TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/28 W226 2181707-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2020
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Entscheidungsdatum

28.01.2020

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W226 2175278-2/25E

W226 2181707-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (BF1), geb. XXXX und 2.) XXXX (BF2), geb. XXXX , beide StA. Moldawien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2017 (BF1) bzw. 30.10.2017 (BF2), Zlen. 1.) 1149248808-170466201 und 2.) 1169889701-171113170, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird 1.) XXXX und 2.) XXXX jeweils der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Moldawien zuerkannt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird 1.) XXXX und 2.) XXXX jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

III. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. der angefochtenen Bescheide stattgegeben und diese werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1), eine moldawische Staatsbürgerin, stellte am 18.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des BFA vom 25.08.2017 wurden der Antrag der BF1 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Moldawien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG wurde die Rückkehrentscheidung vorübergehend als unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

3. Am XXXX wurde der Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2) im österreichischen Bundesgebiet geboren und für diesen am 29.09.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

4. Am 19.10.2017 brachte die BF1 beim BFA einen "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Beschwerde" ein. Es wurde ausgeführt, dass der Bescheid der BF1 am 31.08.2017 zugestellt worden sei, zu diesem Zeitpunkt sei sie schon hochschwanger gewesen. Am 05.09.2017 sie die BF1 wegen Vorwehen ins Krankenhaus gekommen, am XXXX sei der BF2 geboren worden (Frühgeburt). Weiters wurde auf zahlreiche gesundheitliche Probleme der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hingewiesen und ausgeführt, dass diese weiterhin eine intensive medizinische und pflegerische Versorgung benötigen würden. Der Mann der BF1 könne sie aufgrund wirtschaftlicher Probleme nicht unterstützen. Eine medizinische Versorgung eines Kleinkindes mit intensiven Pflegebedarf sei in Moldawien nicht gesichert. Es würde ihnen auch keine Krankenversicherung zur Verfügung stehen und seien auch mit Versicherung oftmals weitere Zahlungen notwendig, um die nötige Behandlung zu erhalten. Die BF1 habe auch nur alle paar Monate Kontakt zu ihrem Halbbruder und führe dessen schlechte wirtschaftliche Lage dazu, dass er die BF1 nicht unterstützen könne. Dem BF2 sei es nicht zumutbar nach Moldawien zu reisen, er habe einen erhöhten Pflegebedarf und sei eine medizinische Behandlung in Moldawien fraglich.

Es wurde ein Befund einer Klink (Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin, datiert mit 11.10.2017) beigelegt, worauf die Diagnosen: "Frühgeburt nach 32 + 5/7SSW; schwere perinatale Asphyxie; Krampfanfälle nach perinataler Asphyxie" erstellt wurden. Weiters wurde darin ausgeführt, dass der BF2 seit der Geburt in der Abteilung betreut werde und aufgrund der Diagnosen eine intensive medizinische und pflegerische Versorgung brauche. Eine klare Verlaufsprognose sei derzeit noch nicht möglich. Der Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus sei ebenso ungewiss. Es sei jedoch davon auszugehen, dass der BF2 auch noch darüber hinaus einen erhöhten medizinischen und pflegerischen Betreuungsbedarf haben werde.

5. Mit Bescheid des BFA vom 30.10.2017 wurden der Antrag des BF2 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Moldawien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG wurde die Rückkehrentscheidung vorübergehend als unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

6. Mit Bescheid des BFA vom 20.11.2017 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 18.10.2017 gemäß § 71 Abs. 1 AVG stattgegeben.

7. Am 24.11.2017 wurde für den BF2 eine vollumfängliche Beschwerde eingebracht. Es wurde im Wesentlichen auf die gesundheitlichen Probleme hingewiesen und ausgeführt, dass eine medizinische Versorgung eines Kleinkindes mit intensivem Pflegebedarf in Moldawien nicht gesichert sei. Diese könne aber in Österreich gesichert werden.

8. Am 04.10.2018 führte das erkennende Gericht eine Beschwerdeverhandlung durch, wo die BF1 ua. ergänzend zu ihrem eigenen und dem Gesundheitszustand des BF2 und zu ihrem Leben in Moldawien befragt wurde. Zudem wurde mit der BF1 das aktuelle LIB der Staatendokumentation zur Moldawien erörtert.

Im Zuge der Verhandlung wurden für den BF2 folgende medizinische Unterlagen vorgelegt:

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Ambulanzkarte (Klinische Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde), wonach am 16.01.2018 der ambulante Behandlungsbeginn war und am 16.01.2018 die Diagnose "FG 32 + 5 SSW;

schwere perinatale Asphyxie: Krampfanfälle;

Schluckkoordinationsstörung" erstellt wurde.

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen, datiert mit 19.07.2018, als Diagnose ist: "Stp. Schwere perinat. Asphyxie, ausgepr. Gedeihstörung b. Laryngomalazie, Stp. FG 32+5 SSW, Zn. Krampfanfällen, Floppy Larynx, milde Anämie" festgehalten.

Verordnung: mobile Krankenschwester erbeten.

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Orthoptischer Befund, datiert mit 07.08.2018, wonach die Diagnose "Strabismus divergens alternans; Cataracta congenita, Verdacht auf rechtes Auge; Hypermetropie beidseitig" erstellt wurde.

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Entlassungsbrief Pflege (Situationsbericht), datiert mit 12.08.2018, wonach der BF2 in der Abteilung für Kinder- und Jugendchirurgie von 11.08.2018 bis 20.08.2018 betreut wurde.

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Ärztlicher Kurzbrief eines Ambulatoriums (Zentrum für Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie) vom 28.08.2018, Diagnose: "Zustand nach Frühgeburt (32. + 5. SSW), cerebrale Bewegungsstörung (ICP), Ausgeprägte Gedeihstörung, Laryngomalazie mit Stridor, Zustand nach PEG-Sonde-Implantation am 02.07.2018".

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Vorläufiger Patientenbrief, datiert mit 20.08.2018, wonach der BF2 vom 11.08.2018 bis 20.08.2018 in der Abteilung für Kinder- und Jugendchirurgie stationär in Behandlung war. Diagnosen bei Entlassung: "Erbrechen, Vd GÖ Reflux, Muskuläre Hypertonie mit Strecktendenz, ausgeprägter Gedeihstörung, Laryngomalazie (Floppy Larynx), Stridor, St.p. Oberlappenpneumonie li, St.p. schwerer perinatale Asphyxie, St.p. FG 32 + 5 SSW, Z.n. Krampfanfällen, Milde Anämie, Interaktionsproblematik, PEG-Sonden Implantation am 02.07.2018, Diagnostische Bronchoskopie am 13.06.2018". Empfohlene Medikation: Oleovit D3 TR, Aktiferrin TR, Antiflat TR, Tgl. PEG Pflege, dringend Physiotherapie empfohlen.

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Ärztlicher Entlassungsbrief (Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde), datiert mit 19.09.2018, Diagnosen bei Entlassung:

"St.p. schwere perinatale Asphyxie (pH 6.6, Apgar 0/4/4); spast. Tetraparese; Entwicklungsverzögerung; ausgeprägte Gedheistörung bei Laryngomalazie; PEG-Sonde bei Schluckstörung mit Aspirationsgefahr (Juli 2018); Delayed visual maturation; St.p. FG 32+5 SSW, Geb.gewicht 1890g; Eisenmangelanämie" erstellt. Durchgeführte

Maßnahmen: 3. Synflorix und 3. 6fach Impfung am 14.9.18. Letzte

Medikation: Aktiferrin 2x8gtt, Oleovit D3 1x5gtt, Antiflat. mehrmals tgl. 8gtt. Empfohlene Medikation: Aktiferiin 2x8gtt, Oleovit D3 1x5gtt, Antiflat. mehrmals tgl. 8gtt, Ernährung: Nutrini Energy 6x 75ml (max. 85ml).

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Aufenthaltsbestätigung der BF1 und des BF2 am 19.09.2018 in einem Landesklinikum.

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen, datiert mit 20.09.2018, als Diagnose ist: "Schluckstörung, PEG Sonde, schwere peripartale Asphyxie" festgehalten. Verordnung: 10x Logopädische Betreuung.

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen für den BF2, datiert mit 20.09.2018, als Diagnose ist: "Entwicklungsverzögerung, perip.

Asphyxie motor. Verzögerung, Hyperthonus" festgehalten. Verordnung:

10x Physiotherapie erbeten.

9. Am 07.11.2018 wurde eine Stellungnahme eingebracht. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich aus den vorgelegten Befunden ergebe, dass der BF2 eine intensive medizinische Behandlung und eine kontinuierliche ärztliche Betreuung benötige. Er müsse regelmäßig ins Krankenhaus und werde dauerhaft durch eine Sonde ernährt. Aus den Berichten sei nicht ersichtlich, ob die notwendige medizinische Versorgung in Moldawien vorhanden und für die BF konkret, auch im Hinblick auf die mangelnde Erhaltungsfähigkeit der BF, verfügbar und erreichbar sei. Beim BF2 handelt es sich um eine Person mit besonderen Bedürfnissen, sodass bei einem inadäquaten Transport und einer auch nur kurzen Unterbrechung der Behandlung sowie fehlender Unterstützung im Alltag mit ernsten, schnellen und irreversiblen Schäden bezüglich seines Gesundheitszustandes zu rechnen sei bzw. sei bei einer Abschiebung nach Moldawien eine Zusicherung einzuholen, dass die notwendigen Behandlungen und Medikamente konkret für den BF2 zur Verfügung stehen und tatsächlich erreichbar seien. Eine Abschiebung nach Moldawien würde eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Darüber hinaus würden die intensiven Fürsorgepflichten und der in Moldawien der BF1 gegenüber vorherrschende Rassismus die Chancen auf eine eigene Existenzsicherung im gesamten Staatsgebiet verringern. Die BF würden auch nicht auf ein soziales Netzwerk zurückgreifen können. Mangels sozialer Anknüpfungspunkte und Ortskenntnis würden auch andere Städte in Moldawien keine zumutbare interne Fluchtalternative darstellen. Die BF hätten keinen Zugang zu grundlegender Versorgung wie Wohnraum, Erwerbsmöglichkeiten oder medizinischer Versorgung. Es wäre ihnen daher subsidiärer Schutz zu gewähren.

Mit der Stellungnahme wurden folgende Dokumente vorgelegt:

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Sozialbericht, datiert mit 29.09.2018, wonach die BF1 mit dem BF2 in das Haus der Frauen gekommen sei und aufgrund ihrer bisherigen Erlebnisse psychisch und physisch belastet sei. Der BF2 habe folgende Diagnosen: St.p. schwere perinatale Asphyxie (ph 6.6, Apgar 0/4/4); spastische Tetraparese; Entwicklungsverzögerung; ausgeprägte Gedeihstörung bei Laryngomalzie; PEG-Sonde bei Schluckstörung mit Aspirationsgefahr (seit Juli 2018); Delayed visual maturation; St.p. FG 32+ 5 SSW, Geb.-Gewicht 1890g; Z.n. Krampfanfälle; Eisenmangelanämie. Die BF1 nehme alle Termine und Aufgaben selbstständig wahr.

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Aufenthaltsbestätigung (Abteilung Kinder- und Jugendheilkunde), datiert mit 05.10.2018, wonach der BF2 von 01.10.2018 bis 04.10.2018 in stationärer Pflege gewesen ist. Die Diagnosen lauten:

"Hochfieberhafter viraler Infekt; Z.n. Frühgeburtlichkeit SSW 32+5;

Z.n. schwerer peripartaler Asphyxie (pH 6.6, APGAR 0/4/4);

Spastische ICP; ausgeprägte Gedeihstörung; Entwicklungsverzögerung;

Laryngomalazie; Z.n. Krampfanfälle (Z.n. Levetiracetam-Therapie);

Eisenmangelanämie".

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen für den BF2, datiert mit 06.11.2018, Diagnose: "Entwicklungsverzögerung, perip. Asphyxie; motor. Verzögerung; Hypertonus. Verordnung: 10x Physiotherapie erbeten.

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Verordnung (eines FA für Kinderheilkunde) für Heilbehelfe, Hilfsmittel und ambulante Heilbehandlungen für den BF2, datiert mit 06.11.2018, Diagnose: "Schluckstörung, PEG-Sonde, schwere peripartale Asphyxie". Verordnung: 10x Logopädische Betreuung.

10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.03.2019, Zlen.: W226 2175278-2/15E und W226 2181707-1/13E wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 50 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF1 und des BF2 nach Moldawien unzulässig ist.

Da es sich beim Vorbringen der BF1 um kein asylrelevantes Vorbringen gehandelt habe, sei den BF der Status der Asylberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen.

Hinsichtlich der Gewährung von subsidiärem Schutz habe es der bisherigen Rechtsprechung entsprochen, dass nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu prüfen sei, ob dem Antragsteller bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohe. Der Verwaltungsgerichtshof habe aber nunmehr in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, auf die Rechtsprechung des EuGH verwiesen, wonach die Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Sinn des Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie zwingend voraussetze, dass ein ernsthafter Schaden durch das Verhalten eines Dritten (eines Akteurs) drohe. Daran anknüpfend sei zur vorliegenden Rechtssache festzuhalten, dass nach der Judikatur des EuGH von Gerichten die volle Wirksamkeit des Unionsrechtes zu gewährleisten sei. Die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten sei daher nach den Kriterien der Statusrichtlinie zu prüfen. Bei der Rückkehr der BF nach Moldawien bestehe für diese im Sinne des Art. 15 der Statusrichtlinie keine ernsthafte reale Gefahr durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts bzw. durch konkrete Handlungen dritter Personen. Eine Bedrohung, die durch allgemeine Unzulänglichkeiten im Herkunftsstaat - wie im vorliegenden Fall insbesondere durch die Unzulänglichkeit des moldawischen Gesundheitssystems, der Minderung der Erwerbsfähigkeit der BF1 und der intensiven Pflegebedürftigkeit des BF2 und der damit einhergehenden finanziellen Beschränkung - verursacht werde, könne die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht rechtfertigen. Die Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

11. Von Seiten der BF wurde eine - sich gegen alle Spruchpunkte des Erkenntnisses richtende - außerordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 6 Z 1 B-VG erhoben.

12. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.09.2019, Ra 2019/19/0399 bis 0400-8 wurde die Revision in Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten zurückgewiesen. Hinsichtlich der restlichen Spruchpunkte wurde das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof verwies auf sein Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 und hielt an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann.

13. Im fortgesetzten Verfahren wurde den BF vom erkennenden Gericht mit Verfahrensanordnung vom 28.11.2019 aufgetragen, aktuelle Befunde betreffend den BF2 vorzulegen.

14. Am 27.12.2019 wurden für die BF folgende Unterlagen vorgelegt:

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Patientenbrief vom 09.10.2019 eines Krankenhauses (Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde), wonach die BF1 (und der BF2) dort von 07.09.2019 bis 07.10.2019 stationär (wegen rezidivierenden Fieberschüben unklarer Genese, und Fütterungsstörung des BF2) aufgenommen worden seien. Die Diagnosen der BF1 bei Entlassung lauten; "E39.0 Harnwegsinfekt (E-coli), F32.0 Depressio, N39.42 Dranginkontinenz, F06.7 V.a. Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit." Als Medikation wurden Inkontan FTBL 30mg, Cipralex FTBL 10mg, Parkemed FTBL 500mg und Selexid FTBL angeordnet. Als weiterer empfohlene Maßnahmen wurden engmaschige medizinische Unterstützung in Bezug auf die Vorsorge des Kindes, Unterstützung zur Gestaltung und Aufrechterhaltung einer geordneten Tagesstruktur, eine weitere neurologische und psychiatrische Abklärung im niedergelassenen Bereich und eine Weiterführung der Psychotherapie angeordnet;

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Patientenbrief vom 09.10.2019 eines Krankenhauses (Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde), wonach der BF2 (und die BF1) dort vom 10.09.2019 bis 09.10.2019 aufhältig gewesen seien. Die Diagnosen des BF2 bei Entlassung lauten: "R50.80 Fieber unbekannter Ursache- V.a. Temperaturregulationsstörung bei schwerer CP, K21.9 Gastroösophagealer Reflux bzw. V.a. GÖRD, Cerebralparese-Tetraparese, Laryngomalazie, Epilepsie, F98.2 Abklärung Fütter/Interaktionsstörung, PEG-Sondenernährung, R62.8 Gedeihstörung, J00 Rhino-Virus Infektion." Beim BF2 wurden im Zuge des Aufenthaltes zahlreiche Untersuchungen durchgeführt. Als empfohlene Medikation wurde Levebon LSG 100mg/ml, Slutanol Doaer Fckw-frei, Nexium MSR GRA 10mg, Zofran Zydis TBL 4mg, Viburcal Supp, Antiflat TR, Mexalen Supp 125mg, Parkemed Supp 125mg, Nureflex Kind Supp 60mg. Als weiterer empfohlene Maßnahmen wurden ua. eine unterstützende medizinische Betreuung im häuslichen Umfeld, neuropädiatrische Entwicklungskontrollen, Gastroskopie mit Wechsel von PEG-Sonde angeordnet;

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Entlassungsbrief Pflege (Situationsbericht) vom 09.10.2019 betreffend den Aufenthalt des BF2 vom 10.09.2019 bis 09.10.2019;

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Konsiliarbefund eines Krankenhauses mit neurologischem Zentrum vom 03.10.2019 (Zuweisung von 2. Psych. Abt.-Diagnostik) für die BF1, wonach bei ihr zahlreiche Untersuchungen durchgeführt wurden. Als Gesamtbild wurde festgehalten, dass sich die BF1 merklich psychisch belastet zeige und seien erhebliche Defizite vor allem im Bereich der Aufmerksamkeitsleistung bei gleichzeitiger Verlangsamung gegeben;

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Ambulanzbefund einer Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, wonach die BF1 mit dem BF2 am 15.10.2019 ambulant vorstellig gewesen sei (der BF2 sei von 13.08.2019 bis 07.10.2019 in einem Spital wegen fehlender Gewichtszunahme gewesen), als Diagnose wurde "GÖRD, CP, PEG-Sonde 2018.Juli, Gedheistörung, Epilepsie, Entwicklungsverzögerung, Stridor bei Laryngomalazie" festgehalten, als medikamentöse Therapieempfehlung Mexalen, Parkemed, bei Bedarf Sultanol DA 3x2Hub, Nexium Gra 10mg, Viburcol Supp bei Bedarf, Levebon 100mg/ml, Lyrica 25mg angeordnet. Hinsichtlich der weiteren Vorgehensweise wurde ein EEG, Levatirazetam-Spiegel, ein Blutbild, eine Entwicklungskontrolle angeordnet;

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Ambulanzbefunde einer Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, wonach die BF1 mit dem BF2 am 22.11.2019 und am 05.12.2019 ambulant vorstellig gewesen sei. Es wurde jeweils die Diagnose "Spastische tetraparese PEG Sonde, Dystrophie" erstellt und als medikamentöse Therapieempfehlung Levebon 1,5ml 2xtgl. angeordnet. Als weitere Vorgehensweise wurden Kontrollen, Physiotherapie, Gewichtskontrollen, Vit-D Ca, Aufnahmeblock. Ferritin angeordnet;

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E-Mail des behandelnden Arztes des BF2 vom 24.12.2019, wonach dieser seit seiner Geburt im Jahr 2017 in Betreuung sei und er regelmäßige Betreuung in der neuropädiatrischen Palliativambulanz benötige. Zusätzlich seien ambulante Physiotherapie und logopädische Therapien notwendig. Wegen mangelnder Gewichtszunahme und häufig respiratorischen Infekten sei mehrmals jährlich ein stationärer Aufenthalt notwendig. Der BF2 benötige für die weitere Entwicklung orthopädische Betreuung und Hilfsmittel um seine Grundbedürfnisse zu verwirklichen. Der BF2 brauche unverändert fachärztliche Behandlungen, spezielle Heilbehelfe, ambulante Heilbehandlungen und sonstige Betreuung. Als Diagnose wurde "Motorische Entwicklungsverzögerung, spastische Hypertonus, Cerebralparese, schwere Entwicklungsverzögerung, st.p. Asphyxie, st.p. FG 32 SSW, Gedeihstörung, Schluckstörung, PEG Sonde 2019, Funduplikation 2019, symptomatische Epilepsie, Stridor bei Laryngomalazie" festgehalten.

Weiters wurde ein Situationsbericht eines Frauenhauses vorgelegt, worin ausgeführt wurde, dass die BF seit Dezember 2018 in dem Frauenhaus leben würden. Die BF1 versorge den BF2 (über die Sonde) teilweise selbstständig, bei gewissen Angelegenheiten (Terminkoordination) brauche sie Unterstützung. Der BF2 erbreche aufgrund seiner Krankheit des Öfteren, habe eine Zeit lang fieberhafte Infekte und besorgniserregende Symptome gehabt, wodurch er oft mit der Rettung ins Krankenhaus fahren habe müssen. Die BF1 fahre mit dem BF2 etwa 1-2x/Monat in eine Kinderambulanz um Kontrolltermine wahrzunehmen. Diverse Therapien (etwa Frühförderung) seien organisiert worden, der BF1 habe auch eine orthopädische Sitzschale erhalten. Eine Seh-Frühförderung sei wegen des fehlenden Asylbescheides abgelehnt worden. Eine mobile Krankenpflege sei für zwei Besuche bewilligt worden, die behandelnden Ärzte würden jedoch eine konstante medizinische Unterstützung empfehlen. Eine OP des BF2 (geplant Anfang November 2019) sei nicht durchgeführt worden, da sie einen zu großen Eingriff für seinen Zustand dargestellt habe. Weiters sei für den BF2 eine REHA für 28 Tage bewilligt worden. Die BF1 müsse dem BF2 alle vier Stunden die Nahrung durch die Sonde verabreichen. Sie führe die Übungen der Therapiestunden regelmäßig mit dem BF2 durch. Die BF1 sei seit kurzem in einer Psychotherapie und werde seit ihrer Ankunft auch von einer Psychotherapeutin im Haus betreut. Bei ihr seien F32.0 (Depression), F06.7 (Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit) diagnostiziert worden. Es seien bei ihr Sorgen, Stimmungsschwankungen, Energielosigkeit und ein Aufmerksamkeitsdefizit gegeben. Die BF1 bemühe sich dennoch um eine positive Lebenseinstellung und kümmere sich nach ihren Ressourcen um ihren Sohn. Auch sei die BF1 wegen ihrer damaligen Meningitis-Erkrankung und nach wie vor bestehenden Gleichgewichts- und Gedächtnisproblemen in neurologischer Behandlung.

In dem Schreiben der Rechtsberatung wurde ausgeführt, dass sich aus den vorgelegten Befunden weiterhin ein erhöhter Pflegedarf des BF2 ergebe. Zudem seien regelmäßige Kontrollen und oftmals eine stationäre Aufnahme im Krankenhaus notwendig. Eine Besserung des gesundheitlichen Zustandes des BF2 sei sohin nicht ersichtlich. Die Verfügbar- und Erreichbarkeit der für den BF2 notwendigen Behandlungen in Moldawien sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit gewährleistet und würde eine Rückkehr nach Moldawien zu ernsten, schnellen und irreversiblen Schäden des Gesundheitszustandes führen. Es sei den BF - nach den Ausführungen im Erkenntnis des VwGH - daher subsidiärer Schutz zu gewähren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den beiden BF:

Die Identität der BF steht fest. Sie sind Staatsangehörige von Moldawien.

Die BF1 ist Christin (protestantische Kirche), ihre Volksgruppenzugehörigkeit kann nicht festgestellt werden. Die Muttersprache der BF1 ist Russisch, sie spricht auch Rumänisch, Englisch und Deutsch.

Die BF1 ist in XXXX geboren und hat etwa bis zu ihrem 14. Lebensjahr bei ihrer Mutter gelebt. Aufgrund der Alkoholabhängigkeit der Mutter hat sie danach in einem Internat für Waisenkinder, in einer Lehranstalt für Näherinnen, in einem Heim für Jugendliche und bei Privatpersonen gelebt bzw. wurde sie von verschiedenen gemeinnützigen Organisation und Privatpersonen unterstützt. Sie hat 12 Jahre lang die Grundschule und zwei Jahre lang eine Universität (Studienrichtung: Englisch und Deutsch mit pädagogischem Schwerpunkt) in Moldawien besucht. Die Universität hat sie jedoch nicht abgeschlossen. Die BF1 war in Moldawien als private Dolmetscherin tätig, hat etwa sechs Monate in der XXXX als Security-Mitarbeiterin gearbeitet, hat Kindern Privatunterricht in Englisch gegeben und hat zudem als Babysitterin gearbeitet.

Im Jahr 2013 wurde die BF1 aufgrund einer Meningitis (Hirnhautentzündung) bzw. einer Wasseransammlung im Gehirn im Spital in Chisinau operiert und hat danach eine Art Physiotherapie zur Rehabilitation gemacht.

Die BF1 verließ ihren Herkunftsstaat im Jahr 2016 legal mit dem Ziel, in Deutschland als Au Pair Mädchen zu arbeiten. Nach etwa einem Monat Aufenthalt in Deutschland reiste sie weiter nach Holland, um dort eine Stelle als Au Pair Mädchen zu bekommen. In Holland stellte die BF1 dann einen Asylantrag und lernte einen libanesischen Asylwerber kennen, mit welchem sie in weiterer Folge in den Libanon ging und ihn dort heiratete. Den Asylantrag in Holland zog sie zurück. Nach etwa zweimonatigem Aufenthalt im Libanon reiste die BF1 alleine in ihren Herkunftsstaat Moldawien zurück, wo sie etwa 10 Tage lang aufhältig gewesen ist, bevor sie ihren Herkunftsstaat neuerlich verließ, über Rumänien und Ungarn nach Österreich reiste und hier schließlich am 18.04.2017 einen Asylantrag stellte.

Der Ehemann der BF1 hält sich laut ihrer letzten Information nach wie vor im Libanon auf. Drei Halbbrüder der BF1 sind bei einer Pflegefamilie aufgewachsen und leben in Moldawien. Zu diesen besteht nur selten Kontakt. Ihren Vater hat die BF1 nie richtig kennengelernt, sie weiß auch nicht, wo dieser aufhältig ist. Zu ihrer Mutter hat die BF1 seit ihrem 14. Lebensjahr keinen Kontakt mehr.

Der BF2 wurde im österreichischen Bundesgebiet geboren und wurde für diesen am 29.09.2017 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der BF2 wurde in Österreich getauft (römisch-katholisch), seine Volksgruppenzugehörigkeit kann nicht festgestellt werden.

Die BF leben seit Dezember 2018 in einem Frauenhaus und bekommen dort Unterstützung.

In Österreich war die BF1 am 03.10.2019 in einem neurologischen Zentrum vorstellig und wurden bei ihr zahlreiche Untersuchungen durchgeführt. Als Gesamtbild wurde festgehalten, dass sich die BF1 psychisch belastet zeige und erhebliche Defizite (vor allem im Bereich der Aufmerksamkeitsleistung bei gleichzeitiger Verlangsamung) aufweise. Weiters war die BF1 (gemeinsam mit dem BF2) von 07.09.2019 bis 07.10.2019 stationär in einem Krankenhaus aufhältig und wurden bei ihr die Diagnosen "Harnwegsinfekt (E-coli), Depression, Dranginkontinenz und Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit" erstellt. Als Medikation wurden Inkontan FTBL 30mg, Cipralex FTBL 10mg, Parkemed FTBL 500mg und Selexid FTBL angeordnet. Die BF1 macht aktuell eine Psychotherapie und steht auch in regelmäßiger neurologischer Behandlung.

Die BF1 ist strafrechtlich unbescholten, der BF2 ist strafunmündig.

1.2. Zum Gesundheitszustand des BF2 und zur medizinischen Versorgung in Moldawien:

Der BF2 wurde am XXXX im österreichischen Bundesgebiet geboren (Frühgeburt) und hat dabei eine schwere pertinatale Asphyxie (Pulslosigkeit) sowie Krampfanfälle erlitten.

Zudem leidet er an spastischer Tetraparese, einer Entwicklungsverzögerung, einer ausgeprägten Gedeihstörung bei Laryngomalzie, einer Schluckstörung bei Aspirationsgefahr, einer Delayed visual maturation sowie einer Eisenmangelanämie.

Er war in Österreich mehrmals stationär in Krankenhäusern aufhältig und wurde ihm im Juli 2018 aufgrund der Schluckstörung eine PEG-Sonde implantiert, über welche er dauerhaft ernährt wird. Er benötigt auch eine orthopädische Sitzschale. Im Herbst 2019 kam es beim BF2 vermehrt zu Erbrechen sowie zu fieberhaften Infekten, weshalb der BF2 - zur Abklärung dieser Beschwerden - von 10.09.2019 bis 09.10.2019 stationär in einem Krankenhaus (Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde) aufhältig war. Dort wurden bei ihm auch eine Epilepsie und ein Rhino-Virus diagnostiziert. Im Oktober 2019 war die BF1 mit dem BF2 wegen fehlender Gewichtszunahme ambulant in einer Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde vorstellig. Im November und Dezember 2019 war der BF2 ebenso in der Ambulanz einer Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde vorstellig, wobei dort zuletzt die Diagnose "Spastische tetraparese PEG Sonde, Dystrophie (Ernährungsstörung)" erstellt und ihm als Medikament Levebon 1,5ml 2 Mal täglich (Arzneimittel zur Behandlung von Epilepsieanfällen) verordnet wurde.

Der BF2 benötigt seit seiner Geburt im Jahr 2017 regelmäßige Betreuung in einer neuropädiatrischen Palliativambulanz. Er ist nach wie vor auf regelmäßige (kinder-) fachärztliche sowie physiotherapeutische- und logopädische Behandlungen/Therapien angewiesen. Er ist intensiv pflegebedürftig und benötigt spezielle Nahrung (Nutrini-Energy), welche ihm seine Mutter durch die Sonde mittels einer Spritze verabreicht. Auch Trinkwasser wird dem BF2 durch die Sonde verabreicht. Seine Mutter führt zudem täglich diverse Übungen (Gymnastikübungen, logopädische Übungen, Mundmassagen etc.) bei ihm durch. Die PEG-Sonde des BF2 muss regelmäßig im Spital gewartet werden. Für seine weitere Entwicklung bzw. um seine Grundbedürfnisse zu verwirklichen, benötigt der BF2 zudem orthopädische Betreuung und Hilfsmittel.

Dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Moldawien (Stand 25.05.2018) ist zur medizinischen Versorgung Folgendes zu entnehmen:

In Moldawien wurde im Jahr 2004 zwar landesweit eine verpflichtende Krankenversicherung eingeführt, dennoch ist die Zahl der "out-of-pocket-Zuzahlungen" (in Form von Direktzahlungen und informellen Zahlungen) nach wie vor hoch und sind die Zahlen bei Unversicherten noch höher. Rund 93 Prozent der Moldawier leisten informelle Zahlungen an Ärzte und anderes medizinisches Personal. Diese Zahlungen belaufen sich jährlich auf etwa 100 Millionen USD. Leistungen, die nicht unter die verpflichtende Krankenversicherung fallen, müssen direkt bezahlt werden. Von der obligatorischen Krankenversicherung werden rund 20 Prozent der Bevölkerung nicht abgedeckt. Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist nach wie vor extrem unterfinanziert und ist der Großteil der Bevölkerung gezwungen private Mittel zu verwenden, um angemessene Pflege zu erhalten.

Weiters ist Korruption im Gesundheitssektor weit verbreitet. Durch Abwanderung fehlt gut ausgebildetes medizinisches Personal. Die allgemeine Qualität der Gesundheitsdienstleistungen ist schlecht, es gibt keine Monitoring Mechanismen für öffentliche Gesundheitseinrichtungen. Unter anderem sind Roma, Behinderte und andere benachteiligte und marginalisierte Personen und Gruppen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung diskriminiert. Es wurde zwar der Entwurf eines neuen Gesundheitsgesetztes erstellt, Berichten zufolge ist dieser aber für die derzeitigen Herausforderungen nicht ausreichend.

Vor allem in ländlichen Gebieten mangelt es an qualifiziertem Personal im Bereich der öffentlichen Gesundheit infolge des Exodus an Fachkräften und der unbefriedigenden Infrastruktur und des hygienischen Zustandes der Gesundheitseinrichtungen. Veraltete medizinische Geräte und unzureichende technische und materielle Ressourcen behindern den Zugang der Bevölkerung zu hochwertigen medizinischen Diensten und demotivieren medizinisches Personal. Da das medizinische Personal unter erschwerten Bedingungen und für wenig Geld arbeiten muss, verlassen viele das Gesundheitssystem. Die Beschaffung von Arzneimitteln in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen basiert auf dem niedrigsten Preis, der nicht immer die beste Qualität gewährleistet.

Gesundheitseinrichtungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, fehlt es an ausreichender Ausrüstung und Medikamenten für hochwertige Hilfe. Dies führt zu einer vermeidbaren hohen Sterblichkeitsrate.

Quellen:

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.5.2018

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CoE-ECSR - Council of Europe - European Committee of Social Rights (1.2018): European Committee of Social Rights Conclusions 2017; Moldova,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1425569/1226_1519804343_cr-2017-mda-eng.pdf, Zugriff 23.5.2018

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EC - European Commission (3.4.2018): Association Implementation Report on Moldova,

https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/association_implementation_report_on_moldova.pdf, Zugriff 23.5.2018

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Ombudsmann - People's Advocate of the Republic of Moldova (2017):

Alternative Report of the People's Advocate (Ombudsman) of the Republic of Moldova to the UN Committee on Economic, Social and Cultural Rights on the situation of economic, social and cultural rights in the Republic of Moldova, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408979/1930_1505467947_int-cescr-nhs-mda-28723-e.doc, Zugriff 24.5.2018

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UN CESCR - UN Committee on Economic, Social and Cultural Rights (19.10.2017): Concluding observations on the third periodic report of the Republic of Moldova,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416373/1930_1508916285_g1732326.pdf, Zugriff 24.5.2018

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WHO - Weltgesundheitsorganisation (2012): Health Systems in Transition, Vol. 14, No. 7 2012, Republic of Moldova. Health system review,

http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0006/178053/HiT-Moldova.pdf?ua=1, Zugriff 24.5.2018

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WHO - Weltgesundheitsorganisation (2016): Republic of Moldova. Profile of Health and Well-being, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0005/323258/Profile-health-well-being-Rep-Moldova.pdf?ua=1#page=1&zoom=auto,548,737, Zugriff 24.5.2018

1.3. Zur Rückkehrgefährdung der BF:

Die BF1 verfügt - abgesehen von ihren drei Halbbrüdern (welche bei Pflegefamilien aufgewachsen sind) und ihrer Mutter (welche sie seit ihrem 14. Lebensjahr nicht mehr gesehen hat) und deren Aufenthaltsorte die BF1 nicht kennt - über keine familiären Anknüpfungspunkte in Moldawien.

Aufgrund der beim BF2 vorliegenden Erkrankungen, seiner intensiven Pflegebedürftigkeit und der Abhängigkeit von seiner Mutter (BF1) geht das Bundesverwaltungsgericht von einer starken Einschränkung der Arbeits- und Leistungsfähigkeit der BF1 aus. Es ist ferner davon auszugehen, dass die BF1 aufgrund der fehlenden familiären Unterstützung Schwierigkeiten hätte, sich eine grundlegende Existenz zu sichern.

Der BF2 ist auf regelmäßige (kinder-) fachärztliche sowie physiotherapeutische- und logopädische Behandlung sowie die intensive Pflege seiner Mutter angewiesen. Er benötigt zudem spezielle Nahrung (Nutrini-Energy), welche ihm seine Mutter durch die Sonde verabreicht. Zuletzt wurde ihm aufgrund einer Epilepsie das Medikament Levebon verordnet.

Aus den obigen Länderfeststellungen, entnommen dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, ergibt sich, dass die medizinische Versorgungssituation in Moldawien angespannt bleibt und der Großteil der Bevölkerung gezwungen ist private Mittel zu verwenden, um eine angemessene Pflege zu bekommen.

Für das erkennende Gericht ist, ungeachtet der grundsätzlich im Moldawien, insbesondere in Chisinau (wo die BF1 auch gelebt hat), vorhandenen allgemeinen Existenzmöglichkeiten für Rückkehrer, eine allenfalls erzwungene Rückkehr der BF in die Heimat mittels Abschiebung angesichts der beim BF2 ärztlich diagnostizierten Erkrankungen, durch welche eine intensive Pflege und Betreuung durch die BF1 zwingend notwendig ist, in Verbindung mit der fehlenden familiären Anbindung bzw. Unterstützung, davon auszugehen, dass die BF in eine sehr unsichere wirtschaftliche Situation geraten würden, welche dem BF2 eine weitere Behandlung seiner Erkrankungen verunmöglichen würde. Diese Umstände fügen sich zu einem Bild zusammen, dass die BF1 derzeit im Falle einer Rückkehr nach Moldawien nicht in der Lage wäre, für sich selbst und den BF2 zu sorgen und eine - zumindest grundlegende - Existenz zu sichern.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der BF1 vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheiden und in den Beschwerdeschriftsätzen sowie in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Moldawien. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Darüber hinaus wurde am 04.10.2018 im Beisein der BF1 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt und die BF im fortgesetzten Verfahren am 28.11.2019 zur Vorlage von aktuellen Befunden aufgefordert.

2.2. Zu den beiden BF:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Herkunft der BF1 sowie der Religionszugehörigkeit der BF gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF1 im Asylverfahren sowie die vorgelegte Taufurkunde des BF2.

Die Feststellungen zum Leben der BF1 in Moldawien, zu ihrem Reiseweg und ihren Familienangehörigen in Moldawien gründet sich auf ihre glaubwürdigen Angaben im Verfahren vor dem BFA und ihren Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Die Identität der BF steht aufgrund des vorgelegten moldawischen Reisepasses der BF1 und der österreichischen Geburtsurkunde des BF2 fest.

Die Feststellung, dass die BF1 mit einem libanesischen Staatsbürger verheiratet ist, gründet sich auf die glaubhaften Angaben der BF1 im Laufe des Verfahrens und die beim BFA vorgelegte Heiratsurkunde.

Die Feststellung zur Schulbildung, Berufserfahrung und den Sprachkenntnissen der BF1 gründen sich auf ihre glaubwürdigen Angaben während des Verfahrens, insbesondere in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellung über den Gesundheitszustand der BF1 ergibt sich aus ihren Angaben während des Asylverfahrens und den vorgelegten medizinischen Unterlagen (Patientenbrief vom 09.10.2019, Konsiliarbefund des neurologischen Zentrums vom 03.10.2019). Die Feststellung, dass die BF1 aktuell eine Psychotherapie macht und sie auch in regelmäßiger neurologischer Behandlung steht, ergibt sich aus dem vorgelegten Schreiben des Frauenhauses.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich bzw. der Strafunmündigkeit des BF2.

2.3. Zum Gesundheitszustand des BF2:

Die Feststellungen zum aktuellen Gesundheitszustand des BF2 ergeben sich aus den während des Asylverfahrens vorgelegten Unterlagen bzw. den zuletzt am 27.12.2019 vorgelegten medizinischen Unterlagen (Patientenbrief vom 09.10.2019, Ambulanzbefunde vom 15.10.2019, 22.11.2019 und 05.12.2019, E-Mail des behandelnden Arztes vom 24.12.2019).

Die Erkrankungen bzw. Diagnosen des BF2 (spastischer Tetraparese, Entwicklungsverzögerung, ausgeprägte Gedeihstörung bei Laryngomalzie, Schluckstörung bei Aspirationsgefahr, Delayed visual maturation, Eisenmangelanämie) ergeben sich insbesondere aus der Aufenthaltsbestätigung einer Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde vom 05.10.2018.

Die Tatsache, dass der BF2 im österreichischen Bundesgebiet durch eine Frühgeburt geboren wurde und dabei eine schwere pertinatale Asphyxie (Pulslosigkeit) sowie Krampfanfälle erlitten hat, ergeben sich insbesondere aus dem Klinikbefund einer Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde vom 11.10.2017.

Die Feststellung, dass der BF2 in Österreich mehrmals stationär in Krankenhäusern aufhältig war, ergibt sich aus den vorgelegten Spitalsbefunden bzw. Entlassungsbriefen (vom 12.08.2018, 19.09.2018, 05.10.2018) bzw. dem Patientenbrief vom 09.10.2019.

Der Umstand, dass dem BF2 im Juli 2018 aufgrund der vorliegenden Schluckstörung eine PEG-Sonde implantiert wurde und er durch diese dauerhaft ernährt wird ergibt sich aus dem ärztlichen Kurzbrief eins Ambulatoriums (Zentrum für Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie) vom 28.08.2018 sowie den Angaben der BF1 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, wo diese glaubhaft ausführte, dem BF2 mittels einer Spritze Nahrung und Wasser durch die PEG-Sonde zu verabreichen. Aus den zuletzt vorgelegten Ambulanzbefunden vom 15.10.2019, 22.11.2019 und 05.12.2019 sowie dem E-Mail des behandelnden Arztes vom 24.12.2019 ist ersichtlich, dass der BF2 weiterhin über die PEG-Sonde ernährt wird.

Die Feststellung, dass der BF2 nunmehr auch eine orthopädische Sitzschale benötigt, ergibt sich aus dem Schreiben des Frauenhauses.

Der Umstand, dass es beim BF2 im Herbst 2019 vermehrt zu Erbrechen sowie zu fieberhaften Infekten gekommen ist und er deshalb stationär in einem Krankenhaus (Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde) aufhältig war, ergibt sich aus dem Patientenbrief vom 09.10.2019. Die bei ihm diagnostizierte Epilepsie bzw. der Rhino-Virus ergibt sich ebenso aus diesen Unterlagen.

Die Feststellung, dass der BF2 im Oktober, November und Dezember ambulant in einer Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde vorstellig war und bei ihm zuletzt die Diagnose "Spastische tetraparese PEG Sonde, Dystrophie (Ernährungsstörung)" erstellt wurde bzw. ihm als Medikament Levebon 1,5ml 2 Mal täglich (Arzneimittel zur Behandlung von Epilepsieanfällen) verordnet wurde, ergibt sich aus den vorgelegten Ambulanzbefunden vom 15.10.2019, 22.11.2019 und 05.12.2019.

Die Feststellung, dass der BF2 seit seiner Geburt regelmäßige Betreuung in einer neuropädiatrischen Palliativambulanz benötigt und er auf regelmäßige (kinder-) fachärztliche sowie physiotherapeutische- und logopädische Behandlung/Therapien angewiesen ist, ergibt sich aus den glaubwürdigen Angaben der BF1 in der Beschwerdeverhandlung, den vorgelegten Verordnungen einer Fachärztin für Kinderheilkunde (unter anderem vom 06.11.2018) sowie dem E-Mail des behandelnden Arztes vom 24.12.2019.

Der Umstand, dass der BF2 intensiv pflegebedürftig ist und spezielle Nahrung (Nutrini-Energy) benötigt, ergibt sich aus den vorgelegten medizin

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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