Entscheidungsdatum
02.01.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W275 2198245-2/11E
W275 2198252-2/11E
W275 2198250-2/9E
W275 2198248-2/9E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Anträge von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , und 4. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Susanne SINGER, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018, Zahlen 1. 1084941405-151218074, 2. 1084941503-151218015, 3. 1084941601-151218007 und 4. 1094896504-151781216, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.11.2019 zu Recht:
A)
Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (jeweils) nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die Antragsteller beantragten am 30.08.2015 internationalen Schutz in Österreich.
Mit Bescheiden vom 08.05.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden den Antragstellern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die Antragsteller Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Antragsteller gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgesetzt.
Gegen diese Bescheide erhoben die Antragsteller Beschwerden, welche am 08.06.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl per Telefax eingebracht wurden.
In der Folge legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht die bezughabenden Verwaltungsakten vor und wies auf eine Fristversäumung hin.
Mit Schreiben vom 18.12.2018 erging seitens des Bundesverwaltungsgerichtes ein Verspätungsvorhalt. Unter einem wurden Kopien der Zustellnachweise übermittelt.
Mit Schreiben vom 30.12.2018 nahmen die Antragsteller zum Verspätungsvorhalt Stellung und beantragten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG.
Am 29.11.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher die (erwachsenen) Antragsteller sowie der Betreuer der Antragsteller, eine Zustellerin der Österreichischen Post AG sowie die Vertrauensperson der Antragsteller als Zeugen befragt wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Bescheiden vom 08.05.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Antragsteller auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden den Antragstellern nicht erteilt, gegen die Antragsteller wurden Rückkehrentscheidungen erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung der Antragsteller nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgesetzt.
In den Zustellverfügungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde die Zustellung dieser Bescheide an die (jeweiligen) Antragsteller mit RSa-Brief verfügt.
Die Zustellerin der Österreichischen Post AG übergab die RSa-Briefe, in welchen sich die Bescheide befanden, am 09.05.2018 dem Betreuer der Antragsteller; dieser unterzeichnete die RSa-Rückscheine.
Der Betreuer der Antragsteller händigte dem Erstantragsteller die RSa-Briefe mit den (Original-)Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 11.05.2018 aus. Der Erstantragsteller übergab diese noch am 11.05.2018 der Zweitantragstellerin.
Mit am 08.06.2018 per Telefax beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebrachtem Schriftsatz erhoben die Antragsteller durch ihre nunmehrige Vertreterin Beschwerden gegen die genannten Bescheide.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018, zu den Zustellverfügungen sowie den Beschwerden ergeben sich aus den in den Akten einliegenden Unterlagen. Die Feststellungen hinsichtlich des Zustellvorganges der Bescheide ergeben sich aus den glaubwürdigen Angaben des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie den glaubwürdigen Aussagen der in der Verhandlung einvernommenen Zeugen, insbesondere des Betreuers, der die RSa-Briefe mit den (Original-)Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl übernommen und die Rückscheine unterfertigt hat, sowie der Zustellerin der Österreichischen Post AG, die dem Betreuer die genannten Briefe übergeben hat (vgl. insbesondere die Seiten 7ff, 13 und 15f der Niederschrift der Verhandlung).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A) Zurückweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Gemäß § 33 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.
Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden, § 15 Abs. 3 leg. cit. ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/008, mwH). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. etwa VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113, mwN).
Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass eine Frist versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grunde nicht stattzugeben (VwGH 12.06.1986, 86/02/0034 mwH).
Eine Frist ist versäumt, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist, d. h. wenn die geforderte Prozesshandlung vor ihrem Ablauf nicht in der für sie (zwingend) vorgeschriebenen Form gesetzt wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 AVG Rz 22 mwN).
Zum Zustandekommen eines Bescheides ist es erforderlich, dass er erlassen wird. Erst mit seiner Erlassung erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz (VwGH 26.04.2000, 99/05/0239; 23.07.2009, 2007/05/0139). Solange ein Bescheid noch nicht erlassen wurde, kann er keine Rechtswirkung nach außen entfalten (vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 2011, Rz 426). Die Erlassung schriftlicher Bescheide hat durch Zustellung oder Ausfolgung zu erfolgen. Erlassen ist ein Bescheid ab dem Zeitpunkt, ab dem eine rechtswirksame Zustellung oder Ausfolgung vorliegt (VwGH 26.06.2001, 2000/04/0190).
Gemäß § 5 Zustellgesetz (ZustG) ist die Zustellung von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.
Dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Dokumente dürfen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden (§ 21 ZustG).
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (§ 7 ZustG).
Wie oben festgestellt, verfügte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in den Zustellverfügungen eine Zustellung der Bescheide an die (jeweiligen) Antragsteller mit RSa-Brief. Die Zustellerin der Österreichischen Post AG übergab die Bescheide jedoch nicht den Antragstellern, sondern deren Betreuer; dieser unterzeichnete die jeweiligen RSa-Rückscheine. Der Betreuer der Antragsteller händigte die RSa-Briefe mit den (Original-)Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dem Erstantragsteller am 11.05.2018 aus; der Erstantragsteller übergab diese noch am 11.05.2018 der Zweitantragstellerin.
Da die (Original-)Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl den Antragstellern somit am 11.05.2018 tatsächlich zugekommen sind, wurde der Mangel im Zustellvorgang an diesem Tag geheilt. Die (wirksame) Zustellung der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2018 erfolgte somit am 11.05.2018; die vierwöchige Beschwerdefrist begann an diesem Tag zu laufen. Die per Telefax am 08.06.2018 bei der belangten Behörde eingebrachten Beschwerden erweisen sich daher als rechtzeitig.
Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind somit mangels Fristversäumung zurückzuweisen.
Hinsichtlich der rechtzeitig eingebrachten Beschwerden gegen die oben genannten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wird - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ein gesondertes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes ergehen.
3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.
Schlagworte
Fristenwahrung, Heilung, Rechtzeitigkeit, Wiedereinsetzung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W275.2198245.2.00Zuletzt aktualisiert am
02.06.2020