TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/18 W245 2186082-1

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs3 Z7
FPG §55 Abs2

Spruch

W245 2186082-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 09.01.2018, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass dieser zu lauten hat: "Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage."

II. Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VII. des gegenständlichen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und das Einreiseverbot aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer XXXX (in der Folge kurz "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen der am 25.09.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass die Lage in Afghanistan sehr schlecht gewesen sei. Jeden Tag habe es Krieg und Attentate gegeben. Der Vater des BF habe gesagt, dass er Kabul verlassen solle. Im Iran habe man den BF nach Syrien geschickt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe der BF Angst vor den Selbstmordattentaten und der Unsicherheit.

I.3. Mit Verfahrensanordnung vom 25.04.2016 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde", auch "bB") das Geburtsdatum des BF unter Verweis auf das medizinische Sachverständigengutachten von XXXX , vom 06.04.2016 mit XXXX fest.

I.4. Im Abtretungsbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 03.11.2016 wurde mitgeteilt, dass im Zuge einer Personenkontrolle beim BF eine geringe Menge Marihuana (0,69 Gramm) aufgefunden und sichergestellt werden konnte.

I.5. Bei der Einvernahme durch die bB am 23.08.2017 gab der nunmehr volljährige BF an, dass es in Afghanistan sehr unsicher gewesen sei und es immer Anschläge gegeben habe. Zudem sei die Situation für Hazara in Afghanistan nicht gut gewesen.

Weiters erklärte der BF, dass er bereits ein Jahr und zwei Monate im Iran gearbeitet habe, als die Polizei ihn dort erwischt habe. Er sei mit anderen auf ein Polizeirevier gebracht worden. Die Polizei habe nach Ausweisen gefragt. Die Polizei im Iran habe gesagt, dass sie zu einer Ausbildung mitkommen sollen. Sie seien 26 Tage ausgebildet worden. Danach seien sie in den Krieg nach Syrien gegangen. Eine Woche hätten sie auch vor Ort geübt. Danach sei er im Krieg gewesen. Er habe 60 Tage in XXXX gekämpft. Danach hätten sie 31 Tage frei bekommen. Sie seien in den Iran gekommen und hätten Geld bekommen. Danach hätten sie wieder in den Krieg ziehen sollen. Dies habe der BF nicht gewollt. Auch nach Afghanistan habe er nicht zurückkehren wollen. Sie hätten viele Fotos und Videos von ihnen. Als sie von den Kämpfen zurückgekommen seien, hätten Journalisten sie fotografiert und gefilmt. Als der BF in den Iran zurückgekommen sei, habe er sich entschlossen, nach Europa zu reisen.

I.6. In der Stellungnahme vom 17.12.2017 führte der BF aus, dass er im Iran geboren sei. Mit sieben Jahren sei er mit seinen Eltern nach Afghanistan zurückgekehrt, weil seine Großmutter krank geworden sei. Der BF habe ein paar Jahr im Iran die Schule besucht und ein paar Jahre in Afghanistan. In Afghanistan habe er als Schneiderlehrling gearbeitet.

Weiters erklärte der BF in seiner Stellungnahme, dass es in Afghanistan keine Sicherheit gegeben habe. Zwei seiner Freunde seien in Kämpfen bei einer Bombe gestorben. Kabul sei zu unsicher. Er könne in Afghanistan in keine andere Stadt gehen, weil die Taliban Reisende sehr oft gefangen nehmen würden.

Mit 15 Jahren sei der BF wieder in den Iran gegangen. Er habe als Schneider und als Schuster gearbeitet. Nach etwa einem Jahr habe ihn die Polizei aufgegriffen. Da er keine Papiere gehabt habe, habe er in ein Ausbildungslager gehen müssen und sei dort ausgebildet worden. Er habe nicht kämpfen wollen. Er sei gezwungen worden, nach Syrien zu gehen und gegen die ISI (gemeint IS) zu kämpfen. Er habe nicht kämpfen wollen. Er habe niemanden verletzen oder töten wollen. Bei einem Heimaturlaub habe er etwas Geld bekommen. Dieses habe er für seine Flucht genützt.

In Afghanistan sei es für Hazara besonders gefährlich, weil einige Taliban, Daesh, Paschtunen und Kuchi glauben würden, dass sie direkt in den Himmel kommen, wenn sie Hazara töten. Deshalb sei es für Hazara in Afghanistan besonders gefährlich. Diese fanatischen Männer würden Hazara auch auf offener Straße, ohne einen speziellen Grund, töten.

In Afghanistan und im Iran seien viele Männer gezwungen worden zu kämpfen. Einmal seien es Regierungstruppen, einmal seien es Taliban oder andere. Wenn der BF nach Afghanistan zurückkehren müsse, werde er gleich getötet oder er werde gezwungen, für eine Gruppe zu kämpfen. Er wolle nicht kämpfen, er wolle niemanden verletzen oder töten.

I.7. Mit Bescheid vom 09.01.2018 wies die bB den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zudem erklärte es, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Darüber hinaus wurde gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 7 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII). Schließlich erkannte die bB gemäß § 18 Abs. 2 (gemeint Abs. 1) Z 2 BFA-VG der Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VIII.).

I.8. Mit Verfahrensanordnung vom 10.01.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 10.01.2018 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

I.9. Gegen den Bescheid der bB richtete sich die am 08.02.2018 fristgerecht erhobene Beschwerde, mit der der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung, sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, angefochten wurde. Gleichzeitig wurde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

Hinsichtlich einer Bedrohung bzw. einer Verfolgung im Herkunftsstaat wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass die Lage in Afghanistan sehr angespannt gewesen sei und in Kabul große Unsicherheit geherrscht habe. Der BF habe einen Bombenanschlag miterleben müssen, bei dem viele Bekannte des BF das Leben verloren hätten. Dies habe die Situation für den BF in Afghanistan unerträglich gemacht. So habe er sich entschieden, in den Iran zu gehen, um sich dort ein stabiles Leben abseits der Unsicherheiten aufzubauen. Nach einem Jahr und zwei Monaten sei der BF von der iranischen Polizei aufgegriffen und abtransportiert worden. Er sei zu einer Ausbildungsstätte gebracht worden, in welcher er 26 Tage trainiert habe. Daraufhin sei der BF nach Syrien gebracht worden, wo er zunächst eine weitere Woche trainiert habe. Danach sei der BF in XXXX stationiert gewesen. Er sei an der vordersten Front in der Wüste gewesen, weit entfernt von Siedlungen und städtischem Gebiet. 60 Tage habe der BF in der XXXX gekämpft. Während dieser Zeit sei der BF von einem Granatsplitter am Kopf getroffen und verletzt worden. Nach seinem Einsatz sei er in den Iran zurückgekehrt und für 31 Tage freigestellt worden. Der BF habe gehofft, nicht mehr kämpfen zu müssen, da er den Krieg verabscheuen würde und er auch psychische Probleme davongetragen habe. Der BF habe sich das Geld für den Syrieneinsatz abgeholt. Anschließend habe er die Flucht vorbereitet.

I.10. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz "BVwG") am 14.02.2018 von der bB vorgelegt.

I.11. Mit Teilerkenntnis vom 15.02.2018 wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. stattgegeben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BVA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

I.12. Mit Ladung zur Beschwerdeverhandlung wurden dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 02.03.2017 (zuletzt aktualisiert am 30.01.2018), sowie weitere Länderberichte im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Dazu langte bis zur Beschwerdeverhandlung keine Stellungnahme ein.

I.13. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 10.04.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm. Ein Vertreter der bB nahm an der Verhandlung nicht teil.

I.14. Am 17.10.2018 erfolgte eine Meldung der Landespolizeidirektion XXXX , dass der BF beim Konsum von Cannabiskraut betreten worden sei.

I.15. Mit Schreiben vom 07.11.2018 teilte die Staatsanwaltschaft XXXX mit, dass zu AZ XXXX gegen den BF das Ermittlungsverfahren wegen §§ 125, 127 StGB eingestellt worden ist.

I.16. Am 05.06.2019 erfolgte eine Meldung der Landespolizeidirektion XXXX , dass der BF Suchtmittel (13 Alufolienpäckchen mit jeweils ca. 1 Gramm Cannabiskraut) besessen habe (siehe auch Punkt 0).

I.17. Am 12.08.2019 wurde der BF vom Landesgericht XXXX zu XXXX schuldig gesprochen, dass Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG begangen zu haben. Gemäß § 27 Abs. 1 SMG wurde er zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 90 Tagessätzen verurteilt worden.

Der BF hat ab einem unbekannten Zeitpunkt bis zum 20.12.2018 in XXXX vorschriftswidrig insgesamt 13,7 Gramm Cannabiskraut mit dem Wirkstoff THCA, somit Suchtgift, portioniert in 13 in Alufolie verpackten Teilmengen zu jeweils etwa einem Gramm, mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt wird.

I.18. Mit Ladung zur Beschwerdeverhandlung wurden dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 29.06.2018 (zuletzt aktualisiert am 26.03.2019), sowie weitere Länderberichte im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Dazu wurde in der Beschwerdeverhandlung (siehe Punkt 0) eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt.

I.19. Aus dem Zwischenbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 01.10.2019 ist zu entnehmen, dass der BF am XXXX an einem allgemein öffentlichen Ort Suchtmittel (2,6 brutto Gramm Marihuana) gegen Entgelt widerrechtlich angeboten bzw. überlassen haben soll.

I.20. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 11.10.2019 eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm. Ein Vertreter der bB nahm an der Verhandlung nicht teil.

I.21. Mit Schreiben vom 04.11.2019 und 03.12.2017 wurde dem BF ergänzendes und aktualisiertes Länderberichtsmaterial und polizeiliche/strafgerichtliche Unterlagen mit der Möglichkeit übermittelt, innerhalb einer Frist dazu Stellung zu nehmen. Innerhalb der Fristen langte beim BVwG eine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

II.1.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari. Er ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund.

Der BF wurde nach seinen Angaben in Teheran, im Iran geboren. Der BF kehrte als Kind mit seiner Familie nach Afghanistan, nach Kabul, zurück. Er lebte dort im Stadtteil XXXX bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan. Die Herkunftsregion des BF ist die Stadt Kabul.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Die Familie des BF, bestehend aus seinen Eltern und zwei Schwestern, lebt in Teheran, im Iran. Der Vater des BF ist Schneider und die wirtschaftliche Situation der Familie im Iran ist durchschnittlich.

Der BF ist in der Lage, Kontakt zu seinen Familienangehörigen im Iran herzustellen.

Der BF hat Onkel und Tanten in Afghanistan.

Der BF hat zunächst im Iran (bis zum Beginn der 3. Klasse) und in der Folge in Afghanistan etwa vier Jahre lang eine Schule besucht. Zudem hat der BF seinem Vater in der Schneiderei geholfen. Nach seiner Ausreise aus Afghanistan arbeitete der BF in Teheran in einer Schneider- bzw. Schuhfabrik. Der BF war im Iran in der Lage, sich selbst zu erhalten. Der BF verfügt über kein Vermögen in Afghanistan.

Der BF ist in der Lage, zu arbeiten. Es gibt keinen Grund, weshalb er einer beruflichen Beschäftigung nicht nachgehen kann.

Der BF ist tätowiert: Der BF hat am Hals an seiner rechten Seite ein Tattoo in der Größe von ca. 10x7 cm. Es stellt einen XXXX dar. Zudem ist der BF am linken Unterarm mit einem XXXX , mit einem XXXX , mit einem XXXX , mit einem XXXX , mit einem Schriftzug in Englisch " XXXX " und mit einem Schriftzug in Dari (übersetzt): " XXXX " tätowiert. Über dem linken Daumen des BF ist auch eine XXXX tätowiert.

Der BF ist strafgerichtlich verurteilt. Der BF wurde am 12.08.2019 vom Landesgericht XXXX schuldig gesprochen, das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG begangen zu haben. Gemäß § 27 Abs. 1 SMG wurde er zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 90 Tagessätzen verurteilt worden.

Nach seinen eigenen Angaben ist der BF in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte keine Probleme mit Behörden und war politisch nicht aktiv.

Der Zeitpunkt der Ausreise des BF aus Afghanistan konnte nicht festgestellt werden.

Es wird festgestellt, dass der BF persönlich nicht glaubwürdig ist.

II.1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet der BF im Wesentlichen damit, dass er wegen der Sicherheitslage in Afghanistan ausgereist sei.

Festgestellt wird, dass der BF nicht wegen einer konkreten persönlichen Bedrohung bzw. Verfolgung seiner Person aus Afghanistan ausgereist ist.

Der BF wurde für einen Einsatz in Syrien militärisch vom iranischen Staat im Jahr 2015 ausgebildet. Der BF wurde weder an der Front noch zur Bewachung und Verteidigung eines Stützpunktes in Syrien eingesetzt. Der BF nahm in Syrien an keinen militärischen Einsätzen teil. Der BF tötete in Syrien keine Menschen.

Der BF hat sich mit der Gruppierung " XXXX " in Syrien aufgehalten. Bei der Gruppierung " XXXX " handelt es sich um keine terroristische Vereinigung.

Der BF ist im Falle der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund seiner Ausbildung in der iranischen Armee einer Verfolgung durch den afghanischen Staat und/oder Mitglieder des IS keiner Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt. Dem afghanischen Staat ist nicht bekannt, dass der BF im Jahr 2015 vom iranischen Staat für einen Einsatz in Syrien ausgebildet wurde. Die militärische Ausbildung im Iran für einen Einsatz des BF hat bzw. hatte keine Auswirkungen auf seine afghanische Staatsbürgerschaft und führt insbesondere nicht zum Verlust der afghanischen Staatsbürgerschaft.

Der BF war an keinen Kriegsverbrechen in Syrien beteiligt.

Der BF ist auf Grund seiner Tätowierungen in Afghanistan keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt.

Dem BF droht wegen seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung und seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara keine konkrete und individuelle, physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF eine "westliche Lebenseinstellung" in solcher Weise übernommen hätte, dass ihm deshalb physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Festgestellt wird, dass aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan eine konkrete Bedrohung bzw. Verfolgung des BF nicht abgeleitet werden kann.

Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

II.1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF:

Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Eine Rückkehr des BF in seine Heimatprovinz ist möglich. Der BF kann Kabul von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen. Eine sichere Rückkehr nach Kabul ist für den BF möglich.

Dem BF steht - abgesehen von seine Rückkehr nach Kabul - auch eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung. Der BF hat bis zu seiner Ausreise in Mazar-e Sharif nicht gelebt. Der BF kann Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen. Eine sichere Rückkehr nach Mazar-e Sharif ist für den BF möglich. Zudem ist eine sichere Rückreise in die Herkunftsprovinz des BF möglich.

Die grundlegende Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist in Kabul und Mazar-e Sharif gewährleistet. Dem BF stehen bei einer Rückkehr nach Kabul bzw. Mazar-e Sharif eine vorübergehende Unterkunft (Teehäuser), Trinkwasser, sanitäre Anlagen und lebensnotwendige Nahrungsmittel. Die Gesundheitsversorgung ist in Kabul und Mazar-e Sharif durch Krankenhäuser bzw. Gesundheitszentren sowie durch Einrichtungen zur Betreuung von psychischen Krankheiten sichergestellt. Ferner ist Mazar-e Sharif ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan und ein Industriezentrum mit großen Produktionsbetrieben und einer großen Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen. Die allgemeinen Umstände in Mazar-e Sharif ermöglichen eine Rückkehr dorthin.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Kabul bzw. Mazar-e Sharif Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen. Zudem war der BF im Iran bereits in der Lage, sich selbst zu versorgen.

Der BF hat die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF wurde in der Beschwerdeverhandlung über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt. Dem BF wurden die Programme ERIN und RESTART II erklärt.

Der BF wird bei einer Rückkehr nach Kabul bzw. Mazar-e Sharif beim Aufbau einer Existenzgrundlage nicht von Familienangehörigen bzw. sonstigen Personen unterstützt.

Der BF verfügt über ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Kabul bzw. Mazar-e Sharif ausschließen, konnten nicht festgestellt werden. Der BF leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des BF.

II.1.4. Zum Leben des BF in Österreich:

Der BF hält sich seit September 2015 in Österreich auf.

Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich.

Der BF pflegt in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Darüber hinaus konnten keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z. B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften) festgestellt werden.

Der BF ist kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst nicht politisch aktiv. Neben den erwähnten Freundschaften, ist der BF kein Mitglied von Vereinen. In seiner Freizeit trifft sich der BF mit seinen Freuden, kocht und spielt Fußball.

Der BF besucht zwischenzeitlich Deutschkurse und weist dies durch Teilnahmebestätigungen nach. Er ist teilweise in der Lage, in einfachen Situationen des Alltagslebens auf elementarer Basis auf Deutsch zu kommunizieren.

Da der BF keine Arbeitserlaubnis hat, war er bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Der BF lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF hat vereinzelt gemeinnützige Aufgaben übernommen. Er reinigte Busstationen in der Gemeinde XXXX .

Im Zuge des Verfahrens hat der BF keine Empfehlungsschreiben oder Referenzschreiben als Bestätigung für seine Integrationsbemühungen vorgelegt.

II.1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan (in der Folge auch "LIB") vom 13.11.2019, Seite 12).

II.1.5.1. Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (LIB 13.11.2019, Seite 18). Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (EASO Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89ff; LIB 13.11.2019, Seite 18ff).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden sind, sodass Engpässe entstehen. Dadurch können manchmal auch Kräfte fehlen, um Territorium zu halten. Die Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, Seite 19).

Für das gesamte Jahr 2018 gab es gegenüber 2017 einen Anstieg in der Gesamtzahl ziviler Opfer und ziviler Todesfälle. Für das erste Halbjahr 2019 wurde eine niedrigere Anzahl ziviler Opfer registriert. Im Juli, August und September lag ein hohes Gewaltniveau vor. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren 2018 am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, Seite 24).

Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele (High Profile Angiffe - HPA) aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind jedoch stetig zurückgegangen. Zwischen 01.06.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 01.12.2018 und 15.05.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, Seite 25).

II.1.5.2. Regierungsfeindliche Gruppierungen:

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, Seite 26).

II.1.5.2.1. Taliban

Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, Seite 26; Seite 29). Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest seien Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, Seite 27). Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, Seite 27).

II.1.5.2.2. Haqani-Netzwerk

Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB 13.11.2019, Seite 27).

II.1.5.2.3. Islamischer Staat (IS/Daesh)

Islamischer Staat Khorasan Provinz: Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB 13.11.2019, Seite 27f). Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungsziele bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab, konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB 13.11.2019, Seite 29).

II.1.5.2.4. Al-Qaida

Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, Seite 29).

II.1.5.3. Sicherheitsbehörden:

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 13.11.2019, Seite 249).

Die Afghanische Nationalarmee (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (LIB 13.11.2019, Seite 250). Die Afghan National Police (ANP) gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan Local Police (ALP) wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB 13.11.2019, Seite 251).

II.1.5.4. Lage in der Herkunftsprovinz des BF - Kabul bzw. in der Stadt Kabul:

II.1.5.4.1. Grundinformationen:

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans. Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Die Stadt Kabul ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 (LIB 13.11.2109, Seite 36). Kabul ist Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt (LIB 13.11.2109, Seite 38). In Kabul leben 70.000 bis 80.000 Binnenvertriebene (LIB 13.11.2019, S. 41).

II.1.5.4.2. Erreichbarkeit:

Die Stadt Kabul ist über Hauptstraßen mit den anderen Provinzen des Landes verbunden und verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB 13.11.2019, S. 37; S. 237).

II.1.5.4.3. Sicherheitslage:

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele durch, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Die Hauptursache für zivile Opfer in der Provinz Kabul (596 Tote und 1.270 Verletzte im Jahr 2018) waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 38ff).

II.1.5.4.4. Wirtschaftslage:

Sie hat in der Provinz Kabul einen weitgehend städtischen Charakter, wobei die wirtschaftlich aktive Bevölkerung in Beschäftigungsfeldern, wie dem Handel, Dienstleistungen oder einfachen Berufen tätig ist. Kabul-Stadt hat einen hohen Anteil an Lohnarbeitern, während Selbstständigkeit im Vergleich zu den ländlichen Gebieten Afghanistans weniger verbreitet ist. Zu den wichtigsten Arbeitgebern in Kabul gehört der Dienstleistungssektor, darunter auch die öffentliche Verwaltung. Die Gehälter sind in Kabul im Allgemeinen höher als in anderen Provinzen, insbesondere für diejenigen, welche für ausländische Organisationen arbeiten. Kabul ist das wichtigste Handels- und Beschäftigungszentrum Afghanistans und hat ein größeres Einzugsgebiet in den Provinzen Parwan, Logar und Wardak. Menschen aus kleinen Dörfern pendeln täglich oder wöchentlich nach Kabul, um landwirtschaftliche Produkte zu handeln oder als Wachen, Hausangestellte oder Lohnarbeiter zu arbeiten. Kabul hat den geringsten Anteil an Arbeitsplätzen im Agrarsektor, dafür eine dynamischere Wirtschaft mit einem geringeren Anteil an Arbeitssuchenden, Selbständigen und Familienarbeitern. Die besten (Arbeits)Möglichkeiten für Junge existieren in Kabul. Trotz der niedrigeren Erwerbsquoten ist der Frauenanteil in hoch qualifizierten Berufen in Kabul am größten (49,6 Prozent) (LIB 13.11.2019, Seite 335).

II.1.5.4.5. Medizinische Versorgung:

Für die medizinische Versorgung in Kabul wurde das Rahman Mina Hospital im Kabuler Bezirk Kart-e-Naw (Police District [PD] 8) renoviert. Das Krankenhaus versorgt rund 130.000 Personen in seiner Umgebung und verfügt über 30 Betten. Pro Tag wird es von rund 900 Patienten besucht. Das Rahman Mina-Krankenhaus ist eines von 47 Einrichtungen in Kabul-Stadt, die am Kabul Urban Health Projekt (KUHP) teilnehmen. Im Rahmen des Projektes soll die Gesundheitsversorgung der Kabuler Bevölkerung verbessert werden. Der größte Teil der Notfallmedizin in Kabul wird von der italienischen NGO Emergency angeboten. Emergency führt spezialisierte Notfallbehandlungen durch, welche die staatlichen allgemeinmedizinischen Einrichtungen nicht anbieten können und behandelt sowohl die lokale Bevölkerung, als auch Patienten, welche von außerhalb Kabuls kommen. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. In der staatlichen Klinik in Kabul existieren 14 Betten zur stationären Behandlung (LIB 13.11.2019, Seite 346).

II.1.5.5. Lage in der Provinz Balkh bzw. in der Provinzhauptstadt

Mazar-e Sharif:

II.1.5.5.1. Grundinformationen:

Balkh liegt im Norden Afghanistans. Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte

469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (LIB 13.11.2019, Seite 60 f.). Im Zeitraum 01.01.2018 bis 30.06.2019 kamen rund 30.000 Binnenvertriebe in die Provinz Balkh (LIB 13.11.2019, Seite 60 f.)

II.1.5.5.2. Erreichbarkeit:

Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) zu erreichen (LIB 13.11.2019, Seite 61 und 336).

II.1.5.5.3. Sicherheitslage:

Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban die Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren (LIB 13.11.2019, Seite 62). Im Jahr 2018 wurden 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, Seite 63). Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Provinz Balkh sowie in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, Seite 89 und 92 f.).

II.1.5.5.4. Wirtschaftslage:

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum. In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen. Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (LIB 13.11.2019, Seite 61 und 336)

II.1.5.5.5. Medizinische Versorgung:

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es zwischen 10 und 15 Krankenhäuser; dazu zählen sowohl private als auch öffentliche Anstalten. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer; jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken; 20% dieser Gesundheitskliniken finanzieren sich selbst, während 80% öffentlich finanziert sind. Das Regionalkrankenhaus Balkh ist die tragende Säule medizinischer Dienstleistungen in Nordafghanistan; selbst aus angrenzenden Provinzen werden Patient/innen in dieses Krankenhaus überwiesen. Für das durch einen Brand zerstörte Hauptgebäude des Regionalkrankenhauses Balkh im Zentrum von Mazar-e Sharif wurde ein neuer Gebäudekomplex mit 360 Betten, 21 Intensivpflegeplätzen, sieben Operationssälen und Einrichtungen für Notaufnahme, Röntgen- und Labordiagnostik sowie telemedizinischer Ausrüstung errichtet. Zusätzlich kommt dem Krankenhaus als akademisches Lehrkrankenhaus mit einer angeschlossenen Krankenpflege- und Hebammenschule eine Schlüsselrolle bei der Ausbildung des medizinischen und pflegerischen Nachwuchses zu. Die Universität Freiburg (Deutschland) und die Mashhad Universität (Iran) sind Ausbildungspartner dieses Krankenhauses (BFA 4.2018). Balkh gehörte bei einer Erhebung von 2016/2017 zu den Provinzen mit dem höchsten Anteil an Frauen, welche einen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben. Weiters gibt es in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 13.11.2019, Seite 347 und 351 f.).

II.1.5.6. Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, Seite 327).

II.1.5.7. Meldewesen

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, Seite 328).

II.1.5.8. Allgemeine Menschenrechtslage

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 13.11.2019, Seite 264).

II.1.5.9. Korruption:

Die Korruption ist in Afghanistan sehr hoch. Es bestehen zwar strafrechtliche Sanktionen gegen Korruption, diese werden jedoch nicht effektiv umgesetzt. Korruption findet in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens statt, unter anderem in der Justiz, bei der Beschaffung von Gütern, bei Staatseinnahmen und bei der Bereitstellung von Leistungen des Staates (LIB 13.11.2019, Seite 254 f.).

II.1.5.10. Medizinische Versorgung:

Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB 13.11.2019, Seite 344).

Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, Seite 350).

II.1.5.11. Wirtschaft

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (LIB 13.11.2019, Seite 333).

Am Arbeitsmarkt müssten jährlich 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB 13.11.2019, Seite 334 f.).

Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Seite 29 f.).

II.1.5.12. Rückkehrer:

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, Seite 353).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, Seite 354).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, Seite 354).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, Seite 355).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, Seite 355).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB 13.11.2019, Seite 355).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, Seite 356).

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, Seite 356).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).

In Kabul und im Umland sowie in Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Die Lebenshaltungskosten sind für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul höher als in ländlichen Gebieten (LIB 13.11.2019, S. 359).

Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten, da dies billiger ist. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen, um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Seite 31).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 13.11.2019, Seite 362).

II.1.5.13. Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben zwischen 32-35 Millionen Menschen. Es sind ca. 40-42% Pashtunen, rund 27-30% Tadschiken, ca. 9-10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB 13.11.2019, Seite. 287f).

II.1.5.13.1. Hazara:

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9-10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild (LIB 13.11.2019, S. 290f).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Kernfamilie bzw. dem Klan. Es bestehen keine sozialen oder politischen Stammesstrukturen (LIB 13.11.2019, S. 292).

Die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, hat sich grundsätzlich verbessert und Hazara bekleiden inzwischen auch prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind jedoch in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen (LIB 13.11.2019, S. 291f).

Hazara neigen sowohl in ihren sozialen, als auch politischen Ansichten dazu, liberal zu sein, dies steht im Gegensatz zu den Ansichten sunnitischer Militanter. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen führen weiterhin zu Konflikten und Tötungen. Angriffe durch den ISKP und andere aufständische Gruppierungen auf spezifische religiöse und ethno-religiöse Gruppen - inklusive der schiitischen Hazara - halten an (LIB 13.11.2019, S. 292).

II.1.5.14. Religionen:

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80-89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 13.11.2019, S. 277).

II.1.5.14.1. Schiiten:

Der Anteil schiitischer Muslime an der Bevölkerung wird auf 10-19% geschätzt. Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die Jafari-Schiiiten (Zwölfer-Schiiten). 90% von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten, die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB 13.11.2019, S. 279). Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25-30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (LIB 13.11.2019, S. 280).

II.1.5.15. Lage von Afghanen, die von den iranischen Behörden rekrutiert wurden, in Syrien für die iranische Armee gegen den IS kämpften und nach Afghanistan zurückkehren.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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