgeholt; dieser Mann habe alles mit der pakistanischen Polizei abgesprochen gehabt. Ob sein Chef den Mann gekannt habe, wisse er nicht; beide hätten einander herzlich begrüßt. Die Frage, wie dies alles so genau habe organisiert werden können, da doch der ganze Tag auf einer zufälligen Durchsuchung durch die Polizei basiert habe, beantwortete der Beschwerdeführer damit, er wisse es nicht und habe keine logische Erklärung dafür.

Der Beschwerdeführer machte Angaben zu seiner Situation in Kabul und zu seiner Familie; die Familie sei bis 2012 in XXXX , gewesen; den letzten Kontakt habe er 2011 gehabt, als er noch im Iran gewesen sei. Auch zu anderen Verwandten habe er keinen Kontakt. Der Beschwerdeführer machte wieder Angaben zu seinen Aufenthalten in Italien und in der Bundesrepublik Deutschland; in Italien habe er seine Familie sehr vermisst. Nach seiner Rückkehr nach Afghanistan habe er nach seiner Familie gesucht, sie aber nicht gefunden. Er habe in seinem Dorf XXXX Probleme und habe nicht dorthin zurückkehren können. In der Hauptstadt von XXXX , wo sein Onkel mütterlicherseits ein Geschäft besessen habe, habe er erfahren, dass der Onkel Afghanistan habe verlassen müssen und dass seine Familie seit einem Jahr verschollen sei. Die Taliban hätten ihr Haus niedergebrannt. Der neue Besitzer des Geschäftes - ein Freund und früherer Mirarbeiter seines Onkels - habe dem Beschwerdeführer gesagt, wenn seine Feinde erführen, dass er in Afghanistan sei, dann werde er mit Sicherheit getötet, und zwar auf Grund jener Feindschaft und weil er als Rückkehrer aus Europa als Ungläubiger betrachtet werde. Auf den Vorhalt, er habe bei der Befragung gesagt, dass er nicht mehr zurück nach XXXX gegangen sei, jetzt aber, er habe dort nach seiner Familie gesucht, gab der Beschwerdeführer an, er sei nicht nach Hause zurückgekehrt, also nicht in XXXX gewesen, wohl aber in XXXX . Dies sei ungefähr am 20. oder 21.3.2013 gewesen.

- Der Beschwerdeführer machte noch Angaben zu seinem Reiseweg und zu seinem Leben in Österreich.

Dem Beschwerdeführer wurden Feststellungen des Bundesamtes zur Lage in Afghanistan ausgefolgt und ihm eine Frist für eine Stellungnahme eingeräumt. Am 3.8.2017 erstattete der - rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführer eine Stellungnahme dazu, in der er ua. ausführte, Afghanistan sei kein "sicherer Drittstaat" (gemeint möglicherweise: sicherer Herkunftsstaat). Es sollte zwar die "europäische Menschenrechtkonvention" eingehalten werden (der Europarat führt Afghanistan freilich nicht unter jenen Staaten an, welche die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ratifiziert haben:

https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/005/signatures?p_auth=nVUzJ5Gp), tatsächlich sei dies jedoch nicht der Fall.

Am 14.2.2018 legte der Beschwerdeführer einen Lehrvertrag vor.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wies es den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab (Spruchpunkt II). Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III); gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz BGBl. I 68/2013 und des BG BGBl. I 144/2013 erließ es gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte es fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Weiters sprach es aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

Im angefochtenen Bescheid werden zunächst die Niederschriften der Befragung und der Einvernahmen wörtlich wiedergegeben. Das Bundesamt stellt fest, der Beschwerdeführer stamme aus der Provinz XXXX und habe bis zu seiner letzten Ausreise aus Afghanistan in Kabul gelebt. In Italien sei ihm subsidiärer Schutz gewährt worden, er sei dann aber freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt. Er sei "eine unglaubwürdige Person". Es liege eine Gefährdungslage in Bezug auf seine "unmittelbare Heimatprovinz" vor. Es bestehe aber eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative; er könne seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten.

