TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/29 W142 1423345-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2019
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Entscheidungsdatum

29.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W142 1423345-3/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Irene HOLZSCHUSTER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.06.2016, Zl.: 13-570256000/1505593, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der volljährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste im November 2011 - über Ungarn - nach Österreich ein und stellte am 02.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei seiner Erstbefragung am 02.11.2011 gab der BF an, er sei am

XXXX in XXXX , Afghanistan geboren und ledig. Er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an, seine Muttersprache sei Paschtu, er spreche aber auch schlechtes Englisch. Er habe 10 Jahre die Schule in Peshawar besucht, dies aber nicht regelmäßig. Er sei im Alter von fünf Jahren von Afghanistan nach Pakistan geschickt worden, um dort eine Schule zu besuchen.

Zu seinen Fluchtgründen brachte er wie folg vor:

"Die Taliban verlangten von meinem Vater im Dorf XXXX , dass er mich mit den Taliban schickt um am Jihad (Heiliger Krieg) teilzunehmen. Mein Vater wollte das nicht. Ca. einen Monat bevor ich Afghanistan verließ, wurde ich von den Taliban als ich zu Fuß unterwegs war, mit einem Auto entführt. Ich war ca. sechs oder sieben Tage in einem dunklen Raum eingesperrt. Es gab dort ein kleines Fenster, durch dieses mir dann auch die Flucht gelungen ist. Nach meiner Flucht, als ich wieder zu Hause war, wurde ich von den Taliban telefonisch bedroht. Ca. 15 Tage nach meiner Flucht von den Taliban wurde auf mich geschossen. Ich blieb zum Glück unverletzt. Ein anderer Verwandter von uns wurde dabei verletzt. Da mein Leben in Gefahr war, schickte mich mein Vater von Afghanistan weg."

Bei einer Rückkehr habe er Angst vor den Taliban.

3. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.12.2011, Zl.: 11 13.210-EAST West, gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages des BF auf internationalen Schutz gem. § 10 (1) der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Ungarn zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 AsylG 2005 wurde der BF aus dem Österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und am 04.01.2012 nach Ungarn überstellt.

4. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.01.2012, Zl. S22 423,345-1/2011-5E, gem. §§ 5 und 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

5. Am 27.06.2012 stellte der BF in Österreich (aus dem Stande der Schubhaft) den zweiten, nunmehr verfahrensrelevanten Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der dortigen Erstbefragung gab der BF zu den Gründen seiner neuerlichen Asylantragstellung befragt an: "Meine Fluchtgründe haben sich nicht geändert".

6. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der BF am 15.11.2012 vom Bundesasylamt einvernommen.

Der BF gab zu seinen persönlichen Verhältnissen in Afghanistan an, zehn Jahre die Schule besucht und danach etwa zwei oder drei Jahre in einem Fenstergeschäft als Monteur gearbeitet zu haben. Er habe gemeinsam mit seinen Eltern, einer Schwester und einem Bruder in einem Eigentumshaus gelebt. Die wirtschaftliche/finanzielle Lage sei mittelmäßig gewesen. Befragt, wie seine Familienangehörigen in Afghanistan leben würden, gab der BF an, dass der Vater gehbehindert sei und nicht arbeiten könne. Seine Mutter sei Hausfrau, der Bruder gehe zur Schule und die Schwester sei zu Hause. Sein Onkel lebe in Saudi-Arabien und schicke der Familie Geld. Die wirtschaftliche/finanzielle Lage der Familie sei nicht besonders, normal.

Zu seinen Fluchtgründen gab er wie folgt an:

[...]

"Die Taliban in der Nähe unseres Hauses wollten mich mitnehmen, weil ich der älteste Sohn der Familie war. Sie haben gemeint, dass von jedem Haus ein Mitglied bei den Taliban sein muss. Mein Vater wollte das nicht. Er hat ihnen gesagt: "Er ist mein älterer Sohn, ich kann ihn nicht zu euch schicken!" Einmal war ich unterwegs, um mit meinen Freunden Cricket zu spielen. Auf dem Weg hat mich ein Auto angehalten. Es sind vier bis fünf Leute ausgestiegen und sie haben mich betäubt. Sie haben mich dann in ein Gebirge gebracht, dieses Gebirge heißt XXXX . Ich war dort vier bis fünf Tage in einem Zimmer festgehalten. Dann habe ich in der Nacht Schüsse gehört. Die Taliban haben gegen andere gekämpft. In diesem Zimmer war ein kleines Fenster. Als ich gehört habe, dass die Taliban mit Kämpfen beschäftigt waren, bin ich durch dieses Fenster geflüchtet. Als ich aus diesem Fenster gesprungen bin, habe ich mir mein Bein verletzt. Ich bin bis nach Jalalabad gelaufen. Von dort habe ich den Bus genommen und bin nach Hause gefahren. Dann haben die Taliban meinen Vater und mich immer bedroht. Sie haben immer angerufen und Briefe geschickt. Sie haben meinem Vater gesagt: "Wir werden deinen Sohn diesmal umbringen, weil er geflüchtet ist. Mein Leben war dort in Gefahr. Dann habe ich Geld von meinem Onkel und ein paar Freunden bekommen und bin ausgereist.

F: Wann haben Ihre Probleme mit den Taliban begonnen?

A: Im Juli 2011.

F: War das die Zeit, als Sie von den Taliban mitgenommen wurden, oder hatten Sie davor auch schon Probleme mit ihnen?

A: Da wurde ich von den Taliban mitgenommen.

F: Hatten Sie davor auch schon Probleme mit den Taliban, in irgendeiner Art?

A: Nein. Es ist aber so, dass die Taliban immer ein Mitglied der Familie mitnehmen, sobald sie reif genug sind.

F: Und die Mitnahme war also ohne Vorwarnung, weder Ihr Vater noch Sie wurden davor je darauf angesprochen?

A: Vorher haben sie schon mit meinem Vater gesprochen. Mein Vater hat das aber abgelehnt.

F: Wie oft haben die Taliban mit Ihrem Vater vorher darüber gesprochen?

A: Sie sind einmal gekommen und danach haben sie Briefe geschickt.

F: Wie oft sind sie gekommen und wie viele Briefe wurden geschickt?

A: Sie sind einmal gekommen und wir haben insgesamt zwei Briefe erhalten. Die Briefe waren nach meiner Flucht aus diesem Zimmer.

F: Habe ich Sie richtig verstanden: bevor Sie mitgenommen wurden, sind die Taliban einmal zu Ihrem Vater gekommen?

A: Ja, das ist richtig.

F: Wie lange bevor Sie mitgenommen wurden, war das?

A: Es eine Woche davor.

F: Waren Sie auch anwesend?

A: Nein.

F: Hat Ihr Vater Ihnen erzählt, wie der Besuch damals abgelaufen ist?

A: Nein. Er hat mir nichts erzählt. Er hat aber mit meiner Mutter darüber gesprochen und ich habe diese Unterhaltung gehört.

F: Was haben Sie gehört, was genau wurde gesprochen?

A: Er hat ihr erzählt, dass die Taliban gekommen sind und mich für Jihad mitnehmen wollten. Mein Vater hat ihnen aber gesagt, dass ich der einzige Sohn bin, der sich um die Familie kümmert und deshalb abgelehnt.

F: Haben Sie mitbekommen, ob danach noch etwas gesprochen wurde oder die Taliban einfach gegangen sind?

A: Nein, sie sind einfach gegangen. Der Vorgesetzte von den Taliban kommt eh nicht selbst, er schickt nur seine Leute.

F: Schildern Sie mir bitte den Tag genau, an dem Sie von den Taliban mitgenommen wurden, d.h.: was haben Sie davor gemacht, wie ist die Mitnahme genau abgelaufen usw.?

A: Die Taliban haben mich betäubt. Sie haben mich zu diesem Gebirge gebracht. Ich wusste nicht genau, wo ich bin. Ich habe aber erkannt, dass es das XXXX Gebirge war. Ich war in einem dunklen Zimmer. Sie haben mir Essen gebracht. Am nächsten Tag sind die Taliban zu mir gekommen und haben mich mit hinaus genommen. Sie haben mir viele Waffen gezeigt und auch, wie man sie benützt. Sie haben mir gesagt, dass ich das alles lernen soll. Eines Nachts, als ich gehört habe, dass die Taliban kämpfen, hatte ich die Gelegenheit, von dort wegzulaufen.

F: Ich habe Sie dazu aufgefordert, die Mitnahme genauer zu schildern und Sie haben darüber genau einen Satz gesagt, nämlich, dass die Taliban Sie betäubt haben!

A: Als ich dort aufgewacht bin, war ich in einem dunklen Zimmer. Sie haben mir dann Essen gebracht. Eines Nachts, als sie angefangen haben zu schießen habe ich das Fensterglas gebrochen. Man sieht auch die Narbe auf meiner Hand und mein Bein wurde auch verletzt. Ich bin aus dem Fenster gesprungen. Dann bin ich die ganze Nacht gelaufen. Dann habe ich ein Auto gesehen und um Hilfe gebeten. Er hat mich dann nach XXXX gebracht.

F: Ich wollte von Ihnen wissen, wie die Mitnahme abgelaufen ist? Auch wenn Sie betäubt wurden, so müssten Sie mir doch Ihre Wahrnehmungen mitteilen können, die Sie kurz davor gemacht haben?!

A: Die ersten paar Tage ist niemand zu mir gekommen. Am dritten oder vierten Tag musste ich dann raus. Sie haben mir die Benützung der Waffen beigebracht. Sie haben mich wie alle anderen Talibanlehrlinge eingeschult.

F: Ich möchte, dass Sie mir den Tag schildern, als Sie von den Taliban mitgenommen wurden! Auch wenn Sie betäubt wurden, so müssten Sie mir die Wahrnehmungen schildern können, die Sie kurz davor gemacht haben!

A: Ich war unterwegs. Ich hatte diesen Cricketschläger in der Hand. Die Taliban sind mit dem Auto gekommen. Sie haben vor mir angehalten. Dort hat fast jeder eine Waffe mit, deshalb habe ich nicht gewusst, dass sie wegen mir gekommen sind. Einer von ihnen ist zu mir gelaufen und hat mich betäubt.

F: Waren Sie zu diesem Zeitpunkt alleine unterwegs?

A: Ja.

F: Können Sie sich noch erinnern, wie viele Taliban damals gekommen sind?

A: Es waren ca. vier bis fünf Leute.

F: Schildern Sie mir bitte diese Tage genauer, als Sie bei den Taliban waren. Wie sind diese Tage abgelaufen?

A: Was kann man in einem dunklen Zimmer machen? Sie haben mir nur zu den Essenszeiten Essen gebracht. Dann haben sie mich einmal mit hinausgenommen, um mich zu trainieren und einzuschulen. Sie haben mich auch bedroht, dass sie mich sicher umbringen werden, wenn ich versuche, wegzulaufen.

F: Sie waren in diesen Tagen nur ein einziges Mal aus diesem Zimmer draußen?

A: Ja, weil am nächsten Tag schon dieser Kampf war. Ich weiß nicht, mit wem die Taliban gekämpft haben, aber ich hatte eine gute Gelegenheit gefunden, um wegzulaufen.

F: Wie ist es weitergegangen, gleich nachdem Sie nach Hause gekommen waren?

A: Wir haben zwei Briefe von den Taliban erhalten. Mein Leben war in Gefahr. Deshalb hat mein Vater meinen Onkel angerufen und um Geld gebeten. Dann hat er auch noch andere Freunde um Geld gebeten. Dann hat er Geld gesammelt und einem Schlepper gegeben, der mich dann hergebracht hat.

F: Wie lange waren Sie nach Ihrer Flucht vor den Taliban zu Hause, bevor Sie wieder weggegangen sind?

A: Es war im achten Monat.

F: Wie lange waren Sie zu Hause?

A: Ungefähr 20 Tage.

F: Wie lange nach Ihrer Ankunft zu Hause ist der erste Brief von den Taliban gekommen?

A: Er ist kurz danach gekommen.

F: Was meinen Sie damit: ein Tag, zwei Tage, drei Tage?

A: Es war einen Monat nach meiner Flucht. Als ich in Griechenland angekommen bin, habe ich meinen Vater angerufen und er hat es mir dann erzählt.

F: Das heißt, in den 20 Tagen als Sie noch zu Hause waren, ist kein Brief von den Taliban gekommen?

A: Nein. Und ich selbst habe dort versteckt gelebt.

F: Was heißt, Sie haben dort versteckt gelebt?

A: Ich bin nicht so oft rausgegangen und habe öfter bei Freunden, Onkeln oder Verwandten übernachtet. Die Taliban erkennt man dort nicht, aber sie sind überall.

F: Gab es in diesen 20 Tagen irgendwelche besonderen Vorkommnisse?

A: Nein. Ich selbst blieb ja zum Glück immer versteckt und mein Vater ist alt und schwach. In diesen 20 Tagen haben wir nur Geld gesammelt und meine Ausreise finanziert.

F: Nur, um Missverständnisse zu vermeiden: habe ich das richtig verstanden: Sie sind vor den Taliban geflüchtet und haben sich danach noch ca. 20 Tage zu Hause aufgehalten. In diesen 20 Tagen haben Sie manchmal auch bei Verwandten oder Freunden geschlafen und es ist nichts weiter passiert, außer dass Geld für Ihre Ausreise gesammelt wurde?

A: Ja, das ist richtig.

F: Wollen Sie noch andere Gründe geltend machen?

A: Nein, das war alles.

Vorhalt: Dies ist ja bereits Ihr zweites Asylverfahren in Österreich. Ihr erster Antrag war ein Dublinverfahren mit Ungarn.

Damals, am 02.11.2011 wurden Sie von der PI kurz zu Ihrem Fluchtgrund befragt und machten im Wesentlichen gleiche Angaben wie heute. Jedoch gibt es dennoch einen gravierenden Widerspruch und diesen werde ich Ihnen nun zur Kenntnis bringen. Ich möchte, dass Sie mir erklären, weshalb Sie widersprüchliche Angaben machen!

Sie haben damals gesagt, Sie wären nach Ihrer Flucht von den Taliban, als Sie wieder zu Hause gewesen wären, von den Taliban telefonisch bedroht worden. Weiters wäre ca. 15 Tage nach Ihrer Flucht von den Taliban auf Sie geschossen worden. Sie wären zum Glück unverletzt geblieben, allerdings wäre ein Verwandter von Ihnen dabei verletzt worden. Heute jedoch gaben Sie an, in den 20 Tagen als Sie sich noch zu Hause aufgehalten hätten, hätte es keine besonderen Vorkommnisse gegeben, außer, dass Geld für Ihre Ausreise gesammelt worden wäre!

A: Beim ersten Mal war das ein iranischer Dolmetscher und ich habe gesagt, dass wir einen Anruf erhalten haben. Mit wir meine ich, dass mein Vater einen Anruf erhalten hat. Der Verwandte wurde von den Taliban mitgenommen und danach, als er geflüchtet ist, wurde auf ihn geschossen. Das war aber nach meiner Ausreise, ich war da nicht dabei. Ich habe bei der ersten Einvernahme nicht gewusst, dass man den Dolmetscher wechseln darf.

Vorhalt: Darf man auch nicht! Und zwar deshalb nicht, weil Sie in Ihrer Heimatsprache Pashtu einvernommen wurden und sowohl die Rückübersetzung als auch die Richtigkeit der Angaben mit Ihrer Unterschrift bestätigt haben! Dies bedeutet, dass Sie den Dolmetscher damals sehr wohl verstanden haben und umgekehrt!

Außerdem: Sie haben heute angegeben, dass Ihr Vater nach Ihrer Ausreise zwei Briefe von den Taliban erhalten hätte. Von einem Verwandten, der angeblich von den Taliban mitgenommen worden und auf den angeblich geschossen worden wäre, haben Sie bis jetzt nichts erzählt, obwohl dies doch nicht gerade unbedeutend ist?!

A: Angerufen wurde eh mehrmals und öfter. Ich habe heute nur von den Briefen gesprochen.

Vorhalt: Wir werden Ihnen Ihre diesbezüglichen Angaben vom 02.11.2012 wörtlich zur Kenntnis bringen und ich möchte, dass Sie mir das erklären!

Antwort nach Rückübersetzung der diesbezüglichen Passage (Niederschrift vor der PI am 02.11.2011 zu Zl. 11 13.210, Seite 5, Frage 11): Ich habe ja schon gesagt, dass es nach meiner Ausreise war. Ich habe schon erzählt, dass mein Verwandte verletzt wurde, aber das ist alles nach meiner Ausreise gewesen. Ich war so lange im Gefängnis in Ungarn. Warum hat man mich dorthin geschickt, ich hatte

keine Schuld?!.........

Anmerkung: Der ASt. wir zusehends nervös und aggressiv und versucht offensichtlich, durch seine Gegenfragen bezüglich Ungarn von seinen widersprüchlichen Angaben abzulenken. Erst nach mehrmaliger Ermahnung hört er damit auf und ist wieder bereit, der Einvernahme weiter zu folgen und die nächste Frage anzuhören und zu beantworten!

F: Warum haben Sie den Vorfall mit den Taliban nicht bei der Polizei angezeigt?

A: Die Polizei hat selbst Angst vor den Taliban. Es gibt keine Regierung in Afghanistan. Die Polizisten werden immer wieder von Taliban umgebracht.

F: Weshalb sind Sie nicht in eine größere Stadt wie Kabul, Herat, Mazar i Sharif oder Jalalabad gegangen, wo es wesentlich sicherer ist? Es gibt in Afghanistan keine Meldepflicht und demnach hätten Sie dort nicht leicht gefunden werden können?!

A: Es gibt überall in Afghanistan Taliban.

Mit mir werden die Feststellungen zur Situation in meinem Heimatland erörtert. Ich gebe dazu an:

Die Situation hat sich dort nicht verbessert, sondern verschlechtert. Die Taliban werden nie weg sein. Egal, wohin ich gehe, sind dort Taliban und werden sie mich umbringen. Es gibt dort fast jeden Tag Terroranschläge und da werden am meisten die Polizisten getötet.

F: Würde Ihnen bei Rückkehr Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

A: Nein."

[...]

Zu seinem Leben in Österreich gab er an, sich in Grundversorgung zu befinden, in Österreich keine Verwandten zu haben und einen Deutschkurs zu besuchen. Er befinde sich nicht in Ausbildung und sei auch nicht erwerbstätig.

7. Mit Bescheid vom 31.01.2013, Zl. 12 07.836-BAG, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz ab und erkannte dem BF den Status eines Asylberechtigten nicht zu (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies den BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan aus.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde an den Asylgerichtshof (nunmehr Bundesverwaltungsgericht, im Folgenden: BVwG).

Im Verfahren vor dem BVwG wurde das ungarische Amt für Einwanderung und Staatsbürger kontaktiert und wurden dem BVwG in weiterer Folge die ungarischen Asylakten vorgelegt.

In seiner Einvernahme in Ungarn am 29.03.2012 gab der BF zu seinen persönlichen Daten wie folgt an:

"Familienname: XXXX

Vorname: XXXX

Geschlecht: männlich

Geburtsort und Datum : Pakistan, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Peshawar XXXX

Gegenwärtige Staatsbürgerschaft: pakistanisch

Frühere Staatsbürgerschaft: Keine/staatenlos

Vater: XXXX

Mutter: XXXX

Familienstand: ledig

Wohnadresse: - gegenwärtig: XXXX .

-

in seiner Heimat: Pakistan, XXXX

Muttersprache/n: Urdu, Paschtu

Gesprochene Sprachen: wenig Englisch

Religion: sunnitischer Mohammedaner

Beruf: Glasermeister

Schulbildung: 10 Klassen XXXX "

Zur Reiseroute und zum Fluchtgrund gab er folgendes an:

"Pakistan (August 2011) - Iran (2 Tage) - Türkei (6 Tage) - Griechenland (1,5 Monate, er hat nicht um Asyl angesucht) - Mazedonien (18 Tage) - Serbien (12 Tage in der Gegend von Subotica/Szabadka, er hat nicht um Asyl angesucht, hat keine Behörde getroffen) - Ungarn - Österreich - (er weiß nicht, wie lange er dort war) - Ungarn.

Zeitpunkte und zeitliche Dauer der Reise: Pakistan-August 2011, ich wollte bis Österreich kommen, weil ich dort Asyl beantragen wollte. Meine Reise bis Österreich hat 350.000,-- pakistanische Rupien und €

2.500,-- gekostet, ich habe mein Haus verkauft und mir auch noch Geld geliehen.

Frage: Dies ist Ihr zweites Anerkennungsansuchen. Sie haben das erste Ansuchen als afghanischer Staatsbürger eingereicht, dieses haben wir zurückgewiesen und unsere Entscheidung ist vom Gericht anerkannt worden. Sie werden ersucht zu erklären, warum Sie Ihr erstes Ansuchen als afghanischer Staatsbürger eingereicht haben, beziehungsweise warum Sie wieder ein Anerkennungsansuchen eingereicht haben?

Antwort: Im Zuge meiner Reise sagte jeder, mein Ansuchen würde abgewiesen werden und ich würde für vier Jahre eingesperrt werden, wenn ich mich nicht als Afghane bekenne. Das hat mich erschreckt, darum habe ich zuerst als Afghane um Asyl angesucht. Ich habe neuerlich um Asyl angesucht, weil ich in Pakistan Probleme habe.

Frage: Warum beantragen Sie Asyl? Welchen konkreten Grundes wegen haben Sie Ihre Heimat verlassen?

Antwort: Mein Vater war Regionalvertreter der Awami National Party (ANP) an meinem Wohnort, in XXXX . An unserem Wohnort gab es Gas-, Wasser- und Stromprobleme. Über meinem Vater stand in der ANP ein Mann namens XXXX , mein Vater hatte sich wegen der oben beschriebenen Probleme des Öfteren an ihn gewandt, und er versprach immerzu, er werde Maßnahmen treffen, doch schließlich geschah nie etwas.

Der Vertreter eines anderen, nahe gelegenen Bezirkes, XXXX , war XXXX , ein Mitglied der PPP. XXXX hatte schließlich meinen Vater aufgesucht und ihm vorgeschlagen, sämtliche Probleme der Menschen zu lösen, falls mein Vater und auch die Einwohner des Bezirkes bei den folgenden Wahlen ihre Stimme auf seinen Vorgesetzten bei der PPP abgeben würden. Mein Vater hatte ihm versprochen, mit den Menschen zu reden, und ihm eine Antwort zu erteilen. XXXX wollte außerdem, dass mein Vater das Angebot später auch schriftlich annehmen solle. Mein Vater sprach mit den Menschen und unterbreitete ihnen das Angebot, worauf diese sagten, sie würden dem ihre Stimme geben, der auch etwas für sie tue, sie haben das Angebot also angenommen. Mein Vater hatte daraufhin XXXX angerufen und ihm gesagt, der Plan könne beginnen, weil die Einwohner angenommen haben. Daraufhin begannen die Leute von der PPP, Transformatoren zu bauen, sie verlegten neue, größere Rohre für Wasser und Gas. Diese ganze Investition wurde im Mai 2011 getätigt. Als die Arbeiten begonnen wurden, rief XXXX (MNA) meinen Vater zu sich und zog ihn zur Verantwortung, warum er sich an die PPP gewandt hätte. Mein Vater entgegnete, die Menschen hätten das so gewollt, woraufhin sein Chef sagte, wer ihr Freund sei, der sei ihr Freund, wer aber ihr Feind sei, dem würden sie es schon zeigen, also hat er meinem Vater gedroht. Eines Tages, als ich gerade bei einem Haus arbeitete, und nur mein Bruder, mein Vater und der Cousin meines Vaters in der Glaserwerkstatt waren, die sich an der Ecke unsrer Straße befand, begannen die Kriminellen von der ANP, sie trugen rote Mützen, von der Straße her auf unser Geschäft zu schießen. Im Zuge dessen ist mein älterer Bruder gestorben (Treffer im Schädel und im Brustkorb), mein Vater wurde verwundet (Treffer an beiden Beinen), sein Cousin ist gestorben. Außerdem wurde noch ein Passant am Bein verletzt. Die Angreifer hatten unser Geschäft von einem Auto aus unter Feuer genommen. Das geschah am 25. Juni 2011. Dann wurde ich von zu Hause angerufen, ich erfuhr, was geschehen war und machte bei der Polizei die Anzeige, doch ist dort nichts geschehen, denn dort ist jeder Anführer von der ANP. Ich suchte XXXX von der PPP auf, mit dem ich zu XXXX (MPA) ging, doch konnten wir ihn nicht persönlich treffen, weil er sich immer wieder verleugnen ließ. Dann wurde mein Vater von jemandem angerufen, der sagte ihm, du bist davongekommen, aber das nächste Mal kommst du nicht davon. An einem anderen Tag im Juli 2011 - ich war gerade auf der XXXX unterwegs - fuhr auf einmal ein Auto mit Bewaffneten an mir vorbei. Daraufhin lief ich in eine Gasse hinein und konnte fliehen. Danach verkaufte mein Vater alle unsere Habe, sie fuhren nach XXXX und mich schickte er nach Österreich. Ich bin deshalb nicht dort geblieben, weil ich mich in Gefahr befunden habe. Mein Vater ist lahm geworden, ihm tat man nichts zuleide, auch meinen jüngeren Geschwistern tat man nichts an. Seitdem erhält mein Onkel die Familie, sie leben im Verkehrsvereine, somit wurden sie seitdem nicht angegriffen. Meine Familie besteht zurzeit aus meinen Eltern, meinem jüngeren Bruder, meiner jüngeren und meiner älteren Schwester, meinen Bruder haben sie umgebracht. Übrigens gab es letzte Woche drei Explosionen in Peshawar. Die Sicherheitslage ist sehr schlecht, es gibt immer wieder Explosionen.

Frage: Gab es auch einen anderen Grund dafür, dass Sie Pakistan verlassen haben, beziehungsweise dafür, dass Sie gegenwärtig nicht dorthin zurückkehren wollen?

Antwort: Es gab keinen anderen Grund und es gibt auch jetzt keinen.

Landeskundliche Fragen zum Herkunftsland:

Frage: Geben Sie mir Gemeinden in der Gegend von Peshawar beziehungsweise in der Gegend von XXXX an!

Antwort: Die Städte Islamabad, Lahore, Karachi, Rawalpindi; Ramdas, Dabgarai, Shoha, Khyber Basar, Ashnagarai, Lali Bagh, Morshad Abad,

Quahed Abad, Kohatai, Tanda Kohi. Bezirke: Ganj, Sevel Colony,

Poster Colony, Hadwad Colony, Technical College. Sehenswürdigkeiten:

In der Stadt gibt es ein Krankenhaus: Reddi Redding, Army Stadion, Company Park. Wenn wir aus der Stadt Richtung Torhkham fahren, da ist das berühmte Khyber-Tor.

Frage: Gibt es Flüsse oder Seen in der Gegend von Kehla?

Antwort: Flüsse gibt es keine in unsrer Gegend, nur Bäche.

Frage: Was würde mit Ihnen geschehen, wenn Sie nach Pakistan zurückkehren würden?

Antwort: Das würde mir schlecht bekommen, die mit den roten Mützen könnten mich in dem Moment töten, wenn ich den Flugplatz verlasse."

9. Mit Beschluss des BVwG, Zl.: W156 1423345-2/15E, wurde der Bescheid des Bundesasylamtes behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur neuerlichen Feststellung des Sachverhaltes und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zurückverwiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde keine Feststellungen zur Herkunft und Identität des BF getroffen habe und im Hinblick auf die im ungarischen Asylverfahren gemachten Angaben des BF nicht mehr gesichert davon ausgegangen werden kann, dass der BF afghanischer Staatsbürger sei. Im fortgesetzten Verfahren werde daher zu klären sein, welche Staatsbürgerschaft der BF besitze.

10. Im weiteren Verfahren führte das BFA am 18.02.2015 eine neuerliche Einvernahme des BF in der Sprache Dari durch.

Der BF gab an nicht in ärztlicher Behandlung zu sein und keine regelmäßigen Medikamente einzunehmen.

Zudem gab der BF wie folgt an:

[...]

"F: Nennen Sie mir bitte Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit.

A: Mein Name ist XXXX und ich stamme aus Afghanistan. Ich bin am XXXX geboren.

F: Ihr Verfahren wurde deshalb zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen, weil Sie in Ungarn unter einer völlig anderen Identität um Asyl angesucht haben.

A: Ich war im Jahr 2011 schon einmal da und wurde dann nach Ungarn abgeschoben. In Ungarn macht das jeder so, weil man sonst für ein Jahr inhaftiert wird. Ich wollte nicht in Ungarn bleiben.

F: Wie oft haben Sie in Ungarn um Asyl angesucht?

A: Als Sie mich abgeschoben haben, ging mein Akt zugleich nach Ungarn. Ich habe ja dort keinen Asylantrag gestellt.

F: Wenn wir Sie nach Ungarn abgeschoben haben, so kann das ja nur den Grund gehabt haben, dass Sie dort waren, bevor Sie nach Österreich gekommen sind! Ich möchte von Ihnen wissen, wie oft Sie in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben?

A: Ich habe Ungarn wirklich nicht gesehen gehabt. Der Schlepper hat mich weitergeführt. Ich kannte Ungarn wirklich nicht.

F: Wie viele Asylanträge von Ihnen gibt es in Ungarn?

A: Nur der eine, als Sie mich dorthin geschickt haben.

F: Wann war das?

A: Ich glaube es war am XXXX .

F: In Ihrem Akt befindet sich die Niederschrift, die mit Ihnen in Ungarn aufgenommen wurde. Daraus geht hervor, dass Sie auch in Ungarn zwei Mal um Asyl angesucht haben und zwar einmal als Afghane und einmal als Pakistani. Sie wurden auch gefragt, weshalb Sie beim ersten Mal als Afghane angesucht haben und gaben wörtlich folgendes an:

"Im Zuge meiner Reise sagte jeder, mein Ansuchen würde abgewiesen werden und ich würde für vier Jahre eingesperrt werden, wenn ich mich nicht als Afghane bekenne. Das hat mich erschreckt, darum habe ich zuerst als Afghane um Asyl angesucht. Ich habe neuerlich um Asyl angesucht, weil ich in Pakistan Probleme habe."

Bei mir haben Sie heute gesagt, Sie hätten in Ungarn deshalb als Pakistani um Asyl angesucht, weil das dort jeder so macht und Sie nicht für ein Jahr ins Gefängnis wollten!

A: Das ist vollkommen richtig, was Sie sagen. Es ist mir geraten worden, mich als Pakistani auszugeben. Ich habe somit gelogen. Ich wollte nicht für ein Jahr inhaftiert werden. Das haben alle dort so gemacht.

F: Ich kann Ihnen aber nicht glauben. Immer wenn man Sie beim Lügen ertappt beteuern Sie, dass Sie "jetzt" die Wahrheit sagen.

A: Ich habe einige Fragen an Sie und zwar: weshalb haben Sie mich damals nach Ungarn abgeschoben?

F: Ich habe in Ihrem Verfahren einen negativen Bescheid gemacht und zwar inhaltlich. Mit Ungarn habe ich nichts zu tun. Ich bitte Sie, meine Fragen zu beantworten!

A: In Ungarn hatte ich auch die Möglichkeit, einen Reisepass zu bekommen. In Ungarn wollte ich aber nicht bleiben, weil es dort keine Menschlichkeit gibt. In Österreich hat es mir gut gefallen, denn hier sind alle Menschen so freundlich.

F: Entsprechen Ihre Angaben, die Sie bei mir gemacht haben und zwar sowohl vom Inhalt (Flucht- und Asylgrund) als auch von der Identität her oder jene, die Sie in Ungarn gemacht haben?

A: Die Angaben, die ich bei Ihnen gemacht habe, entsprechen der Wahrheit.

F: Das heißt, Ihr Name lautet XXXX , Sie sind am XXXX geboren und afghanischer Staatsangehöriger?

A: Ja.

F: Hat sich seit unserer letzten Einvernahme an Ihren Flucht- und Asylgründen etwas geändert bzw. ist ein neuerlicher Grund hinzugekommen?

A: Nein, es bleibt alles aufrecht.

F: Haben Sie in Afghanistan derzeit Familienangehörige?

A: Nein, habe ich nicht. Sie sind jetzt in Peshawar wegen der Probleme, die ich damals angegeben habe. Ich habe einen jüngeren Bruder, der damals ja noch klein war. Jetzt ist er aber auch schon ein junger Mann und deshalb ist die Problematik auch für ihn vorhanden.

F: Seit wann befindet sich Ihre Familie in Pakistan?

A: Seit fünf bis sechs Monaten.

F: Und bis dahin hat Ihre Familie immer in Afghanistan gelebt?

A: Ja.

F: Wie alt ist Ihr Bruder?

A: Er wird jetzt 17.

F: An welcher Adresse in Afghanistan hat Ihre Familie gelebt?

A: Im Dorf XXXX .

F: Wenn Ihre Familie noch dort wäre und ich sie besuchen würde: wie würde ich dorthin gelangen?

A: Es ist so: man kommt in XXXX an und fragt, wo XXXX ist. In XXXX kennt uns jeder und so würde man uns finden.

F: Hatten Ihre Eltern in Sorma ein eigenes Haus?

A: Ja.

F: Was machte Ihr Vater in Afghanistan beruflich?

A: Er war Landwirt. Auf Nachfrage gebe ich an: er hatte keine eigene Landwirtschaft, sondern hat für jemand anderen gearbeitet.

F: Nennen Sie mir bitte die genauen Daten Ihrer Familie (Name, Geburtsdatum, Adresse berufliche Tätigkeit):

A: Vater: XXXX , 46 bis 47 Jahre alt, Adresse: Peshawar, genaue Adresse weiß ich nicht, er arbeitet nicht.

Mutter: XXXX , 42 bis 43 Jahre alt, gleiche Adresse wie Vater, sie ist Hausfrau.

Bruder: XXXX , ungefähr 17 Jahre alt, gleiche Adresse wie Eltern, er arbeitet nicht, sondern geht zur Schule.

Schwester: XXXX , 18 Jahre alt, gleiche Adresse wie Eltern, sie lernt den Koran, ist aber zu Hause.

F: Wovon lebt Ihre Familie, wenn niemand arbeitet?

A: Ein Onkel väterlicherseits befindet sich in Saudi Arabien und er schickt Geld. Mittlerweile ist er aber aus Saudi Arabien zurück und alle leben bei ihm in Peshawar."

[...]

Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich gab er an, mit den Fitnessgeräten in seinem Quartier zu trainieren und mit seinen Freunden spazieren zu gehen. Er sei nicht Mitglied in Vereinen und rede mit einem Österreicher, welcher immer ins Quartier komme. Verwandte habe er hier nicht.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde ihm Verfolgung durch der Taliban drohen. Diese würden ihn sicher umbringen.

Nach der Rückübersetzung gab der BF an, dass sein Onkel noch immer in Saudi-Arabien lebe. Er habe gemeint, dass seine Familie mit der Familie des Onkels zusammenlebe.

Im Zuge der Einvernahme legte der BF folgende Unterlagen vor:

-

Drei Bestätigungen für die Teilnahme an Deutschkursen für Asylwerber von Sommer 2013;

-

Zertifikat des Landes Salzburg, wonach der BF die Prüfung "Grundstufe Deutsch-A1" am XXXX bestanden habe.

11. Am 01.10.2015 legte der BF ein ÖSD-Zertifikat A2 (bestanden am XXXX ) vor.

12. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 03.06.2016 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. In Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Das Bundesamt stellte fest, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei. Seine Identität habe nicht festgestellt werden können. Eine asylrelevante Verfolgung habe er nicht glaubhaft machen können.

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass sein Vorbringen vage, oberflächlich, nicht stimmig und daher nicht nachvollziehbar und nicht glaubhaft gewesen sei. Weiters habe sich der BF in zahlreiche Widersprüche verstrickt. So habe er zunächst angegeben, dass er und sein Vater immer wieder bedroht worden wären, während er dann aber wiederum angegeben habe, die Taliban seien vor seiner Entführung einmal beim Vater gewesen. Auch habe er einmal angegeben, dass die Briefe gekommen wären, als er Afghanistan bereits verlassen habe, während er später dann angegeben habe, dass er die Briefe nach seiner Flucht vor den Taliban erhalten habe und daraufhin seine Heimat verlassen habe. Weiters würden die zeitlichen Angaben des BF hinsichtlich der Entführung der Taliban nicht übereinstimmen. Der BF habe darüber hinaus - nach Vorhalt eines Widerspruches - versucht diesen durch den iranischen Dolmetscher zu erklären und sei dann in weiterer Folge auffallend nervös und aggressiv geworden. Dem BF sei es nach der Flucht vor den Taliban auch möglich gewesen noch weitere 20 Tage im Heimatort zu verbleiben, ohne entdeckt zu werden. Weiters sei zu erwähnen, dass der BF in Ungarn einen Asylantrag unter einer völlig anderen Identität gestellt habe.

Betreffend die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der BF jung und arbeitsfähig sei. Es sei ihm zumutbar in Afghanistan Gelegenheitsarbeiten auszuführen. Er leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten. Selbst wenn er nicht in seine Heimatprovinz Nangarhar zurückkehren könne, so stehe ihm aber eine IFA in Kabul, Mazar-e Sharif, Jalalabad oder Herat offen. Es sei auch davon auszugehen, dass der BF familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan habe.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der BF illegal eingereist sei und keine nahen Familienangehörigen und keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte in Österreich habe. Er beziehe kein geregeltes Einkommen, habe keine Arbeit und sei auf Unterstützung angewiesen. Er habe diverse Deutschkurse absolviert. Eine besondere Integrationsverfestigung bestehe nicht.

13. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die vollumfängliche Beschwerde. Betreffend die Beschwerdebegründung wurde auf ein beigelegtes Schreiben des BF in seiner Muttersprache (Paschtu) verwiesen. Weiters wurde die Bestellung eines länderkundigen Sachverständigen zum Beweis der Richtigkeit seiner Angaben und dem Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhaltes beantragt.

Mit der Beschwerde wurde eine Anmeldebestätigung betreffend die Veranstaltung "Pflichtschulabschluss PLUS (Einstiegsmodul)" von 18.01.2016 bis 31.03.2016 vorgelegt.

14. In weiterer Folge beauftragte das Bundesverwaltungsgericht die schriftliche Übersetzung des Beschwerdeschreibens in die deutsche Sprache. Der BF wies in seinem Schreiben darauf hin, dass in Afghanistan sein Leben in Gefahr sei. Dort drohe ihm wegen der Taliban Lebensgefahr und würde er bei einer Rückkehr getötet werden. In seinem Heimatdorf würde noch immer nach ihm gefragt werden. Seinetwegen würden seine Familie, sein Vater und sein Bruder gequält werden. Diese würden auch nicht in ihr Haus in die Heimatregion zurückkehren können.

15. Am 20.02.2019 langte ein Abschlussbericht einer Landespolizeidirektion (vom 08.02.2019) betreffend einen Raufhandel zwischen dem BF und weiteren afghanischen/irakischen Staatsbürgern ein.

16. Am 26.04.2019 wurde von der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass das Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen § 91 (1) StGB (Raufhandel) eingestellt wurde.

17. Am 05.08.2019 legte der BF folgende Unterlagen vor:

-

Kursbestätigung betreffend einen Fortgeschrittenen Deutschkurs für Asylwerbende für 2014/15;

-

Bescheinigung vom 13.10.2016, wonach der BF einen Erste-Hilfe-Kurs besucht habe;

-

Teilnahmebestätigung für den Workshop "interkulturelle Kommunikation" vom 10.02.2017;

-

Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung an einer neuen Mittelschule vom 21.11.2017;

-

Bestätigung über eine ehrenamtliche Tätigkeit seit dem 06.06.2019 in einem Seniorenhaus;

-

Empfehlungsschreiben für den BF.

18. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.08.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Der BF gab in der Verhandlung wie folgt an:

[...]

"R: Sind Sie gesund?

BF: Ja.

R: Können Sie mir sagen, wann Sie Afghanistan verlassen haben?

BF: Im 7. Monat 2011 (Juli) habe ich Afghanistan verlassen.

R: Wo sind Sie geboren?

BF: Ich bin in der Provinz Nangahar, im Distrikt Khogyani, in der Ortschaft XXXX , im Dorf XXXX geboren.

R: Stimmt Ihr Geburtsdatum XXXX und Ihr Name XXXX ?

BF: Mein richtiger Familienname ist XXXX . Das Geburtsdatum stimmt.

R: Wie ist Ihr Familienname korrekt?

BF: Wir werden generell XXXX genannt, weil wir aus XXXX sind, aber ich heiße richtigerweise XXXX .

R: Wieso haben Sie das mittlerweile noch nicht bekanntgegeben, dass Ihr Familienname XXXX ist?

BF: Ich bin nach Österreich gekommen und wurde dann nach Ungarn abgeschoben. Dann bin ich zurück nach Österreich gekommen. Ich wollte meinen Namen so lassen, wie er damals aufgeschrieben wurde, aber jetzt habe ich mich entschieden, meinen richtigen Namen bekanntzugeben.

R: Haben Sie ständig im Dorf XXXX gelebt?

BF: Ich bin dort geboren und habe vier Jahre dort gelebt. Dann sind wir nach Pakistan gegangen. Meine Familie wollte, dass ich eine Schule besuche, bei uns gab es keine Schule.

R: Wie lange haben Sie in Pakistan gelebt?

BF: Bis ich 16 Jahre alt wurde sind wir dort geblieben. Meine Familie ist inzwischen nach Afghanistan zurückgekommen. Ich habe dort die Schule besucht, manchmal bin ich in den Ferien nach Afghanistan zurückgekommen. 2011 habe ich dort Probleme bekommen. Meine Familie ist nach Pakistan gekommen. Ich bin von Afghanistan nach Pakistan gegangen und von dort nach Europa. Meine Familie hat nach mir Afghanistan verlassen, weil sie von den Taliban bedroht wurden.

R: Das heißt, ab dem 16. Lebensjahr haben Sie wieder in Afghanistan gelebt?

BF: Ich bin immer wieder nach Afghanistan gegangen und dann zurück nach Pakistan. Dann habe ich eine Arbeitsstelle in Jalalabad gefunden. Zwei Jahre habe ich dort gearbeitet. Dann habe ich Probleme bekommen. Ich habe zuerst in Pakistan gearbeitet. Ich habe die Schule besucht und nebenbei auch gearbeitet.

R: Sie haben gesagt, Sie haben eine Arbeitsstelle in Jalalabad gefunden. Können Sie mir sagen, von wann bis wann Sie dort gearbeitet haben?

BF: 2009 habe ich angefangen und bis 2011 dort gearbeitet, aber nicht durchgehend, weil ich in Pakistan die Schule besucht habe. Ich habe den Job in Jalalabad in den Ferien gemacht.

R: Was haben Sie dort für eine Arbeit ausgeführt?

BF: Alles, was Glas betrifft, (BF zeigt auf das Fensterglas). Ich war ein Glaser.

R: Wieso können Sie nicht nach Afghanistan zurückkehren?

BF: Mein Bruder ist inzwischen groß geworden. Wenn meine Familie nicht nach Afghanistan zurückkehren kann, wie kann ich dann nach Afghanistan zurückkehren? Ich fühle mich dort in Gefahr.

R: Können Sie mir die konkreten Gründe nennen, warum Sie nicht nach Afghanistan zurückkehren können?

BF: Bei uns in Afghanistan, in unserer Ortschaft ist es so, wenn jemand groß wird, 18 Jahre alt wird, muss er sich den Taliban anschließen. In Afghanistan ist das generell so, dass sich der älteste Sohn der Familie den Taliban zur Verfügung stellen muss. Die Taliban haben mit meinem Vater gesprochen, dass sie wollen, dass ich mich ihnen anschließe. Mein Vater hat es abgelehnt und war damit nicht einverstanden. Eines Tages war ich unterwegs zu meinen Freunden um Kricket zu spielen. Ein Auto ist unterwegs zu mir gekommen und hat bei mir gestoppt. Vier oder fünf Leute sind aus dem Auto ausgestiegen. Drei bis vier Leute sind vor mir gestanden, eine Person hinter mir. Der hinter mir gestanden ist, hatte etwas in der Hand und hat es auf meinen Mund gelegt. Ich weiß nicht, was es war, ich bin bewusstlos geworden. Als ich wieder wach wurde, befand ich mich in einem dunklen kleinen Zimmer mit einem kleinen Fenster. Am zweiten Tag habe ich etwas zu essen bekommen.

R: Wann ist dieser Vorfall passiert?

BF: Ca. im 7. Monat.

R: Welches Jahr?

BF: Es war 2011.

R: Wo haben Sie zu diesem Zeitpunkt in Afghanistan gelebt?

BF: Im Dorf XXXX .

R: Haben Sie Geschwister?

BF: Eine Schwester und einen Bruder. Meine Mutter ist bereits gestorben. Mein Vater ist noch am Leben. Meine Chefin weiß, dass meine Mutter bereits gestorben ist.

R: Was meinen Sie mit "Chefin"?

BF: Damit meine ich die Leiterin des Flüchtlingsheimes. Sie ist eine sehr nette Dame. Als sie mitbekommen hat, dass meine Mutter gestorben ist und bemerkt hat, dass ich tief traurig bin, hat sie auch geweint.

R: Wann ist Ihre Mutter verstorben?

BF: Ca. vor eineinhalb Jahren.

R: Wo ist Ihre Mutter verstorben?

BF: Sie war sehr krank. Sie war auf der linken Seite gelähmt. Sie ist in Pakistan gestorben und ihre Leiche wurde nach Afghanistan gebracht.

R: Wo lebt Ihre Schwester?

BF: Sie lebt in Afghanistan, in der Provinz Baghlan, sie ist bereits verheiratet.

R: Wo lebt Ihr Bruder?

BF: Er lebt in Dubai. Er ist nach Dubai gegangen, weil die Afghanen nicht mehr in Pakistan leben dürfen. Da die Beziehung zwischen Pakistan und Afghanistan schlechter geworden ist, dürfen die Afghanen nicht in Pakistan bleiben. Er lebt dort seit ca. eineinhalb Jahren.

R: Wo lebt Ihr Vater?

BF: Mein Vater lebt in Pakistan bei seinem Bruder in Peshawar, aber sein Bruder arbeitet in Saudi Arabien.

R: Wie viele Jahre haben Sie eine Schule besucht?

BF: 10 Jahre.

R: Wo haben Sie in Pakistan gelebt?

BF: In Peshawar.

R: Welche Schulen haben Sie besucht?

BF: Eine normale Schule, vergleichbar mit einer Volksschule hier.

R: Haben Sie einen Beruf erlernt?

BF: Nein, aber ich bin ein angelernter Glaser. Man kann dort einen Beruf nicht lernen. Man geht arbeiten

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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