TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/24 94/05/0234

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Veröffentlicht am 24.03.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Gertrude Schlein in Rechnitz, vertreten durch Dr. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, Hauptplatz 14, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 22. Juni 1994, Zl. X-K-91-94, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde Rechnitz, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Franz und Silvia Kaltenecker in Rechnitz, Brückelgasse 9), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Zweitmitbeteiligten begehrten mit Ansuchen vom 23. August 1991 die Erteilung der Baubewilligung zum Einbau eines Schweinestalles in die bestehende Lagerhalle sowie zur Errichtung einer Düngerstätte und einer Maschinenhalle auf ihrem Grundstück Nr. 9427/2 (Rechnitz, Brückelgasse 9). Der Beschwerdeführerin gehören die (seitlichen) Nachbargrundstücke Nr. 9427/4, 9427/3 und .9427/5. Sie wendete ein, daß durch die zu erwartende Geruchs- und Insektenbelästigung ihr Lebensbereich unzumutbar beeinträchtigt werde und begehrte die Einholung eines landwirtschaftlichen bzw. amtstierärztlichen Gutachtens.

Bei der Verhandlung wurde das Vorhaben wie folgt beschrieben: Die bestehende Lagerhalle im Ausmaß von 15 m x 22 m soll durch einen Einbau von Boxen für eine Schweinezucht in einen Schweinestall umgebaut werden. Der Schweinestall soll aus einem Futtergang und zehn Stück Abferkelboxen bestehen. Die übrige Fläche soll für Schweinestandplätze ausgebildet werden. In der Halle werde eine massive Stahlbetondecke eingezogen. In einem Abstand von 10 m vom vorgesehenen Schweinestall soll eine Düngerstätte mit Jauchegrube im Ausmaß von 12,30 m x 6 m, im Anschluß daran eine offene Maschinenhalle im Ausmaß von 20 m x 6 m errichtet werden. Die Düngerstätte soll an der Anrainerseite sowie zur Maschinenhalle hin eine 3 m hohe Umfassungswand erhalten.

In weiterer Folge holte die Baubehörde das Gutachten eines Sachverständigen für Landwirtschaft und ein amtsärztliches Gutachten ein. In ihrer Stellungnahme vom 4. Juni 1992 bestritt die Beschwerdeführerin die Richtigkeit aller eingeholten Gutachten und machte auch Belästigungen durch Lärm geltend. In der Verhandlung vom 21. Juli 1992 wurden diese Gutachten auf Grund der Stellungnahme der Beschwerdeführerin ergänzt. Der landwirtschaftliche Sachverständige gelangte zum Ergebnis, daß bei entsprechender Ausführung des Stalles und der Düngerstätten nicht zu erwarten sei, daß das ortsübliche Maß an Geruchs-, Lärm- und Staubimmissionen überschritten werde. Mit Schreiben vom 24. August 1992 rügte die Beschwerdeführerin, daß die vorgesehenen Auflagen nicht ausreichten, um eine Immissionsbeeinträchtigung ihrer Liegenschaft zu verhindern. Des weiteren wurde detailliert zu den eingeholten Gutachten Stellung bezogen.

Nach neuerlicher Befassung eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen (Ergänzungsgutachten vom 22. September 1992) erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 12. Oktober 1992 die begehrte Baubewilligung. Es wurden "Bedingungen und Auflagen" vorgeschrieben. Das Ergänzungsgutachten vom 22. September 1992 wurde in diesem Bescheid im vollen Wortlaut wiedergegeben. Die Einwendungen der Anrainer wurden auf Grund der vorliegenden Gutachten, wonach nicht bekannt sei, daß jemand in Rechnitz durch einen Schweinestall in der beabsichtigten Größe und mit der vorgesehenen Schweinehaltungsform übergebührlich belästigt und gefährdet worden wäre, als unbegründet abgewiesen.

In der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde insbesondere gerügt, daß die letzte Stellungnahme des Amtssachverständigen der Beschwerdeführerin nicht vorgehalten wurde, daß die Jauchegrube überdimensioniert sei und von ihr eine unnötige Immissionsbelastung ausgehen würde, daß keine Entlüftungsanlage vorgeschrieben und das medizinische Gutachten nicht nachvollziehbar sei. Außerdem wird in der Berufung Lärmbelästigung geltend gemacht.

Mit Bescheid vom 25. März 1993 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz zurück. Als Verfahrensmangel des Verfahrens erster Instanz wurde festgestellt, daß das ergänzende Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 22. September 1992 der Beschwerdeführerin nicht zugestellt wurde. Weiters wurde festgestellt, daß die bestehende Lagerhalle abweichend von der Baubewilligung in einen Abstand von 2 m zur Beschwerdeführerin errichtet wurde, obwohl im Lageplan ein Seitenabstand von 3 m eingezeichnet sei. Auch dadurch seien Bestimmungen der Burgenländischen Bauordnung verletzt worden. Die Widersprüche im Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen vom 21. Juli 1992 seien nicht aufgeklärt worden.

Der dagegen von den Bauwerbern erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. Juli 1993 Folge, hob den Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde. Tragender Grund der Aufhebung war, daß die Bauwerber durch die Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt wurden; im Berufungsverfahren hätte die Behörde in der Sache selbst zu entscheiden gehabt. Bloße Begründungsmängel und die Verletzung des Parteiengehörs berechtigten hingegen nicht zu einer kassatorischen Entscheidung. Außerdem wurde darauf hingewiesen, daß die Berufungsbehörde im Falle der Berufung eines Nachbarn nicht schlechthin den Bescheid auf seine Übereinstimmung mit der Rechtslage zu prüfen habe, sondern ausschließlich dahingehend, ob der Berufungswerber in seiner Rechtssphäre, also in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten, verletzt worden sei.

Dieser Vorstellungsbescheid blieb unbekämpft.

Mit Bescheid vom 19. Februar 1994 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und bestätigte die erteilte Baubewilligung. Unter Bezugnahme auf die von der Vorstellungsbehörde aufgezeigte beschränkte Befugnis der Berufungsbehörde im Falle der Berufung eines Nachbarn wurde ausgeführt, daß die Gutachten der Sachverständigen eindeutig festgestellt hätten, es sei keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung durch den geplanten Schweinestall zu erwarten, daß es keine gegenteiligen Sachverständigenaussagen gebe und sich die Beschwerdeführerin auch nicht bemüht habe, andere Expertenmeinungen einzuholen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin keine Folge. In der Begründung wurde auf die Bindungswirkung tragender Aufhebungsgründe verwiesen. Als tragender Aufhebungsgrund sei in der Vorstellungsentscheidung vom 19. Juli 1993 die Verweigerung der Sachentscheidung angeführt worden, weil weder Begründungsmängel, Verletzung des Parteiengehörs, Mangelhaftigkeit der Sachverhaltsermittlung, Nichtaufklärung von widersprüchlichen Sachverständigenaussagen, die fehlende Absprache über einen Ablehnungsantrag und die Beiziehung sowie Beeidigung nichtamtlicher Sachverständiger die Berufungsbehörde nicht(?) zur kassatorischen Entscheidung berechtigten. Die nunmehr angefochtene Berufungsentscheidung habe diese Rechtslage berücksichtigt und stütze sich auf hinreichende Gutachten von Sachverständigen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, als Nachbar eine gesetzwidrige Bauführung (nicht) dulden zu müssen und durch entstehende Immissionen (nicht) geschädigt zu werden. Sie begehrt, "die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Baubehörde erster oder zweiter Instanz zurückzuverweisen".

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, Abstandsbestimmungen würden nicht eingehalten werden, ist Präklusion gemäß § 42 Abs. 1 AVG entgegenzuhalten. Diese Frage wurde erstmals, ohne vorangegangene Einwendung, im Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 25. März 1993 aufgegriffen, wobei auch dort eingeräumt wurde, daß das Projekt den Seitenabstand einhält.

Mit dem Vorbringen, der Baubewilligung liege keine Bauplatzbewilligung zugrunde, die (gemischte) Widmung des Baugrundstückes stehe nicht im Einklang mit dem Flächenwidmungsplan, verkennt die Beschwerdeführerin überdies (neben der Präklusion) das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die Beschwerdeführerin macht weiters mangelnde Eigentümerzustimmung geltend, weil nur der Bauwerber F.K., nicht aber die Bauwerberin S.K. Grundeigentümer sei. Abgesehen davon, daß dem Nachbarn diesbezüglich kein Mitspracherecht zusteht, wurden sowohl das Bauansuchen als auch der Bauplan von beiden Bauwerbern unterfertigt; der Bauwerber F.K. ist Eigentümer. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, es läge keine Zustimmung des F.K. für das Bauansuchen seiner Gattin vor, ist unverständlich und bedarf keiner weiteren Erörterung.

Daß das Ergänzungsgutachten vom 22. September 1992 der Beschwerdeführerin nicht vorgehalten wurde, kann deshalb nicht als entscheidungswesentlicher Mangel des von der Vorstellungsbehörde beurteilten Berufungsbescheides angesehen werden, weil dieses Ergänzungsgutachten vollständig im Bescheid wiedergegeben und es damit der Beschwerdeführerin ermöglicht wurde, das Gutachten in der Berufung zu bekämpfen.

Nach dem Protokoll der Bauverhandlungen vom 24. September 1991 und vom 21. Juli 1992 war ein Sachverständiger aus dem Bauwesen (Baumeister B.) anwesend und hat auch ein Gutachten erstattet. Es kann daher keine Rede davon sein, daß kein Bausachverständiger beigezogen worden wäre.

Rechtswidrig soll der angefochtene Bescheid deshalb sein, weil der Bescheidverfasser einen Kommentar zur burgenländischen Bauordnung verfaßt hat. Es erübrigt sich ein Eingehen auf diesen Vorwurf.

Selbstverständlich entfaltete der Vorstellungsbescheid vom 19. Juli 1993 Bindungswirkung nur hinsichtlich des oben genannten tragenden Aufhebungsgrundes. Dem Bescheid der Berufungsbehörde vom 19. Februar 1994 ist nicht zu entnehmen, daß die Berufungsbehörde eine darüber hinausgehende Bindungswirkung angenommen hätte. Auch insofern ist die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erkennbar.

Verfahrensmängel des Berufungsverfahrens, deren Nichtbeachtung durch den Vorstellungsbescheid die Beschwerdeführerin rügt, liegen nicht vor: Die Behauptung, die notwendigen Dimensionen würden nicht eingehalten werden, wird in diesem Zusammenhang nicht näher ausgeführt. Mit der Frage der Entlüftung hat sich der landwirtschaftliche Sachverständige ausführlich auseinandergesetzt; dem hält die Beschwerdeführerin nur entgegen, daß "keine entsprechende Entlüftungsanlage" bestehe. Gleiches gilt hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin behaupteten Lärmbelästigung. Weiters ist nicht erkennbar, warum die eingeholten Gutachten "unspezifisch" und "nicht nachvollziehbar überprüfbar" seien; die Beschwerdeführerin hat hier konkrete Darlegungen unterlassen, wie sie auch schon im Verwaltungsverfahren den Ausführungen des Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist.

Soweit sich Beschwerdeausführungen gegen den Vorstellungsbescheid vom 19. Juli 1993 richten, ist ihnen entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführerin diesen Bescheid unbekämpft ließ. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist aber der Vorstellungsbescheid vom 22. Juni 1994.

Somit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994050234.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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