Sodann trifft das Bundesamt Feststellungen zur Situation in Afghanistan. Beweiswürdigend führt es aus, das Geburtsdatum des Beschwerdeführers sei den Behörden auch mit dem 31.12.2013 und dem 22.12.2013 bekannt. Wie man auf diese Daten hätte kommen sollen, wenn er sie nicht genannt habe, sei unklar. Laut seiner Tazkira sei er 2013 nur 19 Jahre alt gewesen. Eine genauere Altersangabe habe es nicht gegeben. Eine Tazkira könne (gemeint: dürfe) - wie sich aus einer Information der Staatendokumentation ergebe - nur ausgestellt werden, wenn ihr Inhaber persönlich anwesend sei. Der Beschwerdeführer sei aber bei der Ausstellung seiner vorgelegten Tazkira nicht persönlich anwesend gewesen, denn anders sei es nicht zu erklären, dass die Felder mit seiner Personenbeschreibung (die Spalte rechts neben dem Foto) leer geblieben seien und er die Tazkira nicht (unten links) unterschrieben habe. Dass es sich bei der vorgelegten Tazkira um eine Fälschung handle, erkenne man auch aus dem Stempel auf dem Foto. Nur dort sei die Farbe komplett verwischt, während sie auf dem Papier in Ordnung sei. Das Foto sei offensichtlich nachträglich eingefügt worden. Der Beschwerdeführer sei daher "eine absolut unglaubwürdige Person", da er mit verfälschten Papieren operiere. Dasselbe Problem mit dem Stempel gebe es auch bei seinem Führerschein. Daher sei es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer als Fahrer habe tätig sein können. Bei der Befragung sei unter dem Punkt "Letzter ausgeübter Beruf" festgehalten worden, dass er keinen ausgeübt habe. Da er im Lauf der Einvernahme keine Angaben mehr zur angeblichen Arbeit als Reinigungskraft gemacht habe und seine Angaben, er habe als Fahrer und in einer Buchhandlung gearbeitet, nicht glaubhaft seien, sei völlig unklar, welche Arbeit er in Afghanistan gemacht habe. Dass er dennoch gearbeitet habe, stehe außer Frage, da er sein Leben ja habe finanzieren müssen.

Unklar sei, weshalb er bei der Befragung behauptet habe, dass er keine Schule besucht habe. Im Formular (zur Befragung) habe es eine eigene Möglichkeit gegeben, eine Koranschule anzukreuzen. Das sei nicht geschehen. Dennoch habe er in der Einvernahme "überraschend" angegeben, dass er sechs oder sieben Jahre in die Koranschule gegangen sei.

Nicht glaubhaft sei seine Aussage bei der Befragung, dass er noch nie einen Reisepass besessen habe. Anders hätte er 2013 nicht aus Deutschland in die Türkei und dann nach Afghanistan fliegen können. Er habe das nach seinen Angaben freiwillig und ohne behördliche Hilfe getan. Ohne Reisepass sei es nicht möglich, ein Flugzeug zu besteigen. Eine italienische Bestätigung, ein Führerschein oder ein Personalausweis reiche dazu nicht.

Der Beschwerdeführer habe bei der Befragung behauptet, dass er als Reinigungskraft gearbeitet habe. In seinem selbst verfassten Lebenslauf stehe davon kein Wort mehr ("Warum nicht?"), ebenso nicht, dass er in einer Buchhandlung gearbeitet habe.

Bei der Einvernahme am 17.1.2014 habe der Beschwerdeführer, anstatt seine Berufe anzugeben, "völlig kurios" gesagt, er habe in Afghanistan nichts gearbeitet.

Der Beschwerdeführer habe bei der Einvernahme am 17.1.2014 behauptet, dass er sich nach seiner Rückkehr nach Afghanistan nur in Kabul aufgehalten habe und nicht in seine Heimatprovinz XXXX gegangen sei. Bei der Einvernahme am 20.7.2017 habe er jedoch behauptet, er sei in die Hauptstadt dieser Provinz gegangen, um nach seiner Familie zu suchen. Es sei daher "eindeutig belegt", dass er lüge. Weiters habe er im Vergleich zur Befragung seinen Fluchtgrund "massiv gesteigert". In seiner Stellungnahme vom 27.1.2014 behaupte er, dass er gefoltert worden sei. Davon habe er bei der Befragung nichts gesagt. Später heißt es in der Beweiswürdigung, er habe dies weder bei der Befragung noch bei der Einvernahme erwähnt. Eine erlebte Folter vergesse man aber nicht zu erzählen. - Auch von einer Entführung habe er in dieser Stellungnahme gesprochen, während er dann bei der Einvernahme behauptet habe, dass dies eigentlich seine Rettung gewesen sei, da er damit seinen Transport von der Polizeistation zur pakistanischen Grenze gemeint habe.

