TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/28 W256 2181416-2

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Veröffentlicht am 28.01.2020
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Entscheidungsdatum

28.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W256 2181419-2/4E

W256 2181415-2/6E

W256 2181416-2/5E

W256 2181417-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, 2. XXXX , geboren am XXXX , 3. XXXX , geboren am XXXX und 4. XXXX , geboren am XXXX , alle StA Yemen, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6. November 2019, 1. Zl. XXXX , 2. Zl. XXXX , 3. Zl. XXXX und 4. Zl. XXXX , zu Recht:

A) Den Beschwerden wird stattgegeben, und den Beschwerdeführern

gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass den Beschwerdeführern damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind Eltern der minderjährigen Dritt- bis Viertbeschwerdeführer.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer stellten am 11. August 2015 für sich und ihre minderjährige Tochter, die Drittbeschwerdeführerin jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Am 25. August 2016 stellte die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertretung für ihren am 1. Juli 2016 geborenen Sohn, den Viertbeschwerdeführer, einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer wurden am 28. November 2017 durch ein Organ der belangten Behörde jeweils befragt. Dabei führte die Erstbeschwerdeführerin u.a. aus, sie habe Somalia im Alter von 2 Jahren gemeinsam mit ihrer Familie verlassen. Seither habe sie im Jemen gelebt und habe sie dort auch den Zweitbeschwerdeführer kennengelernt und geheiratet. Ihre gesamte Familie lebe außerhalb von Somalia. In Somalia habe sie keine Verwandten.

Mit den Bescheiden vom 30. November 2017 wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten jeweils ab (Spruchpunkt I.), der Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde ihnen dagegen jeweils zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung jeweils erteilt (Spruchpunkt III).

Aufgrund der gegen Spruchpunkt I. erhobenen Beschwerden wurden diese Bescheide hinsichtlich Spruchpunkt I. mit den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 2019 aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung neuer Bescheide an die belangte Behörde zurückverwiesen.

Daraufhin wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer durch ein Organ der belangten Behörde neuerlich einvernommen.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde - soweit hier wesentlich - die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab. Begründend führte die belangte Behörde u.a. aus, es stehe fest, dass die Erstbeschwerdeführerin somalische und die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer jemenitische Staatsangehörige seien. Die Erstbeschwerdeführerin habe bereits als 2-jähriges Kind Somalia gemeinsam mit ihrer Familie verlassen und habe diese seither im Jemen gelebt. Eine asylrechtlich relevante Verfolgung der Beschwerdeführer sei im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden. Darin wird im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen, insbesondere aber u.a. auch auf den Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin Somalia als 2-jähriges Kind gemeinsam mit ihrer Familie verlassen habe und daher im Falle einer Rückkehr als alleinstehende Frau anzusehen sei. Dementsprechend werde auf die prekäre Situation für Frauen in Somalia und die insofern gegebene asylrelevante Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

zur Person

Die - im Spruch genannte - Erstbeschwerdeführerin besitzt die somalische Staatsangehörigkeit. Ihre Muttersprache ist Somalisch (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin Seite 19).

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Ehefrau des Zweitbeschwerdeführers und Mutter der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin Seite 19).

Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer sind jemenitische Staatsangehörige (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer).

Die Erstbeschwerdeführerin hat Somalia im Alter von zwei Jahren gemeinsam mit ihrer Familie verlassen und hat sie seither im Jemen gelebt. Dort hat sie auch den Zweitbeschwerdeführer geheiratet (angefochtener Bescheid Seite 6 und 20).

Die Erstbeschwerdeführerin gehört dem Stamm der Benadiri an (angefochtener Bescheid Seite 119).

Die Erstbeschwerdeführerin hat keine Schule besucht (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 5ff).

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterabfrage vom 17. Jänner 2020).

zur Lage in Somalia

Die aktuelle Verfassung betont in besonderer Weise die Rolle und die Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die Verantwortung des Staates in dieser Hinsicht. Tatsächlich ist deren Lage jedoch weiterhin besonders prekär (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 65).

Sexuelle Gewalt ist v.a. für weibliche IDPs eine Gefahr. Auch weibliche Angehörige von Minderheiten sind häufig unter den Opfern von Vergewaltigungen. Die Täter sind bewaffnete Männer, darunter auch Regierungssoldaten, Milizionäre, Polizisten und Mitglieder der al Shabaab (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 66).

Frauen und Mädchen bleiben den besonderen Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und der systematischen sexuellen Versklavung ausgesetzt. Wirksamer Schutz gegen solche Übergriffe, insbesondere in den Lagern der Binnenvertriebenen, ist mangels staatlicher Autorität bisher nicht gewährleistet (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 66ff).

IDPs sind andauernden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Schläge, Vergewaltigungen, Abzweigung von Nahrungsmittelhilfen, Bewegungseinschränkungen und Diskriminierungen aufgrund von Clan-Zugehörigkeiten sind an der Tagesordnung. Es kommt auch zu willkürlichen Tötungen, Vertreibungen und sexueller Gewalt. Vergewaltigungen in IDPs Lagern kommen häufig vor. Weibliche IDPs sind hinsichtlich einer Vergewaltigung und sexueller Gewalt besonders gefährdet (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 84).

Vergewaltigung ist zwar gesetzlich verboten, die Strafandrohung beträgt 5-15 Jahre, vor Militärgerichten auch den Tod (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 66).

Die Regierung tut jedoch wenig, um sich des Problems der sexuellen Gewalt anzunehmen. Es gibt de facto keinen Rechtsschutz gegen Vergewaltigung. Generell herrscht Straflosigkeit. Strafverfolgungen oder Verurteilungen wegen Vergewaltigung oder anderen Formen der sexuellen Gewalt sind rar. Dabei werden Vergewaltigungen ohnedies nur selten der formellen Justiz zugeführt, denn sexuelle Gewalt ist ein Tabu-Thema, weswegen viele Opfer darüber nicht sprechen. Außerdem leiden Vergewaltigungsopfer an Stigmatisierung. Opfer, die sich an Behörden wenden, werden oft angefeindet, in manchen Fällen sogar getötet. Manchmal verlangt die Polizei von den Opfern, die Untersuchungen selbst zu tätigen (Suche nach Zeugen, Lokalisierung von Schuldigen) (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 66).

zur Lage der Minderheiten in Somalia

Benadiri ist ein Dachbegriff für verschiedene voneinander unabhängige urbane Minderheiten, die in den Küstenstädten des Südens leben (z.B. Mogadischu) (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 60).

In Mogadischu sind Angehörige von Minderheiten nicht systematischer Gewalt ausgesetzt. Allerdings sind sie gegenüber Kriminalität vulnerabler (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 60.

zur Versorgungslage

Die humanitäre Krise in Somalia bleibt eine der komplexesten und am längsten andauernden weltweit. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Teilen des Landes nicht gewährleistet. Periodisch wiederkehrende Dürreperioden und Hungerkrisen und die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia zum Land mit dem fünftgrößten Bedarf an internationales Nothilfe weltweit ((angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 95).

Die ländliche Bevölkerung und IDPs befinden sich in der am meisten vulnerablen Position (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 95).

Der Wirtschaft ist es nicht gelungen, ausreichend Beschäftigung zu schaffen - vor allem für Junge und Frauen. In einer von Jahrzehnten des Konflikts zerrütteten Gesellschaft hängen die Möglichkeiten des Einzelnen generell sehr stark von seinem eigenen und familiären Hintergrund ab (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 87).

Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind limitiert. Eine Arbeit zu finden, ist mitunter schwierig, verfügbare Jobs werden vor allem durch Clansysteme vergeben (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 87).

Das eigentliche soziale Sicherungsnetz für Personen, deren Unterhalt und Überleben in Gefahr ist, bilden Clan, erweiterte Familie und Remissen aus dem Ausland. Generell stellt in persönlichen Krisenzeiten die Hilfe durch Freunde oder Verwandte, die am meiste effiziente Bewältigungsstrategie dar. Die hohe Anzahl an IDPs zeigt aber, dass manche Clans nicht in der Lage sind, der Armut ihrer Mitglieder entsprechend zu begegnen (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 103).

Der Immobilienmarkt in Mogadischu boomt, die Preise sind gestiegen. Die Zurverfügungstellung von Unterkunft und Arbeit ist bei der Rückkehrunterstützung nicht inbegriffen und wird von den Rückkehrern selbst in die Hand genommen. Prinzipiell gestaltet sich die Rückkehr für Frauen schwieriger als für Männer. Eine Rückkehrerin ist auf die Unterstützung eines Netzwerkes angewiesen, das in der Regel enge Familienangehörige - geführt von einem männlichen Verwandten - umfasst. Für alleinstehende Frauen ist es mitunter schwierig, eine Unterkunft zu mieten oder zu kaufen (angefochtener Bescheid in Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin, Seite 106).

2. Beweiswürdigung:

Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen und im Übrigen in der Beschwerde unbestrittenen Feststellungen.

Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergeben sich im Übrigen auch aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt A.

Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2019/53 (im Folgenden: AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1955/55 idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78 (im Folgenden: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl L 2011/337, 9 [im Folgenden: Statusrichtlinie] verweist).

Flüchtling iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 1974/78) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Unter "Verfolgung" im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl bspw VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074 uva).

§ 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 der Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl 1958/210 idF BGBl III 2018/139 (im Folgenden: EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083 uva).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung nämlich nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu zuletzt VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089 uvm).

Im Hinblick auf die derzeit vorliegenden herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen zur aktuellen Lage von Frauen in Somalia haben sich zwar keine ausreichenden Anhaltspunkte dahingehend ergeben, dass alle somalischen Frauen gleichermaßen bloß auf Grund ihres gemeinsamen Merkmals der Geschlechtszugehörigkeit und ohne Hinzutreten weiterer konkreter und individueller Eigenschaften im Fall ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufen, im gesamten Staatsgebiet Somalias einer systematischen asylrelevanten (Gruppen-)Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die Intensität von solchen Einschränkungen und Diskriminierungen kann jedoch bei Hinzutreten weiterer maßgeblicher individueller Umstände, insbesondere der Zugehörigkeit zu einem niederen Clan oder bei Fehlen eines sozialen oder familiären Netzwerkes, jedoch Asylrelevanz erreichen.

Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, handelt es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Minderheitsangehörige, welche über keine Schulbildung und überdies auch über keine familiären oder sonstigen Anknüpfungspunkte in Somalia verfügt. Erschwerend kommt im Fall der Beschwerdeführerin zusätzlich hinzu, dass sie seit ihrem zweiten Lebensjahr außerhalb Somalias gelebt und damit mit der dortigen Kultur und Tradition auch kaum vertraut ist.

Entsprechend den Länderberichten besteht daher für die Beschwerdeführerin ein ernstzunehmendes Risiko, sich im Falle einer Rückkehr in einem IDP Lager wiederzufinden und damit Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt von zweifellos asylrelevanter Intensität zu werden.

Von einer Schutzfähigkeit und - willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden kann nach der aktuellen Berichtslage nicht ausgegangen werden.

Auch kann angesichts der fehlenden Schutzgewährung durch die staatlichen Behörden nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführerin ein Ausweichen in einen anderen Landesteil Somalias möglich wäre, zumal sie im gesamten Staatsgebiet Somalias im Wesentlichen der gleichen - oben beschriebenen - Situation ausgesetzt wäre.

Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war der Erstbeschwerdeführerin daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 aus diesem Grund der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ist auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer sind im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 Familienangehörige der Erstbeschwerdeführerin.

Da der Erstbeschwerdeführerin - wie oben dargelegt - der Status einer Asylberechtigten zu gewähren war, war dieser Status gemäß § 34 AsylG 2005 auch diesen Beschwerdeführern, bei denen keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt, zuzuerkennen.

Eine Auseinandersetzung mit den eigenen Fluchtgründen der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer (siehe dazu VwGH, 20.4.2018, Ra 2017/01/0418), aber auch mit dem sonstigen zum subsidiären Schutz erstatteten Beschwerdevorbringen (siehe dazu insbesondere § 8 Abs. 7 AsylG) war bei diesem Ergebnis nicht erforderlich.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass den Beschwerdeführern damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche maßgebliche Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz jedenfalls vor dem 15. November 2015 gestellt wurde (siehe dazu auch § 34 Abs. 4 AsylG 2005, wonach Familienangehörige unter den Voraussetzungen des Abs. 2 und 3 den gleichen Schutzumfang erhalten); die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 finden daher gemäß § 75 Abs. 24 leg.cit. im vorliegenden Fall keine Anwendung.

zur mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde unstrittig und damit geklärt ist. Das Bundesverwaltungsgericht ist von Tatsachen ausgegangen, die bereits im Bescheid auf unbedenkliche Weise festgestellt, und von den Beschwerdeführern bestätigt bzw. nicht bestritten worden sind. Allein diese Tatsachen hat das Bundesverwaltungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Mai 2014, 2014/20/0017 und -0018).

Dem Bundesverwaltungsgericht lag sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit den Beschwerdeführern mündlich zu erörtern gewesen wäre, zumal ohnedies im Sinne der Beschwerdeführer entschieden wurde.

zu Spruchpunkt B.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die oben angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; diese ist auch nicht uneinheitlich.

Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W256.2181416.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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