TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/17 W279 2206384-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.12.2019
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Entscheidungsdatum

17.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W279 2206384-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1999, StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .08.2018, Zahl XXXX , nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 06.11.2019 sowie am 19.11.2019, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach schlepperunterstützt unberechtigter Einreise am XXXX .05.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX .11.2015 gab der Beschwerdeführer an, er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an und sei sunnitischer Moslem. Er stamme aus der Provinz Laghman. Im Herkunftsstaat habe er drei Jahre die Koranschule besucht.

Zu seinem Fluchtgrund führte der BF aus, dass sein Onkel väterlicherseits eine Feindschaft mit einer Familie gehabt habe. Nachdem dieser fünf Mitglieder der verfeindeten Familie getötet habe, sei der BF geflüchtet. Anschließend habe die verfeindete Familie nach seinem Onkel gesucht und hätte die Familie des BF bedroht, weshalb ihn sein Vater genötigt habe, das Land zu verlassen. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am XXXX .07.2018 eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, dass er momentan nicht in ärztlicher Behandlung sei und eine Nasenoperation gehabt habe. Er wolle richtigstellen, dass in der Niederschrift festgehalten worden sei, dass sein Onkel auf fünf Leute geschossen habe, jedoch korrekt sei, dass drei Personen getötet und zwei weitere Personen lediglich verletzt worden seien. Er stamme aus der Provinz Langhman und habe vor seiner Ausreise in seinem Elternhaus im Heimatdorf gelebt. Seine Familie sei gemeinsam mit dem BF ausgereist und sein Vater habe ihm einem Freund übergeben. Seit er in das fremde Auto gestiegen sei, habe er seine Familie jedoch nicht mehr gesehen. Befragt, ob er die Schule besucht habe, entgegnete der BF, dass er drei Jahre zu Schule gegangen sei und dort auch über die Lehren des Koran unterrichtet worden sei. Anschließend habe er seinem Vater im Lebensmittelgeschäft geholfen, er habe jedoch keine spezielle Berufsausbildung erhalten. Zur Frage, ob er noch Angehörige in seinem Heimatland habe, erklärte der BF, dass er in Afghanistan einen familiären Anknüpfungspunkt in Form eines Onkels habe, jedoch nicht wisse, wo sich dieser aufhalte. Seit seiner Ausreise habe er auch keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern und Geschwistern. Neben einem Haus habe seine Familie keine weiteren Besitztümer gehabt. Die Fragen, ob er in seinem Herkunftsland oder in einem anderen Land vorbestraft sei, in seiner Heimat von den Behörden festgenommen oder verhaftet worden sei oder in seiner Heimat jemals Probleme mit den Behörden gehabt habe, wurden vom BF verneint.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass sein Onkel eine Feindschaft mit seiner Schwiegerfamilie aufgrund vereinbarten Hochzeiten gehabt habe und sein Onkel im Zuge einer Auseinandersetzung auf fünf Personen geschossen habe, wovon drei ermordet worden seien. Anschließend sei der besagte Onkel mit seiner Familie geflüchtet, sein genauer Aufenthaltsort sei nunmehr jedoch unbekannt. Die Frage, ob es bei seiner Reise von seinem Elternhaus zum erwähnten Freund bzw. vor Ort Vorfälle gegeben habe, wurde vom BF verneint. Sie hätten jedoch vernommen, dass nach ihrer Abfahrt ihr Haus angezündet und man sich nach ihrem Verbleib erkundigt habe. Die Frage, ob er persönlich in Afghanistan bedroht oder verfolgt worden sei, wurde vom BF verneint. Seine Eltern hätten sich wegen der geschilderten Probleme auch nicht an staatliche Behörden gewandt. Befragt, wieso er vermute, dass er staatlich verfolgt werde, erwiderte der BF, dass die erwähnten Feinde gute Kontakte zur Polizei sowie Macht gehabt hätten. Zudem habe die Familie des Feindes zahlreiche Grundstücke besessen und er wisse nicht, ob nicht auch eine Verbindung zur Nationalarmee oder den Taliban bestehe. Bei einer Rückkehr würde sich der BF einerseits vor den Feinden, andererseits vor der Regierung sowie auch wegen den Taliban fürchten. Überdies wisse er nicht, an wen er sich wenden sollte.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der BF an, dass er keine Familienangehörigen oder sonstige Verwandte habe und einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 sowie eine Übergangsklasse im Gymnasium besucht habe. Weiters habe er sich an einer weiterführenden Schule angemeldet und sich für drei Lehrstellen beworben. Im Bundesgebiet beziehe er Leistungen aus der Grundversorgung und habe bereits Tätigkeiten für die Gemeinde ausgeführt. In Österreich habe der BF bereits zahlreiche österreichische Freunde gefunden.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF ein Prüfungszeugnis A1 vom XXXX .12.2016, ein Prüfungszeugnis auf der Niveaustufe A2 vom XXXX .03.2017, zwei nicht bestandene Zertifikate ÖSD B1 vom XXXX .08.2017 sowie vom XXXX .11.2017, Bestätigung der Absolvierung eines Deutschkurses vom XXXX .05.2017 bis zum XXXX .06.2017, eine Bestätigung der Absolvierung eines Deutschkurses vom XXXX .09.2017 bis XXXX .10.2017, eine Bestätigung der Absolvierung eines Deutschkurses vom XXXX .06.2017 bis XXXX .07.2017, eine Teilnahmebestätigung vom XXXX .04.2017 über die Absolvierung "Deutsch Prüfungsvorbereitung A1, A2 Deutsch als Fremdsprache", eine Teilnahmebestätigung vom XXXX .09.2016 "Wertedialog", eine Bescheinigung vom XXXX .06.2018 über die Teilnahme an einem "Erste-Hilfe-Auffrischungskurs", Dankesschreiben des Rotaryclubs vom Mai 2018, eine Bestätigung über die Mitgliedschaft im Fitnessstudio "Fitinn", eine Anmeldebestätigung des WIFI über die Anmeldung zu einer Informationsveranstaltung "Pflichtabschluss", eine Bestätigung des Abschlusses der Übergangsstufe an AHS vom XXXX .06.2017, ein Empfehlungsschreiben vom XXXX .07.2018, eine Bestätigung des Diakoniewerkes vom XXXX .07.2018, wonach der BF bei diversen Tätigkeiten im Quartier mitgeholfen habe, eine Einladung zum Gedankentausch mit der Jugend vom XXXX .01.2017 und Pläne der Provinz Laghman in Vorlage gebracht.

In einer Stellungnahme vom XXXX .07.2018 wurde vom BF die prekäre Lage in Afghanistan unter Anschluss mehrerer Berichte hervorgehoben.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Die Behörde stellte beweiswürdigend fest, dass aufgrund der widersprüchlichen, unglaubwürdigen und lebensfremden Schilderungen seiner Einvernahmen gehe die entscheidende Behörde davon aus, dass er eine fiktive Geschichte entwickelt habe, die nur der Asylerlangung hätte dienen sollen. Verstärkt werde dieser Eindruck, indem er vor dem BFA angegeben habe, dass er lediglich drei Tage nach dem angeblichen Vorfall seines Onkels ausgereist sei und es weder davor noch danach irgendwelche Probleme im Heimatland gegeben habe. Somit habe er seinen Entschluss zur Ausreise erst drei Tage vor dem Verlassen Afghanistans gefasst. Zu bemerken sei weiters, dass der BF keine Beweismittel über den angeblichen Vorfall seines Onkels vorlegen habe können. Seinen Angaben zufolge sei der Vorfall mit seinem Onkel der einzige Fluchtgrund gewesen. Alle weiteren Gründe, die er vorgebracht habe, seien Folgeerscheinungen des ersten und einzigen Grundes gewesen. Da jedoch sein Vorbringen bezüglich seines Onkels- wie bereits ausführlich geschildert- als unglaubwürdig gewertet worden sei, hätten die anderen Gründe gar nicht mehr vorliegen können. Aus seinem Vorbringen hätten keine besonderen Umstände entnommen werden können, aus denen hervorgehe, dass der BF in Afghanistan unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Verfolgungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei, beziehungsweise solchen im Falle der Rückkehr ausgesetzt wäre. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan erscheine daher eine Ansiedelung in Afghanistan auf die regional unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation auch zumutbar. Beim BF handle es sich um einen arbeitsfähigen, jungen und gesunden Mann mit dreijähriger Schulausbildung, der zwei Jahre vor der Ausreise aus Afghanistan im Lebensmittelgeschäft seines Vaters gearbeitet habe. Die Heimatprovinz des BF, Laghman, zähle zu den volatilen Gebieten in Afghanistan, jedoch sei eine Rückkehr in eine sichere Stadt in Afghanistan für ihn möglich.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine nunmehrige Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 19.09.2018, am 21.09.2018 eingelangt, fristgerecht Beschwerde ein. Begründend wurde vorgebracht, dass sich der BF einerseits vor der Blutrache von der erwähnten Familie sowie vor den afghanischen Sicherheitsbehörden fürchte. Es stimme nicht, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan entsprechend unterstützt werde, da er keinen Kontakt zu seiner Familie habe und sich sein gesamtes Leben nur in seiner Heimatprovinz aufgehalten habe. Er verwies auf einen Aufsatz von Thomas Ruttig und auf ein Gutachten von Friederike Stahlmann, dass eine Rückkehr nach Kabul derzeit nicht zumutbar sei. Der Beschwerde wurde ein Bericht des UNHCR vom 12.03.2018 angeschlossen.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.11.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen und zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

Zur Frage, ob er in Afghanistan in die Schule gegangen sei, erklärte der BF, dass er drei Jahre eine Koranschule besucht habe. Neben Paschtu habe er auch Deutsch- und Englischkenntnisse. In Österreich habe er freiwillig in einer Baumschule und in einem Kindergarten gearbeitet.

Befragt, wieso er Afghanistan verlassen habe, gab der BF an, dass er Angst um sein Leben gehabt habe, da sein Onkel fünf Personen in Nachbardorf angeschossen habe, wovon drei gestorben und zwei verletzt worden seien. Auf die Frage, wohin er geflohen sei, nachdem er seine Heimat verlassen habe, entgegnete der BF, dass sie sich zwei Tage bei einem Freund seines Vaters aufgehalten hätten. Auf Nachfrage seines Vaters habe man ihnen gesagt, dass ihr Haus von bewaffneten Personen angezündet worden sei. Da von seinem Vater zwei Taxis bestellt worden seien und der BF in das erste Taxi eingestiegen sei, habe er seine Familie aus den Augen verloren. Zur Frage, wer die genannten bewaffneten Personen gewesen seien, erklärte der BF, dass es sich dabei um Verwandte derjenigen Personen gehandelt habe, die sein Onkel zuvor angeschossen habe. Der BF habe diese acht Personen zwar nicht gekannt, da diese jedoch aus dem Nachbardorf seien, hätten sie jedoch den BF gekannt. Auf Nachfrage, wie es zu dem geschilderten Konflikt gekommen sei, erwiderte der BF, dass die Frau seines Onkels eine Schwester gehabt habe, die verheiratet gewesen sei und auch der Sohn dieses Onkels eine Tochter aus der angeheirateten Familie seiner Tante geheiratet habe. Da die Cousine des BF von ihrem Ehemann geschlagen worden sei, sei auch der Sohn seines Onkels gegenüber seiner Ehefrau gewalttätig geworden. Obwohl es Versöhnungsversuche gegeben habe, hätten die Probleme wieder begonnen, weshalb der Onkel des BF die erwähnte Cousine zu sich geholt und die andere Familie die Ehefrau seines Cousins abgeholt habe und auch seine Cousine zwangsweise mit Gewalt wieder zurückgefordert hätten. Die Fragen, ob er selbst straffällig geworden sei oder in diesen familiären Streit- wenn auch nur am Rande- involviert gewesen sei, wurden vom BF verneint.

Aufgrund einer notwendigen Identitätsfeststellung musste die Verhandlung vertagt werden.

Bei der fortgesetzten mündlichen Verhandlung am 19.11.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu, sowie im Beisein eines Rechtsvertreters brachte der Beschwerdeführer zu seinen bisherigen Angaben ergänzend vor, dass er und seine Familie bedroht worden seien. Da sein älterer Bruder behindert sei, sei er jedenfalls besonders gefährdet. Zur Frage, wie und von wem er bedroht worden sei, brachte der BF vor, dass sein Onkel seinen Vater angerufen habe und anschließend die ganze Familie zum Freund seines Vaters umgezogen sei. Nach zwei Tagen habe der Nachbar seinen Vater vor den Feinden gewarnt und zur Ausreise aufgefordert. Anschließend habe sein Vater zwei Autos organisiert, um der Familie die Flucht zu ermöglichen. In ein Auto sei der BF eingestiegen, in das andere Auto seine restlichen Familienmitglieder. Befragt, ob er auch selbst unmittelbar bedroht worden sei, entgegnete der BF, dass sie im Zuge des Brandes vor allem den Namen seines Vaters und jenen seines Bruders erwähnt hätten. Auf Nachfrage, wo sich seine Geschwister aufhalten würden, erwiderte der BF, dass er von seiner Familie nichts wisse und mit keinem seiner Angehörigen in Kontakt stehe.

Zur Frage, wie er sich das Leben in Österreich vorstelle, erwiderte der BF, dass er gerne eine weitere Ausbildung erhalten und in Zukunft entweder in einer Gärtnerei oder Bäckerei arbeiten wolle. Befragt, wen er zu seiner Familie in Österreich zähle, gab der BF an, dass er viel mit der anwesenden Vertrauensperson und deren Familie unternehme. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde er wegen fehlender Tazkira erhebliche Schwierigkeiten haben und einer Gefahr ausgesetzt sein, da seine Feinde Anzeige erstattet hätten. Befragt, wie ihn die Feinde in Herat, Kabul oder Mazar e-Sharif finden könnten, erklärte der BF, dass die Blutrache nach wie vor aufrecht sei, da die Familie bereits eine Anzeige eingebracht habe und man nach wie vor nach ihm suchen werde. Überdies beherrsche er neben Paschtu keine weiteren Landessprachen und würde aufgrund seines Aufenthalts in Österreich verdächtig aussehen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlungen wurden vom BF ein Empfehlungsschreiben vom XXXX .11.2019 sowie mehrere Rechnungen in Vorlage gebracht, die finanzielle Zuwendungen der in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertrauensperson bescheinigen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist Muslim sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Er stammt aus der Provinz Laghman, wo er zuletzt gemeinsam mit seinen Eltern und seinen fünf Brüdern sowie seiner Schwester gelebt hat. Er hat drei Jahre lang die Koranschule besucht und keine Berufsausbildung erhalten. Am 10.05.2016 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz XXXX . Der nunmehrige Aufenthaltsort seiner Familie ist unbekannt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Es wird zugrunde gelegt, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz in Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif, besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden, gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine solche Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Mai 2016 durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer bestreitet seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus Mitteln der Grundversorgung bzw. finanzieller Zuwendungen seiner Vertrauensperson. Der Beschwerdeführer hat ehrenamtlich in einer Baumschule und einem Kindergarten gearbeitet sowie den Lehrgang der Übergangsstufe an einer AHS absolviert. Zudem hat er an Deutschkursen sowie einem Erste-Hilfe Auffrischungskurs teilgenommen und eine Deutschprüfung auf dem Niveau A 2 bestanden. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen. Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es wird dem Verfahren nicht zugrunde gelegt, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer Bedrohung durch Mitglieder einer verfeindeten Familie konkret und individuell physische und/oder psychische Gewalt drohte.

Es wird weiters dem Verfahren nicht zugrunde gelegt, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat einer individuellen gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer solchen ausgesetzt wäre. Überdies konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ohne Hinzutreten weiterer wesentlicher individueller Merkmale mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder (von staatlichen Organen geduldet) durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit (Hazara), seiner Religion (schiitischer Islam), Nationalität (Afghanistan), Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Familie) oder politischen Gesinnung zu erwarten hätte.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch eine verfeindete Familie oder durch andere Personen.

Darüber hinaus gilt der Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat, in Afghanistan nicht als westlich orientiert. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan aufgrund seines Aufenthaltes in Europa keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt.

Es kann weiters nicht festgestellt werden und es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr nach insbesondere Herat oder Mazar-e Sharif mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer ihn konkret betreffenden asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein würde, bzw. in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in den Städten Herat oder in Masar -e Sharif, besteht für den Beschwerdeführer als jungen gesunden und arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf, keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Die Städte Mazar-e Sharif und Herat sind von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug über internationale Flughäfen zu erreichen.

Das BFA hat ein insgesamt mängelfreies Verfahren durchgeführt. Die belangte Behörde ist im gegenständlichen Verfahren ihrer Ermittlungspflicht durch die Vornahme einer detaillierten Befragung nachgekommen und dem angefochtenen Bescheid ist ein im vorliegenden Verwaltungsakt dokumentiert umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Der Sachverhalt wurde bereits unter schlüssiger Beweiswürdigung des Bundesamtes festgestellt und rechtlich korrekt durch das BFA gewürdigt.

In der Beschwerde konnten glaubhaft keine wesentlichen, bzw. verfahrensrelevant neuen Sachverhaltselemente glaubhaft bzw. substantiiert begründet dargelegt werden, welche geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidungen grundlegend in Frage zu stellen.

Das Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben des BF im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Politische Ereignisse: Friedensgespräche. Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung. Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban. Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi. die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments. Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete. die Taliban hätten kein Interesse daran. Teil der aktuellen Regierung zu sein. und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel. einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an. betonte aber dennoch. dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen. um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil. was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen. das für Mitte April 2019 in Katar geplant war. zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban

beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der

Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

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BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

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Heise (16.5.2019): Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?,

https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-

4422023.html, Zugriff 3.6.2019

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IEC - Independent Electoral Commission via Facebook (14.5.2019):

Press

Declaration 24/2/1398,

https://www.facebook.com/AfghanistanIEC/posts/2361637283896572? tn =-R,

Zugriff 4.6.2019

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IEC - Independent Electoral Commission (15.5.2019): Kabul - Wolesi Jirga Final Results,

http://www.iec.org.af/results/en/home/finalresult_by_province/1/2.

Zugriff

4.6.2019

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LWJ - Long War Journal (2.6.2019): Islamic State bombs bus, security personnel in western Kabul, https://www.longwarjournal.org/archives/2019/06/islamic-state-bombsbus-security-personnel-in-western-kabul.php. Zugriff 3.6.2019

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Newsweek (21.5.2019): Russia Spy Chief warns 5,000 ISIS Foreign Fighters

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Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter

Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen,

konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und

Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer

wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen

Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

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BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der

sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der

sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf. Zugriff 20.2.2019

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UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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