Als "kurios" müsse man das Schreiben der Firma XXXX vom 21.4.2013 bewerten. Es sei als "Arbeitsangebot" bezeichnet, während im Text zu lesen sei, das Unternehmen sei glücklich, dass der Beschwerdeführer den Arbeitsplatz angenommen habe. Andererseits sei gleich danach zu lesen, dass das Angebot nur zehn Tage gültig sei. Diese Angaben seien völlig widersprüchlich und würfen massive Zweifel an der Echtheit des Schreibens auf. Die Aussage des Unternehmens, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Berufes aufgenommen worden sei, sei "absolut unsinnig", denn der Beschwerdeführer habe zuvor nie einen Beruf ausgeübt und sein Führerschein sei erst am 11.4.2013 ausgestellt worden. Er habe deshalb über keine Fahrpraxis verfügen können. "Zehn Tage später", so die Begründung im Bescheid, "soll man Sie wegen Ihrer unglaublichen beruflichen Qualifikationen im Unternehmen aufgenommen haben?" Das sei nicht plausibel. "Interessant" sei, dass das Datum über der Unterschrift des Firmenvertreters nicht vollständig sei. ("Was für ein Makel.", wird das im Bescheid kommentiert.) "Merkwürdig" sei die Firmenpolitik des Unternehmens: In einem Schreiben sei zu lesen, dass es normalerweise keine Personalunterlagen weiterreiche; da der Beschwerdeführer aber "als einfacher Fahrer (!)" so gute Verbindungen zum Unternehmen habe, mache man eine Ausnahme ("So ein Zufall"). "Bezeichnend" sei, dass der eingescannte Firmenausweis so geschwärzt sei, dass man darauf "genau gar nichts erkennt". Ungereimtheiten gebe es mit den vorgelegten angeblich originalen Personalunterlagen der Firma XXXX . Die Kopien und die Originale seien nicht völlig ident. Dies lasse Zweifel an der Echtheit entstehen. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei den per Post nachgeschickten Unterlagen um nachträglich ausgestellte Papiere handle, die der Beschwerdeführer dann einfach unterzeichnet habe. Das Bundesamt listet die Unterschiede zwischen den beiden Unterlagen im Detail auf. Solche Änderungen seien nicht durch eine minimale Verkleinerung der Kopien zu erklären, da sich dabei die Relationen nicht ändern würden. Es handle sich also nachweisbar um verschiedene Unterlagen. "Kurios" sei, dass der Beschwerdeführer den Zeitraum seiner Tätigkeit bei XXXX nur ungenau habe angeben können (obwohl er Unterlagen darüber habe), während er genau habe sagen können, wann er in der Buchhandlung gearbeitet habe (nämlich vom 8.10.2013 bis zum 13.10.2013; "Wie kann das sein?").

