TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/9 W255 1423235-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.10.2019
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Entscheidungsdatum

09.10.2019

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 1423235-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkte I., II. und III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2018, Zl. 811028601-180819535, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und der bekämpfte Bescheid in den diesbezüglichen Spruchpunkten behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.09.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

1.2. Am 25.11.2011 wurde der BF vor dem Bundeasylamt, Außenstelle Traiskirchen, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass er eine Beziehung mit seiner Cousine mütterlicherseits namens XXXX geführt habe und diese heiraten habe wollen. Ihr Vater und ihre Brüder seien gegen die Heirat gewesen. Der BF und XXXX seien zu einem Freund des BF gelaufen, hätten sich dort ca. 20 Tage aufgehalten und seien wieder nach Hause zurückgekehrt. Während diesen 20 Tagen hätten sie nach islamischem Recht geheiratet. Als sie wieder im Elternhaus des BF gewesen seien, sei das Haus in einer Nacht plötzlich angegriffen und auf das Fenster des BF geschossen worden. Dabei sei XXXX getötet worden. Der Vater des BF habe zurückgeschossen und einen Bruder von XXXX getötet. Danach sei der BF geflüchtet, da er Angst um sein Leben gehabt habe.

1.3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 30.11.2011, Zl. 11 10.286-BAT, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

1.4. Gegen den unter Punkt 1.3. genannten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

1.5. Am 17.10.2012 führte der Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei wiederholte der BF sein Fluchtvorbringen, wonach er eine außereheliche Beziehung mit einer Frau namens XXXX geführt habe, mit dieser vorübergehend weggelaufen sei und von ihrer Familie verfolgt werde.

1.6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.08.2015, GZ W175 1423235-1/30E, wurde der Beschwerde des BF stattgegeben und dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme (Spruchpunkt II.). Das Bundesverwaltungsgericht begründete dies damit, dass der BF eine drohende asylrelevante Verfolgung in Zusammenhang mit dem Führen einer außerehelichen Beziehung glaubhaft gemacht habe. Er gehöre der sozialen Gruppe der wegen Ehrverletzung von Blutrache bedrohten Personen an, weil er die Ehre der Familie seiner Freundin verletzt habe, indem er diese gegen den Willen deren Familie geheiratet und bei sich aufgenommen habe. Daher müsse er in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit massiven gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen rechnen, die hinsichtlich ihrer Intensität asylrechtliche Relevanz erreichen würden.

1.7. Der BF reiste am 20./21.01.2018 für 25 Tage von Österreich mit dem Flugzeug nach Pakistan, um Verwandte in Pakistan zu besuchen.

1.8. Am 30.08.2018 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ein und teilte dies dem BF mit Schreiben vom selben Tag mit.

1.9. Am 10.10.2018 wurde der BF vor dem BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er am XXXX in der Provinz XXXX geboren sei und den Großteil seines Lebens dort verbracht habe. Im Jahr 2008 habe er sich für rund ein Jahr in England aufgehalten, sei aber wieder nach Afghanistan abgeschoben worden. Der BF habe zehn Jahre die Grundschule besucht und drei Jahre als Verkäufer in einem Kleidungsgeschäft gearbeitet. Er sei ledig und habe keine Kinder. Die Eltern und zwei Brüder des BF würden in der Stadt XXXX , in Pakistan leben. Seine beiden Schwestern seien verheiratet und würden in seiner Heimatprovinz XXXX leben. Den Eltern und Brüdern des BF gehe es gut.

Der BF habe wegen der Feindschaft mit den Leuten in XXXX nach wie vor Angst, nach Afghanistan zurückzukehren. Es sei damals versucht worden, Frieden zu schließen, das sei aber nicht möglich gewesen. Deswegen sei der BF damals geflüchtet. Der BF habe seit längerem schon nichts mehr mit der Familie des Mädchens, das er damals heiraten habe wollen und deren Familie der Hochzeit nicht zugestimmt habe, zu tun. Vor vier Jahren habe er das letzte Mal etwas von dieser Familie gehört. Er habe sich nicht durch jemanden über ein etwaiges (nach wie vor bestehendes) Interesse der Familie an seiner Person erkundigt. Die Lage sei in ganz Afghanistan sehr schlecht und jeder könne von überall Schaden zufügen. Die Familie des Mädchens stütze sich darauf, dass sie ihr Gesicht verloren habe. Zudem sei ein Sohn dieser Familie ums Leben gekommen, daher wolle die Familie Rache ausüben. Sie hätte die Möglichkeit, den BF in ganz Afghanistan umzubringen. Diese verfeindete Familie würde es herausfinden, wenn der BF nach Afghanistan zurückkehren würde. Würde es die Feindschaft nicht geben, könnte der BF in Afghanistan leben.

Der BF habe sich ab Jänner 2018 25 Tage in Pakistan aufgehalten. Sein Vater habe eine Operation gehabt und der BF habe ihn besucht. Die Operation sei sehr kostspielig gewesen und der BF habe sie bezahlt. Es seien ca. EUR 4.000,- gewesen.

1.10. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 12.10.2018, Zl. 811028601-180819535, wurde der dem BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.08.2015 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass dem BF gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG wurde gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt. Gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 iVm. § 55 AsylG 2005 wurde dem BF eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt IV).

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA damit, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht mehr vorliegen würden und sich die subjektive Lage des BF im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als dem BF Asyl gewährt worden sein, geändert habe. Dies stützte das BFA darauf, dass seit der Ausreise des BF aus Afghanistan viel Zeit vergangen sei und nicht mehr zu erwarten sei, dass die verfeindete Familie den BF nach wie vor verfolgen würde.

1.11. Gegen Spruchpunkte I., II. und III. des unter Punkt 1.10. genannten Bescheides des BFA richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des BF. Darin führte der BF aus, dass es sich bei der Annahme, dass er nicht mehr verfolgt werde, um eine Spekulation handle, die keine reale Basis habe. Es sei notorisch, dass Blutrache über Jahrzehnte und Generationen ausgeübt werde.

1.12. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 08.11.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz des BF vom 08.09.2011, der Erstbefragung und der Einvernahmen des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des (vormaligen) Bundesasylamtes und des (nunmehr zuständigen) BFA, der Bescheide des Bundesasylamtes, des BFA und des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.08.2018, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der Länderberichte zu Afghanistan sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er wurde im Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz XXXX , geboren und ist dort aufgewachsen.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Paschto.

2.1.3. Der BF besuchte zehn Jahre die Schule, davon vier Jahre in Afghanistan und sechs Jahre in Pakistan und arbeitete drei Jahre als Verkäufer in einem Kleidungsgeschäft. Zwischen 2001 und 2008 lebte der BF mit seiner Familie in Pakistan. Im Jahr 2007 reiste der BF nach England, ehe er am 28.01.2008 nach achtmonatigen Aufenthalt nach Afghanistan abgeschoben wurde. Auch die Familie des BF kehrte damals von Pakistan nach Afghanistan zurück.

2.1.4. Im Jahr 2010 begann der BF eine Beziehung mit seiner Cousine mütterlicherseits namens XXXX . Die Familie von XXXX stellte sich gegen die Hochzeit des BF mit XXXX . XXXX wurde mit einem anderen Mann verlobt. Der BF und XXXX entschlossen sich, wegzulaufen und versteckten sich 20 Tage bei einem Freund des BF in XXXX . Der BF und XXXX kehrten in das Heimatdorf zurück. In der Zwischenzeit versuchte der Vater des BF mit Einbindung des Dorfältesten Frieden mit der Familie von XXXX zu schließen, was nicht gelang. Eines Nachts griff die Familie von XXXX das Haus der Familie des BF an. Zu diesem Zeitpunkt befand sich XXXX in diesem Haus. XXXX wurde von Mitgliedern ihrer Familie, die das Haus angriffen, erschossen. Der Vater des BF schoss zurück und traf dabei einen Bruder von XXXX tödlich. Nach dieser Auseinandersetzung verließen der BF und seine Familie im März 2011 Afghanistan und reisten nach Pakistan. Nach einem dreimonatigen Aufenthalt in Pakistan reiste der BF nach Österreich, wo er am 08.09.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2.1.5. Die Eltern und zwei Brüder des BF leben in der Stadt XXXX , Pakistan. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit ihnen.

