Entscheidungsdatum
04.11.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W148 2193493-2/23E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter über den Antrag des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den RA Dr. Herbert Pochieser, 1070 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung unmittelbar aufgrund des Unionsrechts vom 27.11.2019 :
A)
Der Antrag wird zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
I.1. Verfahrensgang, gleichzeitig unstrittiger Sachverhalt:
1. Mit Bescheid des BFA vom 14.02.2019, Zl. XXXX , wurde der Folgeantrag des Antragstellers (im Folgenden: ASt) hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Es wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF erlassen (Spruchpunkt VII.).
Die Abweisung des Folgeantrages begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass kein neuer Fluchtgrund vorliege, da die behauptete Bedrohung bereits im Erstverfahren bestanden habe und dass sein Vorbringen aufgrund zahlreicher Widersprüche auch nicht glaubhaft sei. Selbst bei Wahrunterstellung komme seinem Vorbringen keine Asylrelevanz zu. Es habe sich kein Hinweis auf einen seit der Rechtskraft des Erstverfahrens entscheidungsrelevanten geänderten Sachverhalt, weder im Hinblick auf seine persönliche Situation, noch bezüglich der allgemeinen Lage in Afghanistan, ergeben. Es liege auch kein schützenswertes Familienleben des BF vor. Zur Erlassung des Einreiseverbotes führte das BFA begründend aus, der BF sei nicht in der Lage, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen.
2. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom BVwG mit Erkenntnis vom 12.03.2019, (Zl. W148 2193493-2/3E) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt VII. zu lauten hat: "Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wird gegen Sie ein Einreiseverbot für die Dauer von 12 Monaten erlassen.".
3. Mit Beschluss vom 24.09.2019 (GZ: E 3282/2019-6) lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde gegen dieses Erkenntnis ab. Der VfGH trat mit Beschluss vom 16.10.2019 (GZ: E 3282/2019-8) die Beschwerde über nachträglichen Antrag im Sinne des § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3. B-VG dem VwGH zur Entscheidung ab.
4. Am 27.11.2019 brachte der ASt einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung der außerordentlichen Revision beim VwGH ein. Über diesen Antrag wurde - nach hg. Kenntnisstand - bis dato noch nicht abgesprochen.
5. Am 27.11.2019 beantragte der ASt die Einräumung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht für die Gewährung eines vorläufigen Aufenthaltsrechts bis zur Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision.
6. Am 29.11.2019 erfolgte eine Urkundenvorlage des ASt an das BVwG.
7. Am 02.12.2019 übermittelte das hierzu aufgeforderte Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Erstaufnahmestelle Ost (in Folge: BFA) eine Stellungnahme zum Antrag.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II. 1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:
Mit Beschluss vom 29.10.2014, Ro 2014/04/0069, hat der VwGH festgehalten, dass zur Bestimmung der Zuständigkeit zur Erlassung einstweiliger Anordnungen im Revisionsverfahren von der "sachnächsten" Zuständigkeit auszugehen ist. "Sachnächstes Gericht" für die Prüfung der Erlassung einstweiliger Anordnungen im Revisionsverfahren ist das Verwaltungsgericht. Der VwGH ist daher für die Erlassung unzuständig, woran auch die Vorlage der Revision durch das Verwaltungsgericht an den VwGH nichts zu ändern vermag (vgl. VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611). Dies begründet der VwGH in dem genannten Beschluss im Wesentlichen damit, dass die Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen ist, das nach § 30a VwGG über die aufschiebende Wirkung unverzüglich zu entscheiden habe. Dieses habe daher als erstes Kenntnis von der Revision und dem Antrag auf einstweiligen Rechtschutz. Es habe daher zu diesem Zeitpunkt die genaueste Kenntnis über die der Revision zugrundeliegende Fallkonstellation und könne daher am raschesten die erforderliche Interessenabwägung im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes vornehmen. Das Verwaltungsgericht könne daher auch schneller und effektiver über die Notwendigkeit eines unionsrechtlich gebotenen einstweiligen Rechtsschutzes in Form einer einstweiligen Anordnung entscheiden, zumal eine solche neben dem Umstand der Dringlichkeit die Prüfung der Notwendigkeit der Erlassung der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (fumus boni iuris) sowie gegebenenfalls die Abwägung aller bestehenden Interessen voraussetze.
Diese Erwägungen gelten auch im vorliegenden Fall, zumal die einstweilige Anordnung nicht nur in Bezug auf die Frage der Verfahrenshilfe beantragt wurde, sondern dadurch insbesondere die Durchsetzbarkeit der Entscheidung des BVwG in der Hauptsache, also in der Frage der Abweisung des (Folge-)Antrags auf internationalen Schutz, der damit zusammenhängenden Abschiebung und des verhängten Einreiseverbots, vorläufig gehemmt werden soll. Auch hier hat das Verwaltungsgericht die genaueste Kenntnis über die zugrundeliegende Fallkonstellation, weil aktuell noch keine Revision eingebracht wurde, vielmehr die Revisionsfrist noch läuft und sich die Akten mangels Vorlage an den VwGH noch im BVwG befinden. Folglich kann das BVwG am raschesten die erforderliche Interessensabwägung vornehmen.
II.2. In der Sache
Die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht kann mangels einer innerstaatlichen Vorschrift nur in unmittelbarer Anwendung von Unionsrecht erfolgen. So hat der VwGH - der Rechtsprechung des EuGH folgend - bereits mehrmals ausgesprochen, es sei nicht ausgeschlossen, auf Grundlage der unmittelbaren Anwendung von Unionsrecht - über die im kassatorischen System der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgegebene Möglichkeit, der gegen einen Bescheid erhobenen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und den angefochtenen Bescheid im Falle seiner Rechtswidrigkeit aufzuheben, hinaus - einstweilige Anordnungen mit der Wirkung zu treffen, dem ASt eine Rechtsposition vorläufig einzuräumen, deren Einräumung mit dem angefochtenen Bescheid auf der Grundlage einer (möglicherweise dem Unionsrecht widersprechenden) nationalen Rechtsvorschrift verweigert wurde (VwGH 29.10.2014, Ro 2014/04/0069; 13.10.2010, 2010/12/0169).
Der VwGH weist in ständiger Rechtsprechung in Bezug auf einstweilige Anordnungen darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Gerichte einstweilige Anordnungen nur unter den Voraussetzungen treffen können, die für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Gerichtshof gelten. Zu diesen Voraussetzungen gehören die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der Erlassung der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (fumus boni iuris), das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens beim Antragsteller und gegebenenfalls die Abwägung aller bestehenden Interessen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, sodass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen ist, wenn eine von ihnen fehlt. Im Rahmen der Gesamtprüfung, die im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorzunehmen ist, verfügt der zuständige Richter über ein weites Ermessen, und er kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der die verschiedenen Voraussetzungen für die Gewährung der genannten einstweiligen Anordnungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (vgl. u.a. neuerlich VwGH vom 29.10.2014, Ro 2014/04/0069, mit weiterem Verweis auch auf die Rechtsprechung des EuGH).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung unzulässig bzw. zurückzuweisen:
Der ASt begründet seinen Antrag vorrangig damit, dass die einstweilige Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht notwendig sei. Andernfalls würde eine mit Unionsrecht nicht zu vereinbarende Lücke im Rechtschutz bestehen, da aufgrund der höchst volatilen Sicherheitslage in Afghanistan eine Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung ohne aktuelle Überprüfung der aufschiebenden Wirkung der Revision durch ein Gericht das reale Risiko einer Verletzung von Art 2 und 3 EMRK, also eines nicht wiedergutzumachenden Schadens und somit die Ineffektivität der Revision im Sinne des Art 46 Richtlinie 2013/32/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl L 180/ 60 vom 29.06.2013, in Verbindung mit Art 47 GRC, bedeuten würde.
Art. 46 RL 2013/32/EU, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf regelt, lautet auszugsweise:
"(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Antragsteller das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht haben gegen
[...]
c) eine Entscheidung zur Aberkennung des internationalen Schutzes nach Artikel 45. [...]
(3) Zur Einhaltung des Absatzes 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der wirksame Rechtsbehelf eine umfassende Ex-nunc-Prüfung vorsieht, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt und bei der gegebenenfalls das Bedürfnis nach internationalem Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU zumindest in Rechtsbehelfsverfahren vor einem erstinstanzlichen Gericht beurteilt wird. [...]
(5) Unbeschadet des Absatzes 6 gestatten die Mitgliedstaaten den Antragstellern den Verbleib im Hoheitsgebiet bis zum Ablauf der Frist für die Ausübung des Rechts der Antragsteller auf einen wirksamen Rechtsbehelf und, wenn ein solches Recht fristgemäß ausgeübt wurde, bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf. [...]"
Der EuGH hat dazu in seinem Urteil vom 26.09.2018, C-180/17, ausgeführt:
"[...] 32 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verlangt Art. 13 EMRK aber selbst dann, wenn geltend gemacht wird, dass die Abschiebung den Betroffenen einer echten Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung aussetzt, von den Hohen Vertragsparteien weder, zwei Rechtszüge zu schaffen, noch gegebenenfalls das Rechtsmittel mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten (vgl. in diesem Sinne EGMR, 5. Juli 2016, A. M./Niederlande, CE:ECHR:2016:0705JUD002909409, Rn. 70).
33 Daraus folgt, dass sich der Schutz, den Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 in Verbindung mit Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta einer internationalen Schutz beantragenden Person gegen eine Entscheidung gewährt, mit der ihr Antrag abgelehnt und ihr eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, auf einen einzigen gerichtlichen Rechtsbehelf beschränkt.
34 Die Schaffung eines zweiten Rechtszugs gegen abschlägige Entscheidungen über einen Antrag auf internationalen Schutz und gegen Rückkehrentscheidungen sowie die Entscheidung, ihn gegebenenfalls mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung auszustatten, sind - entgegen dem in Rn. 17 des vorliegenden Urteils angeführten Vorbringen der belgischen Regierung - Verfahrensmodalitäten zur Umsetzung des in Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 vorgesehenen Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen solche Entscheidungen. Solche Verfahrensmodalitäten unterliegen nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten zwar ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung, müssen aber, wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität wahren (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García, C-169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 31, 36 und 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 16. Juli 2015, Sánchez Morcillo und Abril García, C-539/14, EU:C:2015:508, Rn. 33).
35 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte schützen sollen, nicht weniger günstig sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Äquivalenz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität) (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 2014, Kone u. a., C-557/12, EU:C:2014:1317, Rn. 25, und vom 6. Oktober 2015, Târsia, C-69/14, EU:C:2015:662, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Bei der Prüfung der Frage, ob die Anforderungen in Bezug auf die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität erfüllt sind, sind die Stellung der betroffenen Vorschriften im gesamten Verfahren, dessen Ablauf und die Besonderheiten dieser Vorschriften vor den verschiedenen nationalen Stellen zu berücksichtigen (Urteile vom 1. Dezember 1998, Levez, C-326/96, EU:C:1998:577, Rn. 44, und vom 27. Juni 2013, Agrokonsulting-04, C-93/12, EU:C:2013:432, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
37 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt der Äquivalenzgrundsatz die Gleichbehandlung auf einen Verstoß gegen das nationale Recht gestützter Rechtsbehelfe und entsprechender, auf einen Verstoß gegen das Unionsrecht gestützter Rechtsbehelfe, nicht aber die Gleichwertigkeit nationaler Verfahrensvorschriften, die für Streitsachen unterschiedlicher Natur gelten (Urteil vom 6. Oktober 2015, Târsia, C-69/14, EU:C:2015:662, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). [...]
[...] 43 Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, so verlangt dieser hier nicht mehr als die Wahrung der Grundrechte der Charta, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsschutz. Da sich aus Rn. 30 des vorliegenden Urteils ergibt, dass Art. 47 im Licht der Garantien in Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 der Charta nur verlangt, dass eine internationalen Schutz beantragende Person, deren Antrag abgelehnt wurde und gegen die eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, ihre Rechte vor einem Gericht wirksam geltend machen kann, lässt der bloße Umstand, dass ein im nationalen Recht vorgesehener zusätzlicher Rechtszug nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat, nicht den Schluss zu, dass der Effektivitätsgrundsatz verletzt wurde.
44 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 46 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 der Richtlinie 2008/115 im Licht von Art. 18, Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die zwar ein Rechtsmittel gegen ein erstinstanzliches Urteil, das eine Entscheidung bestätigt, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt und eine Rückkehrverpflichtung auferlegt wird, vorsieht, diesen Rechtsbehelf jedoch nicht mit kraft Gesetzes aufschiebender Wirkung ausstattet, obwohl der Betroffene die ernsthafte Gefahr eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung geltend macht."
In seinem Antrag bringt der ASt mit Verweis auf Art. 47 GRC eine Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes dadurch vor, dass ein Antrag auf aufschiebende Wirkung erst mit Erhebung der Revision in Betracht komme (etwa VwGH 10.10.2017, Ra 2017/20/0321) und im derzeitigen Verfahrensstand zwischen Beantragung beziehungsweise Bewilligung der Verfahrenshilfe und Erhebung der Revision keine Möglichkeit bestehe, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.
Dabei ist insbesondere aus RN 43 des zitierten EuGH-Urteils abzuleiten, dass der Effektivitätsgrundsatz nicht mehr als die Wahrung der Grundrechte der Charta, insbesondere des Rechts auf einen wirksamen Rechtsschutz, erfordert. Da Art. 47 GRC im Licht der Garantien der Art. 18 und Art. 19 Abs. 2 der Charta nur verlangt, dass eine internationalen Schutz beantragende Person, deren Antrag abgelehnt wurde und gegen die eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, ihre Rechte vor einem Gericht wirksam geltend machen kann, lässt der bloße Umstand, dass ein im nationalen Recht vorgesehener zusätzlicher Rechtszug nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat, nicht den Schluss zu, dass der Effektivitätsgrundsatz verletzt wurde.
Wenn nun bereits eine Regelung, wonach einem zusätzlichen Instanzenzug nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt, nicht dem Effektivitätsgrundsatz widerspricht, muss das erst recht dafür gelten, wenn bei einem derartigen zusätzlichen Instanzenzug die aufschiebende Wirkung gewährt werden kann, auch wenn das erst nach Beantragung und Bewilligung der Verfahrenshilfe geschehen kann. Die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte wird dadurch nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert. Es ist dem ASt durchaus zuzumuten, innerhalb der - normalerweise - vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, einen Verfahrenshilfeantrag zu stellen. Über diesen - und die danach eventuell erhobene Revision - ist selbst im Falle der unfreiwilligen Ausreise, also im Regelfall der Abschiebung, eines ASt durch den VwGH zu entscheiden (siehe etwa VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0241). Auch dadurch wird somit die effektive Überprüfung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht verletzt beziehungsweise nicht der Zugang zu einer effektiven zweigliedrigen Verwaltungsgerichtsbarkeit gänzlich unterlaufen, sondern vielmehr vollständig gegeben.
Darüber hinaus liegt Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens beim ASt im Entscheidungszeitpunkt aus folgenden Erwägungen nicht vor:
Im gegenständlichen Fall wurde das Erkenntnis des BVwG 12.03.2019, (Zl. W148 2193493-2/3E), in dem eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des ASt nach Art. 2, 3 und 8 EMRK verneint wurde, bereits vom VfGH in seiner Entscheidung vom 24.09.2019 (GZ: E 3282/2019-6) bestätigt. Dort führte dieser zur Ablehnung der Beschwerde aus, dass die Entscheidung, einen Fremden außer Landes zu schaffen, unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK erheblich werden kann, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden sind, dass der Fremde konkret Gefahr läuft, in dem Land, in das er gebracht werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Nach den weiteren Ausführungen des VfGH wurde im gegenständlichen Erkenntnis weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen noch sind grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom VfGH aufzugreifende Verletzung des Grundrechts nach Art. 3 EMRK darstellen. Ebenfalls könne dem BVwG unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiegt.
Die vom ASt in seinem Antrag vorgebrachten Gründe zur Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK wurden somit bereits von drei Instanzen (BFA, BVwG, VfGH) überprüft und verneint. Weitere beziehungsweise neue Gründe für eine Verletzung dieses Grundrechts wurden vom ASt in seinem Antrag nicht konkret dargelegt, sondern mit dem Verweis auf aktuelle Länderberichte zur Sicherheitslage in Afghanistan bloß pauschal in den Raum gestellt (OZ 17, S. 3 und 4 ff). Es ist daher nicht zu sehen, inwieweit dem ASt bei einer Rückkehr eine Gefahr seiner unionsrechtlich geschützten Rechte drohen sollte. In diesem Zusammenhang ist zudem darauf hinzuweisen, dass alleine die Vorbereitung der Ausstellung eines Heimreisezertifikates im Wege von Ladungen unter Haftandrohung noch nicht gleichbedeutend mit einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung ist. Aus der Stellungnahme des BFA vom 02.12.2019 geht hervor, dass für den ASt bis dato kein Heimreisezertifikat ausgestellt wurde und ein Abschiebetermin entsprechend noch nicht feststeht (OZ 21). Es liegt also noch nicht einmal ein Heimreisezertifikat vor, was aber für eine wirksame bzw. unmittelbar bevorstehende Abschiebung notwendig wäre. Zusammengefasst ist vom ASt daher auch keine Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens glaubhaft gemacht worden.
Somit liegen die Voraussetzungen für die beantragte Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes nicht vor, sodass der Antrag des ASt spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen war.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, der nach Art. 133 Abs. 9 B-VG sinngemäß auf Beschlüsse anwendbar ist, zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis beziehungsweise der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Zulässigkeit von einstweiligen Anordnungen nach Unionsrecht im Zusammenhang mit der Effektivität der Rechtsbehelfe und im Bereich des Verfahrenshilferechts liegt - soweit überblickbar - bislang noch keine Rechtsprechung des VwGH vor; es war daher die (ordentliche) Revision zuzulassen.
Schlagworte
einstweilige Anordnung, EuGH, Revision zulässig, Unionsrecht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W148.2193493.2.01Zuletzt aktualisiert am
02.06.2020