Bei der Befragung sei keine Rede davon gewesen, dass der Beschwerdeführer als Fahrer bei einer Firma gearbeitet und deshalb Probleme bekommen habe. Genau das habe er aber in der Einvernahme behauptet. Diese nachgeschobenen Behauptungen seien "daher per se nicht glaubhaft". Er habe sogar behauptet, dass auf ihn geschossen worden sei und dass er indirekt für die Amerikaner gearbeitet habe. Dies habe er in der Befragung nicht angegeben. Auch diese Behauptungen seien jedoch völlig vage gewesen. Details dazu, dass er bedroht und zu einer Zusammenarbeit aufgefordert worden sei, habe er nicht angeben können. Daher seien diese Behauptungen nicht glaubhaft. Eine weitere Beweiswürdigung könne daher entfallen, da offensichtlich sei, dass der Beschwerdeführer Behauptungen nur nachgeschoben habe. Nur auf Grund der gezielten Fragestellung des einvernehmenden Beamten habe er Details preisgegeben, nicht aber von sich aus; dies sei "symptomatisch" für seine Vorgangsweise. Zu der Angabe des Beschwerdeführers, die in der Niederschrift wie folgt wiedergegeben ist: "Ich sollte diese Sachen mit meinem Fahrzeug dorthin bringen, wohin ich gehe. Sie haben die Militärstützpunkte gemeint." - heißt es beweiswürdigend, die Leute, von denen er spreche, hätten sich (nach seiner Schilderung) unpräzise ausgedrückt. So habe der Beschwerdeführer Dinge im Auto mitnehmen sollen, "dorthin, wo Sie hingegangen wären"; so unpräzise hätte sich aber niemand ausgedrückt. ("So soll Ihnen das gesagt worden sein? So unpräzise, dass kein Mensch sich ausgekannt hätte? Das ist nicht glaubhaft!") Er selbst habe dann eine "Übersetzung" (Anführungszeichen im Original) geliefert und behauptet, dass damit die Militärstützpunkte gemeint gewesen sein. Hätte es diese Männer wirklich gegeben, dann hätten sie auch gesagt, was genau sie vom Beschwerdeführer gewollt hätten, und keine unpräzisen Aussagen gemacht, die er erst "in Eigenregie" der Behörde erklären müsse. Aus seiner Schilderung gehe auch nichts von einem Militärstützpunkt hervor. Es sei nur davon die Rede gewesen, Sachen auf einen Parkplatz zu bringen ("Völlig vage!"). Es bleibe offen, was für ein Parkplatz das gewesen sein solle; wenn er innerhalb einer militärischen Liegenschaft gelegen wäre, hätte man den Beschwerdeführer nicht gebraucht, da man offensichtlich selbst Zugang zur Militärbasis gehabt hätte; wäre er außerhalb des Stützpunktes gelegen, dann hätte man ihn auch nicht gebraucht. Diese Erzählung ergebe keinen Sinn.

Wie der Beschwerdeführer zu seiner Arbeit in einem Buchgeschäft gekommen sei, habe er zunächst "natürlich" auch nicht erklärt. Es sei fraglich, wie jemand, der gerade einmal sieben Jahre in die Koranschule gegangen sei, einen Arbeitsplatz in einer Buchhandlung hätte bekommen sollen. Seine Angaben über Anrufe während seiner Zeit in der Buchhandlung seien reine Behauptungen ("Damit war's auch schon mit der Schilderung des angeblichen Telefonats. Reine Behauptungen Ihrerseits waren das."). Er habe nicht gesagt, wer der Anrufer gewesen sei und warum er angerufen habe. Erst auf weitere Nachfrage habe der Beschwerdeführer behauptet, ihm sei gesagt worden, dass seine Kündigung Konsequenzen haben werde, aber offen gelassen, welcher Art diese Konsequenzen seien. Sein "‚Spiel' mit der Behörde" sei "[v]öllig durchsichtig". Zur Durchsuchung der Buchhandlung durch die Polizei habe er keine Details angegeben, sondern nur Behauptungen in den Raum gestellt. Auf Nachfrage habe er angegeben, dass dort ein christliches Buch gefunden worden sei. Wo das Buch gefunden worden sei, habe er nicht angegeben, ebenso nicht, warum er den Titel des Buches kenne. Wie er "auf die Idee komme", dass ein Buch mit dem Titel "Versuchen wir den richtigen Gott zu entdecken" ein Buch über das Christentum sein solle, habe er auch mit keinem Wort erklärt. Da er das Buch nicht gekannt habe, habe er auch nicht gewusst, was darin gestanden sei. Trotzdem habe er behauptet, dass es ein Buch über das Christentum gewesen sei. Wieso, wird in dem Bescheid gefragt, "nicht ein Buch über den Hinduismus oder eine andere Religion". Aus dem Buchtitel sei das nicht ableitbar. Es werde ganz klar, dass der Beschwerdeführer versuche, mit einer konstruierten Geschichte die Behörden zu täuschen.

Es sei unklar, woher der Beschwerdeführer wissen wolle, dass er bis etwa 23 Uhr in der Polizeistation gewesen sei. Er sage auch nicht, wer der Mann gewesen sei, der ihm die Augen verbunden habe; ob es ein Polizist oder ein Zivilist gewesen sei ("Kein Wort darüber."). "Völlig grundlos" habe man ihm die Augen verbunden ("Wozu hätte das gut sein sollen?"). Man habe ihn ja nur "befreit" (Anführungszeichen im Original), mitten in Kabul, und ihn nicht in irgendein Geheimversteck gebracht. Selbst wenn er "diesen geheimnisvollen Befreier" gesehen hätte, wäre dies gleichgültig gewesen. Es sei nicht vorstellbar, dass er ihn nicht gesehen habe. Weiters habe er nicht angegeben, wer ihm in XXXX die Augenbinde abgenommen habe und wann dies gewesen sei. Die Beweiswürdigung wird mit den Worten fortgesetzt: "Sie stellten lediglich Behauptungen in den Raum, die in keinster Weise nachvollziehbar waren. Da Sie bereits als unglaubwürdige Person eingestuft wurden und auch Ihre Vorgehensweise bei der Behörde das bestätigt hat, ist klar, dass auch die Behauptung, dass Sie in Afghanistan Probleme mit der Polizei gehabt hätten, nicht der Wahrheit entspricht." Der Beschwerdeführer habe auch nicht gesagt, was die Polizei mit ihm in den Stunden der Haft gemacht habe. Offenbar habe es keine Vorwürfe und auch keine Prügel gegeben. "Wie in einem James Bond Film" habe ihn dann "eine anonyme Person einfach so aus einer Polizeistation holen können". Er habe nicht einmal angegeben, ob er dort in einer Zelle gesessen sei. Anscheinend müsse eine mächtige, vielleicht christliche Organisation dahinter gesteckt haben. Anstatt detailreich zu schildern, habe der Beschwerdeführer nur vage Behauptungen in den Raum gestellt. Der einvernehmende Beamte habe alles erfragen müssen. Durch seine gezielten Fragen habe er dem Beschwerdeführer aber "quasi schon die Richtung vorgegeben, quasi die passenden Antworten eingeholt". Auf Grund dieser Vorgangsweise sei das Vorbringen des Beschwerdeführers ebenso unglaubhaft. Erst durch die gezielte Fragestellung habe er all die Einzelheiten vorbringen können, die er eigentlich von selbst hätte sagen müssen. Ein Polizist habe ihm die Augen verbunden; er hätte sich nicht dagegen gewehrt, obwohl eine solche Maßnahme sehr ungewöhnlich gewesen sei. Sogar ohne Papiere und ohne Visum habe er nach Pakistan kommen können; das sei nicht glaubhaft. Sein Chef hätte das nie so schnell organisieren können, zumal da er ja selbst von der Polizei verhaftet worden sei. Der Beschwerdeführer stelle die Lage so dar, als ob er für ein mächtiges Netzwerk gearbeitet habe, das unglaubliche Möglichkeiten gehabt hätte. "Jemand, der christliche Bücher verkaufen würde, wäre aber genau das Gegenteil davon." In Afghanistan gebe es wenig Interesse an solcher Literatur, mit der also kein gutes Geschäft zu machen gewesen wäre, sodass es kein Netzwerk geben könne, das so mächtig wäre.

Die Geschichte des Beschwerdeführers basiere nur auf Zufälligkeiten:

Zufällig habe er im Flugzeug jemanden kennengelernt, zufällig sei gerade er in Probleme geraten. Sein Vorbringen sei völlig vage und zudem unplausibel. Seine "Vorgehensweise bei der Behörde bestätigt das mit jeder Silbe", die er gesagt habe: Dinge in den Raum zu stellen, keine Details zu nennen und auf Nachfrage passende Antworten zu liefern ("So haben Sie das gemacht.").

Die in der Befragung behaupteten Probleme mit XXXX , von denen er nie wieder etwas gesagt habe, seien nicht glaubhaft. Es sei "völlig absurd", dass jemand einem damals 17-jährigen vorwerfe, die Taliban mit Waffen zu versorgen. Daher sei es nicht glaubhaft, dass die Familie des Beschwerdeführers Feinde habe, "wahrscheinlich" lebe sie sogar noch im Heimatort. Bei der Befragung habe der Beschwerdeführer nur spekuliert und gemeint, es könne sein, dass seine Familie XXXX wegen geflohen sei. Bei der Einvernahme habe er dann "völlig überraschend" erklärt, dass das Haus seiner Familie von den Taliban niedergebrannt worden sei. Dies sei eine massive Steigerung.

Rechtlich folgert das Bundesamt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Weiters verneint es, dass der Beschwerdeführer iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bedroht oder gefährdet sei, begründet abschließend seine weiteren Aussprüche.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 24.4.2018 zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters zugestellt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde vom 22.5.2018.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

Gemäß § 73 Abs. 11 und 12 AsylG 2005 idF des FNG und des FNG-Anpassungsgesetzes ist § 10 AsylG 2005 idF des FNG und des FNG-Anpassungsgesetzes mit 1.1.2014 in Kraft getreten.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz und des BG BGBl. I 144/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

1.2. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

2. Gemäß § 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, Art. 1 BG BGBl. I 33/2013 (in der Folge: VwGVG), idF BG BGBl. I 122/2013 ist das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits kundgemacht waren, unberührt. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG - wie die vorliegende - das AVG mit Ausnahme seiner §§ 1 bis 5 und seines IV. Teiles, die Bestimmungen weiterer, hier nicht relevanter Verfahrensgesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, welche die Verwaltungsbehörde in jenem Verfahren angewandt hat oder anzuwenden gehabt hätte, das dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangen ist. Dementsprechend sind im Verfahren über die vorliegende Beschwerde Vorschriften des AsylG 2005 und des BFA-VG idF des Art. 2 FNG-Anpassungsgesetz und des BG BGBl. I 144/2013 anzuwenden.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - und somit auch das Bundesverwaltungsgericht - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Verwaltungsbehörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde "unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens" widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Verwaltungsbehörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BGBl. I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine andere als die Zuständigkeit des Einzelrichters ist für die vorliegende Rechtssache nicht vorgesehen, daher ist der Einzelrichter zuständig.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2011 Nr. L 337/9 [Statusrichtlinie - Neufassung] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.3.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10)

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031; 6.11.2009, 2008/19/0012; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 28.5.2009, 2008/19/1031; 12.11.2014, Ra 2014/20/0069; 6.9.2018, Ra 2018/18/0121). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

1.2. Das Bundesamt hat seine Feststellungen auf eine Beweiswürdigung gestützt, die nicht haltbar ist. Dies beginnt bereits mit den Anmerkungen zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass das Bundesamt mit den beiden Daten aus dem Dezember 2013 tatsächlich solche aus 1993 gemeint hat. Die Abweichungen von dem sonst angegebenen Datum XXXX sind marginal. Es ist bekannt, dass in Afghanistan Geburtsdaten nicht allgemein sofort registriert, sondern erst bei späterer Gelegenheit festgelegt oder geschätzt werden. Unter diesen Umständen können derartige Unterschiede die Glaubwürdigkeit einer Person nicht maßgeblich beeinträchtigen. Das gilt auch für die weitere Bemerkung, es habe keine genauere Altersangabe gegeben als jene seiner Tazkira, wonach er 2013 nur 19 Jahre alt gewesen sei. Dass Personen ohne - ungefälschten - Führerschein in einem Staat wie Afghanistan nicht als Fahrer arbeiten können, wie das Bundesamt weiter folgert, bedürfte einer genaueren Überlegung.