2.1.6. Zwei Schwestern des BF sind verheiratet und leben in der Heimatprovinz des BF. Der BF steht in Kontakt mit seinen Schwestern.

2.1.7. Am 20.01.2018 flog der BF von Wien-Schwechat nach Pakistan, um Verwandte zu besuchen und die Kosten für eine Operation seines Vaters zu begleichen. Er hielt sich 25 Tage in Pakistan auf, ehe er nach Österreich zurückkehrte.

2.1.8. Der BF ist gesund, ledig, arbeitsfähig und im erwerbsfähigen Alter.

2.1.9. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.1.10. Der BF ist bei geringfügig bei der Pizzeria " XXXX " beschäftigt. Zudem ist er selbständig als Paketzusteller tätig.

2.2. Zum Verfahrensgang:

2.3.1. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise im österreichischen Bundesgebiet am 08.09.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.3.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Traiskirchen, vom 30.11.2011, Zl. 11 10.286-BAT, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III).

2.3.3. Gegen den unter Punkt 2.3.2. genannten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

2.3.4. Mit Erkenntnis vom 27.08.2015, GZ W175 1423235-1/30E, wurde der Beschwerde des BF stattgegeben und dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme (Spruchpunkt II.). Das Bundesverwaltungsgericht begründete dies damit, dass der BF eine drohende asylrelevante Verfolgung in Zusammenhang mit dem Führen einer außerehelichen Beziehung glaubhaft gemacht habe. Der BF habe sich in Afghanistan in ein Mädchen namens XXXX verliebt und mit dieser eine außereheliche Beziehung geführt. Die Familie von XXXX habe der Hochzeit nicht zugestimmt. Daraufhin hätten der BF und XXXX ihr Heimatdorf verlassen und seien nach XXXX geflüchtet, wo sie sich 20 Tage bei einem Freund des BF versteckt aufgehalten und nach islamischem Recht geheiratet hätten. Die beiden seien in das Heimatdorf zurückgekehrt, nachdem der Vater dem BF zugesichert gehabt hätte, dafür zu sorgen, dass die Familie von XXXX einer Hochzeit zustimmen würde. Nach der Rückkehr des BF und XXXX habe die Familie von XXXX eines Nachts das Haus der Familie des BF angegriffen. Bei diesem Angriff sei XXXX von ihrer Familie erschossen worden. Der Vater des BF habe bei dem Angriff zurückgeschossen und einen von mehreren Brüdern von XXXX tödlich getroffen. Nach diesem Vorfall habe die Familie des BF Frieden versucht, Frieden zu schließen und habe Afghanistan verlassen.

Der BF - so das Bundesverwaltungsgericht in der rechtlichen Beurteilung - gehöre der sozialen Gruppe der wegen Ehrverletzung von Blutrache bedrohten Personen an, weil er die Ehre der Familie seiner Freundin verletzt habe, indem er diese gegen den Willen deren Familie geheiratet und bei sich aufgenommen habe. Daher müsse er in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit massiven gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen rechnen, die hinsichtlich ihrer Intensität asylrechtliche Relevanz erreichen würden. Die dem BF drohende Verfolgung sei auch nicht auf einen bestimmten Landesteil beschränkt, eine inländische Fluchtalternative komme für den BF nicht in Betracht. Der Staat Afghanistan sei nicht in der Lage, den BF zu schützen.

