TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/23 W237 1403876-3

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Veröffentlicht am 23.03.2020
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Entscheidungsdatum

23.03.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z1

Spruch

W237 1403876-3/12E

Schriftliche Ausfertigung des am 12.02.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen Spruchpunkt VII. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.11.2019, Zl. 770648800-190699774, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.02.2020 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 2 Z 1 und 2 FPG auf drei Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl leitete von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung des dem Beschwerdeführer zukommenden Status des Asylberechtigten ein. Am 26.09.2019 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in diesem Zusammenhang eine Einvernahme mit dem Beschwerdeführer statt.

Mit Bescheid vom 11.11.2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.08.2009 zuerkannten Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters erkannte es dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation fest (Spruchpunkt V.), legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.) und erließ schließlich gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gegenüber dem Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

2. Gegen Spruchpunkt VII. dieses Bescheids erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26.11.2019 über seinen gewillkürten Rechtsanwalt eine näher begründete Beschwerde. Der Beschwerdeschriftsatz wurde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 05.12.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.

Am 12.02.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung mit dem Beschwerdeführer und einem Vertreter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl statt. Unmittelbar nach Schluss der Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer gegenüber das Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet. Am 14.02.2020 stellte der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, der im Sommer 2007 nach Österreich gelangte. Mit Erkenntnis von 27.08.2009 erkannte der Asylgerichtshof dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zu.

Er lebte in der Folge bis zum Entscheidungszeitpunkt in Österreich und ist derzeit in Salzburg wohnhaft. Von seiner ebenso im Bundesgebiet lebenden Ehefrau, mit der einen Sohn im Alter von 14 Jahren und eine Tochter im Alter von 12 Jahren hat, ließ er sich im Jahr 2013 scheiden. Die Ex-Frau und die Kinder des Beschwerdeführers zogen von Salzburg im Sommer 2019 nach Linz. Diese Entscheidung trafen der Beschwerdeführer und seine Ex-Frau im Einvernehmen, um dem schulisch besonders betreuungsbedürftigen Sohn eine bessere Ausbildung in Linz zu ermöglichen. Die Ex-Frau des Beschwerdeführers leidet unter Gebärmutterkrebs und befindet sich in Chemotherapie. Bis zu ihrem Umzug nach Oberösterreich sah der Beschwerdeführer seine Kinder nahezu täglich, seither in etwa einmal pro Monat. Allerdings befindet er sich in häufigem telefonischen Kontakt mit seinen Kindern und steht ihnen in Bezug auf die Erkrankung ihrer Mutter sowie ihre allgemeine Lebenssituation psychisch bei. Weiters hält der Beschwerdeführer Kontakt zu seinem ebenfalls in Salzburg lebenden Bruder, der ihn in unregelmäßigen Abständen finanziell unterstützt. Zu einem in Wien lebenden Cousin hält der Beschwerdeführer keinen Kontakt.

Der Beschwerdeführer arbeitet als Hausmeister für seinen Vermieter, mit dem er eng befreundet ist und den er fast jeden Tag sieht. Das Einkommen des Beschwerdeführers beträgt in etwa 1200,- Euro netto, wovon er aber die Hälfte zur Abzahlung seiner Schulden aufbringen muss. Der Vermieter des Beschwerdeführers hat dem Beschwerdeführer in diesen Belangen bereits mit mehreren tausend Euro geholfen.

1.2. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet wiederholt straffällig:

1.2.1. Am XXXX versuchte er in Salzburg, eine andere Person durch eine gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen und mit Gewalt - und zwar vorerst durch die Ankündigung, einen Spielautomaten durch einen Glasaschenbecherwurf zu beschädigen, und anschließende Ausführung dieses Wurfes - zur Wiederausfolgung eines zuvor verspielten Geldbetrags von 200,- Euro zu nötigen, und zerstörte dabei die Auslagenscheibe des Spiellokals. Für diese Tat wurde er am XXXX durch das XXXX wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach § 15 Abs. 1 iVm § 105 Abs. 1 StGB zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt. Das Landesgericht wertete das Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd, als erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen. Der Beschwerdeführer sieht heute das Unrecht der Tat vom XXXX ein.

