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L10018 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt VorarlbergNorm
AVG §18 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des A B in B (Schweiz), vertreten durch Mag. David Rosenberger, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Marktstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 16. Mai 2019, LVwG-318- 24/2019-R15, betreffend Versagung einer Baubewilligung und Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde Brand; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Gemeinde Brand hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom 23. Jänner 2018 ersuchte der Revisionswerber um Erteilung der Baubewilligung für die Überdachung eines Holzplatzes auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG B. 2 Mit als "Bescheid" bezeichneter Erledigung vom 1. September 2018 wurde die beantragte Baubewilligung gemäß § 28 Abs. 3 des Vorarlberger Baugesetzes (BauG) versagt (Spruchpunkt I.) und gemäß § 40 Abs. 3 BauG die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes unter Einhaltung näher bezeichneter Auflagen aufgetragen (Spruchpunkt II.).
3 Diese Erledigung enthält auf ihrer ersten Seite im Kopf die Bezeichnung "Gemeindeamt B...", weiters den Spruch, aus dem eine bescheiderlassende Behörde nicht ersichtlich ist, im Folgenden die Begründung, in der ebenfalls keine bescheiderlassende Behörde genannt ist, und auf der zweiten Seite die Rechtsmittelbelehrung, wonach eine Berufung beim Gemeindeamt B. einzubringen wäre, sowie die Fertigungsklausel "Der Vize-Bürgermeister", darunter die maschinschriftliche Beifügung des Namens samt Unterschrift R. S., den Stempel der Gemeinde B., den Beglaubigungsvermerk sowie die Zustellverfügung.
4 Die dagegen erhobene Berufung des Revisionswerbers wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde B. vom 28. Jänner 2019 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene "Bescheid" mit einer sich auf den Spruchpunkt II. beziehenden Maßgabe bestätigt.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der gegen diesen Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge gegeben und der angefochtene Berufungsbescheid mit einer sich auf die zitierten gesetzlichen Bestimmungen beziehenden Maßgabe bestätigt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei. 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden bzw. das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig aufheben.
7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt. Die weitere Partei erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision erweist sich angesichts der Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung zum Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Bescheidcharakter einer Erledigung als zulässig.
9 Der Revisionswerber bringt im Wesentlichen vor, dass die als "Bescheid" bezeichnete Erledigung vom 1. September 2018 vom Vizebürgermeister der Gemeinde B. erlassen worden sei, obwohl in derartigen Angelegenheiten der Bürgermeister die zuständige Behörde sei. Die Erledigung sei im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung als Nichtbescheid zu qualifizieren und die Gemeindevertretung sowie das Verwaltungsgericht hätten ihre funktionelle Zuständigkeit überschritten, indem sie über Rechtsmittel gegen diesen "Bescheid" meritorisch entschieden hätten. Das angefochtene Erkenntnis sei daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf:
10 Gemäß § 18 Abs. 4 in Verbindung mit § 58 Abs. 3 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung, insbesondere auch jeder Bescheid, die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß § 18 Abs. 3 AVG genehmigt worden ist.
11 Die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung vermag nach Rechtsprechung und Lehre (vgl. z.B. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, Rz 438 ff.) nur dann Rechtswirkungen zu entfalten, wenn sie einer bestimmten Behörde zurechenbar ist. Für den Bescheidcharakter einer Erledigung ist es daher wesentlich, dass ihr die bescheiderlassende Behörde (und nicht bloß der betreffende Rechtsträger oder Organwalter) bei objektiver Betrachtung entnommen werden kann. Für einen meritorischen Abspruch über eine Berufung gegen eine Erledigung, die keine Bescheidqualität hat, ist die Berufungsbehörde nicht zuständig (vgl. zum Ganzen VwGH 19.12.2012, 2011/06/0114).
12 Ob eine Erledigung einer bestimmten Behörde bzw. welcher Behörde sie zuzurechnen ist, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anhand des äußeren Erscheinungsbildes, also insbesondere anhand des Kopfes, Spruches, der Begründung, der Fertigungsklausel und der Rechtsmittelbelehrung, also nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Die Behörde, der die Erledigung zuzurechnen ist, muss aus der Erledigung selbst hervorgehen (vgl. VwGH 12.12.2017, Ra 2016/05/0065).
13 Wie sich aus § 50 Abs. 1 BauG ergibt, ist der Bürgermeister, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, Baubehörde erster Instanz. Gemäß § 62 Abs. 3 Vorarlberger Gemeindegesetz hat der Vizebürgermeister den Bürgermeister bei dessen Verhinderung oder bei Erlöschen seines Amtes in allen dem Bürgermeister obliegenden Aufgaben zu vertreten.
14 Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine Erledigung des zur Vertretung des Bürgermeisters berufenen Vizebürgermeisters dem Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz zuzurechnen ist, wenn sich aus der betreffenden Erledigung eindeutig ergibt, dass der Vizebürgermeister als Baubehörde erster Instanz eingeschritten ist, etwa wenn einleitend ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass "die Baubehörde als I. Instanz (Vizebürgermeisterin ...)" entscheide (vgl. dazu etwa VwGH 27.2.2019, Ra 2019/05/0044, und VwGH 12.12.2017, Ra 2016/05/0065, jeweils mwN). In solchen Fällen führt das Unterlassen des Zusatzes "im Auftrag" oder "i.V." bei der Fertigung der erstinstanzlichen Erledigung durch den Vizebürgermeister nicht zur absoluten Nichtigkeit der Ausfertigung (vgl. erneut VwGH 12.12.2017, Ra 2016/05/0065, mwN). 15 Zu der Erledigung vom 1. September 2018 ist auszuführen, dass weder aus dem Kopf dieses Schreibens ("Gemeindeamt B...") noch aus den übrigen Ausführungen oder aus der Fertigung ("Der Vize-Bürgermeister: ...") erkennbar ist, welcher Behörde diese Erledigung zuzurechnen ist, zumal dem Vizebürgermeister selbst keine Behördenfunktion und damit auch keine Bescheidkompetenz zukommt. Die Erledigung vom 1. September 2018 ist daher ungeachtet ihrer Bezeichnung kein Bescheid.
16 Die Gemeindevertretung der Gemeinde B. war somit nicht zu einem meritorischen Abspruch über die gegen die Erledigung vom 1. September 2018 erhobene Berufung befugt, sodass das Verwaltungsgericht den vor ihm angefochtenen Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde B. vom 28. Jänner 2019 wegen Unzuständigkeit hätte aufheben und die Berufung zurückweisen müssen.
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 17 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
18 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 20. April 2020
Schlagworte
BehördenbezeichnungBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle ErfordernisseFertigungsklauselEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019060136.L00Im RIS seit
02.06.2020Zuletzt aktualisiert am
02.06.2020