TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/20 W102 2144620-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.09.2019

Norm

BFA-VG §7 Abs1 Z3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46 Abs1 Z3
VwGVG §35

Spruch

W102 2144620-1/12E

W102 2144619-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan und 2. XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, beide XXXX , wegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Abschiebung [Überstellung] am 02.12.2016) zu Recht:

A) I. Die Beschwerde wird gemäß § 46 Abs.1 Z 2 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 iVm § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer, verheiratet und beide afghanische Staatsangehörige, reisten von der Schweiz kommend in Österreich ein, wo sie am 30.04.2016 Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 13.05.2016 auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung; In der Folge: Dublin III-VO) gestützte Wiederaufnahmegesuche an die Schweiz, worauf die Schweiz mitteilte, die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer währen mit Verfügung vom 27.04.2016 nach Kroatien weggewiesen worden, zuvor hätten die kroatischen Behörden nicht innerhalb der festgelegten Frist auf das Aufnahmeersuchen der Schweiz Stellung genommen.

Am 24.05.2016 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestützte Wiederaufnahmegesuche an Kroatien. Mit Schreiben vom 21.06.2016 stimmte Kroatien der Wiederaufnahme der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers zu.

2. Mit Bescheiden vom 05.09.2016 wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers auf internationalen Schutz nach niederschriftlicher Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.07.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO Kroatien für die Prüfung der Anträge zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass die Abschiebung nach Kroatien zulässig sei. Gegen diesen Bescheid erhoben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer am 19.09.2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerdevorlage langte am 30.09.2016 am Bundesverwaltungsgericht ein. Die aufschiebende Wirkung wurde den Beschwerden nicht zuerkannt.

3. Am 30.11.2016 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG i.V.m. § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG sowie einen Abschiebeauftrag. Der Zweitbeschwerdeführer wurde am 30.11.2016 um 17:15 in seiner und die Erstbeschwerdeführerin am 30.11.2016 um 17:30 in ihrer Unterkunft festgenommen und in das PAZ Wien Roßauer Lände verbracht. Am 02.12.2016 wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer auf dem Luftweg (Flug OS 681, Abflug: 02.12.2016, 7:00 Uhr) nach Zagreb, Kroatien überstellt. Besondere Vorkommnisse sind im Bericht über erfolgte Abschiebung nicht vermerkt.

4. Mit am 13.01.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachten Schriftsatz erhoben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer Maßnahmenbeschwerde gegen die am 02.12.2016 vorgenommene Überstellung bzw. Abschiebung nach Kroatien. Begründend führen sie zusammengefasst aus, die Abschiebung sei trotz durchsetzbarer Anordnung zur Außerlandesbringung nach Kroatien im Hinblick auf ein vom Obersten Gerichtshof der Republik Slowenien am 13.09.2016 an den EuGH gestelltes Vorabentscheidungsersuchen (registriert zur Zahl C-490/16) betreffend die Frage der "illegalen" Einreise i.S.d. Art. 13 Dublin III-VO im Zuge der "Massenfluchtbewegung" über die "Westbalkanroute" rechtswidrig gewesen. Wegen dieses Vorabentscheidungsersuchens liege keine "acte claire"-Konstellation mehr vor. Diese Rechtsfrage sei auch für die Zuständigkeitsentscheidung in den Verfahren der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers maßgeblich. Daher sei die Abschiebung während des anhängigen Verfahrens vor dem EuGH entsprechend dem Grundsatz des "effet utile", aus dem sich die unionsrechtliche Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens ergebe, jedenfalls unzulässig gewesen.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Feststellung, dass die am 02.12.2016 vorgenommene Abschiebung bzw. Überstellung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers rechtswidrig war, sowie Kostenersatz.

Mit Schreiben vom 10.02.2017 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht "Länderbericht Kroatien" und eine Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation zu "Kroatien, Organisation des ‚Flüchtlingstransportes' durch Kroatien zwischen 11.2015 und 05.2016" von 07.02.2017 und gewährte eine Frist zur Stellungnahme.

