TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/13 W112 2183106-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.2020
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Entscheidungsdatum

13.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §55

Spruch

W112 2183106-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, alias XXXX , geb. XXXX , StA LITAUEN, alias XXXX , geb. XXXX , StA WEISSRUSSLAND, alias XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, alias XXXX , geb. XXXX , StA WEISSURSSLAND, alias XXXX , geb. XXXX , StA WEISRUSSLAND, alias XXXX , XXXX , StA WEISSRUSSLAND, alias XXXX , geb. XXXX , StA LITAUEN, alias XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, alias XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, alias XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, alias XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, alias XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, alias XXXX , geb. XXXX , StA RUSSISCHE FÖDERATION, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2017, Zl. 1081298602 - 170666723/ XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 50, 52 Abs. 2, 55 FPG als unbegründet abgewiesen

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, der 2007 in XXXX , 2011 in XXXX und XXXX und 2014 in der XXXX beamtshandelt wurde, wurde in ÖSTERREICH am 18.06.2015 im Bereich des XXXX festgenommen und mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 15.07.2015 gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 1. Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von XXXX Monaten verurteilt.

2. Am 25.05.2016 vernahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) den Beschwerdeführer ein. Der Beschwerdeführer gab an, nicht zu wissen, welche Staatsangehörigkeit er besitze. Er sei in LITAUEN bei einem Freund seiner Mutter aufgewachsen und habe dort neun Jahre lang die Schule besucht. Seine Mutter sei nach XXXX gezogen und überweise ihm monatlich Geld. 2004 sei der Beschwerdeführer nach XXXX gezogen um Arbeit zu finden; er habe dort eine sechsmonatige Ausbildung zum Maurer absolviert und sei Gelegenheitsjobs nachgegangen. Er habe ca. 10 Jahre in XXXX gelebt und sei am 03.01.2015 von der XXXX nach Österreich gereist.

3. Das Bundesamt vernahm den Beschwerdeführer am 02.08.2016 neuerlich ein. Der Beschwerdeführer gab wiederum an, seine Staatsangehörigkeit nicht zu kennen. Nicht seine Mutter, sondern die Mutter seines Cousins habe ihm Geld überwiesen. Sein Cousin lebe in LITAUEN. Am 30.01.2015 sei er mit seinem Cousin von der XXXX kommend nach Österreich gereist.

4. Das Bundesamt erließ mit Bescheid vom 18.08.2016 eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem auf fünf Jahre befristeten Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer; es stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig ist und erkannte der Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

5. Das Bundesamt verhängte mit Bescheid vom 08.09.2016 über den Beschwerdeführer die Schubhaft im Anschluss an die Strafhaft und ordnete an, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides im Anschluss an die Strafhaft eintreten.

6. Der Beschwerdeführer ersuchte im Stande der Strafhaft um ein Gespräch, weshalb er am 23.05.2017 vom Bundesamt einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Einvernahme an, dass er im Alter von ca. fünf Jahren von XXXX , WEISSRUSSLAND, nach LITAUEN gezogen sei. sein Vater sei Geschäftsmann gewesen und habe Probleme mit der Regierung gehabt, weshalb er den Beschwerdeführer und seine Mutter in LITAUEN versteckt habe. Der Beschwerdeführer sei aus der Wohnung in der Stadt XXXX in LITAUEN geflüchtet, weil er mit Alkoholikern in einer Wohnung gelebt habe. Eine Frau habe ihn aufgenommen. Im Jahr 2004 sei er mit einem Freund nach XXXX gefahren. Er habe keinen Kontakt zu seinen Eltern. In Österreich habe er ein Mädchen kennengelernt, weshalb er hierbleiben wolle. Er habe auch vor, nach WEISSRUSSLAND zu gehen, um seinen Vater ausfindig zu machen und persönliche Dokumente zu erhalten.

Am 24.05.2017 stellte der Beschwerdeführer aus der Strafhaft einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr, am 31.05.2017 einen Antrag auf "Hilfestellung bezüglich Asylantrag und Bleiberecht Österreich".

7. Am 06.06.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz, zudem er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen wurde. Er gab an, dass er Staatsangehöriger WEISSRUSSLANDS sei, dort geboren, und von seiner Mutter nach LITAUEN zu Pflegeeltern gebracht worden sei. Im Alter von fünf Jahren haben ihn seine Pflegeeltern einfach verlassen und er sei von einer Angehörigen der XXXX aufgenommen worden. Als diese im Jahr 2004 verstorben sei, sei er mit einem Freund nach XXXX gefahren. Er habe die Frau, bei der er gelebt habe, weder begraben noch ihren Tod gemeldet, weshalb er Angst vor der Polizei gehabt habe und das Land verlassen habe. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er in LITAUEN Fischer gewesen sei und nicht viel verdient habe. Er habe dort keine Perspektive und keine Angehörigen mehr gehabt. In Österreich habe er eine Freundin, bei der er unbedingt bleiben wolle. Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fürchte er, keine Arbeit und Unterkunft zu finden.

8. Der Beschwerdeführer wurde am 16.06.2017 aus der Strafhaft entlassen. Der Schubhaftbescheid wurde nicht vollzogen, der Beschwerdeführer wurde in die Grundversorgung in der Betreuungsstelle XXXX aufgenommen. Er begründete am 27.07.2017 eine Obdachlosenmeldeadresse in XXXX und wurde am 21.08.2017 in die Grundversorgung des Landes XXXX überstellt.

9. Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 24.08.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

XXXX Monaten verurteilt.

10. Am 09.10.2017 wurde er wegen unbekannten Aufenthalts von der Grundversorgung abgemeldet; seither bezieht der Beschwerdeführer keine Grundversorgung mehr. Am 12.10.2017 begründete er erneut eine Obdachlosenmeldeadresse.

11. Am 28.11.2017 vernahm das Bundesamt den Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz niederschriftlich ein. Er glaube, dass er in XXXX , WEISSRUSSLAND, geboren worden sei. Er habe mit seiner Mutter in LITAUEN gelebt, die ihn verlassen habe, als er ca. fünf Jahre alt gewesen sei. Er sei dann von der Wohnung, in der er mit drei Männern nach dem Verlassen seiner Mutter gelebt habe, davongelaufen. Eine ältere Frau habe ihn auf einer Parkbank gefunden und aufgenommen. Seinen Vater kenne der Beschwerdeführer nicht. Er sei entweder Staatsangehöriger WEISSRUSSLANDS oder der RUSSISCHEN FÖDERATION. Zu seinen Fluchtgründen befragt führte er aus, dass er nicht habe flüchten müssen. Er sei mit Freunden nach XXXX gefahren, weil er keine Dokumente gehabt habe. Er habe bei der russischen, weißrussischen und ukrainischen Botschaft in XXXX versucht Dokumente zu erhalten, was ihm jedoch nicht gelungen sei. In Österreich habe er mehrere Freunde. Er bestreite seinen Lebensunterhalt in Österreich durch Programmierung von Internetseiten. Es sprechen keine Gründe gegen eine Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION, er wolle nur nicht nach XXXX zurück.

12. Mit Bescheid vom 14.12.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat RUSSISCHE FÖDERATION (Spruchpunkt II.) ab, erteilte ihm keine Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn (Spruchpunkt IV.). Es stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.), räumte ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise ein (Spruchpunkt VI.) und erkannte der Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung geltend gemacht habe. Ebenso drohe dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer könne im Falle der Rückkehr eine Arbeit aufnehmen, weshalb die Versorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs gewährleistet sei. Der Beschwerdeführer habe auch keine Gründe angeführt, die gegen eine Rückkehr sprechen. Die Rückkehrentscheidung greife nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers ein, da er weder Familienangehörige noch Verwandte in Österreich habe. Der Eingriff in sein Privatleben sei verhältnismäßig, zumal der Beschwerdeführer in Österreich mehrfach straffällig geworden sei, gegen ihn ein auf Dauer von fünf Jahren befristetes - nach wie vor gültiges - Einreiseverbot verhängt worden sei, er nie eine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt habe und nie erwerbstätig gewesen sei. Allenfalls geknüpfte Kontakte seien dadurch geschwächt, dass sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus habe bewusst sein habe müssen.