Ferner meint das Bundesamt, die Menschen, die den Beschwerdeführer während seiner Tätigkeit als Fahrer angesprochen hätten, hätten sich nie derart unpräzise ausgedrückt, wie er dies wiedergegeben habe. Es ist aber nicht klar, ob der Beschwerdeführer wirklich die Ausdrucksweise jener Personen zu Protokoll hat geben wollen oder ob er ihre Aussagen nicht selbst zusammengefasst hat, was vom Bundesamt sodann als "Übersetzung" bezeichnet wird, die er "in Eigenregie" geliefert habe. - Dass bewaffnete Gruppen, wie das Bundesamt weiter meint, jedenfalls darauf verzichten würden, unbeteiligte Menschen zu Hilfsleistungen - wie hier zu einem Transport - heranzuziehen, da sie selbst über die nötigen Kapazitäten verfügten, ist bloße Spekulation, ebenso wie die Annahme, dass sie überhaupt über diese Kapazitäten verfügen. Bewaffnete Gruppen können unterschiedliche Gründe haben, andere Menschen in ihre Machenschaften zu verstricken, etwa um sie zu weiterer Zusammenarbeit zu erpressen oder sie überhaupt für sich zu gewinnen; ebenso ist es durchaus möglich, dass sie nicht über ausreichend Personal verfügen, um alle Tätigkeiten selbst durchzuführen, wie hier den Transport.

Dem Bundesamt ist nicht klar, weshalb der Beschwerdeführer aus einem bestimmten Buchtitel den Schluss gezogen haben kann, dass es sich um ein christliches Buch gehandelt habe. Nach der Niederschrift hat der Beschwerdeführer dies freilich nicht angegeben, sondern behauptet, die Polizei habe diesen Schluss gezogen bzw. dies möglicherweise dem Buch selbst entnommen.

Dass ein Polizist, der Gefangene befreit, dies nicht vor seinen Kollegen offenlegt und daher möglicherweise einen Gefangenentransport vortäuscht, könnte erklären, weshalb er dem Beschwerdeführer nach dessen Behauptung die Augen verbunden hat. Es geht jedenfalls nicht an, den Mangel einer Erklärung dafür ohne Weiteres dahin zu würdigen, dass die Aussage falsch sei. (Der Vorwurf des Bundesamtes, der Beschwerdeführer habe kein Wort darüber verloren, ob der Mann, der ihm die Augen verbunden habe, ein Polizist oder ein Zivilist gewesen sei, trifft nicht zu, hat der Beschwerdeführer doch ausdrücklich angegeben: "Der Mann, der meine Augen verbunden hat, war ein uniformierter Polizist.") Das Bundesamt bezweifelt auch, dass man ohne Papiere und ohne Visum von Afghanistan nach Pakistan gelangen kann. Tatsächlich zeigt aber die tägliche Arbeit der Asylbehörden, dass man ohne Papiere und ohne Visum sogar nach Österreich gelangen kann.

Die Probleme mit XXXX hat der Beschwerdeführer nicht mehr als Auslöser für seine zweite Flucht genannt. Trotzdem sei auch hier darauf hingewiesen, dass die Einschätzung, es sei "völlig absurd", dass jemand einem damals 17-jährigen vorwerfe, die Taliban mit Waffen zu versorgen, auf Spekulation beruht.

Aus der oben referierten Zusammenfassung der Beweiswürdigung des Bundesamtes ergibt sich, dass sie von Äußerungen durchsetzt ist, die auf mangelnde Sachlichkeit hinweisen. Aus diesen - oben meist in Anführungszeichen gesetzten - Passagen sei nur der Vergleich mit einem James-Bond-Film herausgegriffen. Angaben, deren Glaubwürdigkeit das Bundesamt bezweifelt, werden als "kurios", "interessant", "merkwürdig", "bezeichnend", "völlig absurd" oder "absolut unsinnig" bezeichnet oder mit Ausdrücken wie "Was für ein Makel" oder "So ein Zufall" kommentiert oder mit den Worten gewürdigt, der Beschwerdeführer wolle der Behörde etwas "vorgaukeln". Dass er keine Erklärung für einen bestimmten Umstand liefert, wird einmal als "natürlich" bezeichnet. Die Vorgangsweise des Beschwerdeführers, selbst weniger an Einzelheiten zu erzählen, sondern auf Fragen zu antworten (nach Ansicht des Bundesamtes ist dies "symptomatisch" für seine Vorgangsweise), kann durchaus auf einer persönlichen Disposition oder auf der konkreten Einvernahmesituation beruhen. Der Verfasser des Bescheides hat aber nach der Aktenlage den Beschwerdeführer gar nicht gekannt, jedenfalls die Einvernahme nicht selbst durchgeführt. Möglicherweise beruhen auch darauf einige der nicht nachvollziehbar erscheinenden Schlussfolgerungen.

