TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/24 W166 2199864-1

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Veröffentlicht am 24.09.2019
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Entscheidungsdatum

24.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W166 2199864-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der damals minderjährige Beschwerdeführer stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.08.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz. Über diesen hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 16.03.2017, Zahl: XXXX , dahingehend entschieden, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 16.03.2018 erteilt worden ist. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde der Antrag abgewiesen.

Am 11.12.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.

Das BFA erkannte aus diesem Anlass - nach einer niederschriftlichen Einvernahme am 23.05.2018 - dem Beschwerdeführer mit gegenständlich angefochtenem Bescheid (in Spruchpunkt I.) den Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen ab. Unter einem wurde die mit Bescheid vom 16.03.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), die Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für zulässig erklärt (Spruchpunkt V.) und eine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde hinsichtlich Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die subjektive Lage im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert hätte, indem nun eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung stehe. Des Weiteren sei der Beschwerdeführer inzwischen volljährig und könne demnach, auch wenn er auf sich alleine gestellt sei, seinen Lebensunterhalt bestreiten. Gerade darin liege der Unterschied zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt. Damals habe ihm nicht zugemutet werden können, die schwierigen Bedingungen in Zusammenhang mit den Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreitet, in Kauf zu nehmen. Er habe im Verfahren glaubhaft gemacht, arbeitsfähig und gesund zu sein. Zu den weiteren Spruchpunkten wurde unter anderem ausgeführt, dass er in Österreich über keine Verwandtschaft verfüge, weshalb mit einer Rückkehrentscheidung nicht in sein Familienleben eingegriffen werde. Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration seiner Person in Österreich rechtfertigen würden.

Der Beschwerdeführer erhob durch seinen bevollmächtigten Vertreter innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen diese Entscheidung. In dieser wurde unter anderem ausgeführt, dass die Argumentation der belangten Behörde, die subjektive Lage des Beschwerdeführers hätte sich aufgrund der nunmehrigen Volljährigkeit wesentlich geändert, dem bisherigen Verfahrensgang widerspreche. Die belangte Behörde sei, bereits zum Entscheidungszeitpunkt am 16.03.2017 - entgegen den Tatsachen - von der Volljährigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen und sei diese Annahme auch in eklatanten Widerspruch des von der Behörde damals eingeholten Gutachtens zur Altersfeststellung gestanden. Dieser Fehler sei der Behörde nicht nur in ihrer Beweiswürdigung des Bescheides vom 16.03.2017 unterlaufen, sondern habe sie auch in ihrer rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt II. keinerlei Ausführungen zur damaligen Minderjährigkeit des Beschwerdeführers getätigt. Es widerspreche daher völlig den Tatsachen, wenn die belangte Behörde nunmehr behaupte, dass gerade die fehlende Volljährigkeit zum Entscheidungszeitpunkt am 16.03.2017 der Grund für die Gewährung des subsidiären Schutzes gewesen sei. Somit sei es im Hinblick auf das Alter des Beschwerdeführers jedenfalls nicht nachvollziehbar, dass die Behörde nunmehr argumentiere, die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten würden nicht mehr vorliegen. Weiters habe die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 16.03.2017 begründet, dass einerseits die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz (Kapisa) des Beschwerdeführers als nicht ausreichend stabil zu bewerten sei und nicht ersichtlich sei, wie der Beschwerdeführer andererseits in einem der übrigen Landesteile in der Lage sein soll, für sich - ohne familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte -eine ausreichende Lebensgrundlage zu schaffen. Eine Änderung des Sachverhaltes sei nicht ersichtlich.

Des Weiteren wurde in der Beschwerde zur Sicherheitslage in Afghanistan ausgeführt und darauf hingewiesen, dass diese in weiten Teilen weiterhin problematisch sei und sich auch teils verschlechtert habe.

Am 03.07.2018 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt samt Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor. Der Bescheid vom 16.03.2017 wurde nach Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich - in einer Gesamtbetrachtung des Landes - seit 2017 weder substanziell noch nachhaltig verbessert. In einzelnen Provinzen ist es allerdings zu derartigen Verbesserungen gekommen, in anderen wiederum hat es substanzielle Verschlechterungen der Sicherheitslage gegeben. Die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers ist weiterhin - unverändert seit 2017 - nicht hinreichend sicher für eine Rückkehr.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Kapisa, Distrikt XXXX , dem Dorf XXXX und sind in diesem Provinzteil regierungsfeindliche Gruppierungen - zu denen die Taliban und IS zählen - aktiv (LIB der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 04.06.2019, S. 162).

Im Bescheid vom 16.03.2017 wurde in der Beweiswürdigung - entgegen den getroffenen Feststellungen mit dem Geburtsdatum des Beschwerdeführers am XXXX - von der Volljährigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen. Die Begründung für das Vorliegen der Voraussetzungen zur Gewährung von subsidiären Schutz stützte die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 16.03.2017 im Wesentlichen auf die folgende Argumentation:

"Anhand der im Verfahren herangezogenen Länderdokumente ist derzeit die allgemeine Sicherheitslage in ihrer Herkunftsprovinz Kapisa aufgrund der derzeitigen Unruhen in jüngster Zeit nicht als ausreichend stabil zu bewerten.

Darüber hinaus verfügen Sie an keinem anderen Ort in Afghanistan über familiäre bzw. soziale Anknüpfungspunkte, zudem verfügen Sie über keine besonderen beruflichen Qualifikationen und würden Sie nach einem Auslandsaufenthalt ohne Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse zurückkehren, sodass Sie nach den Länderfeststellungen mit Schwierigkeiten im existenzgefährdenden Ausmaß zu rechnen hätten.

Es ist sohin nicht ersichtlich, wie Sie im Falle einer Rückkehr - auf sich alleine gestellt - in einem der übrigen Landesteile in der Lage sein sollen, für sich eine ausreichende Lebensgrundlage zu schaffen."

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch die belangte Behörde wurde im Wesentlichen auf die zwischenzeitlich eingetretene Volljährigkeit des Beschwerdeführers und eine mittlerweile erworbene Schulbildung gestützt. Des Weiteren hielt die Behörde fest, dass sich der Beschwerdeführer auf die Unterstützung des Freundes der Familie, welcher - nach Angaben des Beschwerdeführers - in Kapisa aufhältig sei, in welcher Form auch immer, zählen könne.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan, als auch zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers im Speziellen, ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation vom 04.06.2019, welche sich auch im angefochtenen Bescheid, zum Teil jedoch veraltet, findet. Eine substanzielle oder nachhaltige Verbesserung der allgemeinen (landesweiten) Sicherheitslage wurde vom Bundesamt nicht behauptet. Im Gegenteil geht die belangte Behörde hinsichtlich der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers offensichtlich von einer unveränderten prekären Sicherheitslage aus und prüft das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul.

Die oben festgestellte Herkunftsregion des Beschwerdeführers wurde bereits dem, ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennenden Asylverfahren zugrunde gelegt, blieb unbestritten und konnte mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch weiterhin festgestellt werden.

Die Feststellungen zur Begründung des den subsidiären Schutz zuerkennenden Bescheides vom 16.03.2017 können diesem entnommen werden. Zum Teil wurde aus diesem wörtlich zitiert.

Die Feststellungen betreffend die Gründe für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten fassen die Begründung im gegenständlich angefochtenen Bescheid zusammen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 idgF (BFA-VG), entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 33/2013 idgF (VwGVG), die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A)

Zur Entscheidung über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 9 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF) - Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist in § 9 AsylG geregelt, der wie folgt lautet:

§ 9 (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

...

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

...

Die belangte Behörde hat die Aberkennung des Status im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt.

In der rechtlichen Beurteilung führt die belangte Behörde unter Verweis auf die Beweiswürdigung aus, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegend seien. Insofern handelt es sich im gegenständlichen Fall um eine Aberkennung nach dem zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, wonach eine Aberkennung von Amts wegen vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen.

Nach ständiger Judikatur verlangt der "Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status" im Sinne der zweiten Variante ("nicht mehr" vorliegen) eine substanzielle und nachhaltige Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, der zu eben dieser Zuerkennung geführt hat. Dies entspricht auch dem Wortlaut der Bestimmung. Ob man denselben Sachverhalt (allenfalls) bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Statusgewährung rechtlich anders hätte beurteilen können, ist hingegen ebenso ohne Relevanz wie der Verweis auf eine Änderung (höchst-)gerichtlicher Entscheidungstendenzen. Die Beweislast für den Wegfall der Voraussetzungen sowie die Darlegung des substanziell und nachhaltig geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalts trifft aufgrund der Amtswegigkeit des Verfahrens zur Gänze das Bundesamt.

Bei der Beurteilung einer Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist hinsichtlich der Beurteilung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts und des Wegfalls der Voraussetzungen insbesondere die Begründung des ursprünglichen (Zuerkennungs-)Bescheides (und allfällige Verlängerungsbescheide) des Status zu berücksichtigen. Insbesondere kann eine Aberkennung von subsidiärem Schutz ohne zusätzliche entscheidungsrelevante Faktoren nicht auf Veränderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts (gegenüber jenem bei erstmaliger Zuerkennung) gestützt werden.

Im gegenständlichen Verfahren erweist sich schon die Begründung im ursprünglichen, den subsidiären Schutz zuerkennenden Bescheid als problematisch, da das Bundesamt zwar ihren eigenen Feststellungen widersprechend, aber dennoch von der Volljährigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen ist und die Begründung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten allein auf die prekäre Sicherheitslage in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers im Zusammenspiel mit dem Fehlen von familiären bzw. sozialen Anknüpfungspunkten, sowie dem Fehlen von beruflichen Qualifikationen stützte (siehe S. 43 des Bescheides vom 16.03.2017). Diese Tendenz wird dadurch verstärkt, dass eine auch nur ansatzweise nachvollziehbare inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative (IFA) diesem Bescheid an keiner Stelle zu entnehmen ist. Es ist damit offensichtlich, dass das Bundesamt eine solche zum damaligen Zeitpunkt vollständig ausgeschlossen hat. Es wurde lediglich ansatzweise angesprochen, dass der Beschwerdeführer "an keinem anderen Ort in Afghanistan über familiäre bzw. soziale Anknüpfungspunkte..." verfüge, was umso mehr für einen Ausschluss einer innerstaatlichen Fluchtalternative spricht.

Zweifelsfrei kommt im nunmehr angefochtenen Bescheid zum Ausdruck, dass hauptsächlich die inzwischen erlangte Volljährigkeit den Wegfall der damals (vermeintlich) vorliegenden Voraussetzungen für die Zuerkennung bewirke, wobei das Eintreten dieses Sachverhaltes eine innerstaatliche Fluchtalternative zuließe.

Angesichts der Begründung des Zuerkennungsbescheides vom 16.03.2017 ist es der belangten Behörde im gegenständlichen Bescheid nicht gelungen, aufzuzeigen, wo nun der entscheidungswesentliche Unterschied zwischen dem damals als volljährig bezeichneten Beschwerdeführer und dem inzwischen um zweieinhalb Jahre älteren Beschwerdeführer in Bezug auf die existenzielle Gefährdung im Herkunftsstaat liegen soll, welche damals rein auf die Sicherheitslage und die mangelnden familiären und sozialen Anknüpfungspunkte zurückgeführt wurde. Die alleinige Begründung, der Beschwerdeführer habe Kontakt zu einem Freund der Familie und könne im Fall seiner Rückkehr auch auf dessen Unterstützung zählen, vermag keine wesentlich geänderte Sachverhaltslage darzustellen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere festzuhalten, dass es an entsprechenden Feststellungen der Behörde zum Kontakt und einer allfälligen Hilfestellung durch diesen Freund fehlt.

Insgesamt ist es dem Bundesamt damit nicht gelungen, den Wegfall der Voraussetzungen für die Zuerkennung und Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Falle des Beschwerdeführers schlüssig und nachvollziehbar darzulegen.

Damit erweist sich der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Zusammenschau mit der Aktenlage selbst als in hohem Maße inhaltlich inkonsistent, allenfalls rudimentär begründet und sachlich nicht nachvollziehbar. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist damit als rechtswidrig ersatzlos zu beheben.

Umfang der Begründungspflicht der Behörde:

Wie bereits dargelegt trifft das Bundesamt im Zusammenhang mit der Anwendung des § 9 AsylG, der ausschließliche Amtswegigkeit vorsieht, die alleinige Beweislast und Begründungspflicht. Das Bundesamt hat damit seine Entscheidung schlüssig zu argumentieren und den entscheidungsrelevanten Sachverhalt entsprechend zu belegen. Anders als in einem Antragsverfahren betreffend internationalen Schutz beantragt der Beschwerdeführer nicht die Zuerkennung eines spezifischen Schutzstatus, sondern wehrt sich ausschließlich gegen die Aberkennung eines solchen, der im zuvor seitens der Republik rechtskräftig zuerkannt worden ist. Für einen derart massiven Eingriff in einen rechtskräftigen Schutzstatus trifft die Behörde eine dementsprechend umfassende Ermittlungs- und Begründungspflicht die schon aus Rechtsschutzgründen nicht auf die Beschwerdeinstanz ausgelagert werden darf.

Insbesondere ist es nicht Aufgabe des zur Überprüfung berufenen Verwaltungsgerichts, handwerkliche Fehler einer Behörde und Begründungsmängel eines Bescheides in einem amtswegigen Verfahren zu sanieren. Insbesondere muss die Behörde selbst die Verantwortung dafür tragen, falls ihr die Aberkennung eines Status schon deshalb nicht möglich ist, weil sie es verabsäumt hat, die Gründe für dessen ursprüngliche Zuerkennung nachvollziehbar festzuhalten. Der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG verlangt unmissverständlich den Wegfall entscheidungsrelevanter Sachverhaltselemente, weshalb er nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn diese dem ursprünglichen Status-Bescheid auch zweifelsfrei zu entnehmen sind. Überschießende Formulierungen oder Pauschalbegründungen in diesem Bescheid schränken die Dispositionsfreiheit der Behörde in Bezug auf die Anwendung von § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG dementsprechend ein.

Zu den übrigen Spruchpunkten (II. bis VI.):

Die Spruchpunkte II. bis VI. haben ihre rechtliche Grundlage in der Annahme einer rechtsgültigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Da sich die Aberkennung des Status jedoch als rechtswidrig erwiesen hat, sind auch diese Entscheidungen als rechtswidrig zu beheben.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der am 11.12.2017 eingebracht Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten stets aufrecht ist.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung und ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,
Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1, Begründungspflicht, Behebung der
Entscheidung, Ermittlungspflicht, ersatzlose Behebung, familiäre
Situation, mangelnder Anknüpfungspunkt, Sicherheitslage, wesentliche
Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W166.2199864.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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