2.3.5. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 12.10.2018, Zl. 811028601-180819535, wurde der dem BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.08.2015 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass dem BF gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG wurde gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt. Gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 iVm. § 55 AsylG 2005 wurde dem BF eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt IV).

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA damit, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht mehr vorliegen würden und sich die subjektive Lage des BF im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt, als dem BF Asyl gewährt worden sein, geändert habe. Dies stützte das BFA darauf, dass seit der Ausreise des BF aus Afghanistan viel Zeit vergangen sei und nicht mehr zu erwarten sei, dass die verfeindete Familie den BF nach wie vor verfolgen würde.

Die hier vollständig wiedergegebene rechtliche Beurteilung des BFA im Hinblick auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten lautete:

"§ 7 Abs. 1 AsylG sieht die zwingende Aberkennung des Status des Asylberechtigten bei Vorliegen eines der in Z1 bis 3 genannten Tatbestände vor:

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt, sind die Gründe für die Zuerkennung des Asylstatus nicht mehr vorliegend, umso mehr Sie auf Nachfragen des zur Entscheidung berufenen Organwalters auch nichts vorbrachten oder glaubhaft machten, das eine aktuell vorliegende Gefährdung Ihrer Person annehmen ließe; Ihr Vorbringen bietet schließlich keinen Hinweis darauf, dass wohlbegründete Furcht aus einem in der GFK genannten Grund aktuell bestehen würde.

Ihnen war daher gem. § 7 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten abzuerkennen."

2.3.6. Gegen Spruchpunkte I., II. und III. des Bescheides des BFA vom 12.10.2018, Zl. 811028601-180819535, richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

3. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zu Grunde:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des BF stützen sich auf seine Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem (damaligen) Bundesasylamt, dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Identität des BF (Name und Geburtsdatum) konnte aufgrund der diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF mit der für das Asylverfahren ausreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

3.1.2. Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des BF zu zweifeln.

3.1.3. Die Feststellungen zum Personenstand und seinen Verwandten stützen sich auf seine dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesasylamt, vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3.1.4. Die Angaben des BF zu seinem Heimatort, seiner Herkunftsprovinz, seinem Aufenthaltsort in Afghanistan und in Pakistan sowie seiner Schulbildung und beruflichen Tätigkeit ergeben sich aus seinen im Laufe des Verfahrens getätigten, im Wesentlichen gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben. Sie sind chronologisch stringent.

3.1.5. Die Feststellung zum Gesundheitszustand stützt sich auf die Angaben des BF in der Einvernahme vor dem BFA vom 10.10.2018

3.1.6. Die Feststellungen zu den Erwerbstätigkeiten des BF in Österreich stützen sich auf die Einsichtnahme in die Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger und die Angaben des BF in der Einvernahme vor dem BFA vom 10.10.2018.

3.1.7. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit stützt sich auf die Einsichtnahme in das Strafregister.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

4.1. Zu A) Stattgabe der Beschwerde

4.1.1. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des AsylG 2005 lauten:

Aberkennung des Status des Asylberechtigten

§ 7. (1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

(2) In den Fällen des § 27 Abs. 3 Z 1 bis 4 und bei Vorliegen konkreter Hinweise, dass ein in Art. 1 Abschnitt C Z 1, 2 oder 4 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführter Endigungsgrund eingetreten ist, ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, sofern das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist. Ein Verfahren gemäß Satz 1 ist, wenn es auf Grund des § 27 Abs. 3 Z 1 eingeleitet wurde, längstens binnen einem Monat nach Einlangen der Verständigung über den Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung gemäß § 30 Abs. 5 BFA-VG, in den übrigen Fällen schnellstmöglich, längstens jedoch binnen einem Monat ab seiner Einleitung zu entscheiden, sofern bis zum Ablauf dieser Frist jeweils der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht. Eine Überschreitung der Frist gemäß Satz 2 steht einer späteren Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht entgegen. Als Hinweise gemäß Satz 1 gelten insbesondere die Einreise des Asylberechtigten in seinen Herkunftsstaat oder die Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses seines Herkunftsstaates.