Am 25.02.2017 langte eine Stellungnahme der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein, in der ausgeführt wird, die vom Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Anfragenbeantwortung würde bestätigen, dass es sich bei der Anreise nach Kroatien und Durchreise nach Slowenien und weiter nach Österreich im Sinne der Entscheidung des VwGH vom 16.11.2016, Ra 2016/18/0172 um "staatlich organisierte Maßnahmen gehandelt hat, die mit jenen ident oder vergleichbar sind", die dem zur Zahl C-490/16 registrierten Vorabentscheidungsersuchen des slowenischen Höchstgerichts und dem zur Zahl 646/16 registrierten Ersuchen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes zugrunde liegen.

5. Mit Erkenntnis vom 15.03.2017, W161 2135967-1/12E und W161 2135968-1/12E wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen die Bescheide vom 05.09.2016 erhobenen Beschwerden mit der Maßgabe, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 Kroatien für die Prüfung der Anträge zuständig sei, ab und sprach aus, dass die Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

6. Am 09.09.2019 stellten die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer Fristsetzungsanträge im gegenständlichen Verfahren.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich zweifelsfrei und unbestritten aus den Akten zu den gegenständlichen Verfahren sowie zu den Verfahren W161 2135967-1 und W161 2135968-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde (Spruchpunkt I.):

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen die "Überstellung bzw. Abschiebung nach Kroatien" und stützt sich zur Begründung der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich auf § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG, demzufolge das Bundesverwaltungsgericht unter anderem über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 7. Hauptstück des FPG entscheidet. Im 7. Hauptstück findet sich auch der mit "Abschiebung" übertitelte § 46 FPG. Demnach ist es (auch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) zulässig, im Wege einer Beschwerde gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt die Rechtsmäßigkeit einer Abschiebung durch das Bundesverwaltungsgericht prüfen zu lassen (zuletzt VwGH 29.05.2018, Ro 2018/21/0003 m.w.N.).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist, da Prozessgegenstand des Verfahrens über eine Maßnahmenbeschwerde die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ist, jene Sach- und Rechtslage maßgebend, die im Zeitpunkt der Setzung des Verwaltungsaktes bestand (zuletzt VwGH 26.06.2018, Ra 2016/05/0081).

Nach § 46 Abs. 1 Z 3 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 sind Fremde, gegen die eine Außerlandesbringung durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beinhaltet die Anordnung zur Außerlandesbringung einen Ausreisebefehl in einen "Mitgliedstaat", der in der Anordnung zur Außerlandesbringung konkret zu benennen ist (VwGH 24.03.2015, Ra 2015/21/0004), wobei die Durchsetzbarkeit auch die Verpflichtung zum unverzüglichen Verlassen des Bundesgebiets auslöst (Vgl. Szymanski in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 46 FPG 2005 [Stand 1.3.2016, rdb.at] Anm. 2). § 46 FPG sieht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch auch bei Vorliegen der dort genannten Bedingungen keine unbedingte Abschiebungsverpflichtung vor (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089 m. w.N.).

Nach § 16 Abs. 2 Z 3 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 24/2016 kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird, die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt. Nach Abs. 4 leg. cit. ist eine Entscheidung, mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, durchsetzbar, wenn einer Beschwerde gegen die Entscheidung die aufschiebende Wirkung nicht zukommt. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist bis zum Ende der Rechtsmittel zuzuwarten, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage.

Verfahrensgegenständlich langte die Beschwerdevorlage am 30.09.2016 am Bundesverwaltungsgericht ein und wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt. Folglich war die Anordnung zur Außerlandesbringung im Zeitpunkt der Abschiebung durchsetzbar i. S.d. oben zitierten Bestimmung. Weiter wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.11.2016 neben einem Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 2 BFA-VG auch ein Abschiebeauftrag erlassen, aufgrund dessen die Abschiebung durchgeführt wurde. Hinsichtlich dieser Punkten wird in der Maßnahmenbeschwerde auch nichts Anderes behauptet.

Zu den in der Beschwerde ausgeführten Rechtsfragen hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren mit ähnlich gelagertem Sachverhalt bereits entschieden.