13. Mit Verfahrensanordnung vom 15.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer der XXXX als Rechtsberater zugeteilt.

Am 20.12.2017 wurde die Obdachlosenmeldeadresse des Beschwerdeführers abgemeldet. Seither verfügt der Beschwerdeführer über keine Meldeadresse mehr.

14. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsberater als gewillkürten Vertreter, fristgerecht Beschwerde und focht den Bescheid wegen unschlüssiger Beweiswürdigung bzw. unschlüssiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens in vollem Umfang an. Der Beschwerdeführer gab seine Obdachlosenmeldeadresse als Wohnsitzadresse an. Das Bundesamt habe es unterlassen, ganzheitlich und gewissenhaft auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen, weshalb eine ausreichende, den Sachverhalt feststellende Ermittlung unterblieben sei. Der Beschwerdeführer halte sich seit 15 Jahren ununterbrochen im europäischen Raum auf und habe keine Familienangehörigen, Verwandte oder Bekannte in der RUSSISCHEN FÖDERATION. Er habe keinen Bezug zu Russland und der russischen Kultur und besitze keine Dokumente. Im Falle einer Rückkehr hätte er Schwierigkeiten, sich in das System einzufügen und sich ein Leben aufzubauen. In Österreich habe er eine Freundin, seine Haftstrafe vollständig abgebüßt und er verfüge über Deutschkenntnisse. Er beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen und die aufschiebende Wirkung zuerkennen; sowie den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde; in eventu dahingehend abändern, dass ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat RUSSISCHE FÖDERATION zuerkannt werde; in eventu ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen; in eventu die Rückkehr-entscheidung für auf Dauer unzulässig erklären; in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und dem Bundesamt zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverweisen.

15. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht den Akt am 17.01.2018 vor. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zu. Am 10.08.2018 wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W112 zugewiesen.

Weder am 14.08.2018 noch am 27.08.2018 konnte bei den Anfragen im IZR, SIS, GVS oder ZMR eine aktuelle Adresse des Beschwerdeführers herausgefunden werden. Der Versuch, den Beschwerdeführer an seiner auf der Vollmacht an seinen gewillkürten Vertreter angegebenen Telefonnummer zu erreichen, scheiterte am 29.08.2018. Auf die Aufforderung an den Vertreter des Beschwerdeführers hin, den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers bekannt zu geben, zog dieser mit Schriftsatz vom 04.09.2018 die Vollmacht zurück und teilte mit, den Beschwerdeführer nicht erreichen zu können.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte das Verfahren mit Beschluss vom 07.09.2018 gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 ein, weil sich der Beschwerdeführer dem Verfahren entzogen hatte.

16. Am 13.09.2018 teilte das Bundesamt mit, dass der Beschwerdeführer im Rahmen des Dublin-Verfahrens von der XXXX nach Österreich überstellt worden sei, er befinde sich im Polizeianhaltezentrum XXXX im Stande der Festnahme und es werde beabsichtigt, die Schubhaft über ihn zu verhängen. Das Bundesamt beantragte die Fortsetzung des Verfahrens.

Mit Mandatsbescheid vom 13.09.2018 verhängte das Bundesamt die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gegen den Beschwerdeführer.

Am 02.10.2018 übermittelte das Bundesamt das - abgelaufene - Heimreisezertifikat des Beschwerdeführers. Der hg. beauftragten Übersetzung zufolge stellte die Russische Botschaft in Österreich fest, dass XXXX , geb. XXXX in XXXX , XXXX , Staatsbürger der RUSSISCHEN FÖDERATION ist.

Am 12.10.2018 teilte das Bundesamt mit, dass das - verlängerte - Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer von der Russischen Botschaft ab 20.10.2018 ausgestellt werden könne, die Zustimmung der Botschaft liege auf.

17. Mit Beschluss vom 15.10.2018 setzte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 AsylG 2005 fort.

Am 16.10.2018 erstattete der Amtsarzt im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts ein Gutachten zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Der Exploration zufolge befand sich der Beschwerdeführer vor der Überstellung nach Österreich sieben Monate lang in der XXXX in Haft. Laut der Medikamentenverschreibung nimmt er XXXX wurde mangels Indikation ausgeschliffen. Dem Gutachten zufolge leidet der Beschwerdeführer an einer XXXX , die schrittweise unter fachärztlicher Kontrolle entwöhnt wird, psychische Erkrankungen liegen nicht vor, aus medizinischer Sicht besteht Haft- und Überstellungsfähigkeit.

Dem Beschwerdeführer und dem Bundesamt wurde Parteiengehör zum Gutachten eingeräumt, keine der Parteien gab eine Stellungnahme ab.

Das Bundesverwaltungsgericht erkannte der Beschwerde mit Beschluss vom 19.10.2018 gemäß § 22 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung nicht zu.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Beschwerdeführer kein reales Risiko einer Verletzung der gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen dargetan hatte und auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlagen. Der Beschwerde war daher die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Am 02.11.2018 teilte das Bundesamt mit, dass der Beschwerdeführer am 01.11.2018 auf dem Luftweg nach XXXX in die RUSSISCHE FÖDERATION überstellt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der XXXX -jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der RUSSISCHEN FÖDERATION und Angehöriger der Volksgruppe der Russen sowie der Russisch-Orthodoxen Kirche. Er spricht Russisch als Muttersprache sowie Litauisch, Französisch, Englisch und Polnisch. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX in der RUSSISCHEN FÖDERATION geboren. Es kann nicht festgestellt werden, wo der Beschwerdeführer zunächst aufwuchs. Er lebte eine Zeit in LITAUEN; es kann jedoch weder festgestellt werden, wann er nach LITAUEN reiste noch wie lange oder bei wem er dort lebte. Im Jahr 2004 reiste der Beschwerdeführer nach XXXX , wo er nicht ganz vier Jahre lebte und eine Handwerkerausbildung absolvierte. Im DEZEMBER 2007 wurde der Beschwerdeführer in XXXX , im MÄRZ 2011 in XXXX und im AUGUST 2011 in XXXX beamtshandelt. Es kann nicht festgestellt werden, wo sich der Beschwerdeführer zwischenzeitlich aufgehalten hat. Spätestens ab OKTOBER 2014 hielt sich der Beschwerdeführer in der XXXX auf, von wo er am 30.01.2015 mit dem Zug nach Österreich reiste.

1.1.2. Die Mutter bzw. Pflegemutter des Beschwerdeführers ist Ärztin und lebt in XXXX . Sie überwies dem Beschwerdeführer monatlich Geld. Der Beschwerdeführer kann Kontakt zu seiner Mutter herstellen.

1.1.3. Der Beschwerdeführer ist abgesehen von einer XXXX , von der er während der Haft unter fachärztlicher Kontrolle in Österreich entwöhnt wurde, gesund. Er nimmt ein Medikament aus der Substanzgruppe der Beruhigungsmittel. Es liegen keine psychischen Erkrankungen vor.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der Beschwerdeführer ist in der RUSSISCHEN FÖDERATION keiner Verfolgung ausgesetzt. Er machte keine Gefährdung von Art. 2, 3 EMRK in der Russischen Föderation geltend. Eine solche kann auch von Amtswegen nicht erkannt werden.

Im Falle der Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION droht ihm weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch staatliche Organe oder durch andere Personen.

1.2.2. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION weder von staatlicher Seite noch durch Privatpersonen Verfolgung wegen seiner Volksgruppen- und/oder Religionszugehörigkeit.

1.2.3. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION keine Verfolgung wegen seines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat:

Der Beschwerdeführer kann in die RUSSISCHE FÖDERATION zurückkehren. Er kann sich als XXXX -jähriger Mann, der - abgesehen von einer XXXX - gesund ist und russisch spricht sowie über eine Handwerkerausbildung verfügt, ein Leben in der RUSSISCHEN FÖDERATION aufbauen. Zudem kann er das Sozialsystem der RUSSISCHEN FÖDERATION in Anspruch nehmen und so seine grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse sichern, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren physischen oder psychischen akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen, die eine Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION iSd Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Die medizinische Versorgung in der RUSSISCHEN FÖDERATION ist gesichert.

1.4. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

1.4.1 Der Beschwerdeführer reiste am 30.01.2015 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 15.07.2015 gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 1. Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von XXXX Monaten verurteilt. Er befand sich von 18.06.2015 bis 16.06.2017 in Strafhaft und wurde danach in die Grundversorgung in der Betreuungsstelle XXXX aufgenommen.

Aufgrund des Bescheides des Bundesamtes vom 18.08.2016 besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung, der er nicht nachkam, sowie ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot. Am 06.06.2017 stellte der Beschwerdeführer in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, davor verfügte er über keinen Aufenthaltstitel und war unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Er begründete am 27.07.2017 eine Obdachlosenmeldeadresse in XXXX und wurde am 21.08.2017 in die Grundversorgung des Landes XXXX überstellt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 24.08.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von XXXX Monaten verurteilt.

Am 09.10.2017 wurde er wegen unbekannten Aufenthalts von der Grundversorgung abgemeldet; seither bezieht der Beschwerdeführer keine Grundversorgung mehr. Am 12.10.2017 begründete er erneut eine Obdachlosenmeldeadresse.

Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in die XXXX und wurde am 13.09.2018 nach Verbüßen einer XXXX -monatigen Freiheitsstrafe von der XXXX nach Österreich überstellt. Er befand sich von 13.09.2018 bis 01.11.2018 in Schubhaft. Am 01.11.2018 wurde er auf dem Luftweg nach XXXX in die RUSSISCHE FÖDERATION abgeschoben.

1.4.2. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse, er hat jedoch keine Deutschprüfung abgelegt. Er nahm keine Bildungsmaßnahmen im Bundesgebiet in Anspruch. Er ging in Österreich noch nie einer legalen Erwerbstätigkeit oder ehrenamtlichen Tätigkeiten nach. Er ist weder Mitglied in einem Verein, noch in einer sonstigen Organisation und hat keine Verwandten in Österreich.

Der Beschwerdeführer hat unter anderem freundschaftliche Kontakte zu Personen geknüpft, mit denen er strafrechtlich in Erscheinung trat. Der Beschwerdeführer hat keine Lebensgefährtin in Österreich.

1.4.3. Der Beschwerdeführer ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kam ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war nie geduldet. Er ist weder Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen noch Opfer von Gewalt.

1.5. Die allgemeine Lage in der Russischen Föderation stellt sich im Allgemeinen wie folgt dar:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner. Die Russische Föderation ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Am 12. Juni 1991 erklärte sie ihre staatliche Souveränität. Die Verfassung der Russischen Föderation wurde am 12. Dezember 1993 verabschiedet. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über sehr weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Amtsinhaber ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Putin. Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident. Dmitri Medwedjew, Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Seit der Wiederwahl von Staatspräsident Putin im Mai 2012 wird eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, ein föderales Gesetz gegen "Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen" erlassen, die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte weitgehend zunichtemachen. Der Druck auf Regimekritiker und Teilnehmer von Protestaktionen wächst, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen. Der Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat das Misstrauen zwischen Staatsmacht und außerparlamentarischer Opposition weiter verschärft. Mittlerweile wurden alle fünf Angeklagten im Mordfall Nemzow schuldig gesprochen. Alle fünf stammen aus Tschetschenien. Der Oppositionelle Ilja Jaschin hat das Urteil als "gerecht" bezeichnet, jedoch sei der Fall nicht aufgeklärt, solange Organisatoren und Auftraggeber frei sind. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hat verlautbart, dass die Suche nach den Auftraggebern weitergehen wird. Allerdings sind sich Staatsanwaltschaft und Nebenklage, die die Interessen der Nemzow-Familie vertreten, nicht einig, wen sie als potenziellen Hintermann weiter verfolgen. Die staatlichen Anklagevertreter sehen als Lenker der Tat Ruslan Muchutdinow, einen Offizier des Bataillons "Nord", der sich in die Vereinigten Arabischen Emirate abgesetzt haben soll. Nemzows Angehörige hingegen vermuten, dass die Spuren bis "zu den höchsten Amtsträgern in Tschetschenien und Russland" führen. Sie fordern die Befragung des Vizebataillonskommandeurs Ruslan Geremejew, der ein entfernter Verwandter von Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow ist (Standard 29.6.2017). Ein Moskauer Gericht hat den Todesschützen von Nemzow zu 20 Jahren Straflager verurteilt. Vier Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen 11 und 19 Jahren. Zudem belegte der Richter Juri Schitnikow die fünf Angeklagten aus dem russischen Nordkaukasus demnach mit Geldstrafen von jeweils 100.000 Rubel (knapp 1.500 Euro). Die Staatsanwaltschaft hatte für den Todesschützen lebenslange Haft beantragt, für die Mitangeklagten 17 bis 23 Jahre.

Russland ist formal eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten besteht. Die im Zuge der völkerrechtswidrigen Annexion erfolgte Eingliederung der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol als Föderationssubjekte Nr. 84 und 85 in den russischen Staatsverband ist international nicht anerkannt. Die Föderationssubjekte genießen unterschiedliche Autonomiegrade und werden unterschiedlich bezeichnet (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte). Die Föderationssubjekte verfügen jeweils über eine eigene Legislative und Exekutive. In der Praxis unterstehen die Regionen aber finanziell und politisch dem föderalen Zentrum.

Die siebte Parlamentswahl in Russland hat am 18. September 2016 stattgefunden. Gewählt wurden die 450 Abgeordneten der russischen Duma. Insgesamt waren 14 Parteien angetreten, unter ihnen die oppositionellen Parteien Jabloko und Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Die Wahlbeteiligung lag bei 47,8%. Die meisten Stimmen bei der Wahl, die auch auf der Halbinsel Krim abgehalten wurde, erhielt die von Ministerpräsident Dmitri Medwedew geführte Regierungspartei "Einiges Russland" mit gut 54%. Nach Angaben der Wahlkommission landete die Kommunistische Partei mit 13,5% auf Platz zwei, gefolgt von der nationalkonservativen LDPR mit 13,2%. Die nationalistische Partei "Gerechtes Russland" erhielt 6%. Diese vier Parteien waren auch bislang schon in der Duma vertreten und stimmten in allen wesentlichen Fragen mit der Mehrheit. Den außerparlamentarischen Oppositionsparteien gelang es nicht die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. In der Duma verschiebt sich die Macht zugunsten der Regierungspartei "Einiges Russland". Die Partei erreicht im Parlament mit 343 Sitzen deutlich die Zweidrittelmehrheit, die ihr nun Verfassungsänderungen ermöglicht. Die russischen Wahlbeobachter von der NGO Golos berichteten auch in diesem Jahr über viele Verstöße gegen das Wahlrecht. Das Verfahren am Wahltag selbst wurde offenbar korrekter durchgeführt als bei den Dumawahlen im Dezember 2011. Direkte Wahlfälschung wurde nur in Einzelfällen gemeldet, sieht man von Regionen wie Tatarstan oder Tschetschenien ab, in denen Wahlbetrug ohnehin erwartet wurde. Die Wahlbeteiligung von über 90% und die hohen Zustimmungsraten in diesen Regionen sind auch nicht geeignet, diesen Verdacht zu entkräften. Doch ist die korrekte Durchführung der Abstimmung nur ein Aspekt einer demokratischen Wahl. Ebenso relevant ist, dass alle Bewerber die gleichen Chancen bei der Zulassung zur Wahl und die gleichen Möglichkeiten haben, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der Einsatz der Administrationen hatte aber bereits im Vorfeld der Wahlen - bei der Bestellung der Wahlkommissionen, bei der Aufstellung und Registrierung der Kandidaten sowie in der Wahlkampagne - sichergestellt, dass sich kein unerwünschter Kandidat und keine missliebige Oppositionspartei durchsetzen konnte. Durch restriktives Vorgehen bei der Registrierung und durch Behinderung bei der Agitation wurden der nichtsystemischen Opposition von vornherein alle Chancen genommen. Dieses Vorgehen ist nicht neu, man hat derlei in Russland vielfach erprobt und zuletzt bei den Regionalwahlen 2014 und 2015 erfolgreich eingesetzt. Das Ergebnis der Dumawahl 2016 demonstriert also, dass die Zentrale in der Lage ist, politische Ziele mit Hilfe der regionalen und kommunalen Verwaltungen landesweit durchzusetzen. Insofern bestätigt das Wahlergebnis die Stabilität und Funktionsfähigkeit des Apparats und die Wirksamkeit der politischen Kontrolle. Dies ist eine der Voraussetzungen für die Erhaltung der politischen Stabilität.

Quellen:

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http://derstandard.at/2000060550142/Alle-Angeklagten-im-Mordfall-Nemzowschuldig-gesprochen, Zugriff 30.6.2017

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf. Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit. Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden. Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation.

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab. In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat. Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um ISKämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al- Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen.

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands.

Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein.

Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu. Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein. Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine.

Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern.

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.7.2017b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertigesamt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 21.7.2017

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FAZ (26.4.2017):"Erst der Anfang", http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/anschlag-in-st-petersburg-russland-steht-im-visier-von-terror-14989012.html, Zugriff 21.7.2017

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FP - Foreign Policy (4.5.2017): Putin has a new secret weapon in Syria: Chechens,

http://foreignpolicy.com/2017/05/04/putin-has-a-new-secret-weapon-in-syriachechens/, Zugriff 21.7.2017

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ICG - International Crisis Group (14.3.2016): The North Caucasus Insurgency and Syria: An Exported Jihad?http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1458642687_238-the-north-caucasus-insurgency-and-syria-an-exported-jihad.pdf,

S. 16-18, Zugriff 21.7.2017

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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Standard (25.4.2017): Al-Kaida reklamiert Anschlag auf U-Bahn in St. Petersburg für sich,

https://derstandard.at/2000056544365/Al-Kaida-reklamiert-Anschlag-auf-U-Bahn-in-St-Petersburg?ref=rec, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den "Islamischen Staat" (ISIS) in Russland und Nachbarländern, http://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Es gibt in der Russischen Föderation Gerichte bezüglich Verfassung, Zivil, Administrativ und Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet. Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten (lt. Amnesty International in 0,5% der Fälle) zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen. 2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte. Im Juli 2015 stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass wenn der EGMR von einer Konventionsauslegung ausgeht, die der Verfassung der Russischen Föderation widerspricht, Russland in dieser Situation aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Diese Position des Verfassungsgerichtshofs wurde im Dezember 2015 durch ein Föderales Gesetz unterstützt, welches dem VfGH das Recht einräumt, Urteile internationaler Menschenrechtsinstitutionen nicht umzusetzen, wenn diese nicht mit der russischen Verfassung im Einklang sind. Das Gesetz wurde bereits einmal im Fall der Verurteilung Russlands durch den EGMR in Bezug auf das Wahlrecht von Häftlingen angewendet (zugunsten der russischen Position) und ist auch für den YUKOS-Fall von Relevanz. Der russische Verfassungsgerichtshof zeigt sich allerdings weiterhin um Einklang zwischen internationalen gerichtlichen Entscheidungen und der russischen Verfassung bemüht.

Am 7. Juli 2016 wurden die unter dem Begriff Yarovaya-Paket zusammengefassten Änderungen der Gesetze zur Bekämpfung des Extremismus in Kraft gesetzt. Die geänderten Rechtsvorschriften waren zu weiten Teilen unvereinbar mit Russlands internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte. So wurden alle missionarischen Aktivitäten außerhalb eigens dazu bestimmter religiöser Institutionen verboten und Provider dazu verpflichtet, den gesamten Nachrichtenverkehr sechs Monate lang und alle Metadaten drei Jahre lang zu speichern. Zudem wurde die Höchststrafe für extremistische Delikte von vier auf acht Jahre und für Anstiftung zur Beteiligung an Massenunruhen von fünf auf zehn Jahre Haft angehoben. Am 16. November 2016 kündigte Präsident Putin an, dass Russland nicht länger beabsichtige, Vertragsstaat des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zu werden. Russland hatte das Statut im Jahr 2000 unterschrieben, jedoch nie ratifiziert.

Im November 2013 ist in Russland ein Gesetz verabschiedet worden, mit denen man die Bestrafung von

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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