TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/1 W171 2223819-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2019
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Entscheidungsdatum

01.10.2019

Norm

AVG §19
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46 Abs2a
FPG §46 Abs2b
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W171 2223819-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Pochieser, gegen Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und Punkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl: XXXX ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste gemeinsam mit seiner mittlerweile geschiedenen Gattin und den beiden mj. Töchtern unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.11.2015 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch BFA oder Behörde genannt) vom 26.03.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) Die belangte Behörde stellte fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt IV.). Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

3. Gegen den oben genannten Bescheid erhob der BF am 23.04.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Beschwerde.

4. Mit dem Erkenntnis vom 27.04.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des BF als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

5. Der BF stellte sodann am 05.11.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

6. Mit Bescheid des BFA vom 14.02.2019 wurde der Folgeantrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Es wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF erlassen (Spruchpunkt VII.).

7. Dagegen erhob der BF durch seine Rechtsvertretung am 28.02.2019 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 12.03.2019 in den wesentlichen Punkten abgewiesen. Es erfolgte eine Beschwerde an den VfGH verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

8. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA vom 10.09.2019 wurde dem BF gem. § 46 Abs. 2a und 2b FPG i.V.m. § 19 AVG aufgetragen, zur Einholung eines Ersatzdokuments zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken.

Unter Spruchpunkte II. wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung gem. § 13 Abs. 2 VwGVG aberkannt.

9. Gegen Spruchpunkt II. des oben angeführten Bescheids (Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde) richtet sich die am 19.09.2019 beim BFA eingebrachte und am 27.09.2019 bei Gericht eingelangte Beschwerde der rechtsfreundlichen Vertretung des BF. Darin wurde ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" des § 13 Abs. 2 VwGVG nach der Rechtsprechung einer sachverhaltsbezogenen fachlichen Beurteilung durch die Behörde bedürfe, eine diesbezügliche Erörterung im Bescheid jedoch nicht stattgefunden habe. Es komme nicht hervor, weshalb die Behörde davon ausgehe, dass ein sofortiger Vollzug des Bescheides geboten sei. Darüber hinaus habe die Behörde das öffentliche, wie auch das subjektive Interesse an einem ordnungsgemäßen rechtsstaatlichen Verfahren völlig außer Acht gelassen. Durch den sofortigen Vollzug werde auch die Entscheidungskompetenz des VfGH zur Entscheidung über die dort beantragte aufschiebende Wirkung missachtet und de facto ausgesetzt.

Beantragt wurde, den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides aufzuheben.

10. Das BFA legte die gegenständliche Beschwerde dem Gericht am 27.09.2019 vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang unter I. wird zur Feststellung erhoben.

Der BF ist umgehend zur Ausreise verpflichtet, ist seiner Verpflichtung jedoch bisher nicht nachgekommen.

Zur Ausreise (Abschiebung) benötigt der BF ein gültiges Reisedokument. Ein derartiges Dokument würde gegebenenfalls durch die afghanische Botschaft nach einem Gespräch mit dem BF ausgestellt werden.

Die Behörde hat im bekämpften Bescheid nicht dargelegt, inwiefern im vorliegenden Fall besondere öffentliche Interessen die vorzeitige Vollstreckung des Bescheids sachlich rechtfertigen würde und inwiefern Gefahr im Verzug gegeben sein sollte.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Verfahrensparteien nicht in Zweifel gezogenen Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt (§ 37 AVG) ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

Der BF hat bisher in keinem Verfahren Identitätsdokumente vorgelegt und ist daher zur Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung im Wege einer Vorsprache vor der afghanischen Botschaft prinzipiell verpflichtet.

Auf Seite sechs des Bescheides führt die Behörde zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse an:

"Sie sind Ihrer bereits bestehenden und vollstreckbaren Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, und Ihr weiterer unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet widerspricht dem Öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen."

Die Behörde bezieht sich daher klar auf das allgemeine öffentliche Interesse an der Einhaltung von geltenden Gesetzen. Darüber hinaus enthält der Bescheidtext keine Ausführungen über konkrete Umstände, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an einem sofortigen Vollzug der Auflage nahelegen.

Hinsichtlich des Kriteriums "Gefahr im Verzug" wird ebenso auf Seite sechs des Bescheides wie folgt ausgeführt:

"Durch Ihren fortgesetzten unrechtmäßigen Aufenthalt besteht weiters Gefahr in Verzug, da für eine Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein Reisedokument erforderlich ist. Ohne dieses kann das BFA seiner Verpflichtung, den vollstreckbaren Bescheid auch tatsächlich zu vollstrecken, nicht nachkommen. Weiters machen Sie sich durch Ihren fortgesetzten unrechtmäßigen Aufenthalt verwaltungsrechtlich strafbar (§ 120 FPG)."

Die Behörde gibt nicht an, welche konkrete Gefahr durch einen fortgesetzten illegalen Aufenthalt für die Öffentlichkeit unmittelbar bestehen würde. Der BF war schon zuvor illegal im Bundesgebiet aufhältig und stellte seine Anwesenheit an sich keine Gefahr für die Gesellschaft dar (so auch im Erkenntis des BVwG vom 12.03.2019 ausgeführt).

Die Behörde hat daher nicht dargelegt, worin die Gefahr im Verzuge bestehen sollte.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Zu Spruchpunkt A:

1.1. Gesetzliche Grundlage:

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde aufschiebende Wirkung. Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

1.2. Judikatur:

Die Bestimmung des § 13 Abs. 2 VwGVG ist dem § 64 Abs. 2 AVG im Wesentlichen nachgebildet. Die hiezu ergangene Judikatur findet daher auch auf § 13 Abs. 2 VwGVG Anwendung. Danach genügt ein allgemeines öffentliches Interesse an der Einhaltung der Gesetze für den rechtmäßigen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nicht, sondern muss ein besonderes öffentliches Interesse an einer vorzeitigen Vollstreckung eines Bescheides dargelegt werden und sachlich geboten sein (Hengstschläger/Leeb, AVG § 64, Rz 29).

Darüber hinaus hat die Behörde in der Begründung darzulegen, auf Grund welcher Voraussetzungen die sofortige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug als dringend geboten anzusehen sei (Hengstschläger/Leeb, AVG § 64, Rz 36).

1.3.

Die Behörde hat im angefochtenen Bescheid unter Spruchpunkt II. ein besonderes öffentliches Interesse nicht dargelegt und auch nicht angeführt, inwiefern eine besondere Gefährdung der öffentlichen Interessen im Verzuge gegeben wäre. Der Bescheid ist daher in diesem Punkt mit Rechtswidrigkeit behaftet.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Gericht hat bei Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden. Die vorliegende Entscheidung hatte somit auch ohne vorausgehende mündliche Verhandlung zu erfolgen.

5. Kosten:

Kostenersatz wurde nicht beantragt (§ 35 Abs. 7 VwGVG).

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie bereits ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Teilbehebung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W171.2223819.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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