Hinsichtlich des Argumentes, es liege keine "acte claire"-Konstellation mehr vor, nachdem der Oberste Gerichtshof der Republik Slowenien sein Vorabentscheidungsersuchens vom 13.09.2016 (registriert zu C-490/16) eingelegt habe, verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seinen Beschluss vom 07.09.2016, Ra 2016/19/0160 u.a., dem implizit die Auffassung eines nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtenden "acte claire" zugrunde liege und der zum Ergebnis kommt, dass die Einreise im Zuge der "Massenfluchtbewegung" über die "Balkanroute" ungeachtet der geübten Verwaltungspraxis als unrechtmäßig i.S.d. Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO anzusehen sei. Im Beschluss vom 14.12.2016, Ra 2016/19/0303 u. a., habe der Verwaltungsgerichtshof sodann - wegen der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Union - eine davon abweichende Position eingenommen und ein (eigenes) Vorabentscheidungsersuchen (registriert zu C-646/16) zur Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO an den EuGH gestellt. Erst aufgrund dieses Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes hätte auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl konkrete Zweifel an der bisherigen Auslegung des Art. 13. Abs. 1 Dublin III-VO haben müssen und musste insbesondere auch nicht davon ausgehen, dass die Bescheide vom 05.09.2016 offensichtlich gegen Unionsrecht verstoßen (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089).

Angesichts der gegenständlich am 02.12.2016 erfolgten Abschiebung hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Berücksichtigung der oben zitierten Judikatur in diesem Zeitpunkt noch keinen ausreichenden Anlass für Zweifel an der Unionsrechtskonformität der den durchsetzbaren Bescheiden vom 05.09.2016 zugrundliegenden Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO.

Hinsichtlich des Argumentes, dass trotz durchsetzbarer Anordnung zur Außerlandesbringung dem Grundsatz des "effet utile" entsprechend der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens hätte abgewartet werden müssen, bevor eine Abschiebung hätte erfolgen dürfen, ist der schon zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu entnehmen, dass ein solches Vorabentscheidungsersuchen nur in dem - noch nicht endgültig erledigten - Verfahren zu berücksichtigen ist, in dem die den Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens bildende Norm anzuwenden ist. Die in der Beschwerde ins Treffen geführten Erkenntnisse (VwGH 16.11.2016 Ra 2016/18/0172 u.a. und VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0224), denen zufolge das Bundesverwaltungsgericht den Ausgang des slowenischen Vorabentscheidungsverfahrens zu C-490/16 abzuwarten hat, wenn die Ein- bzw. Durchreise sich auf die gleiche Weise gestalte hat, betreffen in ihrer Aussage nur die "Durchführung des Dublin-Verfahrens" und lassen sich nicht auf "die Abschiebung aufgrund rechtskräftiger Dublin-Bescheide" übertragen (VwGH Ra 2017/21/0089).

Verfahrensgegenständlich waren die "Dublin-Verfahren" der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers zu den GZ W161 2135967-1 und W161 2135968-1 im Zeitpunkt der Abschiebung noch vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig. Die Anordnung der Außerlandesbringung war jedoch - wie bereits ausgeführt - gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG durchsetzbar, was in der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde auch nicht in Zweifel gezogen wurde.

Auch handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Maßnahmenbeschwerde um ein subsidiäres Rechtsmittel, das nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtes dient (VwGH 19.01.2016, Ra 2015/01/0133 m.w.N.). Folglich waren die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer darauf verwiesen, ihre unionsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO sowie der Rechtsmäßigkeit der mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2016 getroffenen Zuständigkeits- bzw. Zulässigkeitsentscheidungen im (damals noch anhängigen) "Dublin-Verfahren" geltend zu machen und haben dies - soweit ersichtlich - auch getan. Allfällige Rechtswidrigkeiten in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hätten sodann im Wege der Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof herangetragen werden können. Die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2017, mit denen die Bescheidbeschwerden im "Dublin-Verfahren" als unbegründet abgewiesen wurden, wurden im Übrigen nicht weiter bekämpft.

Hinsichtlich der Ausführungen der Beschwerde, dass es sich bei der Überstellung um eine Handlung handle, die nicht rückgängig gemacht werde könne, ist im Übrigen auf Art. 29 Abs. 3 Dublin III-VO hinzuweisen, demzufolge der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die Person unverzüglich wiederaufnimmt, wenn einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellungsentscheidung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird. Auch Nach § 21 Abs. 5 BFA-VG ist die Wiedereinreise unter einem zu gestatten, wenn die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung nicht rechtmäßig war, sofern der Fremde sich zum Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält. Im Fall der Stattgebung der Beschwerde im im Zeitpunkt der Abschiebung noch anhängigen "Dublin-Verfahren" hätte Österreich die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer diesen Bestimmungen entsprechend wiederaufgenommen bzw. die Wiedereinreise gestattet, wodurch die Überstellung "rückgängig gemacht" wäre.

Letztlich ist auch festzuhalten, dass die in der verfahrensgegenständlichen Maßnahmenbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zwischenzeitig mit Urteilen des EuGH vom 26.07.2017, C-490/16, A. S. und C-646/16, Jafari, abschließend geklärt wurden. So sprach der EuGH aus, dass ein Drittstaatsangehöriger die Grenze "illegal" i.S.d. Art. 13. Abs. 1 Dublin III-VO überschritten hat, wenn er die in einem Mitgliedstaat grundsätzlich geforderten Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt, ihm aber die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gestattet wird, damit er in einen anderen Mitgliedstaat weiterreisen und dort einen Antrag auf internationalen Schutz stellen kann. Dies unabhängig davon, ob das Überschreiten der Grenze geduldet, unter Verletzung der einschlägigen Vorschriften gestattet oder aus humanitären Gründen unter Abweichung von den für Drittstaatsangehörige grundsätzlich geltenden Einreisevoraussetzungen gestattet wird. Dass das Überschreiten der Grenze in einer Situation erfolgte, die durch die Ankunft einer außergewöhnlich hohen Zahl internationalen Schutz begehrender Drittstaatsangehöriger gekennzeichnet ist, kann keinen Einfluss auf die Auslegung oder die Anwendung von Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO haben (insbesondere EuGH 26.07.2017, C-646/16, Jafari, Rn. 92 und 93). Hier ist dies jedoch für die Rechtsmäßigkeit der Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers nicht relevant, nachdem diese Frage wie bereits ausgeführt Gegenstand des Dublin-Verfahrens war, während verfahrensgegenständlich die Frage ist, ob mit der Abschiebung unabhängig vom letztendlichen Auslegungsergebnis des EuGH zuzuwarten war, bis die beiden eben zitierten Urteil des EuGH ergangen sind.

Insgesamt hat sich im Verfahren nicht ergeben, dass die von Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführer behauptete Rechtswidrigkeit der Abschiebung aus den vorgebrachten Gründen vorliegt und waren im Verfahren sonst keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Abschiebung ersichtlich. Insbesondere lässt sich dem Bericht der Abschiebung entnehmen, dass die Abschiebung ohne besondere Vorkommnisse verlief und wurden sonstige Rechtswidrigkeiten nicht vorgebracht. Folglich war die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

3.2. Kosten (Spruchpunkt II.):

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer beantragten mit ihrer Beschwerde den Ersatz der Kosten des Verfahrens im gesetzlichen Ausmaß.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG ist die Behörde unter anderem dann obsiegende und der Beschwerdeführer unterlegene Partei, wenn die Beschwerde abgewiesen wird.

Nachdem die Beschwerde mit gegenständlichem Erkenntnis abgewiesen wurde, war auch der Antrag der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers auf Kostenersatz spruchgemäß abzuweisen.

Nach § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandsersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Ein diesbezüglicher Antrag der belangten Behörde ist nicht aktenkundig, weswegen ihr keine Kosten zuzusprechen waren.

3.3. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Eine mündliche Verhandlung konnte gegenständlich ungeachtet des Parteienantrages gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG unterbleiben. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt war gegenständlich nicht klärungsbedürftig (VwGH 05.07.2019, Ra 2019/01/0229) und unstrittig, insbesondere wurde in der Beschwerde kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes Vorbringen erstattet. Auch war es zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen nicht notwendig, sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen (VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0105).

Auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC stehen dem Absehen von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet des Parteiantrags nicht entgegen, nachdem der entscheidungswesentliche Sachverhalt feststand und Fragen der Beweiswürdigung nicht auftreten konnten (VwGH 08.04.2019, Ra 2018/03/0081 m.w.N.).

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 vorliegt. Die verfahrensgegenständlich aufgeworfenen Rechtsfragen wurden im unter 3.1. zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089) eindeutig beantwortet.

Schlagworte

Abschiebung, Befehls- und Zwangsgewalt, Kostentragung,
Maßnahmenbeschwerde, Überstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W102.2144620.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten