TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/29 W183 2209586-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2020
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Entscheidungsdatum

29.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W183 2209586-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch KULAC & CARLI Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.12.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer verließ im Jahr 2016 Iran, stellte am 27.09.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Am 19.09.2018 wurde der Beschwerdeführer von der nunmehr belangten Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), zu seinen Fluchtgründen niederschriftlich einvernommen.

Im behördlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er von seiner Schwester geschriebene und gemalte Texte an Freunde und Kunden verteilt habe; Zivilpolizisten hätten daraufhin das Elternhaus durchsucht. Er sei Ende 2015, durch seine Schwester missioniert, zum Christentum konvertiert. Er wolle in Österreich getauft werden. Auch habe er eine Tätowierung.

Im weiteren Verlauf des behördlichen Verfahrens legte der Beschwerdeführer, um das vom BFA registrierte Geburtsdatum zu korrigieren, mehrere Dokumente vor, u.a. die englische Übersetzung eines Befähigungsnachweises als Friseur und einen internationalen Führerschein. Weiters legte er eine iranische Nationalkarte vor, einen österreichischen Führerschein, zwei Deutschkursbestätigungen (A1.1 und A1.2), zwei Bestätigungen über einen Friseurkurs, eine Einstellungszusage vom 20.08.2018, zwei Empfehlungsschreiben, Bestätigungen der Teilnahme sowie der Mitarbeit am Glaubenskurs "Alphakurs" von 07.04. bis 02.06.2018 der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. XXXX , sowie eine Bestätigung über den Besuch eines Taufkurses vom 17.09.2018.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 18.10.2018) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

3. Mit Schriftsatz vom 15.11.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Darin wurde das Fluchtvorbringen wiederholt sowie ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch seinen Anwalt in Iran informiert worden, dass gegen ihn ein Haftbefehl erlassen worden sei, und legte diese Information in Kopie bei. Dem Beschwerdeführer drohe daher eine gerichtliche Verfolgung. Er würde im Falle der Rückkehr nach Iran umgehend inhaftiert werden und drohe ihm die Todesstrafe aufgrund des Abfalls vom islamischen Glauben. Zum Nachweis seiner Konversion beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme der ihn betreuenden Pastoren.

4. Mit Schriftsatz vom 16.11.2018 (eingelangt am 19.11.2018) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

5. Mit Schriftsatz vom 28.11.2018 legte der Beschwerdeführer zwei Unterlagen vor, die einen Haftbefehl und einen Gerichtsbeschluss darstellen würden. Sein Anwalt in Iran hätte diese seiner Anwältin in Österreich übermittelt und würde der Beschwerdeführer aufgrund des Haftbefehls im Falle einer Rückkehr nach Iran umgehend inhaftiert werden und würde ihm aufgrund des Abfalls vom islamischen Glauben die Todesstrafe drohen. Das Bundesverwaltungsgericht ließ die Unterlagen übersetzen.

6. Mit Bericht vom 28.02.2019 informierte die Landespolizeidirektion

XXXX die belangte Behörde, dass gegen den Beschwerdeführer strafrechtliche Erhebungen geführt würden, da er im Verdacht stehe, Suchtmittel (Cannabiskraut) in größeren Mengen erworben und konsumiert zu haben.

7. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

8. Mit Schreiben vom 05.11.2019 wurden der Beschwerdeführer sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.12.2019 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019" sowie dem "Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran - Situation der Christen, Stand 3/2019" als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung.

9. Mit Schriftsatz vom 06.11.2019 legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung seines Volontariats in einem Seniorenheim, ein Empfehlungsschreiben und seine Meldebestätigung vor und erklärte, dass die Einstellungszusage vom 20.08.2018 weiterhin aufrecht sei sowie dass er mit seiner Freundin in einen gemeinsamen Haushalt gezogen sei und fest geplant sei, in naher Zukunft zu heiraten und eine Familie zu gründen.

