TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/27 W251 2213737-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.12.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W251 2213737-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2018, Zl. 1113868409 - 180027299, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 05.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde, nachdem Ungarn für den Antrag auf internationalen Schutz zuständig war, zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde auch nach Ungarn überstellt. Der Beschwerdeführer reiste erneut nach Österreich ein und stellte am 09.01.2018 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde nach der Erstbefragung am 09.01.2018 zugelassen. Am 23.04.2018 sowie am 12.12.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er und sein Vater einer Partei angehört haben, aus diesem Grund seien sie von den Taliban bedroht worden. Zudem habe der Beschwerdeführer wegen seiner Wertehaltung, seiner Parteizugehörigkeit und wegen Grundstücksstreitigkeiten Probleme mit einem Onkel gehabt.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.). Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.-V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass ihm im Falle einer Rückkehr Verfolgung durch die Taliban drohe, da ihm eine oppositionelle, politische Gesinnung unterstellt werde, zudem gehöre er zur sozialen Gruppe der Familie, da bereits sein Vater von den Taliban verfolgt worden sei. Es stehe ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, die Versorgungs- und Sicherheitslage sei nicht ausreichend. Der afghanische Staat sein weder schutzwillig noch schutzfähig. Zudem habe das Bundesamt Ermittlungen betreffen den Beschwerdeführer in Afghanistan nicht durchgeführt. Die Beweiswürdigung des Bundesamtes sei zudem mangelhaft.

4. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 18.12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er spricht neben seiner Muttersprache Paschtu auch die Sprachen Englisch, Farsi, Urdu und etwas Deutsch (AS 17; Verhandlungsprotokoll vom 18.12.2019, OZ 10, S. 7, S. 10).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Laghman, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern, seinen beiden Brüdern und seinen drei Schwestern aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat 8 Jahre lang eine Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat mehrere Jahre auf der Landwirtschaft der Familie gearbeitet (AS 17, OZ 10, S. 7f).

Der Beschwerdeführer ist ledig, er hat keine Kinder (OZ 10, S. 7).

Der Beschwerdeführer litt vor einem Jahr an Magenbeschwerden. Derzeit leidet er an psychischen Problemen, nämlich an Schlafstörungen. Er ging deswegen jedoch noch nicht zum Arzt und er nimmt derzeit auch keine Medikamente. Der Beschwerdeführer leidet sonst an keinen medizinischen Beschwerden (OZ 10, S. 13, S. 5; AS 133; AS 288).

1.2. Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und er stellte am 05.05.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen und der Beschwerdeführer nach Ungarn überstellt. Der Beschwerdeführer reiste erneut nach Österreich ein und stellte einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Er hält sich zumindest seit 09.01.2018 durchgehend in Österreich auf. Er ist in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer hat nur geringe Deutschkenntnisse. Er hat die A1-Prüfung bestanden (OZ 10, S. 9-10; Beilage ./D, ./E).

Der Beschwerdeführer wurde am 26.09.2019 von einem Landesgericht wegen Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz (§ 27 Abs 2a, § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall iVm § 27 Abs 2 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, wobei 6 Monate davon unter Setzung einer Probezeit von 6 Monaten bedingt nachgesehen wurden (Beilage ./I).

Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Inhaftierung von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer lebt derzeit bei seiner Lebensgefährtin, von dieser wird er finanziell unterstützt (Beilage ./I; OZ 10, S. 10).

Der Beschwerdeführer nahm an Integrationskursen teilt. Er leistete für die Gemeinde auch gemeinnützige Tätigkeiten. Derzeit übt er jedoch keine gemeinnützigen Tätigkeiten aus (OZ 10, S. 10; Beilage

./C, ./F).

Der Beschwerdeführer konnte in Österreich Freundschaften zu anderen Afghanen knüpfen. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten. Er hat seit 6 Monaten eine Beziehung zu einer Österreicherin, er wohnt seit einigen Monaten mit dieser zusammen und wird von ihr auch finanziell unterstützt. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (OZ 10, S. 11f).

1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.3.1 Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht. Der Beschwerdeführer war kein Mitglied einer Partei. Der Vater des Beschwerdeführers war zwar Mitglied einer Partei, der Vater hatte deswegen jedoch weder Probleme mit den Taliban noch mit anderen Personen.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.

1.3.2. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Sunniten und zur Volksgruppenzugehörigkeit zu den Paschtunen konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

1.3.3. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils, seiner Wertehaltung oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Provinz Laghman aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Herat und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat und Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat und Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Die Mutter, die Schwestern und die Brüder des Beschwerdeführers wohnen im Heimatdorf des Beschwerdeführers, er hat zu diesen noch regelmäßigen Kontakt. Der Beschwerdeführer hat zudem noch drei Onkel väterlicherseits, zwei Tanten väterlicherseits, vier Onkel mütterlicherseits und drei Tanten mütterlicherseits und viele Cousinen und Cousins in Afghanistan (OZ 10, S. 8).

Die Familie des Beschwerdeführers besitzt ein Eigentumshaus in Afghanistan sowie ein landwirtschaftliches Grundstück. Die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers werden von einem Onkel mütterlicherseits unterstützt (OZ 10, S. 9). Der Beschwerdeführer unterstützt seine Familie derzeit finanziell nicht.

Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen (OZ 10, S. 10).

Der Beschwerdeführer kann zudem von seiner Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützt werden. Er kann auch von seiner in Österreich lebenden Lebensgefährtin bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützt werden (OZ 10, S. 11f). Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 13.11.2019 - LIB 13.11.2019, S. 12).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (LIB 13.11.2019, S. 18). Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (EASO Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89ff; LIB 13.11.2019, S. 18ff).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, sodass Engpässe entstehen. Dadurch können manchmal auch Kräfte fehlen um Territorium zu halten. Die Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, S. 19).

Für das gesamte Jahr 2018 gab es gegenüber 2017 einen Anstieg in der Gesamtzahl ziviler Opfer und ziviler Todesfälle. Für das erste Halbjahr 2019 wurde eine niedrigere Anzahl ziviler Opfer registrierten, im Juli, August und September lag ein hohes Gewaltniveau vor. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren 2018 am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, S. 24).

Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele (High Profile Angiffe - HPA) aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind jedoch stetig zurückgegangen. Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 1.12.2018 und 15.5.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, S. 25).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, S. 26).

Taliban: Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, S. 26; S. 29).

Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, S. 27).

Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, S. 27).

Laghman:

Laghman liegt im Osten Afghanistans. Die Provinz wird hauptsächlich von Paschtunen bewohnt, gefolgt von tadschikischen und paschaiischen Stämmen. Laghman hat 484.952 Einwohner.

Sowohl im Oktober 2018 als auch Jänner 2019 nahm die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen ab. In einigen abgelegenen Distrikte wurde ein Anstieg der Aktivitäten von Taliban- und ISKP-Militanten verzeichnet. Laghman gilt, gemeinsam mit anderen Provinzen als eine Hochburg des ISKP. Taliban und ISKP bekämpfen sich in dieser Provinz gegenseitig. In der Provinz werden regelmäßig Sicherheitsoperationen durch afghanische Sicherheitskräfte durchgeführt.

Im Jahr 2018 gab es 271 zivile Opfer (93 Tote und 178 Verletzte) in der Provinz Laghman. Die Hauptursachen für Opfer waren Bodengefechte, gefolgt von gezielten Tötungen und Kampfmittelrückständen/Minen (LIB 13.11.2019, S. 149ff).

Mazar-e Sharif:

Die Provinzhauptstadt von Balkh ist Mazar-e Sharif. Die Provinz Balkh liegt im Norden Afghanistan und ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Es leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 61).

Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban die Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren (LIB 13.11.2019, S. 62). Im Jahr 2018 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 63). Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Provinz Balkh sowie in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89; S. 92f).

Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz, ein regionales Handelszentrum sowie ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen. Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) zu erreichen (LIB 13.11.2019, S. 61; S. 336).

In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es 10 - 15 - teils öffentliche, teils private - Krankenhäuser. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer, jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken die zu 80% öffentlich finanziert sind (LIB 13.11.2019, S. 347).

Während Mazar-e Sharif im Zeitraum Juni 2019 bis September 2019 noch als IPC Stufe 1 "minimal" (IPC - Integrated Phase Classification) klassifiziert wurde, ist Mazar-e Sharif im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 in Phase 2 "stressed" eingestuft. In Phase 1 sind die Haushalte in der Lage, den Bedarf an lebensnotwenigen Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln zu decken, ohne atypische und unhaltbare Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen zu verfolgen. In Phase 2 weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentliche, nicht nahrungsbezogene Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ACCORD, Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 02.10.2019, 3.1.).

Herat:

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und ist eine der größten Provinzen Afghanistans. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (LIB 13.11.2019, S. 105). Die Provinz verfügt über 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert, der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 durch Iran-Rückkehrer und Binnenvertriebene besonders gestiegen (LIB 13.11.2019, S. 106).

Herat ist durch die Ring-Road sowie durch einen Flughafen mit nationalen und internationalen Anbindungen erreichbar (LIB 13.11.2019, S. 106).

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. In der Stadt Herat steigt die Kriminalität und Gesetzlosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 106). Im Jahr 2018 gab es mit 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat einen Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen. Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften. Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LIB 13.11.2019, S. 108f). Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Stadt Herat so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89, S. 99f).

Im Vergleich mit anderen Teilen des Landes weist Herat wirtschaftlich und sicherheitstechnisch relativ gute Bedingungen auf. Es gibt Arbeitsmöglichkeiten im Handel, darunter den Import und Export von Waren mit dem benachbarten Iran, wie auch im Bergbau und Produktion. Die Industrie der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) ist insbesondere im Handwerksbereich und in der Seiden- und Teppichproduktion gut entwickelt und beschäftigt Tagelöhner sowie kleine Unternehmer (LIB 13.11.2019, S. 336).

Herat ist im Zeitraum Oktober 2019 bis Januar 2020 als IPC Stufe 2 klassifiziert (IPC - Integrated Phase Classification). In Phase 2, auch "stressed" genannt, weisen Haushalte nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch auf und sind nicht in der Lage, sich wesentlich, nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten, ohne dabei irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden (ACCORD, Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 02.10.2019, 3.1.).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, S. 327).

Meldewesen

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, S. 328).

Medizinische Versorgung:

Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB 13.11.2019, S. 344).

Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, S. 345).

Psychische Erkrankungen

Innerhalb der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen, rund 50% der Bevölkerung leiden an psychische Symptome wie Depression, Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörung. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet und von der Familie versorgt, von der Gesellschaft werden diese jedoch oftmals stigmatisiert.

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik

Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in manchen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Menschen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und auch von Organisationen behandelt werden (LIB 13.11.2019, S. 350ff).

Wirtschaft

Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (LIB 13.11.2019, S. 333).

Am Arbeitsmarkt müssten jährlich 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB 13.11.2019, S. 334f).

Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 29 - 30).

In Kabul und im Umland sowie in Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Die Lebenshaltungskosten sind für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul höher als In ländlichen Gebieten (LIB 13.11.2019, S. 359).

Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten, da dies billiger ist. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 31).

Rückkehrer:

In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, S. 353).

Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, S. 354).

Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, S. 354).

Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, S. 355).

Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, S. 355).

Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB 13.11.2019, S. 355).

Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, S. 356).

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, S. 356).

Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 13.11.2019, S. 362).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben zwischen 32-35 Millionen Menschen. Es sind ca. 40-42% Pashtunen, rund 27-30% Tadschiken, ca. 9-10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB 13.11.2019, S. 287f).

Religionen:

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80-89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 13.11.2019, S. 277).

Sunniten sind allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./VI (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 13.11.2019, Beilage ./II;

Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III;

ACCORD, Sicherheitslage und sozio-ökonomische Lage in Herat und Mazar-e Sharif vom 26.11.2019, Beilage ./IV; Bericht Landinfo, Afghanistan, der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne, 23.08.2017, Beilage ./V; Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban vom 29.06.2017, Beilage ./VI;

Unterstützungsschreiben vom 19.04.2018 (Beilage ./B;

Teilnahmebestätigung Workshop vom 13.07.2017, Beilage ./C;

Teilnahmebestätigung Deutsch A1 vom 03.11.2016, Beilage ./D;

Unterstützungsschreiben vom 12.11.2016, Beilage ./E;

Unterstützungsschreiben vom 04.11.2016 Beilage ./F)

Dem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2019 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine derzeitige familiäre Situation in Afghanistan, seine Schulbildung, seine Berufserfahrung) sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf Angaben des Beschwerdeführers beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist. Es wurden keine medizinischen Unterlagen vorgelegt, aus denen sich eine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankung des Beschwerdeführers ergeben würde. Der Beschwerdeführer nimmt derzeit keine Medikamente und ist auch seit langer Zeit nicht in ärztlicher Behandlung.

2.2. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister und aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch die Taliban, weil er Mitglied einer Partei gewesen sei bzw. weil er Probleme mit einem Onkel gehabt habe, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

2.3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks über den Beschwerdeführer davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen vollständig und detailliert zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben gänzlich detaillos und vage. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Es ergaben sich viele Unplausibilitäten und Widersprüche, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen.

Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.

Der Beschwerdeführer gab nach Aufforderung seine Fluchtgründe detailliert und umfassend darzulegen in der Verhandlung folgendes an: "Der Grund warum ich Afghanistan verlassen habe ist, weil mein Vater verschwunden ist und zweitens bin ich ein Mitglied der Hezb-e Dimokratik-e Khalq-e Afghanistan, die Taliban haben mich zum Ziel genommen und ich erhielt Drohbriefe von ihnen." (OZ 10, S. 13)

Diese Angaben machen nicht den Eindruck, als würde es sich um tatsächliche Erlebnisse handeln. Diese wirken wie eine grobe Rahmengeschichte ohne lebensnahe Details.

2.3.2. Zudem sind in den Angaben des Beschwerdeführers erhebliche Widersprüche enthalten, die sein Fluchtvorbringen gänzlich unglaubhaft scheinen lassen:

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass sein Vater bereits eine Woche lang verschwunden gewesen wäre, als er den letzten Brief der Taliban erhalten habe (AS 293). In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass seine Mutter den Vater informiert habe, nachdem sie den Brief gefunden habe, auch er habe dann mit seinem Vater über den Brief gesprochen. Sein Vater habe ihm versprochen eine Lösung zu finden, sei dann in die Arbeit gegangen und erst danach verschwunden (OZ 10, S. 15). Die Angaben des Beschwerdeführers sind widersprüchlich.

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung an, dass sein Vater nach dem Drohanruf der Taliban beim Beschwerdeführer gemeint habe, dass sich ein Freund des Beschwerdeführers einen Scherz erlaubt habe (OZ 10, S. 15). Beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass der Vater den Anruf ernst genommen habe und versprochen habe eine Lösung zu finden (AS 145). Bei der zweiten Einvernahme beim Bundesamt gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er selber den Anruf nicht ernst genommen habe, da er gedacht habe, dass sich ein Freund einen Spaß erlauben würde (AS 293). Ein Drohanruf der Taliban müsste jedoch ein ernstzunehmendes Ereignis sein, insbesondere wenn der Vater nach diesem Anruf verschwinden würde, sodass ein solcher jedenfalls gut in Erinnerung bleiben müsste. Auch diese Angaben sind nicht in Einklang zu bringen und nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt einmal an, dass seine Mutter die Briefe versteckt habe (AS 292). Es ist nicht plausibel, aus welchem Grund die Mutter des Beschwerdeführers Briefe verstecken sollte, wenn diese die Briefe nicht lesen kann, da diese Analphabetin ist (AS 293). Der Beschwerdeführer gab zudem an, dass die Mutter den letzten Brief, als sie diesen gefunden habe, sofort dem Beschwerdeführer gebracht habe (OZ 10, S. 293)

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung an, dass die Drohbriefe zunächst an seinen Vater geschickt worden seien, dann seien die Briefe an ihn adressiert worden (OZ 10, S. 15). Tatsächlich ist den vorgelegten Briefen (AS 343, 349, 355, 361) zu entnehmen, dass alle Briefe an den Vater des Beschwerdeführers adressiert wurden, lediglich in einem Brief wird der Beschwerdeführer kurz erwähnt. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht nachvollziehbar. Die vom Beschwerdeführer vorgelegten afghanischen Unterlagen sind in Anbetracht der Widersprüche nicht geeignet die Fluchtgründe des Beschwerdeführers glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass er im Alter von 21 Jahren Parteimitglied geworden sei. 2 Monate danach habe er seinen Drohbrief bekommen und zwei Monate nach dieser Warnung sei sein Vater verschollen (AS 153). In der Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er ein Jahr lang Parteimitglied gewesen sei, sohin ein Jahr lang vor seiner Ausreise (OZ 10, S. 14). Ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer ein Jahr lang Mitglied der Partei in Afghanistan war, müsste er erst 10 Monate nach dem Erhalt seines Drohbriefs ausgereist sein. In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer jedoch an, dass er zwei Monate nach der ersten Bedrohung der Taliban Afghanistan verlassen habe (OZ 10, S. 15). Die Angaben des Beschwerdeführers sind zeitlich nicht in Einklang zu bringen.

Der Beschwerdeführer gab auch an, dass sein Vater vor sechs Jahren verschollen sei (OZ 10, S. 8) sohin ca. Ende 2013. Der Beschwerdeführer reiste jedoch erst ca. im März 2016 (zwei Monate vor der Erstbefragung im Mai 2016) aus Afghanistan aus (siehe Erstbefragungsprotokoll vom 06.05.2016). Eine Bedrohung des Beschwerdeführers durch die Taliban und diesbezügliche Absprachen und Beratungen zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater kurz vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan sind jedoch mit einem Verschwinden des Vaters Ende 2013 nicht in Einklang zu bringen. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab zudem bei der Erstbefragung im Mai 2016 zu seinen Fluchtgründen an, dass sein Vater vor zwei Jahren, sohin ca in den ersten Monaten 2014 verschollen sei. Auch nach diesen Angaben wäre von einem frühzeitigen Verschwinden des Vaters auszugehen. Es müsste dem Beschwerdeführer jedoch jedenfalls in Erinnerung sein, ob er mit seinem Vater die Drohbriefe, den Drohanruf und das weitere Vorgehen habe besprechen können oder nicht. Es müsste dem Beschwerdeführer auch in Erinnerung bleiben, ob der Vater lange Zeit vor oder erst in Zusammenhang mit den Drohbriefen bzw. dem Drohanruf verschollen wäre. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab zudem bei der Erstbefragung im Mai 2016 zu seinen Fluchtgründen an: "Mein Vater war Offizier. Vor ca. 2 Jahren ist er verschollen. Ich bin das älteste Kind in meiner Familie. Die Versorgung meiner Familie musste ich übernehmen. Ich habe immer auf den Feldern gearbeitet. Und jetzt herrscht in meinem Land Krieg. Deshalb musste ich mein Land verlassen, weil ich nicht mehr arbeiten kann. Ich kann meine Familie nicht versorgen." Dass Gericht verkennt zwar nicht, dass die Erstbefragung nicht der detaillierten Erforschung der Fluchtgründe dient. Der Beschwerdeführer hat jedoch weder seine vermeintliche eigene Parteimitgliedschaft, noch eine Bedrohung durch die Taliban oder durch seinen Onkel in der Erstbefragung erwähnt. Die Angaben des Beschwerdeführers machen einen sehr inkonsistenten Eindruck.

Vielmehr müsse nach der Rechtsprechung grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Das Gericht geht daher davon aus, dass der Vater des Beschwerdeführers zwar Parteimitglied war und 2013/2014 verschollen ist, dies jedoch weder in Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit des Vaters steht, noch mit dessen Parteizugehörigkeit. Das Gericht geht davon aus, dass es weder gegen den Vater des Beschwerdeführers, noch gegen die Familie des Beschwerdeführers noch gegen den Beschwerdeführer selber eine konkrete Bedrohung in Afghanistan gegeben hat, sondern, dass der Beschwerdeführer aus wirtschaftlichen Überlegungen Afghanistan verlassen hat.

2.3.3. Zudem konnte der Beschwerdeführer keine nachvollziehbaren Angaben zur Partei machen. Die Angaben zu den Zielen der Partei waren in der mündlichen Verhandlung vage und ausweichend, er gab an, dass die Partei noch einige andere Ziele gehabt habe, diese habe er jedoch vergessen (OOZ 10, S. 15).

Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt zudem an, dass es diese Partei immer noch geben würde. Den eingeholten Länderberichten ist jedoch zu entnehmen, dass die Hezb-e Dimukratik-e khalq-e Afghanistan (PDPA) 1965 gegründet wurde und bis 1992 aktiv war. Die PDPA änderte ihren Namen in die Watan-Partei und regierte Afghanistan bis 1992 (AS 267). Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt jedoch an, dass die Partei vor 5-6 Jahren wieder unter demselben Namen wiederaufgebaut worden wäre (AS 291). Dies ist jedoch den eingeholten Länderinformationen nicht zu entnehmen (AS 255ff) Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt auch an, er kenne den Namen Watan-Partei nicht (AS 291). Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Parteizugehörigkeit sind nicht nachvollziehbar. Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer tatsächlich selber kein Angehöriger der PDPA war oder ist, und dass er auch keiner anderen (Nachfolger-)Partei angehört.

2.3.4. Der Beschwerdeführer hat zudem keine Feindschaften zu Familienangehörigen in Afghanistan. Seine Angaben zur behaupteten Verfolgung durch einen Onkel väterlicherseits waren vage und ausweichend. Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er von seinem Onkel tatsächlich nur belästigt worden sei, sonst sei ihm nichts passiert (AS 290).

Während der Beschwerdeführer zunächst angab, dass sein Onkel die Grundstücke ohne Bezahlung habe besitzen wollen (AS 290), gab der Beschwerdeführer auch an, dass er von der Familie dieses Onkels finanziell bei der Ausreise unterstützt worden sei, indem er von dieser Familie Geld für seine Grundstücke erhalten habe (AS 147). Die Angaben des Beschwerdeführers sind widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.

Es ist zudem nicht plausibel, dass die Frauen der Familie des Onkels die Familie des Beschwerdeführers hin und wieder besuchen sollten, wenn eine Feindschaft bestanden habe bzw. dass dies den Frauen gestattet worden wäre (AS 147). Die Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Feindschaft mit seinem Onkel sind nicht glaubhaft.

Das Gericht geht davon aus, dass tatsächlich keine Feindschaft, sondern ein gutes Verhältnis zum Onkel väterlicherseits und dessen Familie besteht.

2.3.5. Aufgrund der insgesamt nicht glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers konnte auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban, seinen Onkel oder durch andere Personen drohen würde.

2.3.6. Eine Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit zu den sunnitischen Paschtunen gab der Beschwerdeführer nicht an (AS 161).

2.3.7. Es besteht auch keine Gefahr beim Beschwerdeführer als "verwestlicht" angesehen zu werden. Es ist nicht ersichtlich ist wodurch sich ein "westlicher Lebensstil" äußern würde. Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre.

Es ist zudem nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer eine Wertehaltung besitzen würde, die im nachhaltigen Bruch zu den afghanischen Werten stehen würde. Der Beschwerdeführer gab an, dass er liberale Werte vertreten würde, so sei er für eine Gleichstellung der Frauen, gegen Gewalt an Frauen sowie gegen den Drogenhandel, all dies habe er auch bekämpft (AS 291). Nachdem der Beschwerdeführer jedoch in Österreich Suchtgift einem anderen gegen Entgelt überlassen hat (§27 Abs 2a SMG) ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich nach den von ihm behaupteten Werten lebt oder diese verinnerlicht hat.

Es ist weder den Angaben des Beschwerdeführers noch den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besondere Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.

2.3.8. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung selber an, dass er abgesehen von der Verfolgung durch die Taliban und seinen Onkel, wobei beides nicht glaubhaft ist, keine anderen Probleme bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten habe (OZ 10, S. 14). Es haben sich daher im Verfahren auch sonst keine konkreten Hinweise auf ein mögliches Verfolgungsrisiko ergeben.

2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Laghman ergeben sich aus den o.a. Länderberichten. Daraus geht unter anderem hervor, dass die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers volatil ist.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in außerhalb seiner Herkunftsprovinz gelegenen Landesteilen, insbesondere in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den o.a. Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers.

In den Städten Herat und Mazar-e Sharif finden überwiegend High-Profile-Angriffe in Regierungs- und Botschaftsnähe, also mit möglichst hoher medialer Reichweite, statt. Dabei kam es immer wieder zu zivilen Opfern. Die Regierung ist jedoch in der Lage hier die Sicherheit abseits dieser High-Profile Attentate zu gewährleisten. Das Gericht geht daher davon aus, dass es in der Stadt Herat und Mazar-e Sharif zu Anschlägen kommt, jedoch nicht in allen Stadtteilen.

Dass die Wohnraum- und Versorgungslage angespannt ist, ergibt sich aus den Länderberichten, wonach in größeren Städten zwar an sich Wohnraum zur Verfügung steht, es jedoch eine erhebliche Anzahl an Rückkehrern gibt, sodass die Lage angespannt ist. Auch gibt es nicht genügend Arbeitsplätze.

Dass der Beschwerdeführer noch Verwandte in Afghanistan hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglich nachvollziehbaren Angaben in der mündlichen Verhandlung und beim Bundesamt.

Das Gericht geht jedoch davon aus, dass der Beschwerdeführ

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten