TE Vwgh Erkenntnis 1964/11/16 1506/64

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Veröffentlicht am 16.11.1964
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Index

Baurecht - Wien

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §40
AVG §42
AVG §66 Abs4
AVG §68 Abs2
BauO Wr §13 Abs2 litb
BauO Wr §58 Abs2 litd
BauO Wr §59
BauO Wr §66
BauO Wr §69
GaragenG Wr 1957 §4 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Striebl und Dr. Rath als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Morscher, über die Beschwerde des FN und Genossen in Wien gegen die Bauoberbehörde für Wien (Bescheid des Wiener Magistrates im selbständigen Wirkungsbereich vom 1. Juli 1964, Zl. MDR - B XIX - 30/64/R), betreffend die Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Am 7. Februar 1963 suchte Dipl.-Ing. H. D. in eigenen Namen sowie im Namen der Miteigentümer der Liegenschaft Wien, H-straße beim Wiener Magistrat um die Bewilligung zur Errichtung einer Tankanlage auf der vorangeführten Liegenschaft an. Nach den vorgelegten Plänen soll die Anlage aus drei unterirdischen Treibstoffbehältern mit einem Fassungsraum von je 8.000 l, einem Wärterhäuschen, zwei Zapfsäulen und einer Ölkabine bestehen. Das Wärterhäuschen, die Zapfsäule und die Ölkabine sollen in einer Entfernung von etwa 6 m vom hinteren Gehsteigrand errichtet werden. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. Juni 1963 wies der Wiener Magistrat, Magistratsabteilung 35, dieses Ansuchen mit Bescheid vom 3. Juli 1963 gemäß § 70 der Bauordnung für Wien und den Bestimmungen des Wiener Garagengesetzes ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Baubewilligung habe versagt werden müssen, weil die Errichtung der Anlage die geplanten größeren Regulierungsarbeiten der H-straße verhindern und die Zu- und Abfahrtsbewegungen der Kraftfahrzeuge eine Behinderung des dichten und schnellen Durchzugsverkehrs hervorrufen würden. Außerdem sei die Zustimmung des Grundeigentümers, der Gemeinde Wien, nicht erbracht, auf deren Grund die Anlage zum Teil errichtet werden solle. Gegen diesen Bescheid brachte der Einschreiter Berufung ein, die die belangte Behörde in ihrer Sitzung vom 1. Juli 1964 als unbegründet abwies. In der Begründung des in Ausfertigung dieses Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheides des Wiener Magistrates vom gleichen Tage heißt es, das Berufungsvorbringen hätte keine andere Entscheidung herbeiführen können. Gemäß § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes seien Tankanlagen nur an den der Bebauung offen stehenden Stellen der Liegenschaft zulässig. Die geplante Tankanlage reiche aber in den Vorgarten hinein. Das Bauansuchen hätte daher schon deshalb nicht zielführend sein können, weil das vorgelegte Projekt mit dem amtlichen Fluchtlinienplan nicht übereinstimme und den Bestimmungen des § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes widerspreche. Im übrigen hätten die Projektswerber nach dem amtlichen Fluchtlinienplan vor Verbauung ihrer Liegenschaft Teile der Grundstücke 454/2, 456 und 458 in EZ. 608 des Grundbuches der Katastralgemeinde X zu dieser einzubeziehen und Teile der Grundstücke 455/3 und 455/4 in EZ. 199 zur Nachbarliegenschaft EZ. 608 des Grundbuches der Katastralgemeinde X abzutreten. Die Bauwerber hätten daher, um die Erteilung einer Baubewilligung möglich zu machen, eine entsprechende Grundabteilungsbewilligung erwirken müssen. Abgesehen davon lasse aber dem Amtssachverständigengutachten der Magistratsabteilung 46 zufolge die starke Verkehrsbelastung der H-straße wegen deren geringer Breite eine Anlage wie die geplante auch vom Verkehrsstandpunkt nicht zu.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat die Versagung der angestrebten Bewilligung zunächst auf die Bestimmung des § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes (Gesetz vom 27. September 1957, LGBl. Nr. 22) gegründet. Nach dieser Gesetzesstelle sind Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen und Tankanlagen an jeder der Bebauung offenstehenden Stelle der Liegenschaft zulässig. Aus dieser Bestimmung folgt im Wege des Umkehrschlusses, daß die Errichtung von Tankanlagen im Vorgarten, also einem Teil des Bauplatzes, der grundsätzlich von jeder Verbauung freizuhalten ist, unzulässig ist. Bei ihrer Entscheidung ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die geplante Tankanlage teilweise in den Vorgarten hineinrage. Wie zu verfahren ist, wenn ein Bauvorhaben den Bestimmungen der Bauordnung nicht oder nicht zur Gänze entspricht, hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen, so etwa in dem Erkenntnis vom 19. Oktober 1955, Zl. 3349/54, aufgezeigt. Demnach ist, wenn das Vorhaben auch nur in einem Punkte nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, der Bauwerber bei der Bauverhandlung darauf hinzuweisen und ihm nahezulegen, das Bauansuchen entsprechend abzuändern. Erst dann, wenn sich der Bauwerber weigert, eine entsprechende Änderung des Projektes vorzunehmen, ist das Ansuchen, und zwar zur Gänze, abzuweisen.