1.2.2. Am XXXX bedrohte der Beschwerdeführer einen Mann durch die Äußerung "Komme her und ich bringe dich um", wobei er ein Messer in der Hand hielt. Das XXXX verurteilte den Beschwerdeführer für diese Tat mit Urteil vom XXXX wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten; dabei berücksichtigte es die einschlägige Vorstrafe als erschwerend. Der Beschwerdeführer negiert seine Handlung vom XXXX zwar nicht, beruft sich aber auf Selbstschutz.

1.2.3. Im Zeitraum zwischen XXXX und XXXX leistete der Beschwerdeführer für seine beiden Kinder keine Unterhaltszahlungen, wodurch ihr Unterhalt ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre. Das XXXX verurteilte den Beschwerdeführer deshalb am XXXX wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

1.3. Weiters beging der Beschwerdeführer eine Vielzahl von Verwaltungsübertretungen:

1.3.1. Im Zeitraum der letzten Jahre beging der Beschwerdeführer zumindest ein Dutzend Verstöße gegen die StVO, die er nicht bestreitet.

1.3.2. Er meldete im XXXX sechs bei ihm geringfügig beschäftigte Arbeiter nicht ordnungsgemäß beim zuständigen Krankenversicherungsträger an, wofür er mit Straferkenntnis des Magistrats Salzburg vom XXXX mit einer Geldstrafe in der Höhe von XXXX Euro betraft wurde.

Zumindest am XXXX übte der Beschwerdeführer auf eigene Rechnung und Gefahr Verspachtelungsarbeiten und damit das Gewerbe "Verspachteln von Decken und Wänden aller Art" ohne die dafür erforderliche Gewerbeberechtigung aus, weshalb er gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO mit einer Geldstrafe in der Höhe von 440,- Euro bestraft wurde. Seine Taten von XXXX betrachtet der Beschwerdeführer heute als Dummheit.

1.3.3. Darüber hinaus versuchte er, für die Jahre XXXX und XXXX Abgaben zu verkürzen, weshalb das Finanzamt Salzburg-Stadt mit Strafverfügung vom XXXX eine Geldstrafe in der Höhe von 3.500,- Euro verhängte. Dass es zu einer Abgabenverkürzung in den Jahren XXXX und XXXX kam, bestreitet der Beschwerdeführer nicht und erachtet dafür seine damalige Steuerberaterin verantwortlich.

1.3.4. Am Abend des XXXX beschimpfte und bespuckte er in Salzburg auf offener Straße eine Frau mit den Worten "Was willst du depperte Hure mit deinem depperten Hund?", wofür er mit Straferkenntnis des Magistrats Salzburg vom XXXX mit einer Geldstrafe in der Höhe von 300,- Euro betraft wurde. Der Beschwerdeführer bestreitet heute, jemals eine solche Tathandlung gesetzt zu haben.

1.3.5. Im April XXXX gab er seinen Wohnsitz auf und teilte die Wohnsitzänderung der Meldebehörde bis zum XXXX nicht mit, weshalb das Magistrat Salzburg am XXXX eine Geldstrafe von 50,- Euro verfügte. An diese Verletzung seiner Meldepflicht und die deshalb erfolgte Strafe hat der Beschwerdeführer heute keine Erinnerung mehr.

1.3.6. Der Beschwerdeführer bemühte sich bis zum Entscheidungszeitpunkt nach Maßgabe seiner finanziellen Möglichkeiten um die Bezahlung sämtlicher Verwaltungsstrafen.

1.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannte mit Bescheid vom 11.11.2019 dem Beschwerdeführer den mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.08.2009 zuerkannten Status des Asylberechtigten ab und den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu; weiters erteilte es keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation fest, legte die Frist für seine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest und erließ ihm gegenüber schließlich ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot. Der Beschwerdeführer erhob nur gegen die Verhängung des Einreiseverbots Beschwerde.

Bis zum Entscheidungszeitpunkt war er als Hausmeister beschäftigt und traf keine Schritte für seine freiwillige Rückkehr in die Russische Föderation.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Einreise nach Österreich und seinen bisherigen Verfahren ergeben sich unzweifelhaft aus dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsakts. Was sein Leben und seine zwischenmenschlichen Beziehungen in Österreich betrifft, so ergeben sich die getroffenen Feststellungen aus seinen unbedenklichen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.02.2020, denen auch durch den Vertreter der belangten Behörde nicht entgegengetreten wurde. Insbesondere wurde die freundschaftliche Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Vermieter und Arbeitgeber entsprechend seinen Aussagen festgestellt, sodass weitere Ermittlungen diesbezüglich nicht erforderlich waren; der Beschwerdeführer zog seinen ursprünglich gestellten Antrag auf Zeugeneinvernahme seines Vermieters in der Verhandlung über seinen dazu bevollmächtigten Rechtsberater auch explizit zurück.

2.2. Die Straftaten des Beschwerdeführers und nachfolgenden strafgerichtlichen Verurteilungen sind aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister in Verbindung mit den im Verwaltungsakt aufliegenden Strafurteilen ersichtlich. Der Beschwerdeführer bestritt auch zu keinem Zeitpunkt des vorliegenden Verfahrens seine strafbaren Handlungen und das Bestehen der Verurteilungen. Aus den Urteilen gehen jeweils die festgestellten Straftaten sowie die mildernden und erschwerenden Umstände ausreichend klar hervor.

2.3. Die Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers wurden entsprechend den im Verwaltungsakt aufliegenden behördlichen Straferkenntnissen festgestellt; seine jeweilige Einstellung zu diesen Verwaltungsübertretungen ergibt sich aus seinen Aussagen in der Beschwerdeverhandlung, die auch durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht angezweifelt wurden. Die genaue Anzahl der Verkehrsübertretungen konnte nicht festgestellt werden; im Verwaltungsakt liegen allerdings so viel Strafverfügungen auf, dass in Verbindung mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung das Vorliegen von zumindest einem Dutzend Verstößen gegen die StVO in den letzten Jahren festgestellt werden konnte. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich bis zum Entscheidungszeitpunkt nach Maßgabe seiner finanziellen Möglichkeiten um die Bezahlung sämtlicher Verwaltungsstrafen bemühte, war aufgrund seiner Aussagen festzustellen.

2.4. Der Bescheid vom 11.11.2019 liegt im Verwaltungsakt auf. Dass der Beschwerdeführer nur gegen das verhängte Einreiseverbot in der Dauer von sieben Jahren (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids) Beschwerde erhob, ergibt sich aus dem vom gewillkürten Vertreter des Beschwerdeführers abgefassten Beschwerdeschriftsatz vom 26.11.2019, der sich - auch wenn einleitend von einer Beschwerde "[g]egen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11.11.2019" die Rede ist - allein auf Spruchpunkt VII. dieses Bescheids bezieht. Der damalige Rechtsanwalt des Beschwerdeführers konkretisierte den Beschwerdegegenstand in seinem separaten schriftlichen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung selbst mit allein dem Einreiseverbot. Bei der Erläuterung des auf das erlassene Einreiseverbot eingeschränkten Beschwerdegegenstands zu Beginn der Verhandlung am 12.02.2020 merkte der rechtskundig vertretene Beschwerdeführer ebenso nicht an, dass sich sein Beschwerdewille auf mehr als das Einreiseverbot erstrecken würde; dies tat er auch im Rahmen der Befragung nicht. Er gab auf Fragen des Behördenvertreters im Gegenteil zu Protokoll, dass er wisse, seit Rechtskraft der im Bescheid vom 11.11.2019 erlassenen Rückkehrentscheidung ausreisepflichtig zu sein. In diesem Zusammenhang gab er auch an, bisher keine Schritte für seine freiwillige Rückkehr in die Russische Föderation getroffen zu haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der Bescheid vom 11.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer am 14.11.2019 durch Hinterlegung zugestellt. Der Beschwerdeschriftsatz wurde am 26.11.2019 per E-Mail an die belangte Behörde übermittelt; die Beschwerde ist somit gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz BFA-VG rechtzeitig.

Zu A)

3.1. Die fremdenpolizeiliche Maßnahme des Einreiseverbots wird in § 55 FPG normiert. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:

"Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. - 9. [...]

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. - 9. [...];

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) [...]"

3.2. Bei der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289; 24.03.2015, Ra 2014/21/0049).

Bei der Entscheidung betreffend die Verhängung eines Einreiseverbots ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Fremden - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237). Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen, wobei im Allgemeinen auch der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt (VwGH 16.10.2014, Ra 2014/21/0039).

Weiters ist bei der Entscheidung über die Dauer des Einreiseverbots auch auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002; vgl. auch Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 53 FPG, K12).

Schließlich darf bei der Verhängung eines Einreiseverbots das Ausschöpfen der vorgesehenen Höchstfristen nicht regelmäßig schon dann erfolgen, wenn einer der Fälle des § 53 Abs. 2 Z 1 bis 9 bzw. des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 9 FPG vorliegt (vgl. etwa VwGH 30.06.2015, Ra 2015/21/0002 mwH).

3.2.1. Der Beschwerdeführer versuchte am XXXX in Salzburg, eine andere Person durch eine gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen und mit Gewalt - und zwar vorerst durch die Ankündigung, einen Spielautomaten durch einen Glasaschenbecherwurf zu beschädigen, und anschließende Ausführung dieses Wurfes - zur Wiederausfolgung eines zuvor verspielten Geldbetrags von 200,- Euro zu nötigen, und zerstörte dabei die Auslagenscheibe des Spiellokals. Für diese Tat wurde er am XXXX durch das XXXX wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach § 15 Abs. 1 iVm § 105 Abs. 1 StGB zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt. Das Landesgericht wertete das Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd, als erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen.

Am XXXX bedrohte der Beschwerdeführer eine andere Person durch die Äußerung "Komme her und ich bringe dich um", wobei er ein Messer in der Hand hielt. Das XXXX verurteilte den Beschwerdeführer für diese Tat mit Urteil vom XXXX wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten; dabei berücksichtigte es die einschlägige Vorstrafe als erschwerend.

3.2.2. Der Beschwerdeführer verwirklichte damit den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 letzter Fall FPG. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen nicht schwerer Natur waren, lediglich zwei bedingte Freiheitsstrafen von relativ kurzer Dauer verhängt wurden und die letzte dieser Strafhandlungen bereits über acht Jahre in der Vergangenheit liegt. Weder vermochte die belangte Behörde im Verfahren aufzuzeigen noch ist es für das Bundesverwaltungsgericht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner strafgerichtlich geahndeten Delinquenz zum Entscheidungszeitpunkt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Straftat vom XXXX nur eine ausweichende Verantwortung zeigte.

Die dritte strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers durch das XXXX vom XXXX wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht gemäß § 198 Abs. 1 StGB bleibt dabei nicht unberücksichtigt; dennoch spricht der in dieser Hinsicht gesetzte Verhaltensunwert des Beschwerdeführers nicht für eine schwerwiegende Gefährdung für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG.

Da auch keine sonstigen Tatbestände der genannten Bestimmung erfüllt sind, steht dies der Annahme, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit bedeuten würde, entgegen. Sein durch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hervorgehobenes, sozial inadäquates Verhalten mag (teilweise) verwaltungsstrafrechtlich erfasst sein, begründet die angeführte Annahme gemäß § 53 Abs. 3 FPG allerdings ebenso nicht. Die Verhängung eines auf die Dauer von sieben Jahren befristeten Einreiseverbots erweist sich schon aus diesem Grund als unverhältnismäßig.

3.2.3. Der Beschwerdeführer setzte allerdings eine Vielzahl an verwaltungsvorschriftswidrigen Handlungen und wurde dafür mehrfach verwaltungsstrafrechtlich belangt. Unter anderem gab er im April XXXX seinen Wohnsitz auf und teilte die Wohnsitzänderung der Meldebehörde bis zum XXXX nicht mit, weshalb das Magistrat Salzburg am XXXX eine Geldstrafe von 50,- Euro verfügte. Weiters übte er zumindest am XXXX auf eigene Rechnung und Gefahr Verspachtelungsarbeiten und damit das Gewerbe "Verspachteln von Decken und Wänden aller Art" ohne die dafür erforderliche Gewerbeberechtigung durch, weshalb er gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO mit einer Geldstrafe in der Höhe von 440,- Euro bestraft wurde. Darüber hinaus versuchte er, für die Jahre XXXX und XXXX Abgaben zu verkürzen, weshalb das Finanzamt Salzburg-Stadt mit Strafverfügung vom XXXX eine Geldstrafe in der Höhe von 3.500,- Euro verhängte. Auch meldete er im XXXX sechs bei ihm geringfügig beschäftigte Arbeiter nicht ordnungsgemäß beim zuständigen Krankenversicherungsträger an, wofür er durch das Straferkenntnis des Magistrats Salzburg vom XXXX mit einer Geldstrafe in der Höhe von 4.015,- Euro betraft wurde.

Damit verwirklichte der Beschwerdeführer die in § 53 Abs. 2 Z 1 und 2 FPG normierten Tatbestände in gleich vierfacher Hinsicht. Der Beschwerdeführer setzte darüber hinaus zumindest ein Dutzend weitere Verwaltungsübertretungen, weshalb innerhalb des Rahmens der Einreiseverbotsdauer nach § 53 Abs. 2 FPG eine hohe Bemessung zu erfolgen hat. Der Beschwerdeführer zeigte sich allerdings in der Verhandlung vom 12.02.2020 hinsichtlich fast aller verwaltungsrechtlicher Fehlverhalten schuldeinsichtig, was insoweit zu seinen Gunsten zu berücksichtigen ist.

3.2.4. Schwerwiegend für seine Interessen spricht, dass sich seine beiden minderjährigen Kinder im Bundesgebiet befinden und er sich in deren Erziehung aktiv einbringt. Die räumliche Trennung (der Beschwerdeführer wohnt in Salzburg, seine Kinder leben mit ihrer Mutter in Linz) kam durch eine bewusste Erziehungsentscheidung zugunsten seines Sohnes in Absprache mit seiner Ex-Frau zustande. Der Beschwerdeführer sieht seine Kinder derzeit einmal im Monat und stand bis Sommer 2019 in täglichem persönlichen Kontakt mit ihnen. Unzweifelhaft bedeutet das Einreiseverbot einen schwerwiegenden Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers mit seinen Kindern, der mit fortlaufender Dauer des Einreiseverbots perpetuiert und damit verstärkt wird.

Einen durch ein Einreiseverbot erfolgenden Eingriff hat der Beschwerdeführer nach dem im Bundesgebiet gesetzten Verhalten und den genannten Erwägungen zwar jedenfalls hinzunehmen, allerdings ist bei der Bemessung der Höhe des Einreiseverbots darauf Bedacht zu nehmen, dass ihm die Wiederherstellung des in Österreich geführten Familienlebens durch einen Zuzug innerhalb des geordneten Fremdenwesens nicht auf Dauer verunmöglicht wird. Dafür spricht - neben den zu berücksichtigenden Interessen des Beschwerdeführers selbst - in erster Linie das Kindeswohl seiner minderjährigen Kinder, die unter anderem mit der Krebserkrankung ihrer Mutter umzugehen haben und dabei auch die psychische Unterstützung ihres Vaters benötigen. Für eine gewisse Dauer scheint es aber wiederum statthaft, dass diese auch fernmündlich - so wie derzeit auch in Österreich - bzw. im Wege elektronischer Medien erfolgen kann, zumal sich die Kinder des Beschwerdeführers in einem Alter befinden, das eine derartige Kommunikation zulässt.

3.2.5. Was das in der Beschwerdeverhandlung durch die belangte Behörde hervorgehobene beharrliche Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nach Rechtskraft des die Rückkehrentscheidung verfügenden Bescheides vom 11.11.2019 betrifft, ist festzuhalten, dass diese Rechtskraft Ende November 2019 eintrat und dem Beschwerdeführer zunächst noch eine Frist zur freiwilligen Ausreise in der Dauer von zwei Wochen eingeräumt war. Dass er in den Wochen nach Ablauf dieser Frist Mitte Dezember 2019 bis zum Entscheidungszeitpunkt am 12.02.2020 noch keine Ausreiseschritte setze, vermag angesichts dieses noch verhältnismäßig kurzen Zeitraums und der Tatsache des anhängigen Beschwerdeverfahrens betreffend das Einreiseverbot - in dem der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit ihm beantragte und angesichts der Rechtslage auch davon ausgehen durfte, dass eine solche anberaumt werden würde - nicht überwiegend zu seinen Ungunsten gewertet zu werden. Insbesondere ist damit keine Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 2 FPG aufgezeigt.

3.3. Die Dauer des Einreiseverbots hat aus diesen Gründen drei Jahre nicht zu übersteigen. Vor dem Hintergrund der Handlungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet erscheint eine weitere Reduktion allerdings als nicht angemessen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Einreiseverbot, Herabsetzung, individuelle Verhältnisse,
Interessenabwägung, Milderungsgründe, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W237.1403876.3.00

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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