TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/24 96/05/0249

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.03.1998
beobachten
merken

Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §40 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs3;
BauO NÖ 1976 §98 Abs2;
BauO NÖ 1976 §99 Abs1;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Dr. Tibor Pasztory, 2. der Nora Pasztory, beide vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. August 1996, Zl. R/1-V-94034/02, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Klosterneuburg, vertreten durch den Bürgermeister,

2. Dipl.-Ing. Hellmuth Schreiber in Wien, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien I,

Zelinkagasse 2/9), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren der zweitmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Anbringen vom 22. Mai 1992 beantragte der zweitmitbeteiligte Bauwerber die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau eines Zweifamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 1895/106 Garten der Liegenschaft EZ 5559,

KG Klosterneuburg, welches aufgrund des bestehenden Flächenwidmungsplanes im Bauland Wohngebiet liegt und für welches offene oder gekuppelte Bauweise und Bauklasse I oder Bauklasse II vorgesehen ist. Ein hinterer Bauwich ist nicht vorgesehen. Das zu bebauende Grundstück fällt von der südlich gelegenen Rolandsberggasse Richtung Norden ab und grenzt dort an das den Beschwerdeführern gehörige Grundstück Nr. 1895/4 der Liegenschaft EZ 501, KG Klosterneuburg.

Mit Bescheid vom 22. März 1993 bewilligte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Ausführung des beantragten Vorhabens unter Vorschreibung von Auflagen; die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer erhoben dagegen Berufung. Im Zuge des Berufungsverfahrens wurden vom mitbeteiligten Bauwerber in der Folge der Baubewilligung zugrunde gelegte Auswechslungspläne vorgelegt, wonach an der dem Grundstück der Beschwerdeführer zugewandten Front eine Giebelfront mit Krüppelwalm vorgesehen ist. Das Bauvorhaben soll von der bei dieser Front befindlichen waagrechten Geländehöhe bis zur Schnitthöhe zwischen Gebäudefront und Dachkonstruktion 8 m entfernt sein (h 1); darüber erhebt sich die Dachkonstruktion in einem Winkel von 45 Grad in der Folge über eine Höhe von 1,48 m und schließt dann waagrecht ab. Auf der oben so entstandenen Fläche soll eine Terrasse von rund 5 m Länge entstehen, an welcher Richtung Süden das sogenannte Galeriegeschoß in einer Höhe von 2,52 m anschließt, wobei sich letztlich die Dachneigung von 45 Grad auf 10,5 Grad verflacht. Die nördliche Gebäudefront ist vom Grundstück der Beschwerdeführer rund 8,50 m entfernt.

Die Beschwerdeführer konnten zu den Auswechslungsplänen eine Stellungnahme abgeben.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 11. Jänner 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid insoweit bestätigt, als das Bauvorhaben in der in den Auswechslungsplänen dargestellten Form bewilligt worden ist.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. September 1994 als unbegründet abgewiesen.

Mit hg. Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 94/05/0336, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, wurde der Vorstellungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die Berufungsbehörde zum Nachweis der hinreichenden Fundierung und Tragfähigkeit des Projektes nur die vom Bauwerber angestellten statischen Berechnungen zugrunde gelegt hat. Ein Sachverständiger sei zwecks Überprüfung der projektierten Fundierung und Tragfähigkeit nicht beigezogen worden. Im Hinblick auf die Einwendungen der Beschwerdeführer und zwecks Erforschung der materiellen Wahrheit wäre die Berufungsbehörde hiezu jedoch verpflichtet gewesen.

Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. Oktober 1995 wurde im Sinne des hg. Erkenntnisses der Vorstellung der Beschwerdeführer Folge gegeben und der Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 11. Jänner 1994 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Nach Einholung eines Gutachtens bezüglich der statischen Situation des gegenständlichen Gebäudes, welches den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht worden ist, hat der Gemeinderat der Stadtgemeinde Klosterneuburg mit Bescheid vom 26. April 1996 die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid neuerlich abgewiesen und das Bauvorhaben in der in den Auswechslungsplänen vom Oktober 1993 dargestellten Form baubehördlich bewilligt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. August 1996 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, die Höhe der gegenständlichen Nordfront des Gebäudes, welche dem Grundstück der Beschwerdeführer zugewandt sei, bleibe mit ca. 9,23 m (Berechnungsmethode für Giebelfront mit Krüppelwalm) jedenfalls eindeutig unter der gemäß § 22 Abs. 6 der NÖ Bauordnung 1976 zulässigen Gebäudehöhe. Diese dürfe nämlich um höchstens 4 m die festgelegte Bebauungshöhe überschreiten. Im bestehenden Bebauungsplan der Stadtgemeinde Klosterneuburg sei weder ein größerer hinterer Bauwich durch eine Baufluchtlinie festgelegt, noch der hintere Bauwich aufgehoben worden. In den Einreichplänen sei der hintere Bauwich nicht kotiert und vom Stadtamt der Stadtgemeinde Klosterneuburg auf Seite 5 des Bescheides vom 22. März 1993 widersprüchlich bezeichnet worden (ein Mal mit über 10 m und ein Mal mit über 8,50 m). Den Lageplänen sei ein hinterer Bauwich von mindestens 8,50 m zu entnehmen. Daraus folge, daß unter Einhaltung eines Bauwichs von nur 5,50 m eine den Vorstellungswerbern zugewendete Vollgiebelfront mit einer mittleren Gebäudehöhe von 11 m zulässig wäre. Die geplante Terrasse stelle sogar eine wesentliche Verbesserung der Lichtsituation für die Nachbarn dar. Bezüglich der Geschoßanzahl, der ost- und westseitigen Vorbauten, der Senkgrube und des Orts- und Landschaftsbildes werde auf den Bescheid der Aufsichtsbehörde vom 27. September 1994 verwiesen. Bezüglich der Belichtung werde darauf hingewiesen, daß der Eigentümer eines Grundstückes selbst durch Schaffung entsprechender Freiräume auf den eigenen Grundflächen für ausreichende Belichtung zu sorgen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Bauverfahren verletzt. Insbesonders wird das subjektiv-öffentliche Recht der Beschwerdeführer (als Nachbarn) verletzt, daß Immissionen, also schädliche Einflüsse auf ihrer Grundfläche nicht stattfinden, weiters das Recht auf Einhaltung der höchstzulässigen Gebäudehöhe und des hinteren Bauwichs".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer tragen zunächst vor, die Baubehörden hätten eine neuerliche mündliche Bauverhandlung durchführen müssen, weil nach der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 1993 u.a. auch Pläne vorgelegt worden seien, aus denen erstmals die Senkgrube ersichtlich gewesen sei. Bei den Ladungen zu den fortgesetzten Bauverhandlungen seien die Beschwerdeführer nicht darauf hingewiesen worden, daß die ursprünglichen Pläne in wesentlichen Punkten abgeändert worden seien. Dem letztlich zur Bewilligung gelangten Auswechslungsplan vom Oktober 1993 sei ein Plan, datiert mit Mai 1993, vorausgegangen, der auch nicht Gegenstand einer mündlichen Bauverhandlung gewesen und gleichfalls den Beschwerdeführern nicht zur Kenntnis gebracht worden sei.

Gemäß § 99 Abs. 1 der hier anzuwendenen NÖ Bauordnung 1976 hat die Behörde über jedes Ansuchen gemäß den §§ 92 und 93 - wenn sie es nicht gemäß § 98 Abs. 2 abweist - eine Bauverhandlung abzuhalten, in deren Verlauf ein Augenschein vorzunehmen ist. Die Bauverhandlung ist der Schwerpunkt des Baubewilligungsverfahrens. In der Verhandlung soll wegen der durch § 42 AVG angeordneten Präklusionswirkung die Sach- und Rechtslage in Rede und Gegenrede grundsätzlich endgültig geklärt werden; die mündliche Verhandlung hat demnach eine verfahrenskonzentrierende Wirkung. Dies bedeutet aber nicht, daß jede Änderung des Sachverhaltes oder das Hinzutreten einer übergangenen Partei oder das Erfordernis der Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens jeweils für sich allein genommen eine neuerliche mündliche Verhandlung nach sich ziehen muß (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. September 1992, Zl. 91/06/0235, zur Steiermärkischen Bauordnung).

Im vorliegenden Fall zeigt jedoch dieses Beschwerdevorbringen schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil in der Bauverhandlung vom 17. November 1992, an welcher die Beschwerdeführer teilgenommen haben, die Errichtung einer Senkgrube für die Beseitigung der Schmutzwässer aus Bad, Küche und WC erörtert und vom Verhandlungsleiter festgestellt wurde, daß kein Projekt über die Abwasserbeseitigung dieser Schmutzwässer vorliege und deshalb die Verhandlung bis zur Einbringung des Abwasserprojektes unterbrochen werde. In der Folge hat der Bauwerber einen Einreichplan mit eingezeichneten Sickerschächten und eine ergänzende Baubeschreibung vorgelegt, welche eine Ableitung der Fäkal- und Abwässer des zu bewilligenden Gebäudes "über ein Pumpwerk in eine straßenseitig situierte Senkgrube" vorsieht. In der am 4. Februar 1993 mit dem Verhandlungsgegenstand "Zweifamilienhaus, Abwasserbeseitigungsanlage, Pkw-Abstellplatz" durchgeführten Verhandlung, bei welcher die Beschwerdeführer ebenfalls anwesend waren, wurde das Projekt der Abwasserbeseitigung dargestellt. Die Beschwerdeführer haben sich in die Verhandlung eingelassen, keine Einwendungen dahingehend erhoben, daß die Anberaumung der mündlichen Verhandlung auf einen zu kurzen Termin erfolgt wäre und auch keinen Vertagungsantrag gestellt (vgl. hiezu insbesonders das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 90/06/0185), sondern nur eingewendet, daß die einzurichtende Senkgrube ein Ausmaß von über 10 m3 aufweise und bei durchschnittlicher Benützung ein Auspumpen von ca. zwei Mal im Monat erforderlich sein werde. In der von der Baubehörde erster Instanz gewählten Vorgangsweise vermag der Verwaltungsgerichtshof daher im vorliegenden Fall aber auch deshalb keine Rechtswidrigkeit zu erblicken, weil in der Beschwerde nicht näher ausgeführt wird, welches Vorbringen bei neuerlicher Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erstattet worden wäre. Zu den im November 1993 vorgelegten Auswechslungsplänen wurden die Beschwerdeführer gehört; eine "weitergehende Stellungnahme", welche in ihrer Stellungnahme vom 2. Dezember 1993 angekündigt worden ist, haben die Beschwerdeführer in der Folge nicht abgegeben. Weder gegenüber der Vorstellungsbehörde noch gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof haben die Beschwerdeführer näher ausgeführt, welches Vorbringen sie in einer mündlichen Verhandlung erstattet hätten, das sie in ihren Rechtsmitteln nicht hätten vorbringen können. Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch keine Bedenken gegen die von der Vorstellungsbehörde getroffene Feststellung, der hintere Bauwich betrage mindestens 8,50 m. Die in den Plänen angegebenen Maße geben immer die Entfernung in einer Ebene an und lassen die in der Natur bestehenden Unebenheiten unberücksichtigt. Die in der Beschwerde behauptete Annahme, die Entfernung des hier zu beurteilenden Gebäudes zur Grenze ihres Grundstückes sei nicht in "Luftlinie" gemessen, stellt eine durch den Akteninhalt, insbesondere durch die vorliegenden Pläne nicht gedeckte und daher unbegründete Behauptung der Beschwerdeführer dar. Das Baubewilligungsverfahren ist ein Projektgenehmigungsverfahren. Aus den eingereichten, dem Baubewilligungsbescheid zugrunde liegenden Plänen ergibt sich eine Entfernung des Gebäudes zur Grundstücksgrenze von rund 8,50 m. Eine nähere Einkotierung war nicht erforderlich, da aufgrund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse eine Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführer im Rahmen der von ihnen rechtzeitig erhobenen Einwendungen nicht gegeben ist. Zutreffend ging die belangte Behörde davon aus, daß im vorliegenden Fall die für die Ermittlung des Bauwichs und die Bebauungshöhe sowie die Anzahl der Vollgeschoße maßgebende Gebäudehöhe allein diejenige der nordseitigen Gebäudefront ist (nur bezüglich dieser kommt den Beschwerdeführern ein subjektiv-öffentliches Recht zu; siehe das hg. Erkenntnis vom 29. August 1995, Zl. 94/05/0336). Die Ermittlung dieser Gebäudehöhe erfolgt gemäß § 22 Abs. 1 BO nach der Berechnungsmethode "mittlere Höhe einer Giebelfront mit Krüppelwalmdach" (siehe hiezu die bei Hauer-Zaussinger, NÖ Bauordnung, 4. Auflage, Seite 158, wiedergegebene graphische Darstellung). Dadurch, daß die Gebäudehöhe auf diese Weise ermittelt wurde, konnte eine Rechtsverletzung des Nachbarn nicht eintreten.

Gemäß § 22 Abs. 6 BO darf die bei der Bauklasse II vorgesehene Bebauungshöhe von 5 m bis 7 m bei Giebelfronten um höchstens 4 m überschritten werden. Daß die von der belangten Behörde anhand der vorliegenden Pläne errechnete Gebäudehöhe und Größe des Bauwichs rechnerisch nicht richtig wäre, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Hinsichtlich der behaupteten Immissionen aus der bewilligten Senkgrube sind die Beschwerdeführer mangels rechtzeitig erhobener Einwendungen präkludiert.

Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen daher nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der mitbeteiligten Bauwerberin betrifft den nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand für mehr als zwei Ausfertigungen der Gegenschrift.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996050249.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten