TE Bvwg Beschluss 2019/11/18 W148 2165587-1

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Veröffentlicht am 18.11.2019
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Entscheidungsdatum

18.11.2019

Norm

AVG §64 Abs2
BaSAG §118 Abs1
BaSAG §3 Abs1
BaSAG §50 Abs1 Z2
BaSAG §58 Abs1 Z10
B-VG Art. 133 Abs4
FMABG §22 Abs2a
VwGVG §22 Abs2
VwGVG §22 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W148 2165587-1-1/6Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Stefan KEZNICKL als Vorsitzenden sowie die Richterin MMag. Dr. Esther SCHNEIDER und den Richter Dr. Gert WALLISCH als Beisitzer in dem Verfahren über die Beschwerde der XXXX GmbH, vertreten durch Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in 1010 Wien, gegen den Vorstellungsbescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) in ihrer Funktion als Abwicklungsbehörde vom 02.05.2017, FMA-AW00001/0044-AWV/2016, beschlossen:

A)

Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den Vorstellungsbescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) in ihrer Funktion als Abwicklungsbehörde vom 02.05.2017, FMA-AW00001/0044-AWV/2016, wird ausgeschlossen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und unstrittiger Sachverhalt:

I.1. Die XXXX GmbH (im Folgenden: "Beschwerdeführerin") ist mit Guthaben auf folgenden bei der HETA ASSET RESOLUTION AG (in weiter Folge "HETA"), vormals Hypo Alpe-Adria-Bank International AG, geführten Konten Gläubigerin der HETA: Konto mit der Kontonummer XXXX in Höhe von EUR XXXX , Konto mit der Kontonummer XXXX in Höhe von EUR XXXX sowie Konto mit Kontonummer XXXX in Höhe von EUR XXXX jeweils zum Stichtag 01.03.2015 (die Höhe entspricht jeweils lediglich dem nominellen Buchwert).

I.2. Mit Mandatsbescheid der FMA vom 10.04.2016, FMA-AW00001/0044-AWV/2016, stellte die FMA in ihrer Funktion als Abwicklungsbehörde gemäß § 3 Abs. 1 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (BaSAG) das Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen im Falle der HETA fest und ordnete gemäß § 50 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 iVm § 58 Abs. 1 BaSAG für die HETA und sämtliche Gläubiger Maßnahmen an - im Wesentlichen einen Schuldenschnitt von 100% für alle nachrangigen Verbindlichkeiten, einen Schuldenschnitt um 53,98% auf 46,02% für alle berücksichtigungsfähigen vorrangigen Verbindlichkeiten, Streichung aller Zinszahlungen ab 01.03.2015 und eine Vereinheitlichung der Fälligkeiten aller berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten auf 31.12.2023.

I.3. Infolge einer von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung erließ die FMA den im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Vorstellungsbescheid vom 02.05.2017, FMA-AW00001/0044-AWV/2016, und ordnete in dessen Spruchpunkt I. an, dass die Posten des harten Kernkapitals (Spruchpunkt I.1) sowie der Nennwert der Instrumente des Ergänzungskapitals (Spruchpunkt I.2) jeweils einschließlich der bis zum 28.02.2015 aufgelaufenen Zinsen auf null (herab-)gesetzt werden.

In Spruchpunkt II. wurde verfügt, dass der Nennwert der von Spruchpunkt I.2 nicht erfassten nachrangigen Verbindlichkeiten der HETA jeweils einschließlich der bis zum 28.02.2015 aufgelaufenen Zinsen ebenfalls auf null (Spruchpunkt II.1) und der Nennwert oder der ausstehende Restbetrag der restlichen gemäß § 86 BaSAG berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten der HETA jeweils einschließlich der bis zum 28.02.2015 aufgelaufenen Zinsen auf einen Betrag iHv 64,40 von Hundert des jeweiligen zum 01.03.2015 bestehenden Nennwertes oder des ausstehenden Restbetrages samt der bis zum 28.02.2015 aufgelaufenen Zinsen (Spruchpunkte II.2 und im Wesentlichen auch II.3) herabgesetzt wird. Dies betrifft gemäß Spruchpunkt II.2.5 ("täglich fällige Konten") insbesondere die Bankguthaben der Beschwerdeführerin, weil die oben genannte Bankkonten dort (unter BPOS 2.2.) mit Nummer und Betragshöhe zum Stichtag angeführt sind.

In Spruchpunkt III. ordnete die Abwicklungsbehörde an, dass der Zinssatz auf berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten der HETA und relevante Kapitalinstrumente der HETA gemäß § 50 Abs. 1 Z 2 iVm § 58 Abs. 1 Z 10 BaSAG mit Wirkung ab 01.03.2015 auf null gesetzt werde (Spruchpunkt III.1.) und dass die Fälligkeit der von der HETA ausgegebenen Schuldtitel und der anderen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten oder ausstehenden Restbeträge, die bereits zum 01.03.2015 bestanden, jeweils einschließlich der bis zum 28.02.2015 aufgelaufenen Zinsen gemäß § 50 Abs. 1 Z 2 iVm § 58 Abs. 1 Z 10 BaSAG dahingehend geändert würden, dass sie mit dem Auflösungsbeschluss nach § 84 Abs. 9 BaSAG, jedoch spätestens am 31.12.2023 eintrete. Dies umfasse alle berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten iSd § 2 Z 71 BaSAG oder ausstehenden Restbeträge der HETA, insbesondere jene, die entweder vom Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 03.07.2015, GZ: G239/2014 u.a.; V 14/2015 u.a., erfasst seien oder deren Fälligkeit ansonsten seit dem 01.03.2015 bereits eingetreten wäre oder in Zukunft eintreten würde (Spruchpunkt III.2.).

Mit Ausnahme der in Spruchpunkt V. genannten Rechte wurden mit Spruchpunkt IV. die mit den bestehenden Anteilen und anderen Eigentumstiteln der HETA iSd § 2 Z 61 BaSAG verbundenen Rechte und Pflichten - wie insbesondere das Recht auf Gewinnbeteiligung (§§ 53 ff AktG), das Bezugsrecht (§§ 153 ff AktG) sowie das Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös (§ 212 AktG) - gelöscht.

Mit Spruchpunkt V. sprach die Abwicklungsbehörde aus, dass die FMA die Kontrolle über die HETA übernehme und sämtliche mit den Anteilen und anderen Eigentumstiteln verbundenen Verwaltungsrechte - wie insbesondere das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung (§§ 102 ff AktG), das Stimmrecht (§ 12 AktG) sowie das Auskunfts- und Antragsrecht (§§ 118 und 119 AktG) - ausübe.

In den Spruchpunkten VI. und VII. wies die FMA sonstige Anträge der Parteien in den Vorstellungen beziehungsweise Stellungnahmen ab.

I.4. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 29.05.2017 rechtzeitig Beschwerde, der zu diesem Zeitpunkt per Gesetz keine aufschiebende Wirkung zukam, und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid in Spruchpunkt II.2.5 dahin abändern, dass die genannten Konten der Beschwerdeführerin nicht vom Vorstellungsbescheid erfasst sind.

I.5. Am 20.09.2019 stellte die FMA einen Antrag auf Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde. Der VfGH habe die Bestimmung im FMABG, wonach Beschwerden gegen Bescheide der FMA generell keine aufschiebende Wirkung zukomme, aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31.08.2019 in Kraft trete, sodass seit 01.09.2019 wieder die allgemeine Rechtslage des VwGVG gelte, wonach Beschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfalten.

Aus § 118 Abs. 1 BaSAG sowie den Erläuterungen dazu ergebe sich, dass im Falle der Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen Beschwerden keine aufschiebende Wirkung zukommen solle, weil dem Aufschub der Vollstreckbarkeit zwingende öffentliche Interessen entgegenstünden. Diese Wertung ergebe sich auch aus den unionsrechtlichen Regelungen.

Die von der FMA ausgeübte Bankenaufsicht sei eine Wirtschaftsaufsicht im öffentlichen Interesse, die der Wahrung der Stabilität des Finanzmarkts diene. Durch den Ausfall der HETA seien konkrete unmittelbare Gefahren für die Kontinuität kritischer Funktionen, für die Finanzstabilität, für die geschützten Einleger und Anleger, für die Gelder und Vermögenswerte der Kunden sowie für die öffentlichen Mittel aufgrund der notwendigen Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung entstanden. Diese Gefahren hätten nicht nur die HETA, sondern vielmehr möglicherweise die Stabilität des Finanzsystems insgesamt betroffen. Es sei daher im zwingenden öffentlichen Interesse, dass der Beschwerde weiterhin keine aufschiebende Wirkung zukomme.

I.6. Der Antrag wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28.10.2019, das am 29.10.2019 im elektronischen Verfügungsbereich des Vertreters einlangte, übermittelt und dieser eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung für eine allfällige Stellungnahme gewährt.

Bis zum Entscheidungszeitpunkt ist keine Stellungnahme eingegangen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zum anwendbaren Recht:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Über Beschwerden gegen Bescheide der FMA entscheidet gemäß § 22 Abs. 2a FMABG das Bundesverwaltungsgericht durch Senat. Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Materialen zu dieser Bestimmung (BlgNR 2008 24. GP, S. 3f) sind davon unter anderem auch Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung umfasst.

Der VwGH hat jedoch im Erkenntnis vom 05.09.2018, Ra 2018/03/0056, zur vergleichbaren Regelung des § 44a Abs. 2 PMG ausgeführt, dass eine Bestimmung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für die Dauer eines Rechtsmittelverfahrens ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems stützendes Element und damit als ein der Entscheidung in der Sache dienender akzessorischer Akt anzusehen ist, weil damit eine Sicherung des mit der Endentscheidung angestrebten Zweckes bewirkt wird, um zu vermeiden, dass einem Rechtsmittel der mögliche Erfolg und dem Rechtsschutzsystem die Effizienz genommen wird. Die in § 9 Abs. 1 BVwGG dem Vorsitzenden zugewiesene Aufgabe, das Verfahren bis zur Verhandlung zu führen, wobei die dabei erforderlichen Beschlüsse keines Senatsbeschlusses bedürfen, betrifft nach dieser Rechtsprechung nur die der Entscheidung in der Hauptsache vorangehenden Beschlüsse und damit lediglich die in der Hauptsache zu treffende Entscheidung. Dies erfasst laut oben zitiertem Erkenntnis jene Angelegenheit, worüber die Post-Control-Kommission als die dort vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde zuvor ihre Entscheidung gefällt hat, nicht aber die im Rahmen eines "Zuerkennungssystems" dazu tretende besondere Frage der dem Verwaltungsgericht vorbehaltenen Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz. Diese Überlegungen des VwGH sind sinngemäß auch auf die gegenständliche Konstellation übertragbar, sodass Senatszuständigkeit vorliegt.

II.2. Zu Spruchpunkt A:

Nach § 22 Abs. 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Es kann nun dahingestellt bleiben, ob - wovon die FMA offensichtlich ausgeht - § 22 Ab. 2 VwGVG (auch) ein Antragsrecht der Parteien über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung normiert, da die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde § 22 Abs. 2 VwGVG unstrittig von Amts wegen ausgeschlossen werden kann. Wenn die aufschiebende Wirkung von Amts wegen erlassen werden kann, so kann der Antrag der FMA auch als eine bloße Anregung verstanden werden und das Bundesverwaltungsgericht kann auch auf Basis dieser amtswegig tätig werden (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/07/0038).

§ 22 Abs. 2 FMABG sah in der zur Zeit der Erlassung des Vorstellungsbescheids und Erhebung der Beschwerde geltenden Fassung vor, dass Beschwerden gegen Bescheide der FMA ausgenommen in Verwaltungsstrafverfahren keine aufschiebende Wirkung zukommt, worauf die FMA in ihrer Rechtsmittelbelehrung auch hingewiesen, jedoch naturgemäß nicht im Spruch abgesprochen hat. Die aufschiebende Wirkung konnte jedoch auf Antrag durch das Bundesverwaltungsgericht zuerkannt werden. Diese Bestimmung hat der VfGH mit Erkenntnis vom 02.03.2018, G 257/2017, aufgehoben und angeordnet, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31.08.2019 in Kraft tritt.

Im gegenständlichen Fall wurde kein Antrag auf aufschiebende Wirkung nach § 22 Abs. 2 FMABG aF gestellt und demzufolge auch kein Beschluss über diese Frage gefasst. Es ist aufgrund dieser neuen Rechtslage und dem Antrag beziehungsweise der Anregung der FMA daher zu prüfen, ob die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen werden soll, um in dieser Frage Rechtssicherheit zu schaffen.

Im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde ist die Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden Bescheides selbst und somit das diesbezügliche Beschwerdevorbringen nicht zu überprüfen. Vielmehr ist, wenn das in der Beschwerde erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht von vornherein als zutreffend zu erkennen ist, zunächst von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen. Demnach wäre selbst die wahrscheinliche Rechtswidrigkeit des Bescheides kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Lediglich Beschwerden gegen offenkundig rechtswidrige Bescheide, wenn also der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potentieller, sondern ein evidenter ist, wäre die aufschiebende Wirkung zu gewähren (vgl. VwGH 25.07.2019, Ra 2019/14/0339; 24.05.2013, AW 2013/17/0007; 30.11.2011, AW 2011/04/0036; 24.06.2011, AW 2011/17/0024; 06.07.2010, AW 2010/17/0027; 17.11.2000, AW 2000/17/0037). Eine derart offenkundige Rechtswidrigkeit liegt im konkreten Fall ausgehend vom Akteninhalt und dem Beschwerdevorbringen nicht vor.

Nach § 22 Abs. 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Dabei ist anders als nach der zu § 64 Abs. 2 AVG ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, wonach für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides maßgeblich sei, auch auf Sachverhaltsänderungen nach Erlassung des Bescheides Bedacht zu nehmen. Die Entscheidung ist daher an Hand der im Zeitpunkt der Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu treffen. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Vorliegen von Gefahr in Verzug nicht an Hand hypothetischer, in der Vergangenheit vorgelegener Umstände, sondern nur unter Berücksichtigung der aktuell gegebenen Verhältnisse beurteilt werden kann. Auch § 22 Abs. 3 VwGVG, der für den Fall der Änderung der maßgeblichen Verhältnisse die Möglichkeit der Abänderung einer bereits getroffenen Entscheidung über die aufschiebende Wirkung vorsieht, deckt diese Annahme (VwGH 29.04.2019, Ro 2018/20/0013).

Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei beziehungsweise gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll. Voraussetzung für den Ausschluss der einer Beschwerde grundsätzlich zukommenden aufschiebenden Wirkung ist daher eine nachvollziehbare Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen der Verfahrensparteien, aus der sich ebenso nachvollziehbar ergibt, dass für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung nicht ausgeschlossen wird, gravierende Nachteile für das öffentliche Wohl eintreten würden beziehungsweise gravierende Nachteile für eine Partei, die jene Nachteile deutlich überwiegen, die bei nicht verfügtem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde anderen Verfahrensparteien entstehen würden (zum inhaltsgleichen § 13 Abs. 2 VwGVG: VwGH 05.09.2018, Ra 2017/03/0105; 11.04.2018, Ro 2017/08/0033).

§ 118 Abs. 1 BaSAG regelt, dass § 22 Abs. 2 FMABG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass für die Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen die widerlegbare Vermutung gilt, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingenden öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Auch wenn § 22 Abs. 2 FMABG, auf den § 118 Abs. 1 BaSAG verweist, aufgrund der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, bleibt der zweite Satz dieser Vorschrift dennoch beachtlich und ist sinngemäß auch auf die Regelung des § 22 Abs. 2 VwGVG anzuwenden, wie sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 118 Abs. 1 BaSAG (ErläutRV 361 BlgNR, 25. GP, 22) ergibt:

"Mit Abs. 1 wird Art. 85 Abs. 4 UAbs. 1 der Richtlinie 2014/59/EU umgesetzt. Gemäß Erwägungsgrund 90 der Richtlinie dienen Krisenmanagementmaßnahmen der Bewältigung äußerst dringlicher Situationen, weshalb durch die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung die Kontinuität kritischer Funktionen beeinträchtigt werden könnte. Entsprechend der unionsrechtlichen Vorgabe des Art. 85 Abs. 4 UAbs. 1 der Richtlinie sieht Abs. 1 bezüglich eines Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vor, dass § 22 Abs. 2 FMABG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Entscheidung einer Krisenmanagementmaßnahme Anlass zur widerlegbaren Vermutung gibt, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingenden öffentlichen Interessen zuwiderlaufen würde."

Diese Ausführungen zeigen, dass der Gesetzgeber - auch vor dem unionsrechtlichen Hintergrund - davon ausgeht, dass Krisenmanagementmaßnahmen der Bewältigung äußerst dringlicher Situationen dienen, weshalb durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Kontinuität kritischer Funktionen beeinträchtigt werden könnte. Im Anwendungsbereich des BaSAG geht der Gesetzgeber folglich von der Vermutung aus, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Der Verweis auf § 22 Abs. 2 FMABG und nicht auf § 22 Abs. 2 VwGVG beruht lediglich darauf, dass zu dieser Zeit die Vorschrift des § 22 Abs. 2 VwGVG (beziehungsweise auch des § 13 Abs. 2 VwGVG) auf Bescheide der FMA subsidiär und daher nicht anwendbar war. Es ist insbesondere vor dem Hintergrund der in den Erläuterungen angesprochenen unionsrechtlichen Verpflichtung jedoch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nunmehr einen anderen Wertungsmaßstab anlegen würde.

Auch die Ausführungen zur Einführung des § 22 Abs. 2 FMABG, in der zur Zeit der Erlassung der Entscheidung und Erhebung der Beschwerde noch gültigen Fassung, legen eindeutig dar, dass in den von der FMA zu vollziehenden Rechtsmaterien regelmäßig das Interesse am Vollzug des angefochtenen Bescheids überwiegt. Das wird insbesondere mit der erhöhten Effektivität und sofortigen Durchsetzungsfähigkeit im Hinblick auf den hoch volatilen Verwaltungsgegenstand und die europäische Harmonisierung der Regulierungsverwaltung in Finanzaufsichtsangelegenheiten begründet, da diesen Bedürfnissen die allgemeinen Regelungen nicht gerecht würden (ErläutRV 2196 BlgNR, 24. GP, 3f).

Ebenso hat auch der Verfassungsgerichtshof in seiner § 22 Abs. 2 FMABG aufhebenden Entscheidung in Punkt 2.3.1. der Entscheidungsgründe festgehalten, dass er nicht übersehe, dass es zahlreiche Sachverhalte gebe, in denen das öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung eines Bescheides der Finanzmarktaufsichtsbehörde das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen überwiege. Dabei sei auch der unionsrechtliche Regelungszusammenhang zu beachten, welcher unter Umständen ein rasches Tätigwerden der nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörde - im Rahmen des sowohl Unionsorgane als auch nationale Organe umfassenden Aufsichtsmechanismus - gebieten könne.

Ausgehend davon sowie - da in der Beschwerde keine offenkundige Rechtswidrigkeit aufgezeigt wurde - der Annahme der FMA, dass die BRRD auf die HETA anwendbar sei, ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung aufgrund der BRRD geboten. Deren Art. 85 Abs. 4 lit. a regelt, dass die Einlegung eines Rechtsmittels nicht die automatische Aussetzung der Wirkung der angefochtenen Entscheidung bewirkt. Lit. b leg.cit. bestimmt, dass die Entscheidung der Abwicklungsbehörde sofort vollstreckbar ist und Anlass zu der widerlegbaren Vermutung gibt, dass eine Aussetzung ihrer Vollstreckung dem öffentlichen Interesse zuwiderliefe. Im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 22 Abs. 2 VwGVG iVm § 118 Abs. 1 BaSAG ist daher davon auszugehen, dass der erhobenen Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommen kann, da die Entscheidung der Abwicklungsbehörde sofort vollstreckbar zu sein hat.

Unabhängig vom dargestellten Willen des Unions- bzw. österreichischen Gesetzgebers fällt auch eine Abwägung zugunsten der öffentlichen Interessen aus: Die von der FMA ausgeübte Bankenaufsicht, worunter auch die Abwicklung von Kreditinstituten fällt, ist eine Wirtschaftsaufsicht im öffentlichen Interesse, die neben dem Schutz der Einleger primär dem klaglosen Funktionieren des Bankwesens und dem Vertrauen in den Kapitalmarkt, somit der Wahrung der Stabilität des Finanzmarkts dient (vgl. VwGH 24.05.2013, AW 2013/17/0007; 17.03.2010, AW 2010/17/0004; 29.11.2013, 2013/17/0199).

Wie die FMA in ihrem Antrag ausführt, entstanden durch den Ausfall der HETA konkrete und unmittelbare Gefahren für die Kontinuität kritischer Funktionen, für die Finanzstabilität, für die geschützten Einleger und Anleger, für die Gelder und Vermögenswerte der Kunden sowie für die öffentlichen Mittel aufgrund einer notwendigen Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung. Diese Gefahren betrafen nicht nur die HETA selbst, sondern konnten erhebliche negative Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems insgesamt haben, da eine Ansteckung beispielsweise anderer Institute oder Marktinfrastrukturen zu befürchten war. In einem eng verflochtenen Finanzsystem wie dem österreichischen sind solche Ansteckungseffekte ohne ein rasches Tätigwerden der Abwicklungsbehörde zu erwarten, wodurch die Marktdisziplin verloren gehen und sich die geschilderten Gefahren verwirklichen würden.

