Entscheidungsdatum
16.12.2019Norm
AsylG 2005 §15 Abs1 Z4Spruch
W258 2147070-2/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Gerold PAWELKA-SCHMIDT über den Antrag von XXXX , geb XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48, 1170 Wien, auf Wiederaufnahme des hg Verfahrens AZ W258 2147070-1 und Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht in Bezug auf den Antrag auf Wiederaufnahme des hg Verfahrens AZ W258 2147070-1 vom 06.11.2019, ergänzt durch Schriftsatz vom 13.11.2019:
A)
1.) Dem Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung wird nicht stattgegeben.
2.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
B)
Hinsichtlich des Antrags auf Wiederaufnahme wird das Verfahren eingestellt.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 17.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18.01.2017 zur Gänze abgewiesen worden ist. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung - verbunden mit der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan - erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit hg Erkenntnis vom 29.10.2019, GZ W258 2147070-1/8E, abgewiesen.
2. Mit Schriftsatz vom 06.11.2019, hg eingelangt am 07.11.2019, ergänzt mit Schriftsatz vom 13.11.2019, stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, den er mit einem Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht verband. In Bezug auf diesen führte er begründend aus, da dem Antrag auf Wiederaufnahme keine aufschiebende Wirkung zukomme, wäre er bis zur Entscheidung über die Wiederaufnahme nicht vor einer drohenden Überstellung in den Irak geschützt.
3. Über fernmündliche Auskunft des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2019 wurde dem erkennenden Gericht mitgeteilt, dass der Antragsteller seit 30.10.2019 über keine aufrechte Meldeadresse verfügt. Über fernmündliche Auskunft des Vertreters des Antragstellers vom 16.12.2019 wurde dem erkennenden Gericht mitgeteilt, dass jenem der Aufenthaltsort des Antragstellers unbekannt sei.
Beweise wurden aufgenommen durch Einsicht in den Gerichtsakt, den hg Akt W258 2147070-1 und in einen Auszug des Zentralen Melderegisters vom 16.12.2019 sowie durch fernmündliche Rückfrage beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Rechtsvertreter des Antragstellers jeweils vom 16.12.2019.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Der folgende Sachverhalt steht fest:
1.1. Der unter I. beschriebene Verfahrensgang steht fest.
1.2. Der Antragsteller verfügt seit 30.10.2019 über keine aufrechte Meldeadresse und seinem Rechtsberater ist sein Aufenthaltsort unbekannt. Das Bundesamt für Fremdenwesen hat ggü dem Antragsteller einen Festnahmeauftrag erlassen. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates wurde noch nicht eingeleitet. Im Falle der Festnahme des Antragstellers würde seine Abschiebung daher mehrere Wochen in Anspruch nehmen.
1.3. Hiergerichtlich ist zur gegenständlichen Aktenzahl seit 07.11.2019 ein Antrag des Antragstellers auf Wiederaufnahme des Verfahrens W258 2147070-1, ein Verfahren über internationalen Schutz, anhängig. Das Bundesverwaltungsgericht hat über diesen Antrag bislang nicht entschieden. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht nicht fest und kann ohne die, in diesem Verfahren bislang nicht erfolgte, hg Einvernahme des Antragstellers nicht festgestellt werden.
2. Die Feststellungen gründen auf den genannten unbedenklichen Beweismitteln.
3. Rechtlich folgt daraus:
Zu A 1.), Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht:
2.1. Dem Antrag kommt aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu:
2.2. Dem Antragsteller ist zwar dahin zu folgen, dass sich aus dem Unionsrecht die Notwendigkeit zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ergeben kann, um einen effektiven Rechtsschutz zu garantieren.
2.3. Nach der Rechtsprechung des EuGH können die nationalen Gerichte einstweilige Anordnungen nur unter den Voraussetzungen treffen, die für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Gerichtshof gelten. Zu diesen Voraussetzungen gehören die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der Erlassung der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (fumus boni iuris), das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens beim Antragsteller und gegebenenfalls die Abwägung aller bestehenden Interessen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, sodass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen ist, wenn eine von ihnen fehlt. Im Rahmen der Gesamtprüfung, die im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorzunehmen ist, verfügt der zuständige Richter über ein weites Ermessen, und er kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der die verschiedenen Voraussetzungen für die Gewährung der genannten einstweiligen Anordnungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (vgl. dazu etwa VwGH 29.10.2014, Ro 2014/04/0069, mwN).
2.4. Wesentliche Voraussetzung ist somit ua das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens beim Antragsteller.
2.5. Eine solche Dringlichkeit legt der gegenständliche Antrag nicht dar, weil darin nur allgemein geltend gemacht wird, dass der Antragsteller aufgrund der wiederaufzunehmenden Entscheidung abgeschoben werden könnte. Dass diese Abschiebung unmittelbar bevorsteht, wird nicht dargelegt und ergaben auch Nachfragen des Bundesverwaltungsgerichts bei der zuständigen Behörde dafür keinen Hinweis; im Gegenteil hat sich der Antragsteller etwaiger aufenthaltsbeendigender Maßnahmen mangels aufrechter Meldung seines Wohnsitzes entzogen.
2.6. Ausgehend davon ist nicht ersichtlich, dass es der gegenständlichen Anordnung bedürfte, um für den Zeitraum bis zur Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren (zum Ganzen siehe VwGH 08.10.2019, Ra 2019/18/0400).
Zu A 2.), Unzulässigkeit der Revision:
2.7. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Über die grundsätzliche Möglichkeit eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung nach Unionsrecht und die Voraussetzungen für seine erfolgreiche Geltendmachung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits entschieden (VwGH 08.10.2019, Ra 2019/18/0400); eine - wie hier - in diesem Rahmen erfolgte einzelfallbezogene Beurteilung ist nicht reversibel.
Zu B), Einstellung des Verfahrens auf Wiederaufnahme:
2.7. Gemäß § 15 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach dem AsylG 2005 mitzuwirken; insbesondere hat er dem Bundesverwaltungsgericht, seinen Aufenthaltsort und seine Anschrift sowie Änderungen dazu unverzüglich bekannt zu geben.
2.8. Ein Asylwerber entzieht sich dem Asylverfahren ua, wenn dem Bundesverwaltungsgericht sein Aufenthaltsort wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflichten gemäß § 15 AsylG 2005 weder bekannt noch sonst durch das Bundesverwaltungsgericht leicht feststellbar ist (§ 24 Abs 1 AsylG 2005).
2.9 Asylverfahren, und damit auch Wiederaufnahmeanträge in Bezug auf ein bereits abgeschlossenes Asylverfahren, sind einzustellen, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen hat und eine Entscheidung ohne eine allenfalls weitere Einvernahme oder Verhandlung nicht erfolgen kann (§ 24 Abs 2 AsylG 2005).
2.10. Der Antragsteller hat seinen Aufenthaltsort dem Bundesverwaltungsgericht nicht mitgeteilt und sein Aufenthaltsort ist, weil das Zentrale Melderegister hinsichtlich des Antragstellers keine aufrechte Meldung enthält und auch der Vertreter des Antragstellers keine Informationen über den Aufenthalt des Antragstellers hat, nicht leicht feststellbar. Der Antragsteller hat sich daher dem Asylverfahren entzogen.
2.11. Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht und ohne die Einvernahme des Antragstellers nicht festgestellt werden kann, war das Verfahren gemäß § 24 Abs 2 iVm § 15 Abs 1 iVm Z 4 AsylG 2005 mit verfahrensleitenden Beschluss (§ 31 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 zweiter Fall VwGVG; siehe auch VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047 und VwGH 03.05.2018, Ra 2018/19/0020) einzustellen.
2.12. Angesichts dieses Ergebnisses konnte von der Durchführung einer - nicht beantragten - mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden.
Zu A.)
Schlagworte
Abschiebungsnähe, Dringlichkeit, einstweilige Anordnung, EuGH,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W258.2147070.2.00Zuletzt aktualisiert am
02.06.2020