TE Bvwg Beschluss 2019/12/17 W102 2162814-2

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Entscheidungsdatum

17.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W102 2162814-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über den Antrag von XXXX (alias XXXX ), geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.07.2018, Zl. W102 2162814-1/12E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens:

A) Der Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG

abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Am 02.04.2016 stellte der nunmehrige Antragsteller, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Erstbefragung des Antragstellers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.04.2016 und niederschriftlicher Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09.05.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 08.06.2017 den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem nunmehrigen Antragsteller keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des nunmehrigen Antragstellers nach Afghanistan zulässig sei und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2018 mit dem im Kopf angeführten Erkenntnis vom 27.07.2018, W102 2162814-1/12E, dem Beschwerdeführer zugestellt am 30.07.2018, als unbegründet abgewiesen.

Am 30.08.2018 wurden aktualisierte UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender veröffentlicht, die dem Rechtsvertreter des Antragstellers am 31.08.2018 zur Kenntnis gelangten.

2. Am 14.09.2018 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Wiederaufnahme und brachte im Wesentlichen vor, dass die am 30.08.2018 veröffentlichen aktuellen UNHCR-Richtlinien - seinem Rechtsvertreter am 31.08.2018 zur Kenntnis gelangt - als neu entstandenes Beweismittel bereits für den Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses belegen würden, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul generell ausgeschlossen sei. Das Bundesverwaltungsgericht aber gehe im wiederaufzunehmenden Verfahren davon aus, dass sich aus dem Länderinformationsblatt und den UNHCR-Richtlinien von 19.04.2016 zweifelsfrei ergebe, dass exzeptionelle Umstände in Kabul nicht anzunehmen seien und gründe darauf seine Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul, während die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat im Erkenntnis nicht ausreichend begründet sei. Beantragt wurde außerdem die Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht, nämlich die Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts bzw. die Hintanhaltung der Abschiebung.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt zum gegenständlichen Verfahren sowie aus dem Akt zum Verfahren W102 2162814-1.

Dass die am 30.08.2018 veröffentlichten UNHCR-Richtlinien dem Rechtsvertreter des Antragstellers am 31.08.2018 und damit am Folgetag zur Kenntnis gelangte, erscheint plausibel und wurde folglich festgestellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens

Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG ist dem Antrag einer Partei eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Nach § 32 Abs. 2 VwGVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat.

Angesichts der Veröffentlichung der UNHCR-Richtlinien am 30.08.2018, der Kenntnisnahme durch den Rechtsvertreter am 31.08.2018 sowie der Antragstellung am 14.09.2018 wurde der Antrag zweifellos fristgerecht gestellt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen. Gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen. Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, rechtfertigen hingegen keinen Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ist ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf Basis des geänderten Sachverhalts gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Entscheidungen nicht entgegensteht (VwGH 20.03.2019, Ra 2019/20/0096).

Der gegenständliche Wiederaufnahmeantrag zielt darauf ab, das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.07.2018, W102 2162814-1/12E, zugestellt am 30.07.2018, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren aufgrund neuer Tatsachen bzw. Beweismittel iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wiederaufzunehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass sich die UNHCR-Richtlinien Afghanistan vom 30.08.2018 auf die Lage in Afghanistan im Zeitpunkt der Publikation der Richtlinien beziehen (VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611). In Fortsetzung dieser Rechtsprechung folgert der Verwaltungsgerichtshof, dass die UNHCR-Richtlinien daher grundsätzlich keinen tauglichen Grund für eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG hinsichtlich vor ihrer Veröffentlichung abgeschlossener Verfahren darstellen können (VwGH 14.03.2019, Ra 2019/01/0074).

Verfahrensgegenständlich wurde das verfahrensabschließende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.07.2018 dem Beschwerdeführer am 30.07.2018 zugestellt (zum Entscheidungszeitpunkt des Einzelrichters des Verwaltungsgerichts vgl. VwGH 27.04.2016, Ra 2015/05/0069) und war das Verfahren damit vor Veröffentlichung der UNHCR-Richtlinien am 30.08.2018 bereits abgeschlossen und können die UHNCR-Richtlinien auch gegenständlich der oben zitierten Rechtsprechung folgend keinen tauglichen Grund für eine Wiederaufnahme nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG bilden. Daher war der Antrag auf Wiederaufnahme spruchgemäß abzuweisen.

3.2. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes die Sicherung der vollen Wirksamkeit der Entscheidung in der Hauptsache. Hauptsache ist jene, in der die Entscheidung ergeht, deren volle Wirksamkeit durch eine einstweilige Anordnung gesichert werden soll. Ist die endgültige Entscheidung in der Hauptsache bereits ergangen, so kommt auch deren Sicherung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr in Betracht und stellt sich ein solches Verfahren als gegenstandslos geworden dar (VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611 m.w.N.).

Damit erübrigt sich mit der Abweisung des gegenständlichen Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens ein Abspruch über den "Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht".

3.3. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG unterbleiben. Die Sachlage erschien aufgrund der Aktenlage geklärt und war die zu beantwortende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorliegt, rechtlicher Natur, weswegen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, um einen persönlichen Eindruck zu gewinnen oder Zeugen zu hören nicht erforderlich war. Ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde auch nicht gestellt und fällt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Verfahren über die Wiederaufnahme eines Verfahrens selbst grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC (VwGH 29.05.2017, Ra 2017/16/0070).

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Die gegenständlich aufgeworfene Rechtsfrage - nämlich ob die Veröffentlichung der neuen UNHCR-Richtlinien am 30.08.2018 für vor der Veröffentlichung abgeschlossene Verfahrenen einen tauglichen Wiederaufnahmegrund nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG bilden können - hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits klar beantwortet (VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611 und VwGH 14.03.2019, Ra 2019/01/0074). Auch dass die Sicherung einer Entscheidung im Rahmen vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr in Betracht kommt und ein solches Verfahren gegenstandslos wird, wenn die Entscheidung in der Hauptsache ergangen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen (VwGH 25.02.2019, Ra 2018/19/0611 m.w.N.).

Schlagworte

einstweilige Anordnung, Rechtsanschauung des VwGH, Unionsrecht,
Wiederaufnahme, Wiederaufnahmeantrag, Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W102.2162814.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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