10. Mit Schreiben vom 05.12.2019 informierte die Staatsanwaltschaft

XXXX das Bundesverwaltungsgericht, dass vom Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer vorläufig zurückgetreten worden sei und die Probezeit am 25.03.2020 enden würde.

11. Mit Schriftsatz vom selben Tag legte der Beschwerdeführer seinen Taufschein vom 30.11.2019 und ein Foto seiner Tätowierung am Rücken vor, die einen christlichen Hintergrund habe.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.12.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung und zwei Zeugen teilnahmen. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Fluchtgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab. Das Ermittlungsverfahren wurde geschlossen.

13. Nach Schluss des Ermittlungsverfahrens wurden seitens des Beschwerdeführers drei bereits in Kopie vorgelegte Unterlagen im Original sowie seitens des BFA eine Beschuldigtenvernehmung des Beschwerdeführers vorgelegt.

14. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 16.01.2020 eine Strafregisterabfrage durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus Teheran und lebte dort bis zu seiner Ausreise, gehört der Volksgruppe der Perser an, spricht Farsi (Muttersprache) sowie Englisch, Arabisch und Paschtu, verfügt über einen iranischen Schul- und einen Lehrabschluss und arbeitete in Iran nach einem abgebrochenen Industriedesignstudium als Friseur.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. In Iran leben der Bruder und die Eltern des Beschwerdeführers. Zu ihnen hat der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt. Das Verhältnis ist gut.

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung von Passkontrollen aus Iran aus, illegal nach Österreich ein und stellte am 27.09.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht besteht nicht.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner physischen oder psychischen (schweren oder lebensbedrohlichen) Erkrankung und ist arbeitsfähig.

In Österreich leben die asylberechtigte Schwester und Nichte des Beschwerdeführers, um die er sich manchmal kümmert. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Freundin XXXX in einem gemeinsamen Haushalt und ist finanziell von ihr abhängig. Er ist mit ihr seit rund elf Monaten zusammen. Der Beschwerdeführer verfügt über keine weiteren familiären oder sonstigen verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen in Österreich. Er ist in Österreich nicht Mitglied in Vereinen oder anderen Organisationen und besucht keine Schule bzw. absolviert keine Ausbildung. Er besucht gelegentlich den Gottesdienst der evangelischen Gemeinde XXXX oder XXXX . Die Kontakte zu seiner Freundin bzw. zur evangelischen Gemeinde entstanden zu einem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer bereits seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Der Beschwerdeführer bezieht in Österreich Leistungen aus der Grundversorgung, hat in Österreich zu keinem Zeitpunkt gearbeitet und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer hat sechs Monate ein Volontariat in einem Altenheim absolviert und hat eine Einstellungszusage bei einem Friseursalon. Er schneidet manchmal unentgeltlich die Haare.

Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf einem Niveau über A1, eine einfache Unterhaltung auf Deutsch war in der mündlichen Verhandlung möglich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer wuchs in Iran als schiitischer Moslem auf und entstammt einer mäßig religiösen Familie.

Es wird festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer in Iran nicht tiefergehend dem Christentum zuwandte oder christlich missionierte. Es wird festgestellt, dass dies dem Beschwerdeführer von iranischen Behörden oder Privatpersonen auch nicht unterstellt wird.

In Österreich besucht der Beschwerdeführer seit Herbst 2016 regelmäßig die Gottesdienste der Evangelischen Gemeinde A.B. in XXXX , seit Jänner 2018 etwa einmal im Monat in XXXX . Er wurde von der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. XXXX am 30.11.2019 nach Besuch eines Vorbereitungskurses getauft. Der Beschwerdeführer verfügt über kein tiefergehendes Wissen zum Christentum.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht aus einem innerem Entschluss zum Christentum konvertiert ist und die christliche Glaubensüberzeugung aktuell nicht derart ernsthaft ist, sodass sie Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers wurde. Es wird davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Iran nicht privat oder öffentlich zum christlichen Glauben bekennen wird.

Der Beschwerdeführer hat am Rücken eine Tätowierung in Form einer Figur mit Flügeln.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht missionarisch tätig und beabsichtigt nicht ernsthaft, dies in Zukunft zu tun. Die iranischen Behörden wissen von den oben festgestellten christlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers in Österreich nicht Bescheid. Von den Verwandten des Beschwerdeführers, die davon wissen, geht keine Bedrohung aus.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Iran keine Verfolgung aufgrund (unterstellter) oppositioneller Gesinnung droht.

Der Beschwerdeführer brachte keine weiteren Gründe, warum er eine Rückkehr in den Heimatstaat fürchtet, vor.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 14. Juni 2019 (LIB 2019) ergibt sich wie folgt:

Zur Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 11.6.2019

* BMeiA - Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.6.2019): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 11.6.2019

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.6.2019): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 11.6.2019

* ÖB - Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

Zur medizinischen Versorgung

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend - laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt (GIZ 3.2019c). Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 29.4.2019a). Auch wenn der Zugang zu gesundheitlicher Erstversorgung größtenteils gewährleistet ist, gibt es dennoch gravierende Qualitätsunterschiede einzelner Regionen. Zum Beispiel liegt der Unterschied der Lebenserwartung im Vergleich mancher Regionen bei bis zu 24 Jahren. Folgende sieben Provinzen weisen eine niedrigere Qualität als die Referenz-Provinz Teheran auf: Gilan, Hamadan, Kermanschah, Khuzestan, Tschahar Mahal und Bachtiyari, Süd-Khorasan sowie Sistan und Belutschistan. Politische Reformen wurden bereits unternommen, um einen gleichmäßigeren Zugang zu Gesundheitsdiensten zu schaffen. Nichtsdestotrotz gibt es noch eine Vielzahl an Haushalten, die sich keine ausreichende gesundheitliche Versorgung leisten können. Gesundheitsdienste sind geographisch nicht nach Häufigkeit von Bedürfnissen, sondern eher nach Wohlstand verteilt (ÖB Teheran 12.2018).

Seit der islamischen Revolution hat sich das iranische Gesundheitssystem konstant stark verbessert. Die iranische Verfassung sichert jedem Staatsbürger das Recht zu, den jeweiligen höchst erreichbaren Gesundheitszustand zu genießen. Die Verwirklichung dieses Zieles obliegt dem Ministerium für Gesundheit und medizinische Ausbildung. Jede Provinz beheimatet mindestens eine medizinische Universität. Neben dem zuständigen Ministerium und den Universitäten gibt es auch Gesundheitsdienstleister des privaten Sektors und NGOs. Diese bedienen jedoch eher die sekundäre und tertiäre Versorgung, während die Primär-/Grundversorgung (z.B. Impfungen, Schwangerschaftsvorsorge) staatlich getragen wird. Notfallhilfe bei Natur- oder menschlich verursachten Katastrophen wird durch den gut ausgestatteten und flächendeckend organisierten iranischen Roten Halbmond besorgt (ÖB Teheran 12.2018). In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren (IOM 2018).

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. IOM 2018). Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten "Hohen Versicherungsrat" (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die "Organisation für Sozialversicherung" (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen. Viele Kliniken und Spitäler dieser Organisation befinden sich in städtischen Gegenden. Die "Organisation für die Versicherung medizinischer Dienste" (MSIO) wurde 1994 gegründet, um Beamte und alle Personen, die nicht von anderen Versicherungsorganisationen berücksichtigt wurden, zu versichern. Dadurch stieg die Anzahl an Versicherten in Iran von 40% in 1994 auf 90% in 2010. Für anerkannte Flüchtlinge wurde eine eigene Versicherungsorganisation geschaffen. Daneben kümmern sich Wohltätigkeitsorganisationen, u.a. die "Imam Khomeini Stiftung", um nicht versicherte Personen, etwa Mittellose oder nicht anerkannte Flüchtlinge, wobei letztere kaum Chancen auf eine gute Gesundheitsversorgung haben (ÖB Teheran 12.2018). Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2019c).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern abgedeckt (IOM 2018).