Weiters geht es nicht an, bereits aus der - wie das Bundesamt annimmt - gefälschten Tazkira zu schließen, dass der Beschwerdeführer "eine absolut unglaubwürdige Person" sei und darauf die weitere Beweiswürdigung aufzubauen, dh. weitere Aussagen des Beschwerdeführers im Lichte dieser Annahme zu würdigen (etwa mit dem Satz: "Da Sie bereits als unglaubwürdige Person eingestuft wurden und auch Ihre Vorgehensweise bei der Behörde das bestätigt hat, ist klar, dass auch die Behauptung [...] nicht der Wahrheit entspricht"). In diesen Zusammenhang gehört auch die Einschätzung des Bundesamtes, in der Einvernahme - gegenüber der Befragung - nachgeschobene Behauptungen seien "per se nicht glaubhaft" und eine weitere Beweiswürdigung könne daher entfallen, ebenso die Formulierung, das "Spiel" (Anführungszeichen im Original) des Beschwerdeführers "mit der Behörde" sei "[v]öllig durchsichtig".

Schließlich wirft das Bundesamt dem Beschwerdeführer vor, keine Details zu Fragen zu geben, wo man sie billigerweise nicht erwarten kann oder wo dies zumindest näherer Untersuchung bedürfte. Dies gilt etwa für die Frage, wer ihn eigentlich in der Buchhandlung angerufen hat, warum er dies getan hat und welcher Art die Konsequenzen sein würden, mit denen man ihm gedroht habe. Dass sich der Anrufer identifiziert oder die angedrohten Konsequenzen präzisiert, ist nicht selbstverständlich.

2.1. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Verwaltungsbehörde zurückverweisen, wenn sie notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ua. ausgesprochen:

"Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden [...].

Das Vorgesagte ist auch für die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen maßgeblich. Der Rechtsanspruch eines von einer Entscheidung Betroffenen auf die Beachtung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit erfasst angesichts des in § 28 VwGVG verankerten Systems auch die Frage, ob das Verwaltungsgericht seine Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache selbst dem § 28 VwGVG konform wahrnimmt. Das Verwaltungsgericht hat daher insbesondere nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 VwGVG verneint bzw wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht [...]." (VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063; dem folgend VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 31.10.2014, Ra 2014/08/0011; uva.)

2.2. Im Beschwerdefall liegen die Voraussetzungen dafür vor, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen:

Das Bundesamt hat zwar grundsätzlich geeignete Ermittlungsschritte gesetzt, jedoch im Ergebnis, wie die Beweiswürdigung zeigt, bloß ansatzweise ermittelt. Indem es Teile des Vorbringens in einer, wie es zumindest den Anschein hat, nicht unvoreingenommenen Weise gewürdigt und ständig auf die grundsätzliche Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers verwiesen hat, die, wie es einmal heißt, eine weitere Beweiswürdigung überflüssig mache (wörtlich: sie könne entfallen), muss von einer krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücke ausgegangen werden. Sie kommt möglicherweise auch dadurch zustande, dass der Bescheidverfasser den Beschwerdeführer nicht persönlich gekannt hat und überdies die protokollierten Aussagen würdigt, ohne die konkrete Einvernahmesituation zu kennen. (Gerechtfertigt wird dies in einem Aktenvermerk vom 3.4.2018 - dem Tag vor der Genehmigung des angefochtenen Bescheides - damit, der Akt sei durch eine "organisatorische Maßnahme [...] in die Zuständigkeit der RD XXXX " gelangt. Da das Vorbringen weder glaubhaft sei noch insofern Relevanz vorliege, "als eine Schutzgewährung ansatzweise möglich wäre", habe der Fall dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Organwalter zugewiesen werden können; dies umso mehr deshalb, "als das vormals gültige Unmittelbarkeitsprinzip mit dem FrÄG 2015" gefallen sei und "somit rechtlich nichts gegen den Entscheiderwechsel" spreche. Gemeint ist der Entfall des vorletzten Satzes in § 19 Abs. 2 AsylG 2005 durch Art. 3 Z 21 Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 BGBl. I 70.)

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W199.2196961.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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