TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/24 96/18/0475

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Veröffentlicht am 24.03.1998
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Index

10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
PaßG 1992 §14 Abs1 Z4;
SPG 1991 §16;
VerbotsG 1947 §3g;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des W in Sibratsgfäll, vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt in Graz, Marburger Kai 47, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Mai 1996, Zl. 9 564 508/8-III/12/95, betreffend Versagung der Ausstellung eines Reisepasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 21. Mai 1996 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 Z. 4 Paßgesetz 1992 idF BGBl. Nr. 507/1995 die Ausstellung eines Reisepasses versagt.

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 9. Dezember 1991 des Verbrechens nach § 3g Abs. 1 Verbotsgesetz idF vor der Novelle 1992 schuldig erkannt worden sei. Danach habe er sich in den Monaten Februar 1989, April 1989 bis März 1990 und Juni 1990 in Sibratsgfäll und an anderen Orten Vorarlbergs durch die Redigierung, Herausgabe, Verlegung und Versendung der Zeitschrift "SIEG-AJ-Presse-Dienst" auf eine andere als die in den §§ 3a bis f Verbotsgesetz bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, nämlich hinsichtlich der Hefte 2, 4/5, 6, 7, 8/9, 10, 11/12 aus 1989, 1, 2/3 und 6 aus 1990, in denen nach ihrer Anlage, Aufmachung, den darin enthaltenen Bildern und nach dem Inhalt der Artikel und Beiträge insgesamt gegen das jüdische Volk und seine Angehörigen gehetzt, Ausländerfeindlichkeit geschürt, einseitig das Deutschtum verherrlicht, die Eigenstaatlichkeit Österreichs geleugnet werde, Maßnahmen einschließlich der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges und Zielsetzungen des von Adolf Hitler beherrschten "Dritten Reiches", insbesondere menschenrechtswidrige Gewaltmaßnahmen des damaligen Regimes, objektiv einseitig und propagandistisch vorteilhaft dargestellt würden, vor allem durch Rechtfertigung der im "Dritten Reich" und den von ihm im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten betriebenen Konzentrationslagern, Verharmlosung der dort vorgekommenen Todesfälle, wobei den damaligen Kriegsgegnern des deutschen Reiches die Schuld daran (Bombardierung der Zufahrtswege) zugeschoben werde, insbesondere durch die im Urteilsspruch im einzelnen aufgelisteten Darstellungen bzw. Artikel.

Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 17. Juli 1992 sei die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verworfen und der dagegen gerichteten Berufung teilweise, und zwar dahin Folge gegeben worden, daß die Dauer der über den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe (von drei Jahren) - im Hinblick auf die Herabsetzung der Untergrenze des Strafsatzes durch § 3g Verbotsgesetz idF der Novelle 1992, BGBl. Nr. 148, - auf zwei Jahre herabgesetzt worden sei. Der Begründung dieses Urteiles sei zweifelsfrei zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer wegen seines demonstrativen Eintretens gegen die staatliche Eigenständigkeit der Republik Österreich, der darin zum Ausdruck kommenden Anschlußpropaganda und der hiebei propagandierten nationalsozialistischen Zielsetzungen und Wertvorstellungen, verbunden mit der Rechtfertigung und Leugnung nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen, verurteilt worden sei.

Das - wie im Fall des Beschwerdeführers - durch rechtskräftige Verurteilung festgestellte Verbrechen nach § 3g Abs. 1 Verbotsgesetz stelle jedenfalls eine Tatsache dar, die die Annahme rechtfertige, daß durch den Aufenthalt des Paßwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Dem Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer hätte sich seit seiner Haftentlassung am 20. Februar 1995 wohlverhalten, sei entgegenzuhalten, daß einerseits die seither verstrichene Zeit zur Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers zu kurz sei und andererseits bereits der Oberste Gerichtshof in der Begründung seines Urteiles ausgeführt habe, es wäre aufgrund der von einschlägiger Beharrlichkeit gekennzeichneten Täterpersönlichkeit des Beschwerdeführers problematisch, begründet anzunehmen, er würde keine weiteren (einschlägigen) strafbaren Handlungen mehr begehen.

Hinsichtlich des Berufungseinwandes, es würden dem Beschwerdeführer bereits verbüßte Straftaten vorgeworfen, was gemäß § 113 StGB pönalisiert wäre, werde festgehalten, daß der Gesetzgeber die belangte Behörde verhalte, nach § 14 Abs. 1 Z. 4 Paßgesetz 1992 in allen jenen Fällen, in denen Tatsachen, wie hier das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 17. Juli 1992, die Annahme rechtfertigten, daß durch den Aufenthalt des Paßwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit gefährdet würde, was auf der Grundlage der Begründung des genannten Urteiles anzunehmen sei, die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen.

Das Berufungsvorbringen, es wäre der vom Beschwerdeführer als Zeuge namhaft gemachte Dr. H.H. zum Beweis dafür, daß jener keinerlei Aktivität in bezug auf seine ehemalige Tätigkeit bzw. Herausgabe der Zeitschrift "Sieg" mehr gesetzt und mit dieser Zeitschrift nichts mehr zu tun hätte, von der Zweitinstanz nicht vernommen worden, vermöge an der gegebenen Sach- und Rechtslage nichts zu ändern, weil einerseits weitere einschlägige, die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdende strafbare Handlungen vom Beschwerdeführer auch ohne Aktivitäten im Zusammenhang mit der Zeitschrift "Sieg" begangen werden könnten und andererseits die "Hörung" des Dr. H.H. an dem Urteil des Obersten Gerichtshofes, das eine "objektive Tatsache gem. § 45 AVG 1991" darstelle, nichts zu ändern vermocht hätte.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 4 Paßgesetz 1992 idF der Paßgesetz-Novelle 1995, BGBl. Nr. 507, (in der Folge: PaßG), ist (u.a.) die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß durch den Aufenthalt des Paßwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Nach § 3g Verbotsgesetz idF der Verbotsgesetz-Novelle 1992, BGBl. Nr. 148, (in der Folge: VerbotsG), wird, wer sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung strenger strafbar ist, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu 20 Jahren bestraft.

2.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde eine unrichtige Anwendung des § 14 Abs. 1 Z. 4 PaßG vor. Bei den nach dieser Bestimmung geforderten "Tatsachen" handle es sich schon zufolge des Wortlautes um "erwiesene Sachverhalte". Als solche seien seitens der belangten Behörde "die die Verhängung einer unbedingten Strafe und deren Ausmaß darlegenden Gründe des Obersten Gerichtshofes" herangezogen und völlig übergangen worden, daß es sich hiebei nicht mehr um aktuelle, sondern um der Verurteilung des Beschwerdeführers vorangehende, diese begründende Umstände handle. Mit Verbüßung der unbedingten Freiheitsstrafe durch den Beschwerdeführer seien "diese Ausführungen selbst hinfällig geworden, andernfalls es nicht der Verhängung der seitens des Obersten Gerichtshofes ausgemessenen zweijährigen unbedingten Freiheitsstrafe bedurft hätte, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten".

2.2. Die belangte Behörde hat - woran die Begründung des angefochtenen Bescheides keine Zweifel aufkommen läßt - im Kern in der der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zugrunde liegenden Straftat der Betägigung im nationalsozialistischen Sinn nach § 3g VerbotsG die die im § 14 Abs. 1 Z. 4 PaßG umschriebene Annahme rechtfertigende Tatsache erblickt. Sie hat, wie sich aus der Wiedergabe einzelner Begründungspassagen des oberstgerichtlichen Urteiles vom 17. Juli 1992 in der Begründung des bekämpften Bescheides ergibt, darüber hinaus auch noch die Tat und die Täterpersönlichkeit charakterisierende Erwägungen des Gerichtes als Gesichtspunkte in ihre Überlegungen miteinbezogen, welche ihrer Ansicht nach die nach § 14 Abs. 1 Z. 4 PaßG zu treffende Prognose abzusichern vermögen. Damit hat die belangte Behörde ihrer zukunftsorientierten Beurteilung (= Annahme) nach dieser Gesetzesstelle nicht - wie die Beschwerde fälschlich meint - die Begründung des Gerichtes für die Verhängung der Freiheitsstrafe bzw. die Bemessung von deren Ausmaß zugrundegelegt, sondern hiefür die inkriminierte Straftat des Beschwerdeführers in den im besagten Urteil des Obersten Gerichtshofes dargestellten Begehungsformen (vgl. oben I.1.) herangezogen. Daß sich die belangte Behörde zur Feststellung dieses von ihr als maßgeblich erachteten Sachverhaltes auf die Ergebnisse des gerichtlichen Strafverfahrens, wie sie in dem oberstgerichtlichen Urteil vom 17. Juli 1992 iVm dem Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 9. Dezember 1991 zum Audruck kommen, gestützt hat, begegnet im Hinblick auf den im Verwaltungsverfahren geltenden Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel (§ 46 AVG) keinen Bedenken.

3. Zu prüfen bleibt, ob der von der belangten Behörde solcherart ermittelte und von ihr als maßgeblich gewertete Sachverhalt eine Tatsache darstellt, welche die im § 14 Abs. 1 Z. 4 PaßG umschriebene Annahme rechtfertigt. Der für diese Beurteilung wesentliche Begriff der "Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit" wird in der genannten Gesetzesstelle nicht näher bestimmt. Welcher Inhalt ihm zukommt, ergibt sich insbesondere aus § 16 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, der den sicherheitspolizeilichen Gefahrbegriff definiert. Danach besteht eine die öffentliche Sicherheit gefährdende "allgemeine Gefahr" u.a. - nur dieser Tatbestand ist für den vorliegenden Fall von Relevanz - bei einem "gefährlichen Angriff" (§ 16 Abs. 1 Z. 1 SPG). Gemäß § 16 Abs. 2 leg. cit. ist ein gefährlicher Angriff die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer (Z. 3) nach dem Verbotsgesetz strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird. Damit ist klargestellt, daß die Delikte des Verbotsgesetzes einen "gefährlichen Angriff" und solcherart eine "allgemeine Gefahr" gemäß § 16 Abs. 1 SPG begründen. Diese Qualifizierung führt unter Zugrundelegung der Auslegung der im § 14 Abs. 1 Z. 4 PaßG bezeichneten "Gefährdung" mit Hilfe des Gefahrbegriffes des § 16 Abs. 1 und 2 SPG dazu, daß ein dem § 3g VerbotsG zu subsumierendes Verbrechen eine Gefahr für die "innere oder äußere Sicherheit" der Republik Österreich bewirkt.

Im Hinblick darauf, daß dem Beschwerdeführer erwiesenermaßen (und unbestritten) ein solches Verbrechen zur Last liegt, vermag der Gerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, daß durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland eine Gefährdung i.S. des § 14 Abs. 1 Z. 4 PaßG gegeben wäre, nicht als rechtswidrig zu erkennen; dies umso weniger als zum einen das deliktische Verhalten des Beschwerdeführers durch eine Vielzahl strafbarer Handlungen während eines längeren Zeitraumes gekennzeichnet ist und zum anderen, worauf die Zweitinstanz zutreffend hingewiesen hat, der Beschwerdeführer bereits in den Jahren 1978 und 1983 wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs. 2 StGB verurteilt worden war und er des weiteren Verurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Verstöße gegen das Presse- bzw. Mediengesetz (zuletzt vom 5. April 1989) aufweist.

4. Auf dem Boden des Vorgesagten erweist sich die als Verfahrensmangel geltend gemachte Unterlassung der im Verwaltungsverfahren beantragten Vernehmung des Dr. H.H. als Zeugen zum Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer mit der Herausgabe, Verlegung und Versendung der Zeitschrift "Sieg AJ Pressedienst" in keinem Zusammenhang mehr stehe, als nicht zielführend, vermöchte doch dieser Umstand für sich gesehen - wenn er zuträfe - die aus dem genannten Gesamtverhalten des Beschwerdeführers resultierende Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich im Fall seines Aufenthaltes im Ausland nicht (wesentlich) zu schmälern oder gar zu beseitigen. Gleiches gilt in Ansehung der gerügten Unterlassung der beantragten Einvernahme des Beschwerdeführers zum selben Beweisthema.

5. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen haftet dem bekämpften Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an, weshalb die Beschwerde - unter Abstandnahme von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG) - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Grundsatz der Unbeschränktheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996180475.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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