Alle iranischen StaatsbürgerInnen inklusive Rückkehrende haben Anspruch auf grundlegende Gesundheitsleistungen (PHC) sowie weitere Angebote. Es gibt, wie bereits oben beschrieben, zwei verschiedene Arten von Krankenversicherung: Versicherung über den Arbeitsplatz oder private Versicherung. Beide werden von der öffentlichen Versicherung im Iran TAMIN EJTEMAEI verwaltet. Die Anmeldung erfolgt über www.tamin.ir/. Die Leistungen variieren dabei je nach gewähltem Versicherungsschema. Informationen zu verschiedenen Varianten erhält man bei der Anmeldung. Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können noch verlangt werden. Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird. Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen, sobald die Person eine Arbeit in Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2018).

Im Zuge der aktuellen Sanktionen gegen den Iran ist es zu gelegentlichen Engpässen beim Import von speziellen Medikamentengruppen gekommen. Im Generellen gibt es aber keine ernsten Mängel an Medizin, FachärztInnen oder Equipment im öffentlichen Gesundheitssystem des Iran. Pharmazeutika werden zumeist unter Führung des Gesundheitsministeriums aus dem Ausland importiert. Zusätzlich gibt es einen privaten Sektor mit variierenden Preisen, für BürgerInnen die Privatkrankenhäuser und Spezialleistungen in Anspruch nehmen wollen. Diese finden sich vor allem in den größeren Städten. Die öffentlichen Einrichtungen bieten zwar grundsätzlich fast alle Leistungen zu sehr niedrigen Preisen an, aber aufgrund langer Wartezeiten und überfüllter Zentren, entscheiden sich einige für die kostenintensivere Behandlung bei privaten Gesundheitsträgern (IOM 2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (29.4.2019a): Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/iransicherheit/202396, Zugriff 29.4.2019

* GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019c):

Gesellschaft Iran, https://www.liportal.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 29.4.2019

* IOM - International Organization for Migration (2018):

Länderinformationsblatt Iran,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772190/18364150/Iran_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101480&vernum=-2, Zugriff 29.4.2019

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 29.4.2019

Zu Dokumenten (einschließlich Überprüfung)

Gefälschte bzw. mit falschen Angaben erstellte Dokumente sind in Iran einfach erhältlich (ÖB Teheran 12.2018; vgl. AA 12.1.2019), z. B. ein echtes Stammbuch (Shenasname), in das Privatpersonen eine nicht existierende Ehefrau eintragen (AA 12.1.2019). Die vorgelegten Dokumente sind in den meisten Fällen echt, der Inhalt gefälscht oder verfälscht. Sowohl die von iranischen Behörden als auch von der afghanischen Botschaft in Iran ausgestellten Dokumente bestätigen unrichtige Angaben. Eine Überprüfung ist seitens der österreichischen Botschaft nicht möglich. Die Überprüfung von Haftbefehlen kann von der Botschaft aufgrund von Datenschutz nicht durchgeführt werden. Die Überprüfung von Dokumenten von Afghanen (Aufenthaltsbestätigungen, Arbeitserlaubnis,...) ist auch kaum möglich, da deren Erfassung durch die staatlichen Behörden selten erfolgt, viele illegal im Land sind, geduldet werden und sich auch die Wohnorte häufig ändern. Allfällige allgemeine Erhebungen durch den Vertrauensanwalt führen daher zu nicht wirklich belastbaren, da nicht überprüfbaren Aussagen. Die afghanische Botschaft hat laut UNHCR jedenfalls kürzlich begonnen, Identitätsnachweise an afghanische Personen in Iran auszustellen (ÖB Teheran 12.2018).

Die offizielle Registrierungsbehörde nimmt alle iranischen Staatsangehörigen in ihre Datenbank auf. Auslandsvertretungen sind nicht ermächtigt, Auskünfte einzuholen. Ein formales Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren ist nicht bekannt (AA 2.3.2018).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (2.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in derIslamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437849/4598_1531218967_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-dezember-2017-02-03-2018.pdf, Zugriff 29.4.2019

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff29.4.2019

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 29.4.2019

Zu Apostasie und Konversion

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht (ÖB Teheran 12.2018). Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "mohareb" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen "mohareb" (ÖB Teheran 12.2018, vgl. DIS/DRC 23.2.2018). Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt (DIS/DRC 23.2.2018). Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen (Open Doors 2019). Anklagen lauten meist auf "Organisation von Hauskirchen" und "Beleidigung des Heiligen", wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (AA 12.1.2019). Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar] (AA 12.1.2019, vgl. AI 22.2.2018). Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt (Open Doors 2019).

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen (AA 12.1.2019). Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen "Missionsarbeit" verurteilt (HRW 17.1.2019). In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind (ÖB Teheran 12.2018).

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben) (ÖB Teheran 12.2018).

Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Außerdem werden Personen, die vom schiitischen zum sunnitischen Glauben übertreten und dies öffentlich kundtun, zunehmend verfolgt. Im derzeitigen Parlament sind Sunniten (vorwiegend aus Sistan-Belutschistan) vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 12.2018).

Die Schließungen der "Assembly of God"-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie - obwohl sie verboten sind - trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da man zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen will, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet (FH 4.2.2019). Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind (DIS/DRC 23.2.2018).

Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch "low-profile" Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen, und wenn es ein prominenter Fall ist, werden diese Personen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen, mit der Bedingung, dass sie sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden i.d.R. aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen (DIS/DRC 23.2.2018).

Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt - oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen (ÖB Teheran 12.2018). Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Open doors 2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (DIS/DRC 23.2.2018).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (DIS/DRC 23.2.2018).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (DIS/DRC 23.2.2018).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (US DOS 29.5.2018).

Zu Grundversorgung und Rückkehr:

Die Grundversorgung ist in Iran gesichert, wozu neben staatlichen Hilfen auch das islamische Spendensystem beiträgt. Der Mindestlohn liegt bei ca. 14 Mio. IRR im Monat (ca. 97 Euro). Das durchschnittliche pro Kopf Einkommen liegt bei ca. 388 Euro (AA 12.1.2019).

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. (AA 12.1.2019)

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

* Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 3.6.2019

* AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html, Zugriff 3.6.2019

* DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Councile (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran, Iran, Ankara, Turkey and London, United Kingdom, 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf, Zugriff 3.6.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 3.6.2019

* HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 3.6.2019

* ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 3.6.2019

* Open Doors (2019): Weltverfolgungsindex 2019 Länderprofil Iran, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran, Zugriff 3.6.2019

* US DOS - US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436871.html, Zugriff 3.6.2019

Aus dem Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019) ergibt sich wie folgt:

Ein Mitglied einer Hauskirche, das Mission betreibt, an christlichen Konferenzen außerhalb Irans teilnimmt, sich möglicherweise auch im Besitz christlicher Materialen befindet und insofern in den Fokus der Ordnungskräfte oder Geheimdienste geraten kann, wird bestenfalls vernommen und verwarnt. Es kann aber auch zu einer Festnahme mit anschließendem Strafverfahren führen. Das Ziel der vorgenannten Sicherheitskräfte ist nicht die Privatperson, sondern die Hauskirche als Organisation und die aktiv missionierenden Führungspersonen. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall eines Konvertiten bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hat. Mitglieder von Hauskirchen, die nicht der Leitung der Gemeinschaft zugerechnet werden, werden oftmals nach einer zweitägigen Haft und verschiedenen Vernehmungen, in deren Verlauf sie zu der Organisation der Hauskirche und eventuellen noch nicht bekannten Mitgliedern befragt werden, wieder auf freien Fuß gesetzt. (S 8f.)

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet. (S 11)

Die zu Apostasie und Konversion festgestellte Situation stellt sich im gesamten iranischen Staatsgebiet gleichermaßen dar.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Erstbefragung; EB) und durch das BFA (EV) sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (VH), der Beschwerdeschriftsatz, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran vom 14. Juni 2019 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der Länderreport 10 Iran zur Situation der Christen des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Stand 3/2019), die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente (Taufschein, Bestätigungen über den Besuch von Gottesdienstbesuchen, Deutschkursen, Friseurkursen, Taufkurs, Glaubenskurs und Volontariat, Einstellungszusage, Empfehlungsschreiben, Schreiben auf Farsi mit Übersetzung, Meldebestätigung, Foto der Tätowierung), die Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung und die Strafregisterabfrage vom 16.01.2020.

2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer - betreffend weitere Personenmerkmale (Alter, Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Herkunftsregion, Sprachkenntnisse, Ausbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse und Gesundheitszustand) sowie seine Situation in Österreich für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln, und war der Beschwerdeführer diesbezüglich auch in der mündlichen Verhandlung persönlich glaubwürdig.

Die Feststellung der illegalen Ausreise ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung (EB, AS 5) und der Einvernahme (EV, AS 93). Die Feststellung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung (VH, S. 3, 32); auch wenn der Beschwerdeführer vorbringt, Asthma zu haben, so handelt es sich hierbei nicht um eine schwere oder lebensbedrohliche Krankheit und schränkt sie auch seine Arbeitsfähigkeit nicht ein, weil er selbst angegeben hat, freiwillig in einem Altenheim gearbeitet zu haben (vgl. Volontariatsbestätigung) und immer wieder Kindern oder Senioren die Haare zu schneiden (VH, S. 28f.).

Die Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den vorgelegten, unstrittigen Dokumenten (Bestätigungen über Gottesdienstbesuche, Einstellungszusage, Deutschkursbestätigungen, Meldebestätigung, Volontariatsbestätigung) und der Einvernahme in der mündlichen Verhandlung sowie den Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung. Betreffend die Deutschkenntnisse legte der Beschwerdeführer Bestätigungen über Kursbesuche auf dem Niveau A1.1 und A1.2 vor und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung ein aktuelles Bild von den in Grundzügen vorhandenen Deutschkenntnissen machen.

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und kam bereits zu dem Schluss, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ist.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte sich die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens und ist dazu näher auszuführen wie folgt:

2.2.2.1. Zu den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfällen in Iran

Der Beschwerdeführer brachte in der VH erstmals vor, dass der Exmann der Schwester, der auch bei der Sittenpolizei gewesen sei, Auslöser für die Hausdurchsuchung gewesen sei, was als Steigerung zu werten ist. Vor dem BFA gab er noch an, nicht zu wissen, wie die Zivilpolizei zu den Informationen gekommen sei (AS 94). Ebenfalls neu ist die erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Bedrohung der Schwester durch einen Mann in Österreich (VH, S. 16f.). Widersprüchlich ist weiters, dass der Beschwerdeführer einmal angab, die Bilder und Texte, die seine Schwester gemalt und geschrieben habe, nur verteilt zu haben (EB, AS 5), dann wieder, die Bilder mit einem aus dem Internet ausgesuchten Vers versehen und verteilt zu haben (EV, AS 93). Angesichts dessen, dass dies die einzige religiöse Betätigung des Beschwerdeführers in Iran sowie sein fluchtauslösendes Moment darstellt (vgl. AS 95 und 98, VH S. 12: demnach hat der Beschwerdeführer den christlichen Glauben in Iran nicht praktiziert; auch hat er keine Hauskirchen organisiert), vermochte der Beschwerdeführer aufgrund dieser Widersprüche und Steigerungen sein Fluchtvorbringen nicht glaubwürdig darzulegen. Die Aussage, es gebe in Iran nur den katholischen Zweig (AS 98), zeigt ebenfalls, dass der Beschwerdeführer mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Iran in Bezug auf das Christentum nicht vertraut ist, denn ergibt sich dies weder aus den Länderinformationen, noch aus den Erfahrungen der erkennenden Richterin aufgrund anderer vergleichbarer Verfahren.

Erwähnt sei auch, dass der Beschwerdeführer keine eigenen Wahrnehmungen zur Hausdurchsuchung hat, sondern dies nur seine Mutter ihm berichtete (AS 93), was für eine konstruierte Geschichte spricht. Auch erschließt sich nicht, warum die Behörde den Beschwerdeführer nicht in seinem Friseurladen aufsuchte, wenn sie doch angeblich ein Interesse an seiner Verfolgung gehabt habe. Die Erklärung, sie seien auf der Suche nach ihm und der Schwester gewesen (AS 94), ist nicht tauglich.

Nicht nachvollziehbar sind die Angaben des Beschwerdeführers zur Flucht. So gab er beim BFA an, dass seine Schwester vor ihm geflohen sei, wobei er sich aber nicht genau erinnern könne, wann. Bei Schilderung des Fluchtgrundes verwendete er aber stets die Wörter "wir" bzw. "uns", was eine gemeinsame Flucht mit der Schwester indiziert (vgl. AS 93-95).

Widersprüchlich sind weiters die Ausführungen betreffend den angeblichen "Haftbefehl". Eingangs ist dazu zu bemerken, dass der Beschwerdeführer die entsprechenden Dokumente erst nach Erhalt des negativen Asylbescheides vorlegte. Offenbar wollte er in einem ersten Schritt einen "positiven" Bescheid ohne zusätzliche Beweismittel erlangen. Dies passt zur generellen Vorgehensweise des Beschwerdeführers im Verfahren, welche von Steigerungen im Fluchtvorbringen (z. B. betreffend den Exmann und einen weiteren Verfolger der Schwester) oder asyltaktisch günstig gelegten Terminen (Taufe kurz vor der Verhandlung) gekennzeichnet ist. In der EV vom 27.09.2016 gab der Beschwerdeführer auf ausdrückliche Nachfrage an, seine Mutter habe ihm nicht gesagt, ob es einen Haftbefehl gebe (EV, AS 94). Auch verneinte er, dass in Iran ein Gerichtsverfahren anhängig sei (EV, AS 93). In der Beschwerde vom 15.11.2018 brachte der Beschwerdeführer erstmals vor, gegen ihn sei ein iranischer Haftbefehl erlassen worden und sei er davon von seinem iranischen Anwalt informiert worden. Mit Schreiben vom 28.11.2018 legte der Beschwerdeführer zwei Unterlagen vor, die einen Haftbefehl und einen Gerichtsbeschluss, lautend auf Todesstrafe, darstellen würden; sein iranischer Anwalt hätte diese seiner österreichischen Anwältin übermittelt. Das Bundesverwaltungsgericht ließ die Unterlagen übersetzen. Lt. dieser Übersetzung ist das als Haftbefehl bezeichnete Schreiben mit 08.08.2016 datiert, Grund der Ausstellung des Haftbefehls sei "Missachtung der Anwesenheit im Gericht, nach mehrmaliger gesetzlicher Mitteilungen". Das als "Gerichtsbescheid" bezeichnete Schreiben ist mit 07.04.2017 datiert. "Aufgrund der Ketzerei gegen die islamische Religion und Propaganda gegen die islamische Religion und Anschluss an Christentum" werde der Beschwerdeführer "als Ketzer zum Tode am Galgen verurteilt", nachdem am 29.06.2016 "Anklage laut der Anzeige des Deliktes" eingereicht worden sei.

In der VH gab der Beschwerdeführer an, er habe nicht gewusst, dass er in der EV Dokumente bezüglich seines Todesurteils mitnehmen und vorlegen hätte sollen (VH, S. 5). Allerdings legte der Beschwerdeführer nicht nur die später beigebrachten Unterlagen nicht bei der EV vor, er erwähnte diese nicht einmal, und meinte sogar auf ausdrückliche Nachfrage, seine Mutter habe ihm nicht gesagt, ob es einen Haftbefehl gebe bzw. dass es kein Gerichtsverfahren gebe (EV, S. 93f.). Im Gegensatz dazu war er sehr wohl in der Lage, im behördlichen Verfahren aus eigenem mehrere Dokumente vorzulegen, um sein Geburtsdatum korrigieren zu lassen (u.a. Befähigungsnachweis als Friseur und englische Übersetzung, internationaler Führerschein).

Zusätzlich brachte der Beschwerdeführer in der VH vor, seine Eltern hätten einige Male Schreiben seitens iranischer Gerichte erhalten. Im August 2016 hätten sie das erste Schreiben erhalten, das zweite sei von März/April 2017 und enthalte auch das Urteil. Seine Mutter habe die Originale nicht herschicken können, da sie Angst gehabt habe (VH, S. 5). Sie habe die Schreiben dem Beschwerdeführer jedoch per Mail und WhatsApp geschickt, und zwar den "Haftbefehl" ein paar Tage, nachdem der Beschwerdeführer nach Österreich gekommen sei, den "Gerichtsbeschluss" etwa sechs oder sieben Monate später. Sie hätten sich gedacht, den Brief per Post zu schicken sei zu gefährlich, seine Mutter habe ihn gefragt, ob der "Gerichtsbeschluss" wichtig für die EV sei, der Beschwerdeführer habe aber gesagt, er gehe "so hin, wenn es nicht klappen sollte, soll sie es mir nachschicken" (VH, S. 6). Auf Vorhalt, warum der Beschwerdeführer bei der EV nichts davon gesagt habe, gab er an, er habe nicht gewusst, dass das so wichtig ist, er habe gedacht, solange kein Original dabei sei, könne er das nicht vorlegen (VH, S. 7). Auf Nachfrage, warum er, wenn er den "Gerichtsbeschluss" - wenn auch in Kopie - im März 2017 erhalten habe, er in der EV im September 2018 nichts davon gesagt habe, gab der Beschwerdeführer an, weil er sich mehr auf die Arbeitssuche konzentriert habe und für ihn dieser Brief nicht so wichtig gewesen sei, als Grund (VH, S. 8).

Es ist jedoch gänzlich unverständlich, dass der Beschwerdeführer, wenn gegen ihn in Iran ein Todesurteil vorliegt und er sogar eine Kopie davon hat, dieses in der EV nicht vorlegt - zumal er ja auch andere Unterlagen zur Korrektur seines Geburtsdatums vorzulegen vermochte - und selbst auf ausdrückliche Nachfrage in der EV angab, nicht zu wissen, ob ein Haftbefehl gegen ihn vorliege, wenn er später in der VH angibt, dass er zu diesem Zeitpunkt auch davon schon eine Kopie hatte. Dieser Umstand ist vor allem auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil es sich bei diesen Dokumenten ja gerade um solche handelt, die sein Fluchtvorbringen stützen würden. Derartiges nicht in einer Einvernahme im Asylverfahren vorzulegen ist in keinster Weise verständlich.

Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer in der Beschwerde und im Schreiben, mit dem der "Gerichtsbeschluss" vorgelegt wurde, betont, dass ihn sein iranischer Anwalt von diesen Unterlagen informiert habe. In der VH brachte er jedoch im Widerspruch dazu vor, seine Mutter habe ihm mehrmals diese Unterlagen geschickt, sie seien seinen Eltern zu Hause zugestellt worden. Darüber hinaus erhellen auch die auf den Unterlagen angegebenen Daten nicht den Verlauf: der Beschwerdeführer gab an, kurz nach der Hausdurchsuchung im September 2016 Iran verlassen zu haben. Der "Haftbefehl" ist jedoch mit 08.08.2016 datiert, Grund sei "Missachtung der Anwesenheit im Gericht". Der Beschwerdeführer hat jedoch im gesamten Verfahren nicht angegeben, aus irgendwelchen anderen Gründen als dem Verteilen christlicher Bilder zu Gericht vorgeladen worden zu sein oder diese Vorladungen missachtet zu haben, und ist unklar, wie dies vor der "Hausdurchsuchung" geschehen hätte können. Lt. "Gerichtsbeschluss" sei auch schon am 29.0

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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