TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/28 W164 2208089-1

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Veröffentlicht am 28.01.2020
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Entscheidungsdatum

28.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W164 2208079-1/10E

W164 2208090-1/12E

W164 2208089-1/10E

W164 2208084-1/10E

W164 2208082-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von (1.) XXXX , geb. XXXX , (2.) XXXX , geb. XXXX , (3.) XXXX , geb. XXXX , (4.) XXXX , geb. XXXX , (5.) XXXX , geb. XXXX , alle STA Afghanistan, alle vertreten durch RA Dr. Helmut Blum, Linz, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX (2.) Zl. XXXX und vom XXXX , (1.) Zl. XXXX , (3.) ZI. XXXX , (4.) ZI. XXXX und

(5.) Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom XXXX zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und (1.) XXXX , (2.) XXXX , (3.) XXXX , (4.) XXXX , (5.) XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass (1.) XXXX , (2.) XXXX , (3.) XXXX , (4.) XXXX (5) XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) sind verheiratet und Eltern der Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer (BF3, BF4, BF5). Sie sind allesamt afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Hazara.

Der BF1 und die BF2 stellten am 19.06.2016 nach illegaler Einreise für sich und die minderjährigen Kinder (BF3, BF4, BF5) die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Es liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

Im erstinstanzlichen Verfahren wurden BF1 und BF2 am 20.06.2016 (Erstbefragung durch LPD), und vom BFA am 14.08.2018 befragt.

Der BF1 gab im Wesentlichen an, er sei am XXXX in Afghanistan, in der Provinz Daikundi geboren, er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und bekenne sich zum schiitischen Glauben. Er habe ca. 2 oder 3 Jahre während der Wintermonate die Koranschule besucht, ansonsten verfüge er keine Schulbildung. Als Kind habe er in der Landwirtschaft gearbeitet.

Der BF1 gab weiters an, er habe sich etwa im Jahr 2007 für 3 Jahre vertraglich zum Militär verpflichtet und sei in der Provinz Zabul im Einsatz gewesen. Während seines zweiten Dienstjahrs habe er im Urlaub geheiratet und sei aus diesem Grund nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zum Militärdienst zurückgekehrt. Sein Kommandant habe nach ihm telefonisch gefragt und ihm befohlen, unverzüglich zum Dienst zu erscheinen. Der BF1 habe aber noch für seine Familie den Wintervorrat einkaufen wollen und sei zu diesem Zweck in die Nachbarprovinz Ghazni gefahren. Auf dieser Fahrt sei das Auto von Taliban aufgehalten worden. Die Taliban hätten Fotos von Soldaten bzw. Militärpersonen bei sich gehabt und diese gesucht. Auch das Foto des BF1 sei dabei gewesen. Der BF1 habe jedoch flüchten können und habe dann die Nacht auf dem Berg verbracht. Am nächsten Tag sei er in einem Dorf gewesen und habe dort um Hilfe gebeten. Die Dorfbewohner hätten dem BF1 geholfen und er sei danach wieder in seine Herkunftsprovinz heimgereist. Seine Familie habe ihm daraufhin geraten, nicht mehr zum Militär zu gehen. Der Militärkommandant habe ein paar Tage später erneut angerufen und dem BF1 vorgeworfen, dass er seine Waffe nicht zurückgegeben hätte. Der BF1 habe daraufhin einen Freund gebeten, beim Verantwortlichen des Waffenlagers nachzufragen, ob seine Waffe im Waffenlager gelagert sei. Dies sei verneint worden und der BF1 habe dann befürchtet, aufgrund dieser Anschuldigung - dass er das Gewehr entwendet hätte - ins Gefängnis zu kommen. Er sei danach mit seiner Ehefrau (BF2) in den Iran ausgereist. Dort habe er sich illegal aufgehalten und am Bau gearbeitet. Er sei mit seiner Familie ca. 7 Jahre lang im Iran, in der Stadt Qom, aufhältig gewesen und dann im Jahr 2016 Richtung Europa ausgereist. Ein Onkel des BF1 würde noch in Afghanistan, in der Herkunftsprovinz leben. Ein Cousin lebe seines Wissens auch noch in Afghanistan, zu diesem habe er jedoch keinen Kontakt. Alle anderen Familienangehörigen würden im Iran leben.

Die BF2 gab im Wesentlichen an, sie sei in Afghanistan, in der Provinz Daikundi geboren, sie gehöre der Volksgruppe der Hazara an und bekenne sich zum schiitischen Glauben. Sie habe keine Schule besucht, sondern im Haushalt mitgearbeitet. Die Ehe mit dem BF1 sei arrangiert worden, die BF2 sei damit aber einverstanden gewesen. Die Eltern und ein Bruder der BF2 würden nach wie vor in der Herkunftsprovinz leben. Befragt nach ihren Fluchtgründen gab die BF2 an, dass sie sich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes (BF1) beziehe.

Vorgelegt wurden im erstinstanzlichen Verfahren Bestätigungen über die erfolgreiche Teilnahme der BF2 an einem Alphabetisierungskurs und daran anschließend an drei zeitlich aufeinanderfolgenden Deutschkurse für Niveau A1, weiters eine Bestätigung über die Teilnahme der BF2 an einem vom Land Tirol initiierten Mentoring-Projekt für geflüchtete Frauen in Tirol und an einer Kompetenzanalyse der Tiroler Soziale Dienste GmbH, sowie eine Bestätigung über wöchentliche Treffen zu Handarbeiten. Für den BF1 wurden Bestätigungen über die Teilnahme an einem Alphabetisierungskurs, an einer Kompetenzanalyse, an Deutschkursen und schließlich ein ÖSD-Zertifikat Deutsch A2 vorgelegt, weiters eine Bestätigung des Gemeindeamtes XXXX über den Nachweis ehrenamtlichen Tätigkeiten. Für die gesamte Familie wurden Empfehlungsschreien vorgelegt. Für den BF3 wurden Schulbesuchsbestätigungen, Zeugnisse sowie diverse Urkunden über sportliche und schulische Aktivitäten vorgelegt.

Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom XXXX (2.) und vom XXXX , (1., 3., 4., 5.) wurden die genannten Anträge aller BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und es wurde gegen BF1-5 eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Begründend wurde ausgeführt, der BF1 und die BF2 hätten keine asylrechtlich relevante Verfolgungsgefahr glaubhaft machen können. Der BF1 habe anlässlich seiner Erstbefragung nur eine Verfolgung durch die Taliban, nicht aber auch eine Verfolgung durch die afghanischen Behörden "wegen unerlaubter Abwesenheit" erwähnt. Seine Ausführungen bezüglich seiner Militärzeit seien vage geblieben. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der BF1 zum Einkaufen in die Nachbarprovinz Ghazni gefahren sei. Selbst bei unterstelltem Wahrheitsgehalt wäre keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK gegeben, es wäre jederzeit möglich gewesen, nach Afghanistan zurückzukehren und sich des Schutzes des afghanischen Staates zu bedienen.

Die BF2 habe keine eigenen bzw. anderslautenden Fluchtgründe vorgebracht. Es seien keine Umstände hervorgetreten, wonach die BF2 aus Eigeninitiative Bestrebungen führe, eine selbstbestimmte Lebensweise anzunehmen. Sie sei nicht in einer Weise westlich orientiert, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den in Afghanistan verbreiteten gesellschaftlichen Werten darstelle, habe diese keinesfalls verinnerlicht, geschweige denn würde sie nach einer solchen Orientierung aktuell in Österreich leben, sodass daraus ein Asylrecht abgeleitet werden könnte. Der Familie sei eine Rückkehr nach Afghanistan in die Provinz Bamyan zumutbar.

Die abweisenden Bescheide hinsichtlich der BF3, BF4 und BF5 verweisen im Wesentlichen auf die Begründungen der den BF1 und die BF2 betreffenden Bescheide. Eigene Fluchtgründe seien nicht festgestellt worden.

Mit Verfahrensanordnung vom 14.09.2018 wurde den BF1-5 amtswegig der "Verein Menschenrechte Österreich" zur Verfügung gestellt.

Die BF1-5 erhoben durch die von ihnen gewählte Vertretung RA Dr. Helmut Blum gegen die genannten Bescheide fristgerecht Beschwerde. Darin wird vorgebracht, die belangte Behörde habe unrichtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Dem BF1 könne nicht vorgeworfen werden, dass er seine Probleme mit seinem Militärkommandanten - nämlich die behauptete unerlaubte Abwesenheit vom Dienst bei der afghanischen Nationalarmee - nicht schon in der Erstbefragung erwähnt habe, da er bei der Erstbefragung nur kurz befragt worden sei und gar nicht die Möglichkeit gehabt habe, sämtliche Fluchtgründe zu schildern. Eine Unglaubwürdigkeit des gesamten Vorbringens könne daraus nicht abgeleitet werden. Zum Vorwurf, wonach der BF1 die Tätigkeit in der afghanischen Nationalarmee nur vage ausgeführt hätte und diese Ausführungen deshalb nicht glaubwürdig wären, entgegnete der BF1, er habe jede Frage des einvernehmenden Beamten beantworten können. Der BF1 sei einfacher Soldat gewesen. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass er keine Schulausbildung erfahren und lediglich den Umgang mit der Waffe gelernt habe. Aus dem Umstand, dass dieses Problem bereits mehr als 8 Jahre zurückliege und der BF1 während seiner Zeit im Iran nie von Seiten afghanischer Behörden verfolgt wurde, könne nicht geschlossen werden, dass dieses Problem deshalb nicht mehr bestehe. Auch die Begründung der Unglaubwürdigkeit hinsichtlich der Schilderungen des Vorfalls mit den Taliban sei nicht nachvollziehbar. Die Taliban würden über einen funktionierenden "Nachrichtendienst" verfügen, wodurch der BF1 als ehemaliger Soldat der afghanischen Armee ausgeforscht werden könnte.

In der Beschwerde wird weiters vorgebracht, die BF2 habe in Österreich ein selbstbestimmtes Leben als Frau kennengelernt und würde nunmehr aufgrund ihrer vorliegenden westlichen Orientierung bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung unterliegen. Sie möchte eine Ausbildung genießen, einen Beruf frei wählen und ausüben können und keinen Bekleidungsvorschriften und Bewegungseinschränkungen in der Öffentlichkeit unterworfen sein. Sofern die belangte Behörde der BF2 spärliche Deutschkenntnisse vorwerfe, so hätte berücksichtigt werden müssen, die BF2 Analphabetin war und Lesen und Schreiben erst in Österreich erlernen musste. Die Familie verfüge in Afghanistan über kein soziales Netz mehr, auf das sie zurückgreifen könnte. Sie habe sich in Österreich gut integriert und könne dies durch die zahlreich vorgelegten Nachweise untermauern.

Am 06.12.2019 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, anlässlich deren die BF1-3 im Beisein ihres Rechtsvertreters, RA Dr. Helmut Blum und einer Dolmetscherin für die Sprache Haziragi befragt wurden. Das ebenfalls zur Verhandlung geladenen BFA nahm - unter Verzicht mit Schrieben vom 11.11.2019 - an der Verhandlung nicht teil. Das Verhandlungsprotokoll wurde dem BFA anschließend zur Kenntnis gebracht.

Die BF2 brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass sie in Afghanistan gerne zur Schule gegangen wäre, dies jedoch von den Eltern - aus Angst vor Übergriffen, insbesondere einer Vergewaltigung - nicht erlaubt wurde. Die Ehe zu ihrem Mann (BF1) sei von den Eltern arrangiert worden, dies wäre in Afghanistan so üblich. Sie habe aber der Ehe zugestimmt. In Österreich habe sie einen Deutschkurs besucht und am Fußballplatz der Gemeinde ehrenamtlich Reinigungsarbeiten verrichtet. Die BF2 lebe mit ihrem Ehemann (BF1) und ihren gemeinsamen Kindern (BF3-5) zusammen und beziehe finanzielle Mittel aus der Grundversorgung. Die Aufgaben im Haushalt sowie die Einkäufe teile sich die BF2 mit ihrem Mann. Gefragt nach ihren beruflichen Vorstellungen gab die BF2 an, dass sie gerne in einem Geschäft oder einer Bäckerei arbeiten würde. Sie habe hier auch Kontakt zu Leuten aus Österreich knüpfen können, mit denen sie verschiedenen Aktivitäten unternehme. Gefragt nach den Kontakten zu ihren Familienangehörigen in der Herkunftsprovinz gab die BF2 an, dass sie zunächst mit ihren Eltern und ihrem Bruder regelmäßig telefonierte. Seit ca. einem Jahr seien diese aber nicht mehr erreichbar. Auf Nachfrage ihres gewählten Rechtsvertreters erklärte die BF2, dass sie früher im Iran ein Kopftuch getragen habe, mittlerweile trage sie keines mehr. Der Grund sei, dass sie wie österreichische Frauen ein freies Leben führen möchte. Ihr größter Wunsch sei es, in Österreich den Schulabschluss nachzuholen. Abschließend gab die BF2 an, sie wolle nie wieder nach Afghanistan zurückkehren. Sie würde dort in Furcht und Angst leben. eine Frau habe dort keinen Wert, und werde nicht als Mensch angesehen.

Der BF1 gab an, er arbeite hier in Österreich ehrenamtlich bei der Gemeinde. Befragt nach seinen beruflichen Plänen in Österreich gab der BF1 an, dass er als Fliesenleger arbeiten möchte. Befragt nach seinen Fluchtgründen gab der BF1 an, dass der eigentliche Grund das Problem mit dem Gewehr beim Militärdienst - der Kommandant habe behauptet, dass der BF1 sein Gewehr nicht zurückgegeben habe - gewesen sei und er deswegen Angst gehabt habe. Dann sei der Vorfall mit den Taliban gewesen, welche ihn auf dem Weg zum Einkaufen aufgehalten hätten, und vor denen er habe flüchten können. Auf Nachfrage, weshalb er zum Einkaufen in die Nachbarprovinz Ghazni gefahren sei antwortete der BF1, dass die Wege nach Daikundi gesperrt gewesen seien und auch die Preise im Winter enorm steigen würden. Er habe nach Ghazni gewollt, um den ganzen Wintervorrat (Mehl, Öl, Holz und Reis) zu kaufen. Nach diesem Vorfall sei der BF1 gemeinsam mit seiner Frau (BF2), seiner Mutter, und seinem Bruder schlepperunterstützt in den Iran geflüchtet. Seine Mutter und sein Bruder würden weiterhin im Iran leben. Auch wenn die vorgebrachten Fluchtgründe nunmehr 12 Jahre zurückliegen, so habe der BF1 weiterhin Angst, sowohl vor den Taliban - diese hätten seine Kontaktdaten und sein Foto - als auch vor seinem ehemaligen Kommandanten vom Militärdienst.

Es wurden zwei Zeuginnen befragt, welche laut eigenen Angaben in engem Kontakt zur Familie der BF1-5 stehen und von ihren gemeinsamen Aktivitäten sowie den Integrationsbemühungen der Familie berichteten.

Der BF3 gab an, er gehe in die 4. Klasse; mit den beiden zuvor befragten Zeuginnen übe er für die Schule. In der Freizeit spiele er gerne Fußball.

Vorgelegt wurden Bestätigungen über die erfolgreiche Teilnahme sowohl der BF2 als auch des BF1 an einem Deutsch-A2-Kurs, weiters ÖIF-Zeugnisse über die von der BF2 und dem BF1 positiv bestandene Deutsch A2-Integrationsprüfung, für die BF2 darüber hinaus ein ÖSD-Zertifikat Deutsch A2 und eine Rechnung aufgrund der Teilnahme der BF2 an einer Eltern-Kind-Gruppe in ihrem aktuellen Heimatort. Vorgelegt wurde darüber hinaus ein Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters der Heimatgemeinde, mit dem die zuverlässige ehrenamtliche Tätigkeit des BF1 bestätigt und die gute Integration der gesamten Familie dargelegt wird, weiters eine Teilnahmebestätigung für BF1 und BF2 am Workshop Doppelplus für Energie- und Klimaschutz im Wohnbereich. Vorgelegt wurden darüber hinaus ein Empfehlungsschreiben der Kindergartenleitung betreffend die Familie und ein Unterstützungsschreiben von XXXX . Für den BF3 wurde ein Schulzeugnis über den positiven Abschluss der dritten Klasse Volkschule vorgelegt, weiters eine Bestätigung des Nachwuchstrainers des XXXX , ein Mannschaftsfoto, ein Nachweis über seine fussballerischen technischen Fertigkeiten und eine Bestätigung über seine Teilnahme an einem AUVA-Radworkshop. Für den BF4 wurde eine Dankeskarte für die Mitgestaltung einer Geburtstagsfeier und eine Belobigungsurkunde vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF2 führt den Namen XXXX . Sie wurde im Jahr XXXX in Afghanistan, im Distrikt XXXX , in der Provinz Daikundi geboren. Sie ist afghanische Staatsangehörige, bekennt sich zum schiitischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Ihre Muttersprache ist Haziragi, sie spricht auch Dari und Farsi. Die BF2 wuchs in ihrer Herkunftsprovinz im Familienverband auf und hat im Haushalt mitgearbeitet. Sie hat keine Schule besucht. Sie ist mit dem BF1 verheiratet, die Ehe wurde von den Eltern bzw. Familienangehörigen der BF1 und BF2 arrangiert. Gemeinsam mit dem BF1 zog die BF2 vor ca. 11 Jahren in den Iran, in die Stadt Qom, wo sie sich illegal aufhielten. BF2 und BF1 reisten dann gemeinsam mit ihren Kindern (BF3-5) im Jahr 2016 nach Österreich und stellten einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF1 führt den Namen XXXX . Er wurde am XXXX in Afghanistan, im Distrikt XXXX , in der Provinz Daikundi geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum schiitischen Glauben und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Muttersprache ist Haziragi, er spricht auch Dari und Farsi. Er hat als Kind 2-3 Jahre eine Koranschule besucht und in der Landwirtschaft gearbeitet. Bis zu seiner Ausreise in den Iran war er Soldat beim afghanischen Militär. Im Iran hat der BF1 am Bau gearbeitet.

In Österreich hat sich die BF2 gut integriert. Sie lernt mit Erfolg Deutsch und engagiert sich gemeinsam mit ihrem Mann gemeinnützig. Beide arbeiten ehrenamtlich für die Wohnsitzgemeinde XXXX und pflegen Kontakte mit der örtlichen Bevölkerung. Kleidervorschriften lehnt die BF2 ab. BF1 und BF2 nehmen die von der einheimischen Bevölkerung angebotenen Hilfestellungen an und ermöglichen ihren Kindern auf diesem Weg eine gute Ausbildung und ein unbeschwertes Heranwachsen. Der BF3 besucht die Volksschule, BF4 und BF5 besuchen den Kindergarten. Der BF1 unterstützt die BF2 im Haushalt. Langfristig hat die BF2 den Wunsch, in Österreich den Schulabschluss nachzuholen und in einem Geschäft oder einer Bäckerei zu arbeiten. BF1 und BF2 sind gesund und arbeitsfähig, sie sind beide strafgerichtlich unbescholten und nehmen aktuell Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch. In Österreich haben BF1 und BF2 die Deutschprüfung A2 und die Integrationsprüfung (Sprachkompetenz, Werte- und Orientierungswissen) erfolgreich abgelegt und sich darüber hinaus an angebotenen Projekten beteiligt, um sich in ihrer Wohnumgebung gut zu integrieren. Ihre Kinder (BF3-5) wurden im Iran geboren und haben dort bis zur Ausreise nach Europa gelebt. Sie besuchen in Österreich den Gemeindekindergarten bzw. die öffentliche Volksschule, der BF3 spielt im örtlichen Fußballverein des XXXX und nimmt an Workshops wie etwa dem AUVA-Radworkshop teil.

Allgemeine Länderfeststellungen:

Quelle: UNHCR- Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30. August 2018, HCR/EG/AFG/18/02:

Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen, bei dem die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF), unterstützt von den internationalen Streitkräften, mehreren regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) gegenüberstehen.

Dem UN-Generalsekretär zufolge steht Afghanistan weiterhin vor immensen sicherheitsbezogenen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Die Sicherheitslage soll sich insgesamt weiter verschlechtert und zu einer sogenannten "erodierenden Pattsituation" geführt haben. Berichten zufolge haben sich die ANDSF grundsätzlich als fähig erwiesen, die Provinzhauptstädte und die wichtigsten städtischen Zentren zu verteidigen, im ländlichen Raum hingegen mussten sie beträchtliche Gebiete den Taliban überlassen. Es heißt ferner, dass die ANDSF mit unhaltbar hohen Ausfallraten und sinkender Moral zu kämpfen haben.

Es wird berichtet, dass die Taliban zum 31. Januar 2018, 43,7 Prozent aller Distrikte Afghanistans kontrolliert oder für sich beansprucht haben. Die Taliban haben ihre Angriffe in Kabul und anderen großen Ballungsräumen verstärkt, mit zunehmenden Fokus auf afghanische Sicherheitskräfte, die große Verluste zu beklagen haben. Das ganze Jahr 2017 hindurch führten die Taliban mehrere umfangreiche Offensiven mit dem Ziel durch, Verwaltungszentren von Distrikten zu erobern. Es gelang ihnen, mehrere solcher Zentren unter ihre Kontrolle zu bringen und vorübergehend zu halten. Meldungen zufolge festigten die Taliban gleichzeitig ihre Kontrolle über größtenteils ländliche Gebiete, was ihnen ermöglichte, häufigere Angriffe - insbesondere im Norden Afghanistans - durchzuführen. Es wird berichtet, dass der Islamische Staat (ISIS)52 inzwischen trotz verstärkter internationaler und afghanischer Militäroperationen widerstandsfähig blieb. Sein kontinuierliches Engagement hinsichtlich Auseinandersetzungen sowohl mit der afghanischen Regierung als auch mit den Taliban scheint "anzudeuten, dass die Gruppe ihren geografischen Aktionsradius ausgeweitet und begonnen hat, ihre Präsenz auch über den Osten des Landes hinaus zu festigen". ISIS soll inländische und ausländische militärische Ziele und die Zivilbevölkerung angegriffen haben, wovon insbesondere religiöse Stätten, geistige Führer und Gläubige, Schiiten, Journalisten und Medienorganisationen betroffen waren, sowie Anschläge gegen Ziele verübt haben, die sich anscheinend gegen die internationale Gemeinschaft richteten. Es heißt, dass diese Angriffe konfessioneller Art "eine beängstigende Entwicklung im bewaffneten Konflikt Afghanistans" anzeigten.

Auch von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen wird berichtet, dass sie die Autorität der Regierung in ihrem Einflussbereich untergraben; sie werden auch mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor unbeständig und die Zivilbevölkerung trägt weiterhin die Hauptlast des Konflikts. In den Jahren nach dem Abzug der internationalen Streitkräfte 2014 waren eine fortgesetzte Verschlechterung der Sicherheitslage und eine Intensivierung des bewaffneten Konflikts in Afghanistan zu beobachten. Aus Berichten geht hervor, dass die Taliban ihre Offensive zur Ausweitung ihrer Kontrolle über weitere Distrikte fortsetzt, während der Islamische Staat angeblich immer nachdrücklicher seine Fähigkeit unter Beweis stellt, seine geografische Reichweite auszudehnen, was eine weitere Destabilisierung der Sicherheitslage zur Folge hat.

Von dem Konflikt sind weiterhin alle Landesteile betroffen. Seit dem Beschluss der Regierung, Bevölkerungszentren und strategische ländliche Gebiete zu verteidigen, haben sich die Kämpfe zwischen regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) und der afghanischen Regierung intensiviert. Es wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte immer öfter bewusst auf Zivilisten gerichtete Anschläge durchführen, vor allem durch Selbstmordanschläge mit improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und komplexe Angriffe. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) setzen ihre groß angelegten Angriffe in Kabul und anderen Städten fort und festigen ihre Kontrolle über ländliche Gebiete. Es wurden Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit und Effektivität der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) geäußert, die Sicherheit und Stabilität in ganz Afghanistan zu gewährleisten.

Trotz der ausdrücklichen Verpflichtung der afghanischen Regierung, ihre nationalen und internationalen Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, ist der durch sie geleistete Schutz der Menschenrechte weiterhin inkonsistent. Große Teile der Bevölkerung einschließlich Frauen, Kindern, ethnischer Minderheiten, Häftlingen und anderer Gruppen sind Berichten zufolge weiterhin zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch unterschiedliche Akteure ausgesetzt Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.

Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden laut Berichten in allen Teilen des Landes und unabhängig davon statt, wer die betreffenden Gebiete tatsächlich kontrolliert.

In von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es Berichten zufolge regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und seine Vertreter. In Gebieten, die (teilweise) von regierungsnahen bewaffneten Gruppen kontrolliert werden, begehen diese Berichten zufolge straflos Menschenrechtsverletzungen.

Ähnlich sind in von regierungsfeindlichen Gruppen kontrollierten Gebieten Menschenrechtsverletzungen, darunter durch die Etablierung paralleler Justizstrukturen, weit verbreitet. Zusätzlich begehen sowohl staatliche wie auch nicht-staatliche Akteure Berichten zufolge außerhalb der von ihnen jeweils kontrollierten Gebiete Menschenrechtsverletzungen.

Aus Berichten geht hervor, dass besonders schwere Menschenrechtsverletzungen insbesondere in umkämpften Gebieten weit verbreitet sind.

Berichten zufolge begehen regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) extralegale Hinrichtungen, Folter und Misshandlungen. Sie hinderten Zivilisten zudem an der Ausübung ihrer Rechte auf Bewegungsfreiheit, auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Religionsfreiheit, auf politische Teilhabe sowie auf Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung sowie zu ihrem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) nutzen das Fehlen staatlicher Justizmechanismen oder -dienste dazu aus, eigene, parallele "Justiz"-Strukturen - vor allem, wenn auch nicht ausschließlich - in Gebieten unter ihrer Kontrolle, durchzusetzen. UNAMA stellt fest, dass "alle von einer parallelen Justizstruktur durch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen verhängten Strafen nach afghanischem Recht unrechtmäßig sind, eine rechtswidrige Handlung darstellen und als Kriegsverbrechen eingestuft werden können". Zu den durch parallele Justizstrukturen verhängten Strafen zählen öffentliche Hinrichtungen durch Steinigung und Erschießen, Schläge und Auspeitschung sowie Amputation. Berichten zufolge erheben regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zudem in Gebieten, in denen sie die Einrichtung paralleler Regierungsstrukturen anstreben, illegale Steuern.

Im Juli 2018 äußerte UNAMA Besorgnis über den neuerdings zu beobachtenden Trend, dass regierungsfeindliche Kräfte auf Operationen regierungsnaher Kräfte mit Angriffen auf Schulen und Beamte im Bildungswesen reagieren. Schulen wurden Berichten zufolge außerdem besetzt und für militärische Zwecke benutzt, wodurch ihr geschützter Status nach dem humanitären Völkerrecht gefährdet und den Kindern der Zugang zu Bildung entzogen wurde. Außerdem bleiben Berichten zufolge viele Schulen in Afghanistan aufgrund der vor Ort herrschenden Sicherheitsverhältnisse geschlossen.

Ferner wird berichtet, dass regierungsfeindliche Kräfte den Zugang zu medizinischer Versorgung beschränken. 2017 dokumentierte UNAMA 75 gegen Krankenhäuser und medizinisches Personal gerichtete Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte mit 31 Toten und 34 Verletzten gegenüber 120 Zwischenfällen mit 10 Toten und 13 Verletzten im Jahr 2016. Außerdem heißt es, dass regierungsfeindliche Kräfte in einigen Teilen des Landes Polio-Impfkampagnen verbieten und wiederum andere Teile aufgrund der vorherrschenden Unsicherheit nicht von Impfhelfern erreicht werden können.

Sogar dort, wo der rechtliche Rahmen den Schutz der Menschenrechte vorsieht, bleibt die Umsetzung der nach nationalem und internationalem Recht bestehenden Verpflichtung Afghanistans diese Rechte zu fördern und zu schützen, in der Praxis oftmals eine Herausforderung. Die Regierungsführung Afghanistans und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit werden als besonders schwach wahrgenommen.

Die Fähigkeit der Regierung, die Menschenrechte zu schützen, wird durch Unsicherheit und zahlreiche Angriffe durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) untergraben. Ländliche und instabile Gebiete leiden Berichten zufolge unter einem allgemein schwachen förmlichen Justizsystem, das unfähig ist, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Von der Regierung ernannte Richter und Staatsanwälte seien oftmals aufgrund der Unsicherheit nicht in der Lage, in diesen Gemeinden zu bleiben. Der UN-Ausschuss gegen Folter brachte seine Sorge darüber zum Ausdruck, dass die Regierung keine geeigneten Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Journalisten vor Repressalien für ihre Arbeit ergreift.

Beobachter berichten von einem hohen Maß an Korruption, von Herausforderungen für effektive Regierungsgewalt und einem Klima der Straflosigkeit als Faktoren, die die Rechtsstaatlichkeit schwächen und die Fähigkeit des Staates untergraben, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten. Berichten zufolge werden in Fällen von Menschenrechtsverletzungen die Täter selten zur Rechenschaft gezogen und für die Verbesserung der Übergangsjustiz besteht wenig oder keine politische Unterstützung. Wie oben angemerkt, begehen einige staatliche Akteure, die mit dem Schutz der Menschenrechte beauftragt sind, einschließlich der afghanischen nationalen Polizei und der afghanischen lokalen Polizei, Berichten zufolge in einigen Teilen des Landes selbst Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Berichten zufolge betrifft Korruption viele Teile des Staatsapparats auf nationaler, Provinz- und lokaler Ebene. Es wird berichtet, dass afghanische Bürger Bestechungsgelder zahlen müssen, um öffentliche Dienstleistungen zu erhalten, etwa dem Büro des Provinzgouverneurs, dem Büro des Gemeindevorstehers und der Zollstelle. Innerhalb der Polizei, so heißt es, sind Korruption, Machtmissbrauch und Erpressung ortstypisch. Das Justizsystem sei auf ähnliche Weise von weitverbreiteter Korruption betroffen.

Berichten zufolge wenden sich lokale Gemeinschaften in einigen Gebieten an parallele Justizstrukturen, etwa örtliche Räte oder Ältestenräte oder Gerichte der Taliban, um zivile Streitfälle zu regeln. UNAMA stellt allerdings fest, dass diese Strukturen den Gemeinschaften in der Regel aufgezwungen werden und dass die in diesem Rahmen verhängten Strafen wie Hinrichtungen und Amputationen nach afghanischem Recht kriminelle Handlungen darstellen.

In Gebieten, in denen die Taliban versuchen, die lokale Bevölkerung von sich zu überzeugen, nehmen sie Berichten zufolge eine mildere Haltung ein. Sobald sich jedoch die betreffenden Gebiete unter ihrer tatsächlichen Kontrolle befinden, setzen die Taliban ihre strenge Auslegung islamischer Prinzipien, Normen und Werte durch. Es liegen Berichte über Taliban vor, die für das "Ministerium der Taliban für die Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters" tätig sind, in den Straßen patrouillieren und Personen festnehmen, weil diese sich den Bart abrasiert haben oder Tabak konsumieren. Frauen ist es Berichten zufolge nur in Begleitung ihres Ehemanns oder männlicher Familienmitglieder gestattet, das Haus zu verlassen und ausschließlich zu einigen wenigen genehmigten Zwecken wie beispielsweise einen Arztbesuch. Frauen und Männer, die gegen diese Regeln verstoßen, wurden Berichten zufolge mit öffentlichen Auspeitschungen bestraft, ja sogar getötet. In Gebieten, die von mit dem Islamischen Staat verbundenen Gruppen kontrolliert werden, wird Berichten zufolge ein sittenstrenger Lebensstil durch strikte Vorschriften und Bestrafungen durchgesetzt. Es wird berichtet, dass Frauen strenge Regeln, einschließlich Kleidungsvorschriften, und eingeschränkte Bewegungsfreiheit auferlegt wurden.

Die Regierung hat seit 2001 eine Reihe von Schritten zur Verbesserung der Situation der Frauen im Land unternommen, darunter die Verabschiedung von Maßnahmen zur Stärkung der politischen Teilhabe der Frauen und die Schaffung eines Ministeriums für Frauenangelegenheiten. Allerdings stieß die Aufnahme internationaler Standards zum Schutz der Rechte der Frauen in die nationale Gesetzgebung immer wieder auf Widerstände. Das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen wurde 2009 durch Präsidialerlass verabschiedet, doch lehnten es konservative Parlamentsabgeordnete und andere konservative Aktivisten weiterhin ab. Das überarbeitete Strafgesetzbuch Afghanistans, das am 4. März 2017 mit Präsidialerlass verabschiedet wurde, enthielt ursprünglich alle Bestimmungen des Gesetzes über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und stärkte die Definition des Begriffs Vergewaltigung. Jedoch wies Präsident Ghani das Justizministerium im August 2017 angesichts der Ablehnung durch die Konservativen an, das diesem Gesetz gewidmete Kapitel aus dem neuen Strafgesetzbuch zu entfernen. Das neue Strafgesetzbuch trat im Februar 2018 in Kraft, während in einem Präsidialerlass klargestellt wurde, dass das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen von 2009 als eigenes Gesetz weiterhin Geltung hat.

Laut Berichten, halten sich die Verbesserungen betreffend die Lage der Frauen und Mädchen insgesamt sehr in Grenzen. Laut der Asia Foundation erschweren "der begrenzte Zugang zum Bildungs- und Gesundheitswesen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, ungerechte Bestrafungen für Verbrechen gegen die Sittlichkeit, ungleiche Teilhabe an der Regierung, Zwangsverheiratung und Gewalt" nach wie vor das Leben der Frauen und Mädchen in Afghanistan. Depressionsraten aufgrund von häuslicher Gewalt und anderen Menschenrechtsverletzungen nehmen Berichten zufolge unter afghanischen Frauen zu. Es wird berichtet, dass 80 Prozent der Selbstmorde in Afghanistan von Frauen begangen werden und sich manche von ihnen durch Selbstverbrennung das Leben nehmen.

Die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan (AIHRC) stellte fest, dass Gewalt gegen Frauen noch immer eine "weit verbreitete, allgemein übliche und unleugbare Realität" ist und dass Frauen in unsicheren Provinzen und im ländlichen Raum besonders gefährdet durch Gewalt und Missbrauch sind. Es wird berichtet, dass derartige Gewaltakte sehr oft straflos bleiben. Sexuelle Belästigung und die tief verwurzelte Diskriminierung von Frauen bleiben, so die Berichte, endemisch.

Für Frauen ist die vollständige Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Trotz einiger Fortschritte sind Frauen Berichten zufolge überproportional von Armut, Analphabetismus und schlechter Gesundheitsversorgung betroffen.

Beobachter berichten, dass Gesetze zum Schutz der Frauenrechte weiterhin nur langsam umgesetzt werden, vor allem was das Gesetz über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen betrifft. Das Gesetz stellt 22 gegen Frauen gerichtete gewalttätige Handlungen und schädliche traditionelle Bräuche, einschließlich Kinderheirat, Zwangsheirat sowie Vergewaltigung und häusliche Gewalt, unter Strafe und legt die Bestrafung der Täter fest. Den Behörden fehlt Berichten zufolge jedoch der Wille, das Gesetz umzusetzen. Dementsprechend werde es nicht vollständig angewendet, insbesondere in ländlichen Gebieten. Frauen hätten nur in sehr geringem Maße Zugang zur Justiz. Die überwiegende Mehrheit der Fälle von gegen Frauen gerichteten Gewaltakten, einschließlich schwerer Verbrechen gegen Frauen, würden noch immer nach traditionellen Streitbeilegungsmechanismen geschlichtet, anstatt wie vom Gesetz vorgesehen strafrechtlich verfolgt.

Das schiitische Personenstandsgesetz, das Familienangelegenheiten wie Heirat, Scheidung und Erbrecht für Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft regelt, enthält mehrere für Frauen diskriminierende Bestimmungen, insbesondere in Bezug auf Vormundschaft, Erbschaft, Ehen von Minderjährigen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit außerhalb des Hauses.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen in Afghanistan ist nach wie vor weit verbreitet: Die Zahl der angezeigten Fälle nimmt zu, doch die Dunkelziffer dürfte weit höher sein als die angezeigten Fälle. Im März 2018 bezeichnete die Unabhängige Menschenrechtskommission für Afghanistan Gewalt gegen Frauen als "eine der größten Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte in Afghanistan". Dazu gehören "Ehrenmorde", Entführungen, Vergewaltigungen, sexuelle Belästigung, erzwungene Schwangerschaftsabbrüche und häusliche Gewalt.

Da sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe von weiten Teilen der afghanischen Gesellschaft als Schande für die Familie betrachtet werden, besteht für Opfer von Vergewaltigungen außerhalb der Ehe die Gefahr, geächtet, zur Abtreibung gezwungen, inhaftiert oder sogar getötet zu werden. Es wurde festgestellt, dass gesellschaftliche Tabus und die Angst vor Stigmatisierung und Vergeltungsmaßnahmen, einschließlich durch die eigene Gemeinschaft oder Familie, ausschlaggebend dafür sind, dass Überlebende von sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt keine Anzeige erstatten.

Der Zugang zur Justiz wird für Frauen, die Gewalttaten anzeigen möchten, zusätzlich durch die Tatsache erschwert, dass der Anteil der Frauen unter den Polizeikräften im Land nur bei etwas unter zwei Prozent liegt, da Polizistinnen weitgehend stigmatisiert werden. Berichten zufolge sind Polizistinnen selbst der Gefahr von sexueller Belästigung und von Übergriffen am Arbeitsplatz, unter anderem der Vergewaltigung durch männliche Kollegen, ausgesetzt. Sie seien außerdem durch gewalttätige Angriffe seitens regierungsfeindlicher Kräfte gefährdet.

Berichten zufolge besteht Straflosigkeit bei Handlungen von sexueller Gewalt auch deswegen weiter fort, weil es sich bei den mutmaßlichen Vergewaltigern in einigen Gebieten um mächtige Befehlshaber oder Mitglieder bewaffneter Truppen oder krimineller Banden handelt oder um Personen, die zu solchen Gruppen oder einflussreichen Personen Kontakt haben und von ihnen vor Inhaftierung und Strafverfolgung geschützt werden.

In Gebieten, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, besteht für Frauen und Männer, die unmoralischer Verhaltensweisen bezichtigt werden, das Risiko, über die parallelen Justizstrukturen dieser regierungsfeindlichen Kräfte (AGEs) zu harten Strafen, einschließlich zu Auspeitschung und zum Tod, verurteilt zu werden.

"Korruption und Autoritätsmissbrauch sind der Grund dafür, dass Menschen, die Frauen ermorden oder vergewaltigen und Verbindungen zu einem Anführer [einer aufständischen Gruppe], einem Anwalt oder Richter haben, nicht bestraft werden [...] Sie wissen, dass sie keine Bestrafung fürchten müssen und zögern aufgrund dieser Straffreiheit nicht, Morde und Vergewaltigungen zu begehen."

[Übersetzung durch UNHCR]. IWPR, Afghanistan's Domestic Violence Loophole, 16. Januar 2017,

https://iwpr.net/global-voices/afghanistans-domestic-violence-loophole.

"Erschreckende 87 % afghanischer Frauen sind Gewalt, vor allem durch Familienmitglieder und Personen, die behaupten, sie würden sie über alles lieben, ausgesetzt. Diese Gewalt äußert sich folgendermaßen:

frühe Eheschließungen und Zwangsehen, darunter auch baad (der Austausch von Mädchen zur Beilegung von Streitigkeiten) und baadal (Tauschehen); sogenannte Ehrenverbrechen; Vergewaltigungen und Ermordungen von Frauen; sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit; Selbstverbrennungen und selbstverletzendes Verhalten aufgrund von Gewalterfahrungen." [Übersetzung durch UNHCR]. Kabul Times, Woman, Who Has No Peace, 4. Dezember 2017, http://thekabultimes.gov.af/index.php/opinions/social/15661-woman-who-has-no-peace.html.

"In Afghanistan werden Frauen und Mädchen als Trägerinnen der Familienehre gesehen. Wenn sie gegen Bräuche, Traditionen oder Ehre verstoßen, sind sie auch diejenigen, die die Konsequenzen dafür tragen müssen. Afghanische Frauen, die vergewaltigt wurden, werden als Schande für ihre Familie oder die Gemeinschaft gesehen und werden dafür ein weiteres Mal durch Ehrenmorde bestraft. Eine ähnliche Situation zeigt sich auch für Frauen, die außerehelichen Liebesziehungen (zina) verdächtigt werden und dadurch Schande über ihre Familien bringen. Sie riskieren auf diese Weise, durch einen Ehrenmord getötet zu werden, der entweder von einem männlichen Familienmitglied ausgeht oder auf Anweisung eines lokalen, aus Männern bestehenden Ältestenrat geschieht." [Übersetzung durch UNHCR]. CGRS, Breaking Barriers: Challenges to Implementing Laws on Violence against Women in Afghanistan and Tajikistan, April 2016, https://cgrs.uchastings.edu//sites/default/files/Afghanistan_Tajikistan_Full%20Report_Revised%204-5-2016_FINAL_0.pdf, S. 14.

Frauen und Männer, die vermeintlich gegen die sozialen Sitten verstoßen:

Trotz Bemühungen der Regierung, die Gleichheit der Geschlechter zu fördern, sind Frauen aufgrund bestehender Vorurteile und traditioneller Praktiken, durch die sie marginalisiert werden, nach wie vor weit verbreiteter gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Frauen, die vermeintlich soziale Normen und Sitten verletzen, werden weiterhin gesellschaftlich stigmatisiert und allgemein diskriminiert. Außerdem ist ihre Sicherheit gefährdet. Dies gilt insbesondere für ländliche Gebiete und für Gebiete, die von regierungsfeindlichen Kräften (AGEs) kontrolliert werden. Zu diesen Normen gehören strenge Kleidungsvorschriften sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, wie zum Beispiel die Forderung, dass eine Frau nur in Begleitung einer männlichen Begleitperson in der Öffentlichkeit erscheinen darf. Frauen ohne Unterstützung und Schutz durch Männer, wie etwa Witwen und geschiedene Frauen, sind besonders gefährdet. Angesichts der gesellschaftlichen Normen, die allein lebenden Frauen Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel in Bezug auf ihre Bewegungsfreiheit und auf Lebensgrundlagen, sind sie kaum in der Lage zu überleben. Bestrafungen aufgrund von Verletzungen des afghanischen Gewohnheitsrechts oder der Scharia treffen Berichten zufolge in überproportionaler Weise Frauen und Mädchen, etwa Inhaftierung aufgrund von "Verstößen gegen die Sittlichkeit" wie beispielsweise dem Erscheinen ohne angemessene Begleitung

Männer, die vermeintlich gegen vorherrschende Gebräuche verstoßen, können ebenfalls einem Misshandlungsrisiko ausgesetzt sein, insbesondere in Fällen von mutmaßlichem Ehebruch und außerehelichen sexuellen Beziehungen.

Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative:

Eine Bewertung der Möglichkeiten für eine Neuansiedlung setzt eine Beurteilung der Relevanz und der Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative voraus. In Fällen, in denen eine begründete Furcht vor Verfolgung in einem bestimmten Gebiet des Herkunftslandes nachgewiesen wurde, erfordert die Feststellung, ob die vorgeschlagene interne Schutzalternative eine angemessene Alternative für die betreffende Person darstellt, eine Bewertung, die nicht nur die Umstände berücksichtigt, die Anlass zu der begründeten Furcht gaben und der Grund für die Flucht aus dem Herkunftsgebiet waren. Auch die Frage, ob das vorgeschlagene Gebiet eine langfristig sichere Alternative für die Zukunft darstellt, sowie die persönlichen Umstände des jeweiligen Antragstellers und die Bedingungen in dem Gebiet der Neuansiedlung müssen berücksichtigt werden. Wenn eine interne Schutzalternative im Zuge eines Asylverfahrens in Betracht gezogen wird, muss ein bestimmtes Gebiet für die Neuansiedlung vorgeschlagen werden und es müssen alle für die Relevanz und Zumutbarkeit des vorgeschlagenen Gebiets im Hinblick auf den jeweiligen Antragsteller maßgeblichen allgemeinen und persönlichen Umstände soweit wie möglich festgestellt und gebührend berücksichtigt werden. Dem Antragsteller muss eine angemessene Möglichkeit gegeben werden, sich zu der angenommenen Relevanz und Zumutbarkeit der vorgeschlagenen internen Schutzalternative zu äußern. Eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter der tatsächlichen Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) befinden, nicht gegeben in den von aktiven Kampfhandlungen zwischen regierungsnahen und regierungsfeindlichen Kräften oder zwischen verschiedenen regierungsfeindlichen Kräften betroffenen Gebieten nicht gegeben Geht die Verfolgung von regierungsfeindlichen Kräften aus, muss berücksichtigt werden, ob die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Akteure den Antragsteller im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfolgen. Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius einiger regierungsfeindlicher Kräfte, einschließlich der Taliban und des Islamischen Staates, existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine interne Schutzalternative. Ferner müssen die Nachweise in Abschnitt II.C hinsichtlich der aufgrund ineffektiver Regierungsführung und weit verbreiteter Korruption eingeschränkten Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte zu bieten, berücksichtigt werden.

Hat der Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung, die von Mitgliedern der Gesellschaft aufgrund schädlicher traditioneller Bräuche und religiöser Normen ausgeht, die Verfolgungscharakter aufweisen, (siehe zum Beispiel die Risikoprofile 7, 10 und 12 in Abschnitt III.A), so muss die Akzeptanz solcher Normen und Bräuche in weiten Teilen der Gesellschaft und die einflussreichen konservativen Elemente auf allen Ebenen der Regierung als ein Faktor in Betracht gezogen werden, der gegen die Relevanz einer internen Schutzalternative spricht. UNHCR vertritt den Standpunkt, dass - verbunden mit den Nachweisen in Abschnitt II.C betreffend die eingeschränkte Fähigkeit des Staates, Schutz vor Menschenrechtsverletzungen zu bieten, - davon auszugehen ist, dass die Erwägung einer internen Schutzalternative in diesen Fällen nicht relevant ist.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde, durch Einsichtnahme in die im gesamten Verfahren vorgelegten Dokumente - diese werden in Punkt I. "Verfahrensgang" im Einzelnen genannt - weiters durch Einsichtnahme in die zitierten allgemeinen Länderfeststellungen sowie durch Abhaltung der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2019. Die Identität der BF2 erscheint unbedenklich. Ihr gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern bestehender aktueller Wohnort ergibt sich aus dem zentralen Melderegister der Republik Österreich. Die strafrechtliche Unbescholtenheit der BF2 und des BF1 ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich.

Die Ausführungen der BF2 erscheinen insgesamt lebensnahe und glaubwürdig. Sie werden durch vorgelegte Nachweise über erfolgreiche Bemühungen, Deutsch zu lernen, ihre Qualifikation in Österreich auszubauen und in Zukunft beruflich anzuwenden und sich zu integrieren belegt, insbesondere durch das Zeugnis zur Integrationsprüfung A2 (Prüfungsdatum XXXX ), das ÖSD Zertifikat A2 vom XXXX sowie die Nachweise über ehrenamtliche Tätigkeiten und Empfehlungsschreiben. Die Haltung der BF2 zeigt, dass sie - trotz ihrer ungünstigen Ausgangslage (sie hat in Afghanistan weder lesen, schreiben oder rechnen gelernt) - gezielt Aktivitäten setzt, um für sich und ihre Kinder den Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu ebnen.

Die Feststellung wonach die BF2 mit dem BF1 verheiratet ist, ergibt sich aus den diesbezüglichen unbedenklichen und widerspruchsfreien Angaben sowohl der BF2 als auch des BF1. Bereits die belangte Behörde hat dementsprechende Feststellungen getroffen. Aus den weiteren in der mündlichen Verhandlung gemachten unbedenklichen Angaben und vorgelegten Empfehlungsschreiben war weiters abzuleiten, dass die BF2 und der BF1 gemeinsam bzw. in Abstimmung ihrer terminlichen Verpflichtungen die Betreuung ihrer gemeinsamen Kinder (BF3-5) übernehmen und sich ihre Aufgaben im Alltag teilen. Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid das Vorliegen einer an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten Lebensführung der BF2 verneint, wird dem insbesondere angesichts der eben genannten im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Nachweise nicht gefolgt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 3. AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen is

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

§ 11 AsylG 2005 in der anzuwendenden Fassung:

(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "begründete Furcht vor Verfolgung".

Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z. B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.3.2009, 2007/19/0459 ausgesprochen hat, wird die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht. Der für die Annahme einer aktuellen Verfolgungsgefahr erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den behaupteten Misshandlungen und dem Verlassen des Landes besteht auch bei länger zurückliegenden Ereignissen dann, wenn sich der Asylwerber während seines bis zur Ausreise noch andauernden Aufenthaltes im Lande verstecken oder sonst durch Verschleierung seiner Identität der Verfolgung einstweilen entziehen konnte. Ab welcher Dauer eines derartigen Aufenthaltes Zweifel am Vorliegen einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung begründet erscheinen mögen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. VwGH 94/20/0793 vom 7.11.1995).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn die Asylentscheidung erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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