Entscheidungsdatum
05.04.2020Index
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §7 Abs2 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Zotter über die Beschwerde der Frau A. B. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 21.10.2019, Zl. …, in einer Angelegenheit des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
I.
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Leistung ab 1.1.2020 458,67 Euro beträgt.
II.
Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die der Beschwerdeführerin ursprünglich bis 30.04.2021 bewilligte Mindestsicherung ab 01.11.2019 mit monatlich 442,73 Euro neu bemessen. Dies wird damit begründet, dass am 17.10.2019 der Lebensgefährte bei der Beschwerdeführerin eingezogen sei, der über eine monatliche Alterspension von 885,47 Euro verfüge. Aufgrund dieser geänderten Verhältnisse sei die Mindestsicherung neu zu bemessen gewesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe am 17.10.2019 vorschriftsmäßig gemeldet, dass ab 17.10.2019 in ihren Wohnverhältnissen insofern eine Änderung eingetreten sei, als ab diesem Tag Herr C. D. ihr Mitbewohner sei. Eine Partnerschaft im Sinne des gemeinsamen Wirtschaftens und einer Geschlechtsgemeinschaft finde nicht statt und sei auch nicht geplant gewesen. Es gebe eine strikte Kostentrennung und würde in getrennten Räumen geschlafen. Im Zuge eines Telefonates mit einem Vertreter der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin klar gelegt, dass Herr D. nicht ihr Lebensgefährte sei. Das Formular über die Änderungsmeldung lasse eine andere Angabe nicht zu. Wenn die Behörde hier eine Vermutung aufstelle, wonach Herr D. der Lebensgefährte sei, so sei es zulässig, diese zu wiederlegen. Es habe im Zuge des Gesprächs eine individuelle Beratung nicht stattgefunden. Die Beschwerdeführerin sei mit dem angefochtenen Bescheid stark benachteiligt worden, da Herr D. mit einem fiktiven Mindeststandard berücksichtigt worden sei, obwohl er keinen Anspruch habe. Der Bedarf zum Lebensunterhalt und Wohnen werde durch den neuen Mitbewohner für die Beschwerdeführerin nicht geringer, da ein Synergieeffekt durch die strikte Kostentrennung bestenfalls neutral und in Bezug auf die Mietkosten gering ausfallen würde, sich Herr D. an den Mietkosten beteiligen werde.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
Die Beschwerdeführerin gab Folgendes zu Protokoll:
„Ich wohne in der gegenständlichen Wohnung in der E.-straße schon seit 1987. Es handelt sich um eine Hauptmiete. Die Wohnung ist eine Gemeindewohnung. Die Wohnung hat 47 m² und besteht aus 2 Zimmern, Bad, Küche und WC. Bei den beiden Wohnräumen handelt es sich um ein Kabinett und ein Wohnzimmer. Ich schlafe im Kabinett, das als Schlafzimmer eingerichtet ist und zwar mit einem Einzelbett. Herr D. schläft im Wohnzimmer auf einem Klappbett. Herr D. ist am 17.10.2019 in die Wohnung eingezogen und habe ich das umgehend der MA 40 gemeldet. Herr D. war an dieser Anschrift schon zuvor einige Jahre lang mit einer Postadresse gemeldet. Er hat aber in dieser Zeit dort nicht gewohnt. Er hat sich nur in bestimmten Abständen die Post geholt. Wo Herr D. gewohnt hat, weiß ich nicht. Was die Wohnung anlangt, bildet die Küche einen eigenen Raum, der mit einer Küchenausstattung eingerichtet ist (Kühlschrank, Gasherd und so weiter). Im Badezimmer steht eine Waschmaschine und das WC ist in einem Einzelraum untergebracht. Die angeführten Räume sind von einem kleinen Vorzimmer aus erreichbar und gibt es auch noch einen kleinen Abstellraum. Herrn D. habe ich schon vor Jahren über gemeinsame Bekannte kennengelernt. Wir haben uns auch zwischendurch wieder aus den Augen verloren.
Herr D. ist im Oktober 2019 an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich ihn anmelde und ob er bei mir einziehen kann und zwar auf unbestimmte Zeit, bis er etwas Eigenes findet. Als Grund hat er angegeben, dass er dort wo er gewohnt hat, nicht bleiben könne. Wo er sich aufgehalten hat, weiß ich wie gesagt nicht. Ich habe ihm zugesagt aber unter der Bedingung, dass wir getrennte Haushaltsführung machen. Die Miete und die Betriebskosten sowie sonstige laufende Kosten werden weiterhin von mir alleine bezahlt (Strom, Heizung und so weiter). Herr D. braucht also nichts beizusteuern, da ich die Kosten ja ohnehin auch hätte. Als er eingezogen ist, hat er seine Kleidung mitgebracht und einen Fernseher. Was die Verwendung der Küche anlangt, ist es so, dass Herr D. meist auswärts isst. Im Kühlschrank haben wir jeder ein Fach in dem wir unsere eigenen Sachen unterbringen. Einmal in der Woche wasche ich die Wäsche und bei dieser Gelegenheit wasche ich auch die Sachen von Herrn D. mit. Die Oberbekleidung bringt er in die Reinigung. Seinen Fernseher hat Herr D. im Wohnzimmer in Verwendung. Ich habe ein eigenes Fernsehgerät im Kabinett. Was die Größe des Kabinetts anlangt, kann ich das schwer schätzen. Es befinden sich darin ein Einzelbett, ein Schreibtisch und eine Kommode, wo ich meine Sachen untergebracht habe. Herr D. hat seine Kleidung in einem Schrank im Wohnzimmer. Bettwäsche wird auch von mir im Wohnzimmer aufbewahrt.
Wir sehen hin und wieder gemeinsam Fern. Herr D. ist hin und wieder auch einige Tage nicht in der Wohnung. Wenn er da ist dann tun wir wie gesagt fernsehen oder wir unterhalten uns. Im Krankheitsfall würden wir uns gegenseitig unterstützen. Mit gemeinsamen Bekannten treffen wir uns selten. Befragt wie ich meine Alltag gestalte: Ich unternehme nicht sehr viel. Ich treffe hin und wieder eine Bekannte, die bei uns in der Anlage wohnt. Herr D. begleitet mich nicht zu ihr, er kennt sie nicht. Herr D. teilt mir nicht mit, wo er sich aufhält, wenn er nicht da ist, das interessiert mich nicht. Er ist mir dankbar, dass er bei mir wohnen kann. Der Grund, warum ich Herrn D. bei mir aufgenommen habe liegt darin, dass ich ihn schon so lange kenne. Ich habe wie gesagt keine Kenntnis davon, wo Herr D. sich vor seinem Einzug bei mir aufgehalten hat. Es interessiert mich nicht und habe ich mich auch nicht danach erkundigt, warum er bei mir eine Postanschrift benötigt hat.
Ich habe die Änderungsmeldung am 17.10.2019 mit der Post an die MA 40 geschickt. Befragt warum ich dort Herr D. als Lebensgefährten eingetragen habe und auch eine Nachweis über seine Pension mitgeschickt habe: Ich habe geglaubt, dass dieser Nachweis für Mitbewohner erforderlich ist. Es hieß ja immer man soll bei Änderungen alles genau mitschicken. Am 21.10.2019 hat mich dann der Referent angerufen und mich darauf angesprochen, dass bei mir jetzt ein Lebensgefährte eingezogen ist. Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht weiß wie man das nennen kann. Der Referent sagte mir, dass ich alles richtig gemacht habe und hat er mich eine Tag später noch einmal angerufen und einen Ausweis von Herrn D. verlangt, sowie die Bekanntgabe der Vermögensverhältnisse. Ich habe ihm gesagt, dass kein Vermögen vorhanden ist. Den Ausweis habe ich übermittelt. Auf dem Formblatt war nur Ehegatte oder Lebensgefährte vorgesehen. Ich habe Ehegatte durchgestrichen und ist dann Lebensgefährte übrig geblieben obwohl ich ja Mitbewohner angekreuzt habe.
Herr D. beabsichtigt eine Gemeindewohnung zu bekommen. Dafür braucht er allerdings 2 Jahre lang eine Meldeanschrift in Wien. Vermutlich will er diese Frist bei mir abwarten.“
Herr C. D. sagte als Zeuge einvernommen Folgendes aus:
„Ich bin mit der Beschwerdeführerin befreundet. Ich kenne sie schon seit ca. 20 Jahren und zwar über gemeinsame Bekannte. Ich bin seit Mai 2018 in Pension. Davor war ich arbeitslos und habe Notstandshilfe bezogen. Ich bin am 17.10.2019 in die Wohnung von Frau B. gezogen. Davor hatte ich keine eigene Wohnung und habe ich mich in verschiedenen Wohnungen aufgehalten. Ursprünglich habe ich bei meinem Vater gewohnt. Als dieser Mitte der 90er Jahre ins Pensionistenheim gekommen ist habe ich gedacht, dass ich diese Wohnung bekomme. Das war aber nicht der Fall, weil er das Geld aus der Wohnung benötigt hat und hatte ich seitdem keine Wohnung. In der Folge habe ich bei verschiedenen Personen gewohnt und diese wollten nicht, dass ich mich anmelde. Ich habe bei der Miete etwas ausgeholfen und wäre es möglich gewesen hätte ich mich natürlich angemeldet. Der Grund warum ich Mitte Oktober 2019 bei Frau B. eingezogen bin war, dass ich an meinem Aufenthaltsort nicht bleiben konnte. Außerdem benötigte ich eine Meldeanschrift, weil ich nun endlich selbst eine Gemeindewohnung erlangen will. Ich brauche ja auch etwas zum Übernachten. Derzeit habe ich noch keine Wohnung in Aussicht. Ich bin nicht der Lebensgefährte von Frau B., wir sind nur befreundet. Die Wohnung besteht aus Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad und WC. Ich schlafe auf der ausziehbaren Couch im Wohnzimmer. Frau B. schläft im Schlafzimmer in einem Einzelbett. Beim Einzug habe ich Kleidung und einen Fernseher sowie einen PC mitgebracht. Was die Benützung der Küche anlangt ist es so, dass ich meistens auswärts esse. Ansonsten kann ich die Küche mitbenutzen. Meine Wäsche wird von Frau B. mitgewaschen. Die Oberbekleidung gebe ich in die Reinigung.
Was den Tagesablauf anlangt bin ich einerseits nicht immer in der Wohnung. Ich bin auch öfter über Nacht weg. Wenn ich in der Wohnung bin dann tuen wir gemeinsam Fernsehen oder surfen oder uns unterhalten. Mit gemeinsamen Bekannten gehen wir eher selten weg. Wenn Frau B. einkaufen geht und sie mir etwas mitnimmt zahle ich das. Manchmal helfe ich ihr auch bei den Einkäufen. Ich mache mich auch bei der Hausarbeit nützlich. Frau B. verlangt von mir keinen Beitrag für die Miete. Ich gebe ihr hin und wieder freiwillig etwas in die Kaffeekassa. Wir haben ca. die gleichen Mittel zur Verfügung. Befragt warum wir uns die Miete dann nicht teilen: Das weiß ich eigentlich gar nicht so genau. Ich habe doch einen Lebenswandel, der einen gewissen Aufwand erfordert, sodass ich keine freien Mittel habe. Ich bringe mich eben auf andere Weise ein, indem ich im Haushalt helfe, Einkaufen gehe oder kleinere Reparaturen in der Wohnung machen würde, wenn etwas anfiele.
Bei der Meldung an die MA 40 habe ich mitgewirkt. Wir haben noch gerätselt was wir hier ankreuzen sollen, weil Ehegatte und Lebensgefährte zur Auswahl stand. Wir haben meinen Pensionsnachweis mitgeschickt, damit man sieht, dass ich keinen Anspruch habe. Der Referent der MA 40 hat mich zweimal angerufen und er hat meine Vermögensverhältnisse verlangt. Vorerst hat er mit Frau B. gesprochen und dann mit mir selbst. Nachdem wir den Bescheid bekommen haben habe ich bei der MA 40 angerufen, da ich damit nicht gerechnet hatte, dass Frau B. auf einmal weniger Geld bekommt.
Ich habe erst kurz vor meinem Umzug erfahren, dass ich an meinem vorigen Platz nicht bleiben konnte.“
Aufgrund der aufgenommenen Beweise steht nachfolgender Sachverhalt fest:
Die Beschwerdeführerin bewohnt seit 02.10.1987 eine Mietwohnung in Wien, E.-straße (Gemeindewohnung). Die Wohnung besteht aus Vorraum, Bad/WC, Küche, Wohnzimmer und Kabinett. Die Gesamtfläche beträgt 47m2, die monatliche Miete 260,57 Euro. Die 1954 geborene Beschwerdeführerin ist einkommenslos und bezieht Mindestsicherung als Dauerleistung. Am 17.10.2019 ist Herr C. D., geboren 1953, in die Wohnung der Beschwerdeführerin übersiedelt. Wo er sich zuvor aufgehalten hat, ist nicht bekannt. Von 02.12.2014 bis 17.10.2019 hatte er an der Anschrift der Beschwerdeführerin eine Postadresse und war laut Auskunft des Melderegisters obdachlos. Bad, WC und Küche werden von der Beschwerdeführerin und Herrn D. gemeinsam genutzt. Die Beschwerdeführerin schläft im Kabinett, Herr D. im Wohnzimmer. Herr D. hilft der Beschwerdeführerin im Haushalt (kleinere Reparaturen, Einkäufe erledigen und so weiter). In der Freizeit sehen die Beschwerdeführerin und Herr D. gemeinsam fern oder betätigen sich am Computer. Herr D. verfügt über einer Alterspension in Höhe von 885,47 Euro für das Jahr 2019 und von 917,35 Euro ab 1.1.2020. Bei seinem Einzug hat Herr D. ein Fernsehgerät und Bekleidung mitgebracht, sonst keine Einrichtungsgegenstände. Die Wäsche wird gemeinsam von der Beschwerdeführerin gewaschen, soweit es sich nicht um Oberbekleidung handelt, die Herr D. in die Reinigung bringt. Am 18.10.2019 hat die Beschwerdeführerin mit dem Formblatt Änderungsmeldung der belangten Behörde bekannt gegeben, dass seit 17.10.2019 Herr C. D. ihr neuer Mitbewohner ist. Unter der Rubrik Einkommensverhältnis des Lebensgefährten wurde sein Pensionseinkommen angeführt. Der Änderungsmeldung ist der Nachweis über den Alterspensionsbezug und eine Meldebestätigung angeschlossen.
Diese Feststellungen ergeben sich was die Meldedaten und die Wohnanschriften der Beteiligten anlangt, aus den im Akt einliegenden Unterlagen. Was die Gestaltung des Zusammenlebens der Beschwerdeführerin und des Herrn D. anlangt stützen sich die Angaben auf die Aussagen in der mündlichen Verhandlung. In der unmittelbaren persönlichen Wahrnehmung hinterließen sowohl die Beschwerdeführerin als auch Herr D. den Eindruck, ihre Angaben so gewählt zu haben, dass daraus keine Lebensgemeinschaft abzuleiten ist. Insofern angegeben wurde, dass alle Einkäufe getrennt erfolgen, wird dem nicht gefolgt, da Herr D. an anderer Stelle dementgegen angab, seinen Beitrag zur Bestreitung des Wohnungsaufwandes durch das Erledigen von Einkäufen zu leisten.
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) lauten:
Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs
§ 7.
(1) Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs haben volljährige Personen bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und 2. Der Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs kann nur gemeinsam geltend gemacht werden und steht volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zu. Die Abdeckung des Bedarfs von zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen Personen erfolgt durch Zuerkennung des maßgeblichen Mindeststandards an die anspruchberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft, der sie angehören.
(2) Die Zurechnung zu einer Bedarfsgemeinschaft erfolgt nach folgenden Kriterien:
1.
Volljährige Personen, zwischen denen keine unterhaltsrechtliche Beziehung oder Lebensgemeinschaft besteht, bilden jeweils eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie mit anderen Personen in der Wohnung leben (Wohngemeinschaft), sofern nicht Z 2, 4 oder 5 anzuwenden ist.
2.
Volljährige Personen, zwischen denen eine Ehe besteht oder volljährige Personen, zwischen denen eine eingetragene Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft besteht und die im gemeinsamen Haushalt leben, bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie mit einem Eltern- oder Großelternteil in der Wohnung leben.
Mindeststandards
§ 8.
(1) Die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs erfolgt auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs. 2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten.
(2) Die Mindeststandards für den Bemessungszeitraum von einem Monat betragen:
1.
100 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG abzüglich des Betrages für die Krankenversicherung
a)
für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 leben (Alleinstehende);
2.
75 vH des Wertes nach Z 1 für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die mit anderen Personen in einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 2) leben.
Anrechnung von Einkommen und sonstigen Ansprüchen
§ 10.
(1) Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen. Bei der Berechnung der Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs von mehreren Personen, die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, erfolgt die Bemessung für die Bedarfsgemeinschaft. Dabei ist auf die Summe der heranzuziehenden Mindeststandards die Summe der Einkommen aller anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen, sofern nicht § 7 Abs. 3 anzuwenden ist. Das Einkommen eines Elternteils, einer Ehegattin, eines Ehegatten, einer eingetragenen Partnerin, eines eingetragenen Partners, einer Lebensgefährtin oder eines Lebensgefährten, die nicht anspruchsberechtigt sind, ist jeweils in dem Maß anzurechnen, das 75 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG abzüglich des Beitrages für die Krankenversicherung übersteigt.
Die maßgeblichen Bestimmungen der WMG-VO lauten:
§ 1.
Mindeststandards, Grundbeträge zur Deckung des Wohnbedarfs und Geringfügigkeitsgrenze
(1) Für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die in einer Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 WMG leben (Alleinstehende), beträgt der Mindeststandard EUR 885,47 (ab 1.1.2020 EUR 917,35).
(3) Für volljährige Personen ab dem vollendeten 25. Lebensjahr, die mit
anderen Personen in einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensge-
meinschaft (Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 WMG) leben, beträgt
der Mindeststandard EUR 664,10 (ab 1.1.2020 EUR 688,01)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff Haushaltsgemeinschaft so zu verstehen, dass ein Hilfesuchender mit einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt lebt. Das bedeutet, dass der Hilfesuchende mit anderen Personen gemeinsam lebt und wirtschaftet. Dieser Umstand ist auch bei einer Lebensgemeinschaft gegeben. Nach der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes besteht das Wesen einer Lebensgemeinschaft in einem eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen die Geschlechts-, Wohnungs- und vor allem die Wirtschaftsgemeinschaft, wobei aber, wie auch bei einer Ehe, das eine oder andere Merkmal weniger ausgeprägt sein oder ganz fehlen kann. Es kommt hierbei regelmäßig auf die Gesamtumstände des Einzelfalles an, wobei der Wirtschaftsgemeinschaft nach der Rechtsprechung überragende Bedeutung zukommt. Der Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft ist so zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen, etwa auch die Freizeit weitgehend gemeinsam verbringen. Bei der Annahme einer gemeinsamen Wirtschaftsführung ist auf einen gemeinsamen Einkauf und eine gemeinsame Haushaltsführung sowie auf eine gemeinsame Freizeitgestaltung sowie eine gegenseitige Hilfe im Krankheitsfall sowie eine Unterstützung und Zusammenhalt in praktisch allen Lebenslagen abzustellen.
Der im Gesetz angeordneten Berücksichtigung des Partnereinkommens liegt offenkundig die Annahme zugrunde, dass der Partner wegen der Lebens-(Wohn-) Gemeinschaft auch zum gemeinsamen Wirtschaften, zumindest zum Teil beträgt (VwGH 14.11.2012, 2010/08/0118) als ja nicht jeder für sich die Kosten seiner Lebensführung alleine und unabhängig vom anderen trägt, sondern durch wechselseitigen Beistand, Hilfe und Unterstützung, gemeinsame Haushaltsführung, Einkauf, Freizeitgestaltung etc. Synergieeffekte und Erleichterungen bzw. Entlastungen für den jeweils anderen entstehen.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist im Beschwerdefall aus folgenden Gründen davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin und Herr D. in einer Lebensgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 2 Z. 2 WMG leben. Wie sich aus der zitierten Rechtsprechung ergibt, liegt eine solche auch dann vor, wenn eines der maßgeblichen Elemente – wie im Beschwerdefall die Geschlechtsgemeinschaft - zur Gänze fehlt. Unter den festgestellten Lebensumständen ist hingegen das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft anzunehmen. Dafür sprechen – abgesehen von den beengten Wohnverhältnissen, die eine getrennte Lebensführung nur schwer ermöglichen – die festgestellten Umstände, wonach an den Gütern des anderen insofern Teilhabe besteht, als Herr D. keine eigenen Einrichtungsgegenstände mitgebracht hat und diese daher gemeinsam genutzt werden, Herr D. seinen Beitrag zur Bestreitung des Wohnungsaufwandes durch Mithilfe im gemeinsamen Haushalt leistet (kleinere Reparaturen, Einkäufe erledigen), die Wäsche (außer Oberbekleidung) gemeinsam gereinigt wird und auch eine gemeinsame Freizeitgestaltung sowie die gegenseitige Unterstützung im Krankheitsfall erfolgt. Insofern entstehen auch im Beschwerdefall jene Synergieeffekte und Erleichterungen, die eine Berücksichtigung des Partnereinkommens, wie sie das Gesetz bei einer Lebensgemeinschaft vorsieht, rechtfertigen. Von einem völlig getrennten Wirtschaften und daher dem Vorliegen einer bloßen Wohngemeinschaft ist sohin nicht auszugehen, sondern vom Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft, der bei der Beurteilung derartiger Lebensverhältnisse eine überragende Bedeutung zukommt.
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass im Beschwerdefall seit dem angeführten Zeitpunkt eine Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 WMG vorliegt. Dementsprechend waren die Mindeststandards gemäß § 8 Abs. 2 Z 2 zu addieren und das anrechenbare Einkommen (Pension von Herrn D.) von der Summe der Mindeststandards abzuziehen. Dies ergibt den von der belangten Behörde ermittelt Anspruch auf Mindestsicherung. Ab 1.1.2020 war die Leistung entsprechend der höheren Alterspension und der erhöhten Mindeststandards zu berechnen.
Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Mindestsicherung; Haushaltsgemeinschaft; Lebensgemeinschaft; Wirtschaftsgemeinschaft; Bedarfsgemeinschaft;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.141.028.15663.2019Zuletzt aktualisiert am
29.05.2020