Die Möglichkeit, durch Änderung des Projektes eine Versagung der Baubewilligung aus dem Grunde des § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes zu vermeiden, hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführern vor allem deswegen einräumen müssen, weil die Behörde der ersten Rechtsstufe mit dieser Begründung das Bauansuchen nicht abgewiesen hat. Denn es entspricht, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 5. Oktober 1964, Zl. 2216/63, ausgesprochen hat, nicht dem Gesetz, im letztinstanzlichen Bescheid ohne jede Erörterung mit den Parteien einen Versagungsgrund geltend zu machen, der durch eine Modifikation des Vorhabens aus der Welt geschafft werden könnte.

Die belangte Behörde hat weiters die Abweisung des Ansuchens damit begründet, daß Teile der im Eigentum der Stadt Wien stehenden Nachbargründe zum Bauplatz einzubeziehen und andererseits Teile des Bauplatzes an die Nachbarliegenschaft abzutreten seien, die Bauwerber daher ein entsprechendes Abteilungsansuchen hätten einbringen müssen. Diese Rechtsansicht ist unzutreffend. Wie die Beschwerdeführer mit Recht geltend machen, enthalten die §§ 66 und 69 der Bauordnung für Wien entsprechende Vorschriften darüber, wie zu verfahren ist, wenn auf einem bisher unbebauten oder bebaut gewesenen Grand ein Neu-, Zu- oder Umbau ausgeführt werden soll, ohne daß gleichzeitig eine Abteilung erfolgt. Wenn die belangte Behörde zur Stützung ihrer Rechtsansicht in der Gegenschrift ausführt, die Pläne der Beschwerdeführer hätten die Absicht der Schaffung eines Bauplatzes nicht ausgewiesen und es wäre der Behörde nicht das Recht zugestanden ein Projekt zu gestalten, so ist ihr entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführer in ihrem Ansuchen unmißverständlich zum Ausdruck gebracht haben, daß sie auf der in Rede stehenden Liegenschaft eine Tankanlage zu errichten beabsichtigen. In einem solchen Fall ist es aber Sache der Baubehörde, den Bauwerber darauf hinzuweisen, daß die angestrebte Baubewilligung nur dann erteilt werden kann, wenn die hiefür vorgesehenen Grundflächen zumindest gleichzeitig als Bauplatz genehmigt werden. Auch in dieser Hinsicht konnte das Bauansuchen erst dann abgewiesen werden, wenn sich die Beschwerdeführer geweigert hätten, ihr Ansuchen entsprechend zu ergänzen.

Schließlich hat die belangte Behörde die Versagung der Baubewilligung mit der Beeinträchtigung des Verkehrs auf der Hstraße begründet. Sie hat sich hiebei auf ein Gutachten der Magistratsabteilung 46 berufen. Um welches Gutachten es sich dabei handelt, ist nicht ohne weiteres ersichtlich. In einem Aktenvermerk vom 8. Mai 1963 wird eine Äußerung der Magistratsabteilung 28 (oder der Magistratsabteilung 46) wiedergegeben wonach Zu- und Abfahrtsbewegungen der Fahrzeuge eine Gefährdung des dichten und schnellen Durchzugsverkehrs mit sich bringen und eine Fahrbahnenge mit ungünstigen Sichtverhältnissen bestehe. In der Verhandlungsschrift vom 14. Juni 1963 heißt es (als Äußerung der Magistratsabteilung 18 oder der Magistratsabteilung 46), daß der Bauführung nicht zugestimmt werden könne, weil die bisherige Widmung Wald- und Wiesengürtel laute und überdies die H-straße infolge ihrer Verkehrsbedeutung und ungenügenden Breite eine derartige Anlage nicht zulasse. Auf diese Unterlagen konnte aber die belangte Behörde eine mängelfreie Entscheidung über die Zulässigkeit der Tankanlage nach den Bestimmungen der §§ 5 und 10 des Wiener Garagengesetzes nicht gründen. Diese Äußerungen sind nur nicht näher begründete Behauptungen.

Das Ermittlungsverfahren erweist sich sohin in mehrfacher Hinsicht als ergänzungsbedürftig. Die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes führt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1952 zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Wien, am 16. November 1964

Schlagworte

Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren BerufungZulässigkeit und Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Bindung an diese Voraussetzungen Umfang der Befugnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1964:1964001506.X00

Im RIS seit

02.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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