(2a) Ungeachtet der in § 3 Abs. 4 genannten Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn sich aus der Analyse gemäß § 3 Abs. 4a ergibt, dass es im Herkunftsstaat des Asylberechtigten zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist. Das Bundesamt hat von Amts wegen dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten formlos mitzuteilen.

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.

4.1.2. Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention lauten:

Artikel 1 Abschnitt C.

Eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, fällt nicht mehr unter dieses Abkommen,

1. wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, unterstellt; oder

2. wenn sie nach dem Verlust ihrer Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat; oder

3. wenn sie eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie erworben hat, genießt; oder

4. wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen sie sich befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat; oder

5. wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Hierbei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt;

6. wenn es sich um eine Person handelt, die keine Staatsangehörigkeit besitzt, falls sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz hat. Dabei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in das Land abzulehnen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Artikel 1 Abschnitt D.

Dieses Abkommen findet keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen. Ist dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grunde weggefallen, ohne dass das Schicksal dieser Person endgültig gemäß den hierauf bezüglichen Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt worden ist, so fallen diese Personen ipso facto unter die Bestimmungen dieses Abkommens.

4.1.3. Das BFA stützt sich im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides explizit auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005.

In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides finden sich hierzu keine Ausführungen. Eine rechtliche Beurteilung im Hinblick auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist de facto im angefochtenen Bescheid nicht enthalten. Das BFA verweist in der rechtlichen Beurteilung lediglich darauf, dass § 7 Abs. 1 AsylG 2005 eine zwingende Aberkennung des Status des Asylberechtigten bei Vorliegen eines der in Z 1 bis 3 genannten Tatbestände vorliegt, ohne dies in irgendeiner Weise näher auszuführen und/oder konkret auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Hinblick auf den BF einzugehen.

Unbeschadet der Tatsache, dass es das BFA im angefochtenen Bescheid unterlassen hat, eine rechtliche Beurteilung vorzunehmen, sind auch die Feststellungen und Beweiswürdigung des BFA im angefochtenen Bescheid nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit einer Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall darzulegen.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten mit Bescheid abzuerkennen, wenn einer der in Artikel 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist.

Der BF hat sich - soweit aus dem Akteninhalt hervorgeht - weder freiwillig dem Schutz seines Herkunftsstaates unterstellt (Z 1), noch nach dem Verlust seiner afghanischen Staatsangehörigkeit, diese freiwillig wiedererlangt (Z 2), noch eine neue Staatsangehörigkeit erworben und den Schutz dieses Staates genossen (Z 3), noch hat er sich in Afghanistan niedergelassen (Z 4).

Eine auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 gestützte Asylaberkennung käme schließlich noch in Betracht, wenn der BF nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK).

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ziffer 5 ist eine wesentliche Änderung der Situation, also ein Wegfall der Verfolgungsgefahr iS der GFK und damit der Notwendigkeit der Schutzgewährung (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K9). Voraussetzung ist, dass die Schutzbedürftigkeit nicht mehr gegeben ist (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K11).

Der UNHCR führt diesbezüglich in seinem "Handbuch und Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge" auf S. 32 zu

Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 aus:

"‚Umstände' bezieht sich auf grundlegende Veränderungen in dem Land, aufgrund derer man annehmen kann, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht." (vgl. weiters Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA, S. 185).

In Kommentar von Zimmermann zur GFK werden als Indikatoren für solche geänderten Umstände iSd Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 demokratische Wahlen, signifikante Reformen der rechtlichen und sozialen Strukturen, Amnestien und Anerkennung der Menschenrechte genannt: "The UNHCR Guidelines and ExCom Conclusions outline in more detail how ‚ceased to exist' should be interpreted. Consistent with leading academic opinion, they suggest that changes in the refugee's country should be ¿substantial, effective and durable¿ or ¿fundamental and enduring-. Some indicators of such change that have been suggested by the UNCHR and the UNHCR ExCom are democratic elections, significant reforms to the legal and social structure, amnesties, repeal of oppresive laws, dismantling of repressive security forces, and general respect for human rights."

(Kneebone/O-Sullivan in Zimmermann (ed.), The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and ist 1967 Protocol, A Commentary, p. 502).

Das Abstellen auf (objektive) Veränderungen im Herkunftsstaat entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH: "Die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände in dem fraglichen Drittland diejenigen Umstände, aufgrund deren der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor ‚Verfolgung' im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss." (EuGH 02.03.2010, Rs C-175/08 ua, Abdulla ua, Rz 76).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings darf es sich dabei nicht nur um vorübergehende Veränderungen handeln (vgl. VwGH 21.11.2002, 99/20/0171, mwN).

Die Annahme einer grundlegenden politischen Veränderung im Herkunftsstaat (aus der sich der Verlust der zunächst gegebenen Flüchtlingseigenschaft ergeben soll) setzt eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse voraus, für deren Beurteilung es in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraumes bedarf (VwGH 27.04.2006, 2002/20/0170 und VwGH 16.02.2006, 2006/19/0030).

Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist, hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (vgl. VwGH 19.12.2001, 2000/20/0318).

Das Vorliegen der Aberkennung des Status des Asylberechtigten hat das BFA damit begründet, dass sich die subjektive Lage des BF im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert habe, als seit Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vier Jahre vergangen seien und der BF in diesen vier Jahren nichts von seinen Verfolgern gehört habe. "Daraus lässt sich schließlich ableiten, dass Sie nun offensichtlich keine Furcht vor Verfolgung mehr verspüren, andernfalls hätten Sie sich (zumindest) bei Ihren Verwandten hinsichtlich eines etwaigen und nach wie vor bestehenden Interesses Ihrer Feinde an Ihrer Person erkundigt." - so das BFA.

Das BFA stützt die Aberkennung und die behaupteten geänderten Umstände auf keine objektiven Quellen, sondern im Wesentlichen zusammengefasst ausschließlich darauf, dass der BF vier Jahre nach Zuerkennung des Status des Asylberechtigen nicht in der Lage ist, zu beweisen, dass die Verfolgungsgefahr nach wie vor besteht. Dabei lässt es das BFA offen, wie der BF seiner Meinung nach von Österreich aus beweisen sollte, dass seine Verfolger nach wie vor nach ihm suchen. Dies ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts erstens realitätsfremd und es widerspricht der GFK, einem Asylberechtigten Jahre nach dessen Zuerkennung eine derartige Beweislast aufzulegen. Dem BFA ist insofern zuzustimmen, dass der BF in seiner Herkunftsprovinz über zwei Schwestern verfügt, mit denen er in Kontakt steht und diese theoretisch Kontakt mit den Verfolgern haben könnten. Der BF hat diesbezüglich glaubhaft angegeben, dass er in Kontakt mit seinen Schwestern steht, diese ihm aber nichts darüber berichtet hätten, dass die Verfolger die Schwestern aufgesucht hätten oder ein sonstiger Kontakt bestanden hätte. Aus dieser Angabe der Schwestern allein lässt sich aber noch nicht ableiten, dass die Verfolger mit ausreichender Wahrscheinlichkeit kein Interesse am BF mehr haben. Der BF hat zudem erklärt, dass die beiden Schwestern verheiratet sind und anders als etwa der Vater des BF und der BF selbst nicht Ziel der Rache seitens der Verfolger sind.

Das BFA würdigt hingegen beispielsweise nicht, dass sich die Eltern und zwei Brüder des BF nach wie vor in Pakistan aufhalten und dorthin geflüchtet sind, weil sie ebenso wie der BF Verfolgung durch die Familie der getöteten Geliebten des BF fürchten. Das BFA würdigt ebenso wenig, dass die Familie des BF bereits 2001 nach Pakistan geflüchtet war und 2008/2009 nach Afghanistan zurückgekehrt ist, nachdem sie davon ausgegangen war, dass sie dort nicht mehr verfolgt wäre. Dieser Logik entsprechend wäre es denkbar, dass die Familie des BF neuerlich von Pakistan nach Afghanistan zurückkehrt, wenn sie davon ausgeht, dass die Verfolgungsgefahr tatsächlich nicht mehr besteht. Dies ist gegenwärtig allerdings nicht der Fall.

Das BFA hat es weiters unterlassen, sich ernsthaft mit der Frage zu befassen, inwiefern sich die Umstände im Herkunftsstaat des BF wesentlich und nachhaltig verändert haben. Es ist beispielsweise nicht darauf eingegangen, ob in Afghanistan - insbesondere seitens des Staates und was dessen Schutzfähigkeit und -willigkeit betrifft - ein anderer Umgang mit dem Thema "Blutrache" bzw. "außerehelicher Geschlechtsverkehr" herrscht. Das BFA hat nicht dargestellt, warum es anders als das Bundesverwaltungsgericht zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Asylberechtigten davon ausgeht, dass die den BF betreffende Verfolgung nur auf seine Herkunftsprovinz beschränkt wäre. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde im damaligen Erkenntnis ausdrücklich festgestellt, dass es davon ausgeht, dass der BF in ganz Afghanistan einer konkreten Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Dem BFA ist es somit nicht gelungen, nachvollziehbar darzulegen, dass sich die subjektive Situation des BF wesentlich und nachhaltig geändert hat. Zudem ist das BFA nicht darauf eingegangen, inwiefern sich die (objektiven) Umstände im Herkunftsstaat des BF verändert hätten. Dies obwohl davon auszugehen ist, dass es sich bei den "Umständen" im Sinne von Art. 1 Abschnitt C 5 5 insbesondere um solche handeln muss, die sich auf grundlegende, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention angeführten Fluchtgründe betreffende (objektive) Veränderungen im Heimatstaat des Flüchtlings beziehen, auf Grund deren angenommen werden kann, dass der Anlass für die - begründete - Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht (VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0121; vgl. weiters VwGH 29.01.1997, 95/01/0449).

Das BFA bezog sich ausschließlich darauf, dass sich die subjektive Lage des BF insofern verändert hätte, als dieser seit vier Jahren während seines Aufenthaltes in Österreich nichts von seinen Verfolgern gehört hätte.

Es fehlt im gegenständlichen Fall somit mangels subjektiver und objektiver geänderter Umstände am Vorliegen der in Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK normierten Voraussetzungen.

4.1.6. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts lagen und liegen die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 sohin mangels grundlegender Veränderungen im Herkunftsstaat des BF gegenständlich nicht vor. Dem BF wurde daher zu Unrecht der Status des Asylberechtigten aberkannt.

4.1.7. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit zu dem Ergebnis, dass der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 7 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., und III., des angefochtenen Bescheids stattzugeben war und diese Spruchpunkte ersatzlos zu beheben waren, zumal die von der belangten Behörde unter Spruchpunkt II. bis III. des Bescheides getroffenen Aussprüche schon in Folge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren. Die Behebung der Spruchpunkte II. und III. angefochtenen Bescheids hatte somit aufgrund der Untrennbarkeit dieser Spruchpunkte zu erfolgen. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wurde seitens des BF ausdrücklich nicht angefochten.

Dem BF kommt auf Grund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status des Asylberechtigten zu.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchpunkt A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist - soweit diese nicht unvertretbar ist - nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN). Auch bei Gefahrenprognosen im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 und bei Interessenabwägungen nach Art. 8 EMRK handelt es

sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (z.B. 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Asylaberkennung,
außerehelicher Geschlechtsverkehr, Behebung der Entscheidung,
Blutrache, ersatzlose Behebung, private Verfolgung, staatliche
Schutzfähigkeit, staatliche Schutzwilligkeit, wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W255.1423235.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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