Diese vom erkennenden Senat als grundsätzlich zutreffend angesehenen Erwägungen treffen auch nach wie vor zu, zumal bei Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die von der FMA angeordneten Gläubigerbeteiligungen beziehungsweise das Moratorium keine Wirkung entfalten würden und die Abwicklung der HETA gefährdet wäre. Das hätte wiederum aufgrund des eng verflochtenen österreichischen Finanzsystems erhebliche Auswirkungen auf die Stabilität des gesamten Finanzmarkts, zumal eine Ansteckung anderer Institute oder Marktinfrastrukturen zu befürchten wäre. Dabei handelt es sich um gravierende Nachteile des öffentlichen Wohls. Nur durch die Abwicklung der HETA nach den Bestimmungen des BaSAG konnten und können die Fortführung der kritischen Funktionen der HETA für das SEE-Netzwerk, die Sicherstellung der Finanzstabilität in den Mitgliedstaaten (insbesondere Kroatien), erhebliche negative Auswirkungen auf die Finanzstabilität in Österreich sowie die Vermeidung der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sichergestellt werden.

Nach § 22 Abs. 2 VwGVG sind diesen öffentlichen Interessen in einer Abwägung den Interessen anderer Parteien gegenüber zu stellen. Die Beschwerdeführerin hat trotz Aufforderung zur Stellungnahme überdies keine Interessen geltend gemacht, die einem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen könnten. Auch sonst sind keine Interessen anderer Parteien ersichtlich, die für eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden. Betroffen sind im gegenständlichen Fall im Wesentlichen die Anteilseigner und Gläubiger der HETA. Deren Interessen bestehen beispielsweise darin, werthaltige Kapitalinstrumente innezuhaben, Forderungen bei Fälligkeit in ungekürzter Höhe beglichen zu erhalten oder allfällige Kündigungsrechte ausüben zu können. Die angeordneten Abwicklungsmaßnahmen berühren daher das Eigentumsrecht der Anteilseigner und Gläubiger der HETA und dessen autonome Ausübung. Diese Interessen sind jedoch angesichts der oben geschilderten möglichen Gefahren für den gesamten Finanzmarkt im Falle eines Aufschubs der Gläubigerbeteiligung und des Moratoriums nicht geeignet, die oben näher dargelegten zwingenden öffentlichen Interessen zu überwiegen und die gesetzliche Vermutung des § 118 Abs. 1 BaSAG zu widerlegen (siehe ähnlich bereits in Parallelverfahren zu Anträgen nach § 22 Abs. 2 FMABG: BVwG 01.08.2017, W210 2166047-1 ua; 04.08.2016, W204 2130953-1).

Eine Abwägung der Interessen ergibt zusammengefasst, dass eine sofortige Vollstreckbarkeit der Anordnungen der FMA als Abwicklungsbehörde zur Abwehr der konkreten und unmittelbaren Gefahren für die geschützten öffentlichen Interessen die Interessen der Anteilseigner und Gläubiger der HETA überwiegt. Darüber hinaus sind aufgrund der Umstände im Abwicklungsfall die geschützten öffentlichen Interessen als zwingende öffentliche Interessen zu qualifizieren, weshalb die Interessen der Anteilseigner und Gläubiger der HETA und deren Bedürfnis nach vorläufigem Rechtsschutz durch eine aufschiebende Wirkung ihrer Rechtsmittel unabhängig von dieser Interessenabwägung in den Hintergrund zu treten haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

II.3. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen, wozu auf die oben zitierte Judikatur verwiesen werden kann. Zudem ist die Entscheidung über die Zuerkennung beziehungsweise Aberkennung (Ausschluss) der aufschiebenden Wirkung das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde diese Interessenabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (aus der ständigen Rsp VwGH 30.07.2019, Ra 2019/05/0114). Auch aus diesem Grund war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abwicklung, aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Fälligkeit, Finanzmarktaufsicht, Gefahr im Verzug,
Interessenabwägung, Mandatsbescheid, öffentliche Interessen,
Schulden, Schuldenregulierungsverfahren, Vorstellungsbